Die Frage der Woche, Folge 88: Wann wird aus Humor Ernst?
Kennen Sie PewDiePie?

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

kennen Sie PewDiePie? Der Schwede mit den blondgefärbten Haaren, bürgerlicher Name Felix Kjellberg, ist der YouTuber weltweit mit den meisten Abonnenten. Mehr als 53 Millionen Menschen haben seinen Kanal abonniert. Einen Namen hat sich PewDiePie mit "Let’s Plays" gemacht, dem Video-Format, bei dem man Videospiele für seine Zuschauer spielt und kommentiert.

Zuletzt ist er aber durch ganz andere Spielereien aufgefallen, nämlich mit einem Video, für das er zwei Menschen über die Internetplattform "Fiverr" fünf Dollar dafür bezahlt hat, ein Schild mit der Aufschrift "Death to all Jews" – "Tod allen Juden" – hochzuhalten. (Mehr Details unter anderem hier bei MrTrashPack.) PewDiePie hat sich schon mehrfach faschistischer Bilder und Denkfiguren bedient, um damit auf eine sarkastische Art und Weise den Wahnsinn des Alltags bloßzustellen. So begründet er das jedenfalls. Er hat sich auch schon mehrfach in Videos und Blogeinträgen von rechtsradikalen und anti-semitischen Haltungen distanziert.

Dennoch haben Disney, Google und sein YouTube-Netzwerk nach dem inzwischen gelöschten Video und Nachfragen des Wall Street Journal die weitergehenden Verträge mit Kjellberg gekündigt, weil er einen anti-semitischen Slogan verwendet hat und sie diese Assoziation zu Recht nicht mit ihren Firmen verbinden wollen.

Und PewDiePie macht es an dieser Stelle wie Donald Trump: Sich als unverstandenes Genie darzustellen, dem "die Medien" aus Neid an den Kragen wollen. Das umstrittene Video hat er gelöscht, die Argumentation in seinem Antwort-Video auf die Kontroverse (7,6 Millionen Abrufe und steigend) ist: Ich habe es nicht so gemeint, es sollte ein Witz sein; die Medien, die jetzt darüber berichten, verstehen mich nicht; die Medien stellen mich falsch dar und reduzieren mich auf mein Geld, das mir egal ist; man doch sowas noch zum Witzemachen nutzen dürfen; von Extremisten distanziere ich mich, aber das berichten die Medien wieder nicht, weil sie es auf mich abgesehen haben. Die Nutzerkommentare darunter lesen sich wie ein Best-of von Trump-Apologisten.

Dass es nach Maßstäben, die nicht die eigenen Zuschauerzahlen sind, vielleicht aber einfach nicht in Ordnung ist, Menschen per Internet dafür zu bezahlen, anti-semitistische Slogans in die Kamera zu halten, selbst wenn sie es tun würden, scheint PewDiePie egal zu sein. Kjellbergs Verteidigung ist, dass er mit dem umstrittenen Video die Absurdität der Online-Dienstleistungs-Wirtschaft darstellen wollte, in der man für Geld jede beliebige Dienstleistung bekommen kann. Das geht aber auch auf andere Art und Weise, ohne damit Inhalte zu produzieren, die von rechtsradikalen Gruppen und Webseiten gefeiert werden.

Das Problem ist: Man kann solche Haltungen nicht als Vehikel für gescheiterten Humor nutzen und sich hinterher beschweren, dass man dafür kritisiert wird. Die Verteidigung "Ich habe das doch nicht so gemeint" funktioniert nur, wenn man sein Verhalten auch ändert, um zu zeigen, dass man daraus gelernt hat. Das ist Kjellberg bisher nicht gelungen, und dafür gibt es in der Aufmerksamkeitshölle YouTube aber auch gar keinen Anreiz.

Denn Kritik von "außen" – von Mainstream-Medien oder anderen YouTubern – hat fast nie Auswirkungen auf die Zuschauerzahlen eines YouTube-Kanals. YouTube-Persönlichkeiten haben ihre eigene Fan- und Abonnentengruppe, die sich einmal entscheiden, die Inhalte eines YouTubers gut zu finden und dann meistens sehr treu dabei bleiben. Es gibt Video-Stars, die nur kurz am Online-Videohimmel auftauchen und dann radikal abstürzen, weil sie nicht interessant genug bleiben (Beispiel: Hans Entertainment). Es gibt andere, die mit dem absurdesten, schwachsinnigsten Gedöns dauerhaft Hunderttausende faszinieren, sei es aus Lust am Grusel oder aus echter Begeisterung, dass "endlich mal jemand sagt, was er denkt". Im deutschen YouTube sind das beispielsweise Leute wie ApoRed, Miguel Pablo, KSFreak und Extreme wie Tanzverbot. (Liebe Leser, ich empfehle, die Videos von "Tanzverbot" nur dann anzugucken, wenn ihr eine große Toleranz für proto-dadaistischen Wahn habt, der möglicherweise ernst gemeint ist, vielleicht aber auch nicht.)

Ein YouTuber verliert erst dann Abonnenten, wenn die dessen Videos nicht mehr faszinierend finden - aus welchem Grund auch immer. PewDiePie, der mit seiner Marke Millionen verdient, weiß das genau. In seinem Antwort-Video sagt er: "Ich werde so darüber reden, wie ich öffentlich spreche, und nicht so, wie ich direkt mit meinem Publikum rede." Dass er überhaupt auf die Idee kommen kann, dass 53 Millionen Abonnenten keine Öffentlichkeit darstellen, zeigt, wie sehr sich dieser Medienmarkt ausdifferenziert hat. Und auch, warum PewDiePie die plötzliche Aufmerksamkeit von "Mainstream"-Medien so sehr irritiert. Dabei fällt er in die gleiche Kategorie wie beispielsweise Hollywood-Stars, die genauso erst dann in die Schlagzeilen kommen, wenn sie sich einen Skandal leisten.

Ich glaube PewDiePie, wenn er sagt, dass er das Video nicht mit einer anti-semitischen Intention gedreht hat. Aber er hat es auf eine Art und Weise produziert, die das nicht eindeutig klar macht. Witze über Judenvernichtung sollte man einfach nicht machen, besonders wenn keiner lacht und man hinterher sagen muss "es war doch ein Witz!" Und wer sich in Gesellschaft von Leuten befindet, die über Witze über Judenvernichtung herzhaft lachen, sollte schleunigst die Gesellschaft wechseln. Sonst macht er sich mit ihnen gemein.

Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende!

P.S.: Es gibt auf YouTube für fast jedes Interesse auch gute, interessante YouTuber. Leute wie Julien Bam (Entertainment), Dhalucard (Gaming), MrTrashPack (YouTube-News) und die Projekte vom MeshCollective zum Beispiel. Aber es gilt wie fast immer Internet: Man findet für ALLES mindestens ein Beispiel. Die Frage "hat schonmal jemand..." kann man auch auf YouTube fast immer mit "ja, natürlich" beantworten.

Ich wünsche euch und ihnen ein gesegnetes Wochenende!


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