Klimawandel, Trump, Rechtspopulismus, Insektensterben, Demokratiekrise, Hass im Netz – es sind die Schlagworte unserer Zeit und sie führen nicht gerade zu mehr Zuversicht.
Heribert Prantl ist ehemaliges Mitglied der Chefreaktion der Süddeutschen Zeitung. Doch vor allem polternde Stimme mit rollendem „R“ für den moralischen Anstand in Politik und Gesellschaft. Eigentlich soll er das Publikum ermutigen und macht ihm erstmal ordentlich Angst. Als hätte es nicht ohnehin schon genug!
„Das Sommergefühl 2019 ist nicht wohlig, sondern bang“, versucht Prantl das ungute, bedrückende Gefühl zu beschreiben, das viele Menschen in Deutschland erfasst zu haben scheint.
„Wir liegen mit unserem Ohr an der Schiene wie der Indianer im Western, wir hören etwas summen. Der Zug ist noch nicht da, aber er kommt unaufhaltsam auf uns zu“, führt er aus. Als Heizer im Kessel macht Prantl die Populisten aus: „Sie sind keine Populisten, sondern populistische Extremisten!“
"Man muss sich fürchten"
Er warnt eindringlich davor, auf die Angstmacher zu hören. Stattdessen sollten die Menschen nach denen Ausschau halten, die Menschlichkeit verkörpern, die gegen Zerstörung und Fanatismus und für Respekt und die Freiheit des Glaubens eintreten.
In schlimmen Zeiten habe man die Wahl, sagt Prantl. Man könne den Glauben aufgeben, sich in den Zynismus flüchten und angesichts des Klimawandels guten Roten von 2019 lagern und einen SUV kaufen. Oder – und endlich beginnt er mit der Ermutigung – etwas Neues wagen, den Kopf heben.
Prantl appelliert daran, lähmende Angst in produktive Furcht zu verwandeln: „Man muss sich fürchten vor Kriegen, Altersarmut und unbezahlbaren Mieten, Klimawandel. Aber man kann etwas dagegen tun, man kann die Ursachen bekämpfen, wenn der Wille da ist.“
Das Allheilmittel gegen Angst ist für Prantl natürlich nicht Abschottung und Rückzug in sichere Räume, Echokammern und social bubbles, sondern die Begegnung mit anderen Menschen. „Das war, das ist und bleibt die Pfingsterfahrung. Wären die Jünger hocken geblieben, hätten sie die Ohren zugehalten vom Brausen, die Flammen ausgepustet und die Türen verriegelt: es gäbe kein Christentum!“ – Das sitzt.
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“, sagt Prantl und beginnt mit der großen Geisterbeschwörung. Er appelliert an den Geist der Solidarität („Man wird das 21. Jahrhundert einmal daran messen, wie es mit den Flüchtlingen umgegangen ist.“), den Geist der Besonnenheit („Denken ist besser als twittern!“) und den Geist des Widerstands gegen Rassismus, Nationalismus, Entsolidarisierung, Ökonimisierungsexzesse und Datensammelwahnsinn.
„Es geht darum, fruchtbar, nicht furchtbar mit der Angst umzugehen!“
Er beschwört den schöpferischen Geist der Pfingstbotschaft. Und er beschwört einen ganz konkreten Geist. Den eines ehemals ängstlichen Mädchens mit Panikattacken und sozialen Problemen, das heute die Gallionsfigur im Kampf gegen den Klimawandel ist: Greta Thunberg.
Er nimmt sie als Beispiel dafür, aufzustehen und seine Ängste zu nutzen. Prantl möchte die Angst nicht verteufeln, sondern, dass die Menschen sie als Antrieb nutzen. „Einfach zu fordern, dass man keine Angst haben darf, wäre einigermaßen blöd. Es gibt kein angstfreies Leben.“ Weihnachts-, Oster-, und Pfingstbotschaft wollen die Angst nicht wegbefehlen. „Es geht darum, fruchtbar, nicht furchtbar mit der Angst umzugehen!“
„Der kleine Widerstand ist besser als das Surfen mit dem Zeitgeist und dem Ungeist.“ Mit kleinem Widerstand meine er nicht Umsturz und Gewalt, betont er, sondern Sitzblockade oder Kirchenasyl. „Der kleine Widerstand muss geleistet werden, damit der große entbehrlich bleibt.“
Als Beispiel nennt er den Widerstand der nicht gerade widerstandstüchtigen Kirchen gegen den Kreuzerlass des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). „Das Kreuz ist kein religiöses Hirschgeweih“, ruft Prantl. Mit solchen Sätzen zieht er das Publikum endgültig auf seine Seite, das jetzt immer erregter wird, häufiger applaudiert und bei den kernigeren Zitaten laut auflacht. Seine Rede ist pathetisch und vielleicht sogar ein wenig populistisch - das sagt er in der anschließenden Diskussion selbst. Aber er versteht es, die Menschen mitzureißen. Bei einer Stunde Rede ist das eine beachtliche Leistung.
„Machen wir den Kirchentag zu einem Tag der Widerständigkeit, der Hoffnung und des Muts!“, ruft Prantl dem Publikum am Ende kämpferisch zu. „Die Kraft der Hoffnung ist die Kraft gegen die Angst!“ Dröhnender Applaus. Ein Geist von Ermutigung weht von der Bühne und hebt die Menschen aus ihren Sitzen – standing ovations, minutenlang. Auftrag erfüllt.