Die Frage der Woche, Folge 70: Meine Daten, deine Daten, unsere Daten?
Wem gehören Daten, und wer hat die Verantwortung dafür? Gedanken vom #DiNaCamp.

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

in der vergangenen Woche gab es keinen Blogeintrag, das haben Sie sicher gemerkt. Zwischen der angeregten Diskussion um Fremdenfeindlichkeit, AfD und die SI-Studie zu Flüchtlingshilfe und meinem Besuch beim Gospelkirchentag habe ich das in der vergangenen Woche schlicht nicht geschafft.

Dafür gibt es diese Woche einen extralangen Blogeintrag, denn auch diese Woche durfte ich wieder unterwegs sein. Ich war beim #DiNaCamp, dem Barcamp der initiative "Digitale Nachbarschaft" zum Thema Ehrenamt und Digitalisierung.

Unter anderem erzählte dort Daniel Winkler, Online-Campaigner beim WWF, wie es der Umweltorganisation gelingt, jüngere digital affine Menschen für ihre Kampagnen zu aktivieren (die Präsentation dazu hier). Seine wesentlichen Schlussfolgerungen: Partizipation muss einfach sein und Spaß machen (online und offline), dann kann sie auch inhaltlich tiefgehend funktionieren. Spontanes Engagement muss "mit der Option auf mehr" verbunden sein. Aufgaben müssen einfach sein und belohnt werden, für Menschen unter 20 muss die Selbstdarstellung ermöglicht werden. Eine visuelle Kommunikation über Bilder und Videos ist mindestens ebenso wichtig wie die Kommunikation über Text. Und Transparenz, was mit dem Engagement bewirkt wird, wo Geld hinfließt und wo persönliche Daten landen, ist eine Voraussetzung dafür, dass sich junge Menschen überhaupt beteiligen.

Bei einer Organisation wie dem WWF, die für das eigene Leben optional sind, kann mangelnde Transparenz direkt dazu führen, dass sich Menschen abwenden oder gar nicht erst einsteigen. Bei Unternehmen, deren Angebote eher notwendige Infrastruktur sind, wie Facebook und Google, wird die Datenerhebung eher zähneknirschend hingenommen. Es gibt deswegen zahlreiche Strategien, um bestimmte Bereiche der Datenerhebung ganz individuell auszuhebeln: Das können die Privatsphären-Einstellungen auf Facebook sein, falsche oder unvollständige Namen, Spitznamen, das Abstellen von Ortungsfunktionen auf dem Handy oder das Surfen über "private" Browserfenster. Wer in seine Facebook-Freundesliste schaut, wird einige dieser Strategien wiederfinden.

Oder gar nicht mitmachen, dann werden auch keine Daten über einen selbst erhoben. Das ist aber nicht immer eine Option – und sollte es im Sinne von gesellschaftlicher Teilhabe auch nicht sein.

Zum einen haben datensammelnde Plattformen (Smartphones, Google, Windows, Facebook, Cloudservices…) schon fast den Status von Infrastruktur erreicht, ohne die ein modernes Leben kaum noch möglich scheint. Zum anderen gibt es zunehmend Geräte, deren Datenspur auch dem Nutzer selbst verborgen bleibt – von modernen Autos über Fitness-Armbänder bis zu vernetzten Küchengeräten. Daran erinnerte auch Joachim Sucker, für den Deutschen Volkshochschulverband zuständig für digitale Teilhabe. (Von ihm kommt übrigens auch die Frage, die über diesem Eintrag steht.)

Diese Datensammlung hat in vielen Fällen durchaus Vorteile - für die Firmen, die mehr über die Nutzung ihrer Produkte und ihre Nutzer erfahren, aber auch für die Anwender selbst. Auf der anderen Seite kann die Vernetzung dieser Fülle an Daten zum Problem für den einzelnen Menschen werden. Sobald beispielsweise Versicherungsverträge mit dem eigenen Fahrstil im Auto, Fitness-Trackern, Online-Bestellungen und Facebook-Profil miteinander verknüpft werden, gerät der einzelne Nutzer in ein undurchsichtiges Geflecht von Bewertungen, die über ihn oder sie getroffen werden und das er nicht kontrollieren kann.

Eine Patentlösung für dieses Problem gab es auch auf dem DiNaCamp nicht. Es ist natürlich eine Frage der Medien- und Hardwarekompetenz. Es ist aus meiner Sicht aber auch eine Frage der Ethik – Datenethik, um genau zu sein. (Ich habe bei unserer Tagung Kirche im Web 2.0 schon einmal einen kurzen Vortrag zum Thema Datenethik gehalten.)

Die Grundlage dieser Datenethik könnten zwei Grundregeln sein: Auf Anwenderseite muss Technik dem Menschen dienen und nicht umgekehrt (und mit Blick auf den klassischen Datenschutz bedeutet das auch, Technik so nutzen zu dürfen, dass sie der Aufgabe dient). Die Anbieterseite muss eine Ethik des Notwendigen statt eine Ethik des Machbaren zulegen – und sich auf die Debatte einlassen, was notwendig ist. Das wird insbesondere mit Versicherungen eine ganz interessante Diskussion und führte auch auf dem DiNaCamp bis an die Frage nach den Grundlagen der Solidargemeinschaft.

Wenn beispielsweise eine Krankenversicherung für jeden Versicherten eine Einzel-Risiko-Bewertung vornehmen kann, weil sie so viel über ihn oder sie weiß, und entsprechende Einzeltarife aufruft, ist ein solidarisch finanziertes System nicht mehr plausibel. Wollen wir das? Wie stellen wir auch weiterhin das Recht sicher, nicht immer alle Informationen zur Verfügung stellen zu müssen? Das Mindeste wäre die Möglichkeit, die eigenen Datenspuren verlässlich sehen zu können. Aber selbst das ist bisher keine Selbstverständlichkeit. Gut, dass es immerhin eine Menge Leute gibt, die über diese Frage nachdenken.

Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende!


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