Europa-Union Deutschland – das klingt nach einem Ableger der deutschen Unionsparteien.
„Falsch“, sagt Kirsten Eink, Landesgeschäftsführerin des überparteilichen Vereins mit bundesweit 17.000 Mitgliedern. „Wir sind das Original, uns gab es schon 1946 und damit vor der CDU.“ Die Europa-Union will nur mehr Bürgerbeteiligung, verfolgt selbst kein besonderes politisches Interesse.
In einem Saal des Konzerthauses Dortmund sind zwei Tischgruppen aufgebaut. Darauf die Hinweisschilder: „Riese oder Zwerg – Europas Rolle in der Welt“. Und: „Geld regiert die Welt – Wirtschaft und Soziales in der EU“. In einem anderen Stockwerk soll auch in kleiner Runde über Klima und Nachhaltigkeit diskutiert werden – sowie über Werte und Zusammenhalt in der EU.
Wie geht das? Werden Klugscheißer und Besserwisser das Gespräch dominieren? Was soll es überhaupt bringen, über so abstrakte Dinge zu diskutieren?
Am Tisch über die Außenpolitik der EU stellen sich zwei Experten: Vera Dwors, die entwicklungspolitische Referentin für das Eine-Welt-Netz NRW. Und Oliver Schwarz, Politikwissenschaftler an der Uni Duisburg. 45 Minuten wird debattiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erweisen sich als erstaunlich informiert und versiert. Man lässt einander ausreden, baut auf den Beiträgen der Vorredner auf. Soweit funktioniert das Gespräch.
Zunächst dominiert der politikwissenschaftliche Experte. Aber seine sehr klaren Vorstellungen verfangen nicht. Die Laien übernehmen. Man redet über die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten, den Brexit, die Rechtspopulisten in Ungarn und Polen. Es wird deutlich: Die Europäer am Tisch, auch die beiden Experten, haben einen sehr begrenzten Horizont. Zum arabischen Raum, dem afrikanischen Kontinent, dem pazifischen Handelsraum und zu Lateinamerika fällt niemandem etwas ein.
Schnell kommt die Debatte auf eine gemeinsame europäische Armee – als wäre das schon europäische Außenpolitik. Bis jemand einwendet: Wollen wir denn unsere wirtschaftlichen Interessen mit einer Armee durchsetzen? Oder ist nicht ein Kontinent viel attraktiver für den Rest der Welt, der zwar eine einheitliche Handelspolitik betreibt, aber ansonsten wegen unterschiedlicher nationaler Interessen nur wenig gemeinsam hinbekommt – einen wirtschaftspolitischen Giganten und außenpolitischen Zwerg?
So viel steht fest: In Debatten wie dieser kann man an seiner Zielvorstellung arbeiten, was für ein Europa man sich wünscht.
Am Nachbartisch geht es um die Macht des Geldes. Die Experten: Ein Lobbyist der chemischen Industrie und eine grüne EU-Abgeordnete. Erst wird der Lobbyist in die Zange genommen, dann richtet sich das Interesse darauf, was die Politik für mehr Transparenz machen sollte – etwa im Umgang mit Lobbyisten.
Auf einmal beginnen Diskutanten die Verantwortung der Bürger für eine gelingende Politik in den Blick zu nehmen: Sie können sich informieren und müssten es auch tun. Dennoch können sie nicht immer alles im Blick behalten. Schließlich geht es auch um die Rolle der Medien – die in Großbritannien durch Fehlinformationen über die EU beträchtlich zum Brexit beigetragen haben.
Ergebnis: So sehr auch manches im Argen ist - in Europa leben wir doch in einem relativ gut funktionierenden Rahmen. Auch hier hilft das 45-minütige Gespräch, die eigene Meinung zu schulen.
Wie sonst, wenn nicht so, schafft man mehr Bürgerbeteiligung? Das Konzept der Europa-Union wirkt eigentlich ganz schlüssig. Vor allem gegen Ende blieben einige Plätze an den Tischen frei. Schade, dass sich nicht noch mehr Interessierte fanden.