Die Frage der Woche, Folge 115: Tafel-Essen nur für Deutsche?
Dass der Tafel in Essen als Lösung für ihre Überforderung einfällt, erstmal Ausländer auszuschließen, ist ein Warnzeichen: Rechtsextremistische Denkmuster sind auf dem Vormarsch.

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

dass die Essener Tafel ihre Überforderung mit Nationalismus zu lösen versucht hat, wird zu Recht von vielen Seiten kritisiert. Drei Viertel der Bedürftigen an der Essener Tafel haben keinen deutschen Pass, deswegen will die Tafel keine weiteren Ausländer aufnehmen. "Nachfragen hätten ergeben, dass sich gerade ältere Nutzerinnen von der Vielzahl junger, fremdsprachiger Männer an den Ausgabestellen abgeschreckt fühlten", wurde der Vorsitzende der Essener Tafel zitiert. Es steht außer Frage, dass der Ausschluss nach Nationalität die falsche Antwort darauf ist.

Bedenklich daran sind zwei Dinge. Erstens: Nationalismus als Antwort auf ein Problem zu nutzen, dass nichts mit Nationalität zu tun hat, zeigt, wie sehr sich rechtsextremistische Denkmuster wieder in die Mitte der Gesellschaft vorgearbeitet haben. Die Lösung sei berechtigt, wenn die Situation vor Ort für die Ehrenamtlichen "nicht mehr anders händelbar" ist, erklärte der Vorsitzende des Tafel-Dachverbandes Jochen Brühl.

Aber jemanden aufgrund seiner Nationalität von akuter Hilfe auszuschließen, ist nie "berechtigt". Es ist problematisch. Dass die Menschen Hunger haben, die zur Tafel kommen, ändert sich nicht, egal welchen Pass sie haben. Wenn überhaupt ein Kriterium angelegt werden muss, weil die Ressourcen einer Tafel begrenzt sind, sollte es Bedürftigkeit sein. Auch darüber kann man lange diskutieren, wie das dann gehen sollte, aber das hat wenigstens etwas mit der konkreten Lage zu tun.

Zweitens: Bedenklich ist, dass die Zahl der Hilfesuchenden offensichtlich mit dem Zuzug von mehr Menschen so sehr gestiegen ist. Die Deutschen, die in Essen nicht mehr zur Tafel gehen, sind vermutlich nicht weniger hifebedürftig geworden, sonst würde die Tafel nicht davon sprechen, sie würden verdrängt. Es kommen also mehr Menschen zur Tafel in Essen. Dass sie das überhaupt müssen, ist der zweite Skandal hier. Die Verlagerung von Grundsicherung ins Private deutet darauf hin, dass die Grundsicherung für Menschen, die in Deutschland leben, entweder zu niedrig ist oder - gerade im Falle von Geflüchteten mit schlechten Sprachkenntnissen - bürokratisch schwierig zu bekommen ist.

Der Tafel in Essen hilft das alles erstmal nicht. Die Entscheidung vor Ort ist auch ein Hilferuf. Konkret lässt sich das Problem dort nur mit mehr Unterstützung von Freiwilligen und Spendern lösen: Mehr Andrang braucht mehr Ressourcen. Mittelfristig müssen Sozial- und Wirtschaftspolitiker im Bundestag und den Gemeinden einen Weg finden, die Zahl der Bedürftigen zu reduzieren. Das geht über Integration, über Arbeit, über Bildung und Wirtschaftswachstum oder ein bedingungsloses Grundeinkommen. Aber nicht über Ausgrenzung und Nationalismus.

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