Jana glaubt, Theresa liebt, Steffi hofft
Es gibt Streit um den YouTube-Kanal "Jana glaubt". Warum bezahlt und betreibt die EKD einen YouTube-Kanal mit solchen Positionen?

Kirchentwitter diskutiert gerade heftig über den YouTube-Kanal "Jana glaubt". Warum? Kurzer Rückblick: Zum Weltfrauentag am 8. März hatte Jana (Jana glaubt) für ihren YouTube-Kanal Hanna Jacobs (@hannagelb) als Gesprächspartnerin eingeladen, Titelfrage des Videos: Müssen sich Frauen unterordnen?

Nein, müssen sie natürlich nicht. Die historische Ungleichstellung von Frauen mit Männern reicht von biblischen Zeiten bis mindestens 1919, als Frauen sich in Deutschland das Frauenwahlrecht erkämpft hatten. Heute sollte das eigentlich anders sein. Aber es gibt auch in so freien Gegenden und Zeiten wie unseren natürlich Menschen, die sich in ihren Beziehungen ein anderes Machtgefälle wünschen. Persönliche Beziehungsführung ist eben nicht das gleiche wie gesamtgesellschaftliche Grundfreiheiten.

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Bei Minute 10:46 im Gespräch mit Hanna Jacobs beschreibt Jana ihre Vorstellung von Beziehung mit einem Satz, der mich auch fast vom Hocker gerissen hat: "Ich wünsche mir einen Mann, der eine führende Position hat im Sinne von 'ich führe dich näher hin zum Kreuz'". Sie meint, das erklärt sie dann: wissen, dass da jemand ist, der bedingunslos für mich betet. Jana bezieht sich auf Paulus' Brief an die Epheser (5,21-33).

Zack, Kontroverse. Rant-Podcast, Twitter-Streit, Christ & Welt-Artikel, Eule-Beitrag, die ganze Palette der evangelischen Diskussion. Alle warten gespannt auf Wolfgang Hubers Beitrag in Zeitzeichen. (Scherz.) Die Streitfrage im Kern der Debatte ist: Warum bezahlt und betreibt die EKD einen YouTube-Kanal mit solchen Positionen?

Schlüsseln wir das ein bisschen auf.

Warum?

Es gibt den Kanal "Jana glaubt", weil der Rat der EKD beschlossen hat, dass die evangelische Kirche in digitalisierten Zeiten auch auf YouTube präsent sein soll. In der Ankündigung zu "Jana glaubt" von April 2018 werden Ziele genannt: jungen Menschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren zeigen, wie aktuell die christliche Botschaft auch heute ist, ihnen in ihren Medien Antworten auf Fragen zu Glaube und Spiritualität anbieten und mit diesen Antworten im Alltag junger Menschen präsenter werden. Für Agentur-Profi Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach war das damals wie heute schon zu schwammig. Tatsächlich ist die YouTube-Zielgruppe aber deutlich jünger als das Publikum, das von Kirchenzeitungen, chrismon oder auch evangelisch.de erreicht wird. Der YouTube-Kanal ist das publizistische Produkt mit der jüngsten Zielgruppe.

...bezahlt und betreibt die EKD?

"Die EKD" betreibt den Kanal "Jana glaubt" nicht. Das merkt bloß keiner. Nach dem Beschluss des Rates, der das Projekt erstmal auf ein Jahr finanziert hat, waren das GEP (das ist das Medienhaus, in dem auch evangelisch.de gemacht wird und für das ich arbeite) und die aej (das ist die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend) mit der Umsetzung betraut. GEP und aej haben verschiedene Produktionsfirmen eingeladen, ihre Ideen zu präsentieren, weil wir die Kompetenzen und Kapazitäten nicht selbst hatten. Ich war bei der ersten Auswahlrunde dabei, bei der Endauswahl aus Termingründen dann leider nicht, so dass ich aber zumindest auch Alternativ-Vorschläge zu "Jana glaubt" gesehen habe. Durchgesetzt hat sich am Ende der Vorschlag von Mediakraft mit Jana Highholder, dem der Entscheiderkreis aus GEP und aej zubilligte, die größte Chance auf Reichweitenerfolg zu haben.

In der Praxis bedeutet das: Jana filmt ihre Vlogs und kommt ins Studio für das Gesprächs-Format "Wir", und Mediakraft produziert die Videos. Dazu gibt es regelmäßige Absprachen mit dem GEP, das den Kanal verantwortet und am Ende für die Videos verantwortlich ist. Die zuständige Abteilung ist die Rundfunkarbeit der EKD, die auch bei uns im GEP ihre Büros hat. Im weitesten Sinne ist das natürlich alles EKD. Aber Synode, Kirchenkonferenz, Rat und Kirchenamt der EKD haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Inhalte. Sie sind die Vertreter der Organisation EKD.

...einen YouTube-Kanal?

Das YouTube-Projekt, das 2018 gestartet ist, ist ein Testballon. Kann die evangelische Kirche überhaupt eine Person etablieren, die die tatsächlich authentisch auf YouTube auftritt, ihren Glauben benennt und als Vorbild dafür dient, dass christlicher Glaube auch jungen Menschen Halt geben kann? Das wollte man erstmal mit einem Kanal ausprobieren, und zwar mit professioneller Hilfe. Denn das vorhergehende Konzept "Trust and Try" mit Videos von den Konfi-Camps in Wittenberg hat nicht gezündet. Erst danach haben wir die Profi-Agenturen an Bord geholt, weil die Bordmittel nicht ausreichten, um vorzeigbare Erfolge zu erzielen. Das hätte man auch anders machen können, in den Landeskirchen crowdsourcen, langer Atem und so. Aber die Botschaft des ersten Versuchs war: YouTube geht nur dann erfolgreich, wenn man es professioneller aufzieht. Ein zweiter Versuch, der in dreistelligen Abonennten-Zahlen und zweistelligen Videoaufrufen versackt, hätte sämtliche zukünftige Ressourcen für Social Video für die nächsten fünf Jahre aktiv verhindert. "Jana" als erfolgreiches Beispiel öffnet die Möglichkeit, nach dem ersten geplanten Jahr daraus zu lernen und zu schauen, wie es weitergeht.

...mit solchen Positionen?

Dass Jana in ihrem eigenen Glauben freikirchlich geprägt ist, war schon bei der ersten Agenturpräsentation klar. Unter den YouTubern, die die Agenturen mit eingebracht haben, war sie aber diejenige mit der besten Bildschirmpräsenz und der klarsten eigenen Glaubens-Ansage. Wenn man zeigen möchte, dass christlicher Glaube auch für junge Menschen ein Halt sein kann, und YouTube ein personalisiertes Medium ist, braucht man eine Person, für die das selbst so ist und die davon erzählen kann. Ein Wischi-Waschi-Ethik-Sozial-YouTube-Kanal funktioniert dafür erst recht nicht.

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Wenn man sich die unterschiedlichen Video-Kanäle anschaut, die im Netz christlichen Glauben vermitteln, sind es meist Blogger*innen, die gelegentlich auch über Glaube sprechen,oder Hardcore-Christen a lá GIVICI, die viel, viel weiter im konservativ-biblizistischen Milieu festhängen als "Jana". Das ist aber zugleich die größte Konkurrenz. Es macht auch einen Unterschied, ob man "Jana glaubt" nur als YouTube-Kanal betrachtet oder als Teil der gesamten Publizistik: Insgesamt ist die Vielfalt natürlich größer. Jana betont oft den großen Wert persönlicher Freiheit, dazu empfehle ich unter anderem ihr Video "Was darf ich als Christ tun?", das tun die Hardcore-Biblizisten eben nicht.

Wie also weiter?

"Jana glaubt" ist der Kanal, mit dem die Verantwortlichen glaubten, im zweiten Anlauf auf YouTube die beste Chance auf Reichweitenerfolg zu haben. Die vorab gesteckten Abonennten- und View-Ziele hat Jana erreicht. Die meistgesehen Videos auf "Jana glaubt" sind die Videos direkt zu Glaube und Kirche, aktuell zwischen 11.000 bis 21.000 Views. Mit ihrer Frömmigkeit können viele Mainstream-Protestanten nichts anfangen, aber Janas Community offensichtlich schon, wenn man die Kommentare liest. Sie repräsentiert in dem Frauentags-Video ein Beziehungsbild, das ich persönlich problematisch finde. Jesus, Gott und Glaube spielen für sie eine viel größere Rolle im Alltag als für die meisten Christen, die ich so kenne. Das ist innerhalb der evangelischen Kirche in Deutschland eher eine Minderheitenposition, aber trotzdem Teil des großen Ganzen. (Wobei andere besser als ich über Evangelikale, Freikirchen und die EKD schreiben können, hallo Rolf Krüger!)

Der Rat der EKD hat nun die Entscheidung vor sich liegen: Sollte Jana also weiter von GEP und aej unterstützt werden bei ihrem YouTube-Kanal? Oder stellt man den Kanal nach einem Jahr Projekt wieder ein? Diese Entscheidung hätte der Rat so oder so zu treffen, weil der Projektzeitraum zu Ende geht. Sie steht jetzt aber natürlich auch vor dem Hintergrund der Beziehungs- und Frauenbild-Debatte.

Ich fände es ein ganz schlechtes Signal, wenn "Jana glaubt" deshalb eingestellt würde, weil sie dieses Beziehungsbild hat. Ich teile ihre Position selbst nicht, aber Jana ist keine evangelikale Hetzerin, die jahrelang den Diskurs nach rechts verschoben hat und deshalb keine EKD-Unterstützung mehr bekommen sollte. Es gibt Grenzen der Vielfalt auch im Protestantismus, aber Jana liegt meines Erachtens nach deutlich diesseits dieser Grenze.

Ich fände es ein sehr gutes Signal, wenn wir aus dem GEP mehr "Video-Christen" auf YouTube und Twitch unterstützen können. Es braucht Mut, Gelegenheit, Ermutigung und Technik, um sich selbst vor die Kamera zu stellen. Wer das schon mitbringt, dem soll geholfen werden. Ein eigenes Netzwerk, in dem diese Vielfalt an Christentum zum Tragen kommt, mit Jana und vielen anderen, die sich gerade in den letzten Wochen vor die Kamera gestellt haben (YouTube-Liste hier) - das wäre gut. Was wir beim Aufbau von "Jana" gelernt haben, kann und muss da mit einfließen, dann auch ohne Mediakraft oder ggf. andere weiterhin zu bezahlen. Manche Kompetenzen sollte auch ein kirchliches Medienhaus selbst aufbauen dürfen, das haben wir bei Social Media schon gelernt (und bei Programmierung noch nicht so ganz).

Neulich schrieb ich von den twitternden, instagrammenden und youtubenden Pfarrer*innen und Christenmenschen und dass es den Institutionen der Kirche noch immer schwerfällt, "diese Leute in ihrer jeweiligen Art und Weise vorbehaltlos zu unterstützen". Die Institutionen haben jetzt die Chance, über den Schatten ihres Kontrollierwunsches zu springen und mehr Menschen als Jana dabei zu helfen, einfach mal zu machen.

Vielen Dank für's Lesen und Mitdenken!

(Dank an den Titelvorschlag an Lucas Ludewig!)


Im Blog Confessio Digitalis schreibe ich meine Beobachtungen, Links und Interviews zu den Themen Digitalisierung, Digitale Kirche und digitalisierte Welt auf. Ich bin erreichbar auf Twitter als @dailybug.

P.S.: Leser*innen haben mich darauf hingewiesen, dass "Digitalis" auch der Name der Fingerhut-Pflanzen ist, die zu Gift verarbeitet werden können. Das lässt den Blogtitel "Confessio Digitalis" natürlich ein bisschen fies klingen. Andererseits behandelt man mit Digitalis-Präparaten auch Herzprobleme. Und dass das digitale Herz der Kirche besser schlägt, ist mir ein Anliegen. Deswegen lasse ich den Namen des Blogs so - nehmt es als Präparat!