Uploadfilter, Urheberrechte und das zensierte Internet
Die geplante Reform des EU-Urheberrechts verfehlt ihr Ziel. Besonders die geplanten Uploadfilter sind problematisch für das Internet, wie wir es kennen.

Das Internet und das Urheberrecht: Das sind zwei wie Öl und Wasser. Man kann beides zwar mit viel Mühe vermischen, aber eigentlich wollen beide nicht so recht zusammenkommen. Der aktuelle Versuch des EU-Parlaments einer Urheberrechtsreform ist auch so eine Emulsion, aber definitiv keine Lösung.

Am 20. Juni hat der Rechtsausschuss des EU-Parlamentes beschlossen, dass Plattformen, auf denen Inhalte geteilt werden können, dafür verantwortlich sein sollen, dass ihre Nutzer keine urheberrechtlich geschützten oder lizenzpflichtigen Werke verbreiten. Außerdem ist in dem Entwurf der Wunsch der Presseverleger enthalten, für die digitale Nutzung von Presseinhalten eine "faire und angemessene Entlohnung" zu bekommen.

Klingt erstmal gut.

Aber.

Diese beiden Artikel sind hoch umstritten. Sie stehen als Artikel 11, der ein europäisches "Leistungsschutzrecht" begründet, und Artikel 13, aus dem Upload-Filter entstehen, im "Proposal for a directive on copyright in the digital single market" (hier der Originaltext).

Das Leistungsschutzrecht gibt es zwar in Deutschland und Spanien schon, es funktioniert aber nicht. Aus einem ganz einfachen Grund: Die Presseverleger, die das eigentlich wollten, haben ihrem Hauptgegner Google eine weitreichende Ausnahme erteilt. (Ausführlich dazu bei netzpolitik.org.)

Dass eine große Mehrheit von Menschen über Google, Facebook, Youtube, Twitter, Reddit oder andere soziale Netzwerke auf Inhalte im Netz kommt, wird sich durch eine gesetzliche Regelung nicht ändern. Wenn Verlage das ändern wollen, müssen sie Nutzern einen inhaltlichen Grund geben, direkt auf ihre Plattformen zu gehen. Das steckt aber nicht hinter der Idee. Eigentlich möchten die Medienunternehmen ein Stück von einem digitalen Kuchen, den sie selbst nicht gebacken haben. Dabei unterliegen sie einer falschen Grundannahme. Ihre Inhalte sind nicht das Mehl im Teig, sondern die Dekoration auf dem fertigen Kuchen.

Die Verweise, die von Google, Facebook und Twitter kommen, lassen sich aus einem ganz einfachen Grund nicht monetarisieren: Sie sind für die Verlage viel wichtiger als für Google und Konsorten selbst. Die Selbsteinschätzung, dass journalistische Inhalte Google und Facebook Geld wert seien, war ein Schuss in den Ofen. Gerade Facebook hat mit seinem Fokus auf Freunde und Familie Anfang des Jahres noch einmal deutlich gemacht, dass Medieninhalte keine treibende Kraft für soziale Netzwerke sind.

Dieses Ungleichgewicht kann man bedauern und beklagen. Aber wenn es dazu führt, dass insbesondere Inhalte von Qualitätsmedien, die sich noch an journalistische Standards halten, nicht mehr im öffentlichen digitalen Diskurs auftauchen (weil beispielsweise Google ihre Inhalte wegen eines LSR auslistet), hätten diese Qualitätsmedien sich selbst ins Knie geschossen. Jedenfalls sofern sie sich noch als "vierte Gewalt" verstehen.

Staatlich vorgeschriebene Vorprüfung?

Die Maßgabe aus Artikel 13, dass Plattformbetreiber das Verbreiten von urheberrechtlich geschützten Werken verhindern sollen, hat noch unangenehmere Folgen. Denn bisher war es den Nutzern der Plattformen verboten, solche Inhalte zu verbreiten. Die Plattformen prüfen also nachträglich: Hat jemand mit dem Upload gegen geltendes Recht verstoßen?

YouTube beispielsweise hat bereits eine umfangreiche Copyright-Prüfung, die automatisch lizenzpflichtige Inhalte (vor allem Musik und Kinofilme) ausfiltern soll. Die Streaming-Plattform Twitch macht es ähnlich. Dabei machen beide Plattformen immer wieder Fehler. Bei künstlerischen Remixes oder Veränderungen von urheberrechtlich geschütztem Material ist die automatische Entscheidung dann noch schwieriger. Algorithmen tun sich sehr schwer mit Kontext.

Jetzt sollen die Betreiber aber selbst in die Pflicht genommen werden. Bei der Menge an Inhalten, die beispielsweise auf Facebook und YouTube hochgeladen werden, geht das nur über eine automatisierte Prüfung - und zwar bevor die Inhalte veröffentlicht werden.

Wenn diese Idee zum Gesetz wird, handelt es sich um eine staatlich vorgeschriebene Vorprüfung von Inhalten. Wenn ein Staat das aus ideologischen Gründen tut, ist es Zensur. Für die Durchsetzung von Urheberrechten soll die Vorprüfung aber okay sein? Das leuchtet mir nicht ein. Die technischen Voraussetzungen für eine echte Zensur wären dann jedenfalls auch gelegt.

Wie können Urheber Geld verdienen?

Die Kernfrage, wie Urheber - also Menschen, die selbst Inhalte erstellen - mit diesen Inhalten bei einer weiteren Nutzung Geld verdienen können, lässt sich nicht mit Modellen aus einer alten Medienwelt beantworten. Dass Inhalte in einer digitalisierten Welt von überall verfügbar sind und unbegrenzt kopiert werden können, lässt sich nicht per Gesetz ändern.

Meine ungeschliffene Zukunftsvision, wie man dieses Problem lösen könnte, ist diese:

Jeder digitale Inhalt bekommt einen unveränderlichen Marker, der den ursprünglichen Urheber nachvollziehbar macht. An diesen Marker wäre dann eine Lizenzgebühr geknüpft, die der Urheber festlegt. Wer den Inhalt weiter bearbeitet, bekommt seinen eigenen Marker und jeweils die Hälfte des Entgeltes, dass der vorherige Nutzer bekommt. Wer zum Beispiel ein Foto verwendet, um daraus ein Meme zu generieren, fügt seinen eigenen Marker hinzu. Sobald jemand das Meme irgendwo postet, bekommt der ursprüngliche Urheber eine Summe X, der Remixer die Hälfte davon, der dritte Bearbeiter wiederum ein Viertel davon und so weiter. Inhalte werden damit mit jeder Bearbeitung teurer, aber jeder beteiligte Urheber in der Kette bekommt bei jeder Verwendung einen Anteil und der Original-Urheber das meiste.

Wenn die Erst-Urheberin eine Summe von 0 ansetzt, kann niemand damit Geld verdienen. Wenn sie eine hohe Summe ansetzt, wird der Inhalt nicht weit verbreitet, weil er dann zu teuer wird.

Mit der derzeitigen Technik ist das nicht einfach umsetzbar, weil Informationen wie EXIF-Daten oder Zählpixel einfach entfernt werden können. Bei noch flüchtigeren Inhalten wie Tweets ist das noch schwieriger. Aber auch da werden jetzt schon Inhalte kopiert und ohne Credit an den Originalurheber als eigene Tweets verbreitet, obwohl es die Möglichkeit des Retweets genau dafür gibt. (Twitter hat übrigens 2015 schon Tweet-Kopien aufgrund von Urheberansprüchen gelöscht.)

Das wäre dann ein sinnvoller Anwendungsbereich für die viel zitierte Blockchain. Denn dafür ist die Technologie gemacht: Für das unveränderliche Nachverfolgen von Transaktionen. Aber das sind noch ungelegte Eier.

Wie geht's weiter?

Erstmal muss sich das EU-Parlament mit dem Votum seines Rechtsausschusses beschäftigen - das wird voraussichtlich am 5. Juli sein. Damit der Beschluss im Plenum noch diskutiert werden kann, müssen 76 Abgeordnete im Europäischen Parlament das wollen. Dann müsste eine Mehrheit der 751 Abgeordneten beschließen, dass der Rechtsausschuss noch keine so genannten "Trilog-Verhandlungen" aufnehmen soll. Dann erst steht die Möglichkeit offen, den Vorschlag parlamentarisch zu verändern.

Wer sich bis zum 5. Juli noch bei einer EU-Abgeordneten zum Thema melden will, findet alle Informationen und Kontaktmöglichkeiten dazu unter anderem auf der Webseite #SaveYourInternet.

Vielen Dank für’s Lesen & Mitdenken!


Im Blog Confessio Digitalis schreibe ich meine Beobachtungen, Links und Interviews zu den Themen Digitalisierung, Digitale Kirche und digitalisierte Welt auf. Ich bin erreichbar auf Twitter als @dailybug.

P.S.: Ich habe zwei Rückmeldungen bekommen, die mich darauf hingewiesen haben, dass "Digitalis" auch der Name der Fingerhut-Pflanzen ist, die zu Gift verarbeitet werden können. Das lässt den Blogtitel "Confessio Digitalis" natürlich ein bisschen fies klingen. Andererseits behandelt man mit Digitalis-Präparaten auch Herzprobleme. Und dass das digitale Herz der Kirche besser schlägt, ist mir natürlich ein Anliegen. Deswegen lasse ich den Namen des Blogs erstmal so - nehmt es als Präparat.