Samstag, 13. Juni 2015
Heute morgen sind 400 Flüchtlinge im römischen Hauptbahnhof gestrandet, berichtete der Taxifahrer, der mich heute Vormittag zum Flughafen in Rom gefahren hat. Keiner weiß, wo sie untergebracht werden sollen, erzählte er und mit den Schultern gezuckt.
Ich denke an die Berliner "Oranienplatzflüchtlinge" und ihre Zukunft. Viele von ihnen sind über Italien nach Deutschland gelangt. In den letzten Tagen habe ich durch die Gespräche in Rom eine Ahnung davon bekommen, was sie erwarten würde, wenn sie nach Italien zurückgeschickt würden. Würden sie dann auch auf der Straße landen, ohne Chance, eine Arbeit und eine Wohnung zu finden? Sie leben nun seit mehr als zwei Jahren in Berlin. Kirchengemeinden haben sie aufgenommen, weil sie sonst den Winter auf der Straße verbracht hätten. Aber das ist nicht die Lösung.
Ich frage mich, wie wir in Deutschland und in den europäischen Staaten mit diesen Menschen angemessen umgehen können. Die Flüchtlinge, mit denen ich in den letzten Tagen in Rom gesprochen habe, wollen arbeiten und ein normales Leben führen. Sie haben Sprachkurse besucht und Abschlüsse nachgeholt, aber der italienische Staat sieht sich nicht in der Lage, sich für alle Flüchtlinge, die in Italien ankommen, verantwortlich zu fühlen. Und der Italienische Arbeitsmarkt kann nicht alle Arbeitswilligen aufnehmen. Ich habe mit einem Mann aus Eritrea gesprochen, von Beruf Geograph. Seit Jahren findet er in Italien keine Arbeit. Warum ist er gesetzlich verpflichtet, in Italien zu bleiben und ohne Einkommen oder Sozialhilfe in einem Zelt auf einem Parkplatz zu wohnen und nur von der Suppenküche der Caritas zu leben?
Mich überzeugt es nun überhaupt nicht mehr, wenn ich höre, dass die in Berlin von unseren Kirchengemeinden versorgten Flüchtlinge nach Italien zurückgehen sollten, nur weil sie über Italien nach Europa gekommen sind. Diese so genannte Dublin-Regelung hat sich nicht bewährt, wie es inzwischen offensichtlich ist, da naturgemäß diejenigen Staaten übermäßig belastet werden, die eine europäische Außengrenze haben, und Italien umso mehr mit seinen Mittelmeerküsten.
Es ist jetzt die dringliche Aufgabe aller europäischen Staaten, sinnvolle und faire Regelungen zu finden, damit alle europäischen Staaten angemessen beteiligt werden, um den Menschen, die nach Europa flüchten, eine Perspektive zu geben.