So richtig schön war der Abschluss-Gottesdienst des Kirchentages in Dortmund nicht. Eine Woche nach dem Großereignis im Westfalenstadion (Verzeihung: im Signal-Iduna-Park), einem der stimmungsvollsten Fußballtempel in Europa, denke ich immer noch darüber nach. Warum hat mich der Großgottesdienst im Stadion emotional so unberührt gelassen?
Die Predigt von Sandra Bils war fantastisch, gleich zu Anfang des Gottesdienstes ein echter Höhepunkt. Gottes geliebte Gurkentruppe, Glaube – Liebe – Currywurst. Die Predigt sorgte für Memes und Nachdenklichkeit. Sandra Bils‘ drängender, optimistischer Aufruf ist mir im Kopf geblieben: Was, wenn wir wirklich vertrauen würden? Wenn wir unsere Gremien-Bedenken hinter uns lassen und „Kirche“ nicht so eng verstehen? Wenn wir uns nicht fragen, was „richtig“ und „falsch“ ist, sondern auf die Menschen schauen, die um uns herum sind und nur fragen: Was können wir tun, damit es dir besser geht? Es steckt ganz viel „einfach machen“ in diesem Aufruf zu mehr Vertrauen. Was kann schon schiefgehen, wenn wir unsere Kirche verändern? Weniger als wir befürchten.
Aber der Rest vom Gottesdienst? Ich stand auf der Nordtribüne und hatte das Gefühl, der Gottesdienst schwappt so an mir vorbei. Die Lieder waren zum Mitsingen nicht richtig geeignet, jedenfalls nicht für mich und die Menschen auf meiner Tribüne. Nur einmal, bei der Austeilung des Abendmahls, hat die Band das Publikum zwischendurch mit einbezogen, so dass ein bisschen Gemeinsamkeit zwischen den rund 40.000 im halbgefüllten Stadion aufkam. Aber nur kurz.
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Sonst hatte ich das Gefühl, angefeiert zu werden statt mitzufeiern. Meine Kolleg*innen allerdings, die den Gottesdienst gemeinsam auf dem Fernseher in der Lobby unseres Hotels in Essen verfolgten, fanden den ganzen Gottesdienst schön, nicht nur die Predigt. Tatsächlich habe ich im Stadion auch immer wieder auf die Großbildleinwand geschaut, denn nur so waren die Liturgen von meinem Platz aus überhaupt zu sehen. Das Luftballon-Arrangement, das im Fernsehen wohl richtig gut rüberkam, sah auf dem Fußballplatz ein bisschen verloren aus. Es war am Ende eben doch ein Fernsehgottesdienst, bei dem die geschätzt 40.000 Menschen im Stadion nur Statisten für die 900.000 an den Bildschirmen waren.
Nun bin ich ja kein Gegner medial vermittelter Gottesdienste. Aber mir fehlte trotzdem die Interaktion vor Ort, die einen Gottesdienst für seine Besucher gelingen lässt. Anderswann auf dem Kirchentag ging es ja auch: Am Mittwochabend war ich ganz kurz nur beim Abendsegen und Lichtermeer nach dem Abend der Begegnung, und selbst für zwei Minuten (ich musste zum Zug) war das stimmungsvoll und schön. Beim interaktiven Sublan-Gottesdienst am Samstag hat allein schon die Interaktionsmöglichkeit per Smartphone dafür gesorgt, dass ich in den Gottesdienst einbezogen war: Er wurde mit mir gefeiert, nicht für mich. (Auch wenn ich noch ausgeweitete Interaktionsformen vorziehe – eine echte Social Wall ermöglicht nämlich die Weiterführung der Gedankenstränge auch außerhalb des Gottesdienstes. Aber das ist ein anderes Thema.)
Da hat der Kirchentag aus meiner Sicht eine Chance verpasst. Übrigens auch eine Chance für die öffentliche Sichtbarkeit. Denn selbst wenn von den 40.000 im Stadion nur ein Viertel während der rund 90 Minuten das gleiche #Hashtag auf Facebook, Instagram oder Twitter verwendet hätten, wäre der Abschlussgottesdienst mit Leichtigkeit ein Deutschland-Trend geworden.
Mit mehreren 10.000 Leuten kann man eine rauschende Party in einem Stadion feiern. Der BVB macht es an Bundesligasonntagen immer wieder vor. Einem Kirchentag sollte das auch gelingen und in alle Welt posaunen. Nächste Chance: das Waldstadion (Verzeihung: die Commerzbank-Arena) 2021 beim Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt. Da will ich dann den #Abschlussgottesdienst trenden sehen – und nicht Statist für einen Fernsehgottesdienst sein, sondern mit Zehntausenden eine Party im Namen Gottes feiern.
Vielen Dank für's Lesen und Mitdenken!
Im Blog Confessio Digitalis schreibe ich meine Beobachtungen, Links und Interviews zu den Themen Digitalisierung, Digitale Kirche und digitalisierte Welt auf. Ich bin erreichbar auf Twitter als @dailybug.
P.S.: Leser*innen haben mich darauf hingewiesen, dass "Digitalis" auch der Name der Fingerhut-Pflanzen ist, die zu Gift verarbeitet werden können. Das lässt den Blogtitel "Confessio Digitalis" natürlich ein bisschen fies klingen. Andererseits behandelt man mit Digitalis-Präparaten auch Herzprobleme. Und dass das digitale Herz der Kirche besser schlägt, ist mir ein Anliegen. Deswegen lasse ich den Namen des Blogs so - nehmt es als Präparat!