Die Frage der Woche, Folge 55: Doch ein bisschen intellektueller?
Ist Verkündigung zu banal?

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und Nutzer,

etwas mehr als ein Jahr schreibe ich nun schon dieses Blog. Erst am Freitag, dann am Samstag morgen bekommen Sie und ihr jedes Wochenende meinen persönlichen Blick auf eine Frage, die mir in der Woche gestellt wurde oder die mir untergekommen ist. Leider werden mir gar nicht so viele Fragen direkt gestellt, deswegen ändert sich mit diesem Eintrag der Titel des Blogs in "Die Frage der Woche". Ich freue mich aber weiterhin über alle Fragen zu evangelisch.de, die mir auf Twitter oder in den Kommentaren gestellt werden. (Fragen zu Glaube und Kirche beantwortet Ihnen wie immer Frank Muchlinsky auf fragen.evangelisch.de.)

Meine Frage der Woche ist dieses Mal aber auch eine Frage aus dem Bereich der Glaubensgemeinschaften, die sich in unserer religionsfreiheitlichen Republik tummeln. Es geht um die Zeugen Jehovas, die ein Video zu ihrem Familienbild veröffentlicht haben. Das Video trägt den Titel "Ein Mann, eine Frau" - selbsterklärend, weil nach Meinung der Zeugen Jehovas ein*e homosexuelle Christ*in nicht ins Paradies kommen kann. In dem Video nutzen die Zeugen Jehovas eine zweifelhafte Metapher von "Gepäck", dass man nicht mitnehmen könne, wenn man ins Paradies wolle - so wie im Flugzeug, wenn man etwas Verbotenes im Gepäck habe.

Die YouTube-Nutzerin Trixie Firecracker hat das Video dann neu zusammengeschnitten:

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So wird es dann ganz einfach.

Das ursprüngliche Video soll zur religiösen Erziehung von Kindern dienen, entsprechend simpel ist es auch gemacht. LGBT*-Gruppen kritisieren das Filmchen, aber immerhin wissen die meisten Menschen, dass die Zeugen Jehovas kein Mainstream-Christentum vertreten.

Was ich in dem Kontext aber interessant finde, ist die Forderung von Knut Berner, stellvertretender Leiter des Evangelischen Studierendenwerkes Villigst, die Predigt müsse wieder intellektueller werden (hier auf Deutschlandradio Kultur). Er spitzt darin einen Gegensatz zu: Auf der einen Seite die "Wellness-Religion", deren Anhänger sich "aus dem Basar spiritueller Angebote Gefälliges und Wohltuendes" suchen und Gott überall finden, nur nicht in der Schrift. Und auf der anderen Seite "Fundamentalisten", die sich zwar auf die heilige Schrift beziehen, aber nur ihre eigene Auslegung gelten lassen: "Argumentative Kritik ist unerwünscht, Widersprüche innerhalb der Texte werden geleugnet und man immunisiert sich gegen Wissenschaft und Aufklärung."

Die Zeugen Jehovas fallen mit ihrem Video eindeutig in letztere Kategorie. Aber natürlich finden in solchen unkritisierbaren Wahrheiten viele Gläubige einen Halt, den ihnen eine historisch-kritische Textauslegung nicht bieten kann. Im Gegenzug allerdings merken wir selbst, dass einfache "Wohlfühlinhalte", die sich auch aus der Bibel holen lassen, auch auf viel Resonanz stoßen - wir erleben das auf Facebook, wo Bibelsprüche ohne Kontext immer gut laufen. Für Komplexität ist Facebook in der Regel die falsche Plattform, weil Komplexität oft genug im Gesamtstrudel untergeht.

"Produktiver Streit" und "subtile Argumentation", die Berner einfordert, sind allerdings überall schwierig, nicht nur auf der Kanzel. Die These, dass die Kirche dadurch attraktiver wird, würde ich nicht flächendeckend unterschreiben - für manche Menschen sicher, aber garantiert nicht für alle, die sich für Glaube interessieren. Immerhin hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Kirche nicht überall und immer für jeden das gleiche Angebot machen sollte (Milieustudien, Fresh X und so weiter zeigen das). Klassische Gemeindestrukturen mit einer klaren lokalen Orientierung sind ebenso wichtig wie mobile Angebote für Solitärchristen. Eines aber, danke für Simone Heidbrink für diesen Gedanken, bleibt immer gleich: "Eine Predigt ist nunmal ein Stück Edutainment." Dafür ist nicht jedes Stück Edutainment auch gleich eine Predigt - das Jehovas-Zeugen-Video diene hier als Beweisstück.

Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende!


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