Eine Schülerin, die sich in eine Mitschülerin verliebt, ein Schüler, der sich in seinen Freund vom Sport verliebt, das ist so nicht vorgesehen.
Weder von ihnen selbst oder den Klassenkameraden noch von Eltern, Lehrer_innen oder anderen. Die Betroffenen stehen damit meist alleine da,
mal schüchtern oder ängstlich, oft sprachlos und in sich selbst zurückgezogen." Ich und schwul? Das kann nicht sein. Das sind doch nur die Anderen. Ich bin doch ganz normal!" So denken viele und sagen nichts.
Als ich noch Pfarrerin in einer Gemeinde in Frankfurt am Main und Religionslehrerin an einer Gesamtschule war, sind im Laufe der Zeit einige Schüler_innen zu mir gekommen, denen es so ging und die nicht mehr weiter wussten. Ich habe über diese Erfahrungen einen Artikel geschrieben, der jetzt in einem ganz neuen Buch zum Thema "Homosexualität und Schule" veröffentlicht worden ist. Manuela Breckenfelder hat es herausgegeben.
Schüler_innen, mit denen ich gesprochen habe, haben sich vor negativen Kommentaren in der Klasse oder im Sportverein gefürchtet, oder sie sorgten sich um die Reaktion ihrer Eltern. So ging es auch Marc (Pseudonym). Er war glücklich verliebt... aber in einen Jungen. Am liebsten hätte er der ganzen Welt gezeigt, dass er Schmetterlinge im Bauch hat. Aber er traute sich nicht. So wie Marc geht es vielen Jugendlichen. Schließlich kam er nach dem Religionsunterricht zu mir und bat mich um ein vertrauliches Gespräch. Es sollte nicht bei einem bleiben. Ich habe ihm zugehört, mit ihm gesprochen, ihn ermutigt und gestärkt: "Du bist gut, so wie du bist!", habe ich ihm gesagt.
Und: "Du hast dich verliebt. So einfach ist das. Wo die Liebe hinfällt, kann man nicht mit Logik erklären, sondern nur mit dem Herzen. Denn Liebe lässt sich nicht definieren, in Schubladen pressen und etikettieren!" Nach einigen Gesprächen mit Marc habe ich mit seinen Eltern gesprochen.
Zuerst waren sie geschockt, haben sich gefragt, was sie falsch gemacht haben in ihrer Erziehung. Es hat eine Weile gedauert, bis sie mit ihrem Sohn ruhig reden und seine Liebe akzeptieren konnten. Das Beratungsgespräch mit der Pfarrerin hat dabei geholfen.
Nach meiner Seelsorgeerfahrung an der Schule brauchen die Jugendlichen jemanden, der ihnen zuhört, der sie ernst nimmt, sie nicht sofort bewertet oder bedrängt, wenn sie sich "anders" verlieben, als es gesellschaftlich vorgesehen ist. Respekt, Achtsamkeit und offene Herzen sind gefragt und die deutliche Zusage, dass die Jugendlichen gut sind, so wie sie sind, gleichgültig in wen sie sich verlieben und was daraus werden wird.
Die Schulseelsorge kann dafür ein wichtiges Beratungsangebot sein, da sie jenseits von Noten und streng vertraulich angeboten wird. Aber auch Vertrauenslehrer_innen, Klassenslehrer_innen und Sozialpädagogig_innen an Schulen übernehmen diese Aufgabe. Das wichtigste ist, dass die Jungendlichen nicht verurteilt oder ihnen hektische Therapiemaßnahmen verschrieben werden. Wichtig ist auch, dass die Jugendlichen zu Themen rund um Liebe und Sexualität aufgeklärt werden. Faktenwissen und ethische Klarheit sollten unaufgeregt und achtsam vermittelt werden.
Denn Sexualität ist ein Ausdruck von Liebe und Zärtlichkeit, christlich gesprochen: eine gute Gabe Gottes, ein Geschenk. Für die Jugendlichen ist es notwendig zu lernen, dass es dafür klare Regeln braucht: Gegenseitiges Einverständnis, Achtsamkeit, Unversehrtheit, Gewaltfreiheit und die Einsicht, dass Grenzen eingehalten werden müssen, die von den Beteiligten gesetzt werden. Diese Grundsätze müssen Jugendliche erklärt bekommen, genauso wie sie über sexuelle Vielfalt Aufklärung brauchen. Nur so können Jugendliche als selbstbewusste und verantwortungsbewusste Persönlichkeiten heranwachsen, die ihren Gefühlen trauen und keine Angst vor Mobbing, Verleumdung oder gar Diskriminierung haben.
Das christliche Menschenbild ist hier eindeutig: Du bist gut, so wie du bist! Jeder Mensch ist einzigartig, nach Gottes Ebenbild geschaffen und von Gott gesegnet, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Alter und sexueller Orientierung.