Ihre Fragen, unsere Antworten - Folge 43: Scheut die Redaktion die Auseinandersetzung?
Über den Kongress zu Transsexualität an der Uni Frankfurt entbrennt eine Nutzer-Diskussion, und ich werde gefragt: Wo bleibt die Reaktion der Redaktion?

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

"Sexuelle Vielfalt ist eine Herausforderung für kirchenleitendes Handeln", hat Kirchenpräsident Volker Jung beim Kongress zum Thema Transsexualität an der Uni Frankfurt gesagt. Sie ist auch eine Herausforderung für eine Redaktion wie unsere. Denn immer, wenn wir dieses Thema aufnehmen – sei es Homosexualität oder Transsexualität, im Pfarrhaus oder anderswo – schlägt es Wellen unter unseren Nutzern.

So auch unter der Meldung darüber, dass besagte Tagung an der Uni Frankfurt stattfinden wird. 83 Nutzerkommentare finden sich am Freitagabend dort, die Diskussion reicht sehr weit – von der Frage, warum es eine solche Tagung überhaupt gibt und wer sie bezahlt bis zur Frage, ob das nicht veröffentlichte EKD-Papier zur Sexualethik eine Schlappe für die EKD sei oder nicht. Immerhin sprach auch Peter Dabrock auf der Tagung, der maßgeblich für das Papier verantwortlich war und anschließend ein Buch daraus machte.

Einen Kommentar möchte ich herausgreifen, weil er eine konkrete Frage an die Redaktion stellt. "Gast" fragt:

"Ob sich die Sexualität der Menschen geändert hat, ist eine wichtige Frage für das biblische Menschenbild. Diese Frage ist hier noch offen. Scheut die Redaktion die Auseinandersetzung?"

Nein, scheut sie nicht, ich nehme das gerne auf. Die Antwort beginnt aber mit einer Entgegnung: Für das "biblische Menschenbild" ist nicht wichtig, ob sich die Sexualität der Menschen geändert hat. Denn das Menschenbild, das in der Bibel steht, ist nicht veränderlich, weil wir den überlieferten Text im Kern nicht ändern. Die Frage, ob man den Bibeltext nicht umschreiben könne oder solle, kam auch schon mal in den Kommentaren auf – aber da es allein über die verschiedenen Übersetzungen schon ausreichend Streit gibt, ist eine Einigung auf einen neuen Bibeltext, der nicht auf der griechischen Überlieferung beruht, in unseren Zeiten undenkbar.

Was sich verändert, ist das kulturelle Menschenbild in einer christlich geprägten Gesellschaft. Der Bibeltext wird unterschiedlich gelesen und interpretiert, weil er unterschiedliche Ansätze bietet. Was bedeutet es, wenn im Schöpfungsbericht steht, dass der Mensch als Mann und Frau oder männlich und weiblich geschaffen wurde? Für die eine heißt es, dass es nur Männer und Frauen gibt, deren Rollenzuschreibung zudem ihrem äußeren Geschlecht entsprechen muss. Für den anderen steht dort keine normative Festlegung auf die Geschlechter-Dualität, sondern eine Beschreibung der Mehrheit aller Menschen, die aber nicht ausschließend ist – der Anfang der Schöpfung, aber nicht ihr Ende.

Es steht nicht alles in der Bibel - na und?

Dass sich "die Sexualität der Menschen" geändert hat (ohne den Versuch einer genaueren Definition), würde ich verneinen. Vielleicht haben wir heute mehr Begriffe dafür und schwächere normative Geschlechterrollen, so dass davon abweichende sexuelle und geschlechtliche Identitäten besser sichtbar sind. Nicht zu vergessen: Die moralische Bewertung dessen hat sich über Jahrtausende, Jahrhunderte und Jahrzehnte immer gewandelt, sicherlich so, dass es vielen Menschen außerhalb der Hetero-cis-Mehrheit heute leichter fällt als vor fünfzig, hundert oder fünfhundert Jahren, eine Zuschreibung zu anderen Gruppen und ihre individuelle Identität nach außen zu tragen.

Dazu kommt, dass die Schöpfungsgeschichte als möglicher Fixpunkt der Festlegung einer Hetero-cis-Normalität eine allegorische Geschichte ist und kein historischer Bericht. Wir kennen beispielsweise aus der antiken Überlieferung Statuen und Geschichten von Hermaphroditen und verschiedenen sexuellen Identitäten - diese Überlieferungen sind älter als die Bibel.

Die theologische Herausforderung bei allen diesen Diskussionen um Homo- und Transsexualität und Bibelworte ist, "dass die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten im biblischen Zeugnis nicht abgebildet ist", wie Volker Jung bei dem Transsexualitäts-Kongress an der Uni Frankfurt sagte. Trotzdem ist es letztlich völlig egal, ob sich "die Sexualität der Menschen", wie unser "Gast" es beschrieb, verändert hat. Weil Volker Jung Theologe ist und ich nicht, leihe ich mir noch einmal seine Worte, um das deutlich zu machen: "Die Zusage des Heils in Christus ist nicht an menschliche Herkunft und Rollenzuschreibung gebunden."

Wir scheuen als Redaktion die Auseinandersetzung damit nicht. Aber wir gehen nicht dahinter zurück, dass die Heilszusage universell ist. Und – ganz ehrlich: Es sind nicht nur manche unserer Nutzer, die diese Auseinandersetzung schon allzu oft geführt haben. Trotzdem glaube ich, dass man hier immer eine Gegenstimme erheben muss. Wer Jesus als Vorbild ernst nimmt, kann nicht anders.

Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende!


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