Die Frage der Woche, Folge 114: Wie darf ein Bischof politisch sein?
Heinrich Bedford-Strohm hat sich zum Mitgliederentscheid der SPD in Sachen große Koalition geäußert. Das sorgt für Unmut - bei sozialdemokratischen Theologen.

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und –Nutzer,

mit seinem Appell an die Verantwortung der SPD-Mitglieder, mit Blick auf die „Schwächsten und Verletzlichsten“ die Entscheidung zum Koalitionsvertrag zu treffen, hat Heinrich Bedford-Strohm eine theologische Debatte hervorgerufen, die sich zu führen lohnt.

Zur Erinnerung: Er ist Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Ratsvorsitzender der EKD. Das ist eine herausgehobene Stellung, die dafür sorgt, dass ihm mehr Menschen zuhören. Auf Facebook hatte er sich implizit dafür ausgesprochen, dass die SPD-Mitglieder einer schwarz-roten Regierungsbildung zustimmen, wenn sie per Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag entscheiden.

Aber darf er das? Ja, aber nicht so, sagen die sozialdemokratischen Theologen vom Netzwerk Theologie in der Kirche. Sie schreiben: "Das Votum des Bischofs, das ganz deutlich eine Richtung präferiert, ist jedenfalls nach unserem protestantischen Verständnis nicht die maßgebliche Instanz der Entscheidungsfindung und vermischt in problematischer Weise private politische Stellungnahmen, geistliches Wort und kirchenamtliche Verlautbarung." Diese Einschätzung begründen Niklas Schleicher, Tobias Graßmann (@luthvind) und die anderen sozialdemokratischen Unterzeichner detailliert. Sie kommen zur Schlussfolgerung, der Bischof dürfe sich zwar zum Mitgliederentscheid der SPD äußern. Sie fordern ihn aber auf, "einen Kommunikationsweg zu wählen, der klar von einer offiziellen kirchenleitenden Verlautbarung unterschieden ist, sowie seine Sprache ihres bischöflichen Ornats zu entkleiden".

Heinrich Bedford-Strohm hat darauf bereits reagiert (Bericht von Matthias Kamann in der "Welt", Meldung auf evangelisch.de) und begrüßt die Diskussion als "Gelegenheit, mehr Klarheit darüber zu gewinnen, ob, wann und wie die Kirche sich zu politischen Vorgängen äußern sollte und welchen Stellenwert solche Äußerungen haben".

Willkürliche Trennung von "persönlich" und "offiziell"

Um diese Diskussion zu fördern, haben die kritischen Theologen zehn Thesen "zur Verhältnisbestimmung von Theologie, kirchenleitendem Amt und Politik" (ebenfalls in dem Artikel im Netzwerk-Theologie-Blog) aufgestellt.

Die zehnte These davon ist: "Niemand ist befugt, mit theologischen oder kirchenleitenden Stellungnahmen die Gewissen in politischen Entscheidungen binden zu wollen." Das stimmt natürlich. Was mich an dieser These aber stört, ist die enthaltene Annahme, dass jemand aus der Kirchenleitung heraus "Gewissen binden" wolle. Für die Diskussion zukünftiger Äußerungen ist das wichtig, aber aus der konkreten Empfehlung von Bedford-Strohm lässt sich das meines Erachtens nach nicht ableiten.

Der andere Punkt, den ich kritisch betrachten möchte, hängt mit der Trennung von Amt und Person zusammen. Ein Amt, besonders ein geistliches, ist nicht von der Person zu trennen. Die Kritiker stören sich aber unter anderem daran, dass Heinrich Bedford-Strohms Stellungnahme über seinen "offiziellen Account" auf Facebook verbreitet wurde. Es ist aber zugleich sein persönlicher Account. In sozialen Netzwerken könnte man das zwar trennen - einen Account als Person, einen als Amt führen. Trotzdem wird alles, was solchen Accounts gepostet wird, mit der Person, die dahinter steht, in Verbindung gebracht. Das lässt sich auch gar nicht ändern, wir sind schließlich in allen unseren Ämtern und Aufgaben auch immer Menschen.

Problematisch wäre es dann, wenn der Ratsvorsitzende die Kanäle des Amtes nutzen würde, also beispielsweise von der EKD oder seiner Landeskirche eine Pressemitteilung gleichen Wortlauts verschicken lassen würde. Ich finde daher das Reden über einen "offiziellen" Account des Bischofs irreführend. In der Kohlenstoffwelt würde man diese Unterscheidung auch nicht machen. Wenn sich der Bischof als Bischof vor die Presse stellt und eine Aussage trifft, hat das zwar einen "offizielleren" Charakter als wenn er das gleiche im Urlaub sagt, jemand das mitschneidet und veröffentlicht. Wenn es sich um problematische Aussagen handeln würde, hätte es aber den gleichen Effekt. Bei Pfarrerinnen und Pfarrern erleben wir das ja auch: In bestimmten Situationen ist das Amt und nicht die Person gefragt, aber im Alltag lässt sich die Person auch nicht vom Amt trennen. Das ist hier genauso.

Wünschenswert ist es aber, wenn sich aus der aktuellen Diskussion tatsächlich zukünftige Konsequenzen ergeben: Aktives Einmischen in politische Fragen, aber dabei Transparenz beim politischen Engagement und das Gewissen des Einzelnen respektieren - bei allen Unterschieden in Sachfragen, die weiter aktiv diskutiert werden müssen. Wenn Sie noch weitere Beiträge dazu finden, schreiben Sie den Link gerne hier unten in die Kommentare!

Ich wünsche euch und Ihnen einen guten Start in die Woche!


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