In Dortmund fühle ich mich jung. Hier duzt mich jeder. Vermutlich ist das die kumpelhafte Seite Dortmunds, denke ich mir. Dafür sind die Leute hier aber auch lauter als ich es in Frankfurt am Main gewohnt bin. Und in der U-Bahn sitzen Männer im Blaumann, die Zigaretten hängen lässig im Mundwinkel und warten darauf, entflammt zu werden. Beim nächsten Halt. Da steige ich aus.
Zwischen "Hau den Lukas"-Hammerschlägen und viel Zuckerwatte lächeln mich Jugendliche an. Gut sichtbar halten sie ihr Schild mit der Aufschrift "Kein Durchgang. Nur Anwohner" in die Höhe. Sie winken mich weiter. Die Sonne brennt auf der Haut. Vereinzelt gibt es öffentliche Wasserspender; man hat Hydranten mit Wasserhähnen versehen. Meine Schritte folgen dem Strom der anderen, bis ich schließlich vor der Reinoldikirche mitten in Dortmund stehe. Ich gehe ins Gotteshaus. Das mache ich, wenn es die Zeit zulässt, als erstes, wenn ich neu in einer Stadt bin. Ein Türbogen, zugemauert, kommt mir in den Blick. Ich verharre, meine Gedanken schweifen in die Vergangenheit: Warum wurde der Weg abgeschnitten? Ein Kriegsschaden? Ich weiß es nicht. Dann gehe ich weiter und lasse mich auf der Kirchenbank nieder. Einfach mal tief Luft holen und durchatmen.
"Gott gibt meinem Atem Kraft", schallt es wenige Minuten später beim Eröffnungsgottesdienst über den Hansaplatz. Alles ist besinnlich und recht ruhig. Allein ein Sicherheitsmann durchbricht mit seiner Stimme die Stille unter alten Bäumen. Ein paar Straßenzüge weiter rattern Kinder wagemutig in Kisten eine Rollenrampe hinunter. Gelächter hallt durch die Gasse. Plötzlich stehe ich vor einer Fotobox. Sie ist gerade besetzt. Wer aber will, darf einen Talar anprobieren, sich damit fotografieren lassen und sich damit fühlen, wie ein/e Vikar*in der ersten Stunde.
Vorbei an der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. NRW" soll man schätzen, wie viele rechtsextreme Gewalttaten in den vergangenen fünf Jahren in Dortmund begangen wurden. Die Antwort gibt es vor Ort. Ein paar Ecken weiter fragt eine junge Frau "Wie viel kostest ein Castortransport?" in die Runde. "30 Millionen Euro", hallt es zurück. Es ist die richtige Antwort. Kirchentag ist immer politisch und dieses Mal auch sportlich. Wer will, kann sich austoben. Auf einer Wiese. Getanzt wird zur Musik. Und Würstchen gibt es sowieso, gegrillt mit fairer Kohle. Und für den kleinen Hunger gibt es Bibel-Riegel und auch "Kaffee to go". Eine Besonderheit ist die kleine Kneipe in der Stadt mit dem Slogan: "Beer to go!"
"Angelt euch euren Segen", lese ich in blauen Lettern. Mein Fisch ist rot. Mein Segensspruch lautet: "Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus" (Philipper 4,7) Das ist schön. Das lässt mich ruhig werden. Vorbei am "Pavillon der Guten Nachrichten", steige ich am Hauptbahnhof in die S1 und fahre 40 Minuten ins Hotel nach Essen. Ich klappe meinen Laptop zu und freue ich mich schon jetzt auf morgen.