Ihre Fragen, unsere Antworten - Folge 22: Warum kauft kein Medienunternehmen Twitch?
Kennen Sie Twitch? Periscope? PewDiePie? Nein? Macht nichts, denn die meisten traditionellen Medienunternehmen auch nicht. Sagt zumindest Mathew Ingram. Hat er recht?

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

kennen Sie Twitch? Periscope? PewDiePie? Nein? Macht nichts, denn die meisten traditionellen Medienunternehmen, sei es Fernsehen oder Zeitung, auch nicht. Das meint jedenfalls Mathew Ingram, der in einem Text auf fortune.com der Frage nachgeht, wie sehr die linear denkenden Medienunternehmen die neue "Aufmerksamkeits-Ökonomie" verpassen:

Why didn't a media co. invest in Twitch? or Periscope? or try to figure out PewDiePie? or Minecraft? http://t.co/8azDhW5zRA

— Mathew Ingram (@mathewi) August 12, 2015

 

Ich fand den Text deswegen interessant, weil Ingram es versäumt, auf seine Einstiegsfrage eine Antwort zu geben: Warum haben traditionelle Medienunternehmen den Videostreaming-Dienst Twitch nicht gekauft, sind bei Periscope eingestiegen oder versuchen, erfolgreiche YouTuber zu kapern?

Ich glaube, man muss das zumindest zweifach aufdröseln. Erstens: Gerade die Fernsehsender haben schon erkannt, dass YouTube eine Plattform mit gigantischer Reichweite in genau definierten Nischen ist. Die ProSiebenSat.1-Gruppe betreibt  mit Studio71 eines der größten Multi-Channel-Netzwerke weltweit, bei dem unter anderem LeFloid, Gronkh und Sarazar unter Vertrag stehen. Der SWR kooperiert bei 1080 NerdScope ebenfalls mit YouTubern, um das eigene Programm anzureichern. Das sind die beiden aktuellsten Beispiele, aber sie zeigen: Da bewegt sich was.

Zweitens sind es traditionellen Medienunternehmen zwar gewohnt, ihre eigenen Plattformen zu haben und zu kontrollieren. Aber eine solche Freiheit, wie YouTube sie den "content creators" bietet, würden klassische Medienunternehmen unter ihrer eigenen Marke vor allem deshalb nicht wollen, weil sie die Monetarisierung dann mit ihnen teilen müssten und gleichzeitig keine vollständige Kontrolle mehr über die Inhalte hätten. Das ist vor allem fürs Fernsehen ein völlig ungewohnter Gedanke. Denn Ingrams Idee (und nicht nur seine), dass Aufmerksamkeit die neue Währung sei, funktioniert da nicht, wo es bereits einen etablierten Geldfluss gibt. Die allerwenigsten Firmen haben den Willen und die finanzielle Stärke, sich selbst zu untergraben und Konkurrenz zu machen.

Dazu muss man schon Google-Größe haben, die genau das mit der Ausgründung der "Alphabet"-Holding machen: Sie schaffen in ihrer eigenen Struktur das Potential, dass ein eigenes Produkt dem bisherigen Kernprodukt und der Cashcow Google-Suche/Werbung/YouTube das Wasser abgräbt. Noch ist es nicht so weit, aber für diese "Disruption von innen" fehlen den klassischen Medienunternehmen der Wille, das Geld und die Freude am Experimentieren.

Und dass "klassische" Medien die On-Demand-Nischenprogramme nicht als Berichterstattungsgegenstand erkannt hätten, stimmt spätestens seit den Bravo-Stories über YouTuber nicht mehr. Davon zeugt auch dieser "Welt"-Artikel, der immerhin versucht, den Dagibee-Unge-Tweef zu erklären. (Es gelingt ihm leider nicht so ganz, denn der Beef war noch viel, viel größer.) Es ist ein Anfang.

Ihre Fragen?

Wo wir gerade von Experimenten reden... Ich bekomme zunehmend weniger konkrete Fragen zu evangelisch.de gestellt. Ich beantworte die gern, auch weiter an dieser Stelle, aber der Titel des Blogs erscheint mir zunehmend unpassend. Ich nutze diese Gelegenheit gern, Ihnen und euch einen Einblick zu geben in das, was mich auch außerhalb des evangelisch.de-Tagesgeschäfts beschäftigt. Alles, was evangelisch.de angeht, werde ich hier natürlich weiter beschreiben und erklären! Aber wenn Ihnen und euch ein besserer Name für dieses Blog einfällt, dann gerne ab damit in die Kommentare.

Ich wünsche euch und Ihnen noch ein gutes Restwochenende und einen fröhlichen Wochenstart! 

Nachtrag: Am Samstag, 22. August, wird es keinen Blogeintrag von mir geben, weil ich dann heirate. Wir sprechen uns dann wieder am 29. August!


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