Sonnencreme, Holzlöffel, Martin Luther King und zwei starke Frauen
Wegen ein bisschen zu viel Sonnencreme erfahre ich in der Regionalbahn von Essen nach Dortmund, warum es die beiden starken Frauen, die mir gegenüber sitzen, zum Kirchentag verschlagen hat.

"Möchte jemand was von meiner Sonnenmilch abhaben?" Beim Eincremen hab ich mal wieder zu viel aus der Tube gedrückt und nun weiß ich nicht wohin damit, schließlich sitze ich gerade in der Regionalbahn von Essen nach Dortmund. Nicht gerade der optimale Ort, um sich einzucremen, ich gebe es zu.

Die rothaarige Dame im knalltürkisen Kleid mir gegenüber streckt die Hand aus: "Ja gerne." Claire Hoffmann aus Mühlheim an der Ruhr ist Sozialpädagogin im Ruhestand. Sie fährt zum Stand der Tauerbegleitung mit dem wohlklingenden Namen www.denloeffelabgeben.de der Uniklinik Essen. Die Palliativstation läuft unter der Schirmherrschaft des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes und des Hospiz- und PalliativVerbandes NRW.

Dort ist sie seit elf Jahren tätig und man kann sich kaum vorstellen, welche Lebensgeschichten sie dort hört und verarbeiten muss. Berufsbedingt ist sie einiges gewohnt, doch ab und zu geht auch sie zu den angebotenen professionellen Mediationen.

Eigentlich ist sie aber scharf auf Großveranstaltungen, deshalb hat sie sich auch zum Standdienst auf der Messe in Halle 4 gemeldet. Dort kommen die Mitarbeiter mit den Besuchern ins Gespräch über die Holzlöffel. Darauf dürfen Sätze und Bilder geschrieben werden, dann werden sie mit Magneten an einen Koffer befestigt und so zu einem kleinen Kunstwerk drapiert. Nach dem Motto: "Wenn ich meinen Löffel abgeben muss... Worauf bin ich stolz, was will ich als Botschaft hinterlassen?" 

Ein gigantisches Gefühl

Eher zufällig "über die Zeitung" ist Claire zur ehrenamtlichen Arbeit gekommen. So ging es auch Sabine Böhnel aus Leipzig. Sie habe ich schon am Bahnsteig kennengelernt, als wir mit Koffern von Gleis zu Gleis hetzten. Die besonnende Frau erzählt, dass sie sich auf eine Zeitungsannonce gemeldet hat, wo Chorsänger für das  Chormusikal Martin Luther King gesucht wurden. Seit 30 Jahren hatte sie nicht mehr im Chor gesungen und dann ging sie einfach zu der Chorprobe unter der Leitung des Gospelchors in der Thomaskirche.

Ein zusammengewürfelter Chor probte an zehn Terminen die Stücke ein, dann die Hautprobe in Hagen, die Generalprobe am Mittwoch auf dem Kirchentag und am Donnerstag der krönende Aufrtitt in der Westfalenhalle vor 8.000 Menschen. Sabines Augen strahlen. Dabei war das eigentlich gar nicht geplant, dass sie beim Kirchentag mitsingt, aber von den zwei Veranstaltungen, die sie auswählen durfte, war dann halt eine Dortmund.

Das Konzert war gigantisch, das Gefühl in dem 2.000 Mann und Frau starkem Chor eine Stimme zu sein berauschend, und es hat sie glücklich gemacht, dass auch noch 22.000 Euro für einen guten Zweck, die Wasserversorgung in Kenia, gesammelt wurden.

Noch glücklicher ist sie, dass sie wieder singt. Bald wird sie sich wieder in einem Chor anmelden. Vielleicht steht sie ja bald mit dem Gospelchor in der Thomaskirche auf der Bühne. Ganz im Geiste von Martin Luther King. "I have a dream".