Dass tagesschau.de eine offizielle Darstellung der Polizei zumindest implizit als falsch bezeichnet, kommt auch eher selten vor. Es geht um Vorfälle am Dienstagabend in Hamburg. Die Polizei hatte nach ihrer Darstellung eine Straßenkreuzung mit Wasserwerfern geräumt, weil Demonstranten diese blockiert hätten.
„NDR-Reporter Christian Baars schildert die Geschehnisse anders.“
Nämlich ähnlich, wie auch Welt-Reporter Philipp Woldin sie schilderte. Baars
„zufolge waren einige hundert Menschen in einem Park neben der besagten Straßenkreuzung zusammengekommen, um zu ‚cornern‘, das heißt, sie saßen oder standen dort und tranken Bier. Ihm zufolge tauchten unvermittelt Hunderte Polizisten mit vier Wasserwerfern, Räumfahrzeugen und einem über dem Platz kreisenden Hubschrauber auf. Sie hätten alle Zufahrten zur Kreuzung versperrt. Erst in diesem Augenblick sei die Straße blockiert gewesen.“
Tatsächlich hatte also die Polizei die Kreuzung blockiert, nachdem sie, „warum auch immer“ (Welt), sämtliche Zufahrtswege gesperrt hatte.
Unter anderem, um korrigierend einzuschreiten, falls Falschmeldungen mal nicht in angemessenem Rahmen richtig gestellt werden, hat sich das FC/MC formiert, eine Art alternatives Medienzentrum, das im Stadion des FC St. Pauli untergebracht ist, also in unmittelbarer Nähe zum G20-Tagungsort. Darüber hinaus, so die Schweizer Wochenzeitung, will das FC/MC
„einen Ort des Austauschs und der Kreativität schaffen: Das Medienzentrum stellt auch Arbeitsplätze für alle zur Verfügung, die sich selbst als JournalistInnen verstehen. Hunderte haben sich angemeldet, vom Graswurzel-TV bis zur Springer-Presse."
Nicht zuletzt, schreibt WoZ-Berichterstatter Kaspar Surber außerdem, will
„das FC/MC (…) nicht nur der Kritik am Gipfel Gehör verschaffen. ‚Wir verstehen uns auch als Ort, wo ausgehandelt wird, was Journalismus heute sein kann‘, erklärt Oliver Leistert, der für redaktionelle Belange zuständig ist. Die Arbeitsbedingungen im Journalismus seien heute prekär, sodass häufig nur Pressemitteilungen zusammengefasst würden, insbesondere solche der Polizei.“
Zumindest bei tagesschau.de und bei der Welt sind die Bedingungen, wie oben angedeutet, ja noch nicht prekär. Dass die Mitteilungen der Polizei dann, wenn es um Details ihrer eigenen Arbeit geht, keine guten Quellen sind, stand an dieser Stelle hin und wieder, zuletzt beispielsweise zu Beginn des Jahres. Man kann es anlässlich des G20 durchaus noch mal betonen. Oder, um es mit dem Protestforscher Simon Teune zu sagen:
„In Bezug auf den G20-Gipfel in Hamburg appelliert (er) (…) an die Journalistinnen und Journalisten, die Rolle der Polizei kritischer zu hinterfragen als bislang. Gerade bei dieser weltpolitisch bedeutsamen Großveranstaltung sei die Polizei kein neutraler Akteur, sondern eine Konfliktpartei.“
So zitierte ihn am Dienstag der Deutschlandfunk in seiner Sendung @mediasres. Teune und seine Kollegen Dieter Rucht und Moritz Sommer vom Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung haben rechtzeitig zum G20-Gipfel eine Studie darüber vorgelegt, „welchen Gesetzen die mediale Berichterstattung bei solch großen Protesten folgt“.
“Journalisten fixieren sich auf Gewaltdarstellungen“,
lautet die Überschrift der verschriftlichten Fassung. Ausführlicher formuliert:
„Sobald Gewalt ins Spiel kommt, rücken die Inhalte der Proteste in den Hintergrund. Dann berichtet niemand mehr über die Motive des Protestes, geschweige denn über die gesellschaftlichen Konflikte dahinter.“
Laut Studienautor Teune ist
„das Problem (…), dass diese Beschäftigung mit Gewalt so übermächtig ist, dass das eine self-fulfilling prophecy ist, dass das immer wieder die Berichterstattung beherrscht. Es gibt da in den Redaktionen wenig Spielraum. Das ist ein Thema und man kann sich dem Thema nicht entziehen.“
Der Theaterregisseur und Festivalkurator Matthias von Hartz, der „seit 2000 (…) an G8, Klimagipfeln und politischen Großevents teilgenommen hat, um in Theatern und Museen Projekte über künstlerischen Widerstand zu kuratieren“, würde den Äußerungen Theunes wohl zustimmen. In einem Gastbeitrag für Spiegel Online schreibt von Hartz:
„Derweil tobt in Hamburg der verbal-polizeiliche Abwehrkampf einer unheiligen Allianz aus Innenbehörde und Lokalmedien, die Ängste schüren - statt zu interessieren. Wenn man sich, statt Panikmache zu betreiben, bemüht hätte, Menschen ernsthaft für die Themen zu interessieren, müsste man nun weniger darüber diskutieren, ob der Gipfel lokal eine Zumutung ist. Die realen Einschränkungen sind überschaubar, sich damit in der geschehenen Breite zu beschäftigen, ist kleinbürgerlich.“
Die, um das Studienautorentrio Rucht/Sommer/Theune/ aufzugreifen, Gewaltfixierung hat laut von Hartz folgende Auswirkungen:
„Nun sind die Demonstranten fast die Letzten, die sich mit der G20 öffentlich politisch auseinandersetzen. Wir sollten in Zeiten von Populismus froh sein über jeden, der sich noch nicht in Angst oder Apathie geflüchtet hat. Hamburg, möchte man rufen, setze Sonderzüge ein! Pfeif' auf deine Grünanlagen! Freue dich über jeden Camper: Er wird mehr zur Gesellschaft beitragen als der Bürger, der aus Angst vor Staus die Stadt verlässt.“
Sein pessimistisches Fazit:
„Was auch das Ziel mancher Medien und der Innenbehörde sein mag, mit ihrer Panik-Strategie werden sie Gewalt eher schüren als verhindern. Und sie fordert einen hohen Preis: Wir haben nun einen Diskurs, der von politischen Inhalten weitgehend entleert ist.“
Die hier formulierte Medienkritik stammt, darauf kann man durchaus noch einmal hinweisen, nicht von einem Journalisten, sie kommt von außerhalb des Betriebs. Das gilt auch für jene Grundsatzkritik, die in einem taz-Kommentar zum Ausdruck kommt. In diesem Fall hat sie eine Aktivistin formuliert, genauer: die Sprecherin der Interventionistischen Linken.
„Im G20-Mitgliedstaat Argentinien wird durchschnittlich jeden Tag eine Frau von Männern ermordet. Im G20-Staat Mexiko gelten mittlerweile 27.000 Menschen als verschwunden. Kaum ein Krieg auf der Welt, in den nicht mindestens ein G20-Staat verwickelt ist. Menschen verhungern, Obdachlose erfrieren, obwohl der globale Reichtum ein historisch beispielloses Ausmaß erreicht hat. Aber darum geht es nicht im öffentlichen Diskurs. Nicht Angela Merkel wird die Frage gestellt, wie sie es mit der Gewalt hält und ob sie sich distanziert von Diktatoren, Kriegsverbrechern und Minderheitenhassern oder von der Grenzschutzagentur Frontex. Stattdessen sind es die Proteste gegen den Wahnsinn der Welt, für die wir uns ständig und bis zur Ermüdung rechtfertigen sollen“,
schreibt die Politikwissenschaftsstudentin Emily Laquer. Die „Gewaltfrage“ werde daher „falsch gestellt“. Die taz-Redaktion spitzt die Kernthese des Textes im Vorspann folgendermaßen zu:
„Trump wirft die ‚Mutter aller Bomben‘, aber Linke sollen sich von jedem Steinwurf distanzieren.“
Laquer war am Mittwoch auch in der ZDF-Sendung „Dunja Hayali“ zu Gast, ebenso wie Ex-Bundesinnenminister Otto Schily. Die Headline der Welt zur Nachkritik lautet:
„Schily läuft gegen altkluge Linksextremistin zur Höchstform auf.“
[+++] Die Kölner Stadtrevue - das beste Stadtmagazin der Republik; allerdings ist so ein Lob angesichts des beispiellosen inhaltlichen Niedergangs in diesem Genre heute weniger wert als vor zehn oder 20 Jahren - hat anlässlich einer weiteren Free-Deniz-Gala, die heute in Köln stattfindet, mit den Aktivisten Doris Akrap und Imran Ayata gesprochen. Letzterer sagt:
„Inzwischen ist jedem klar, dass Deutschland und Europa nicht bereit sind, hinreichend Druck auf die Türkei auszuüben. Die Gründe dafür sind politische und vor allem wirtschaftliche Interessen. Diese werden als wichtiger angesehen als Fragen der Demokratie und Menschenrechte in der Türkei.“
Der WDR streamt die Veranstaltung, an der unter anderem Olli Dittrich, Carolin Emcke, Thomas Gotttschalk und Doris Akrap mitwirken. Dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) „die türkische Regierung aufgefordert hat“, bis zum 24. Oktober eine Stellungnahme in Sachen Yücel abzugeben, berichtet derweil Die Welt, bei der der Gefangene bekanntlich angestellt ist. Wen es interessiert, was Recep Tayipp Erdogan über Deniz Yücel sagt: Das Interview, das Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo mit dem Autokraten geführt hat, steht in der englischen Fassung frei online. Und die FAZ beschreibt auf ihrer Medienseite (derzeit nicht frei online), wie Erdogan hörige Medien den seit 15. Juni in einem „Gerechtigkeitsmarsch“ zum Ausdruck kommenden Protest (über den aktuell zum Beispiel Mirjam Schmitt, die Türkei-Korrespondentin der dpa, in der Welt berichtet), als Terrorismus verteufeln.
[+++] Zu den aufmerksamkeitsökonomisch erfolgreichen medienjournalistischen Beiträgen der vergangenen Tage zählt ein FAS-Interview, in dem Conrad Albert, Mitglied im Vorstand der ProSiebenSat1, fordert, seinem Laden müsse ein Teil des Rundfunkbeitrags zukommen (siehe Altpapier von Montag). Die Zahlen, mit denen der Hierarch sein keckes bzw. jeckes Anliegen unterfütterte, sind allerdings „angreifbar bis falsch“, schreibt Stefan Niggemeier (Übermedien).
„Sie werden ausgehend von der FAS dennoch von vielen Medien weiterverbreitet. Von der Agentur Reuters zum Beispiel.“
Niggemeier greift etwa folgende Aussage Alberts auf:
„In der Zielgruppe von 14 bis 29 Jahren erreichen wir heute mit den ‚Pro 7 News‘ fast 18 Prozent der Zuschauer, deutlich mehr als 'Tagesschau' und 'Heute' zusammen.“
Dazu Niggemeier:
„Mit ‚Pro 7 News‘ meint der Vorstand von ProSiebenSat.1 vermutlich die Sendung ‚ProSieben Newstime‘. Sie ist zehn Minuten lang und läuft täglich um 18 Uhr, vor den ‚Simpsons‘. Sie hat nicht mehr 14- bis 29-jährige Zuschauer als ‚Tagesschau‘ und ‚heute‘ zusammen. ‚ProSieben Newstime’ sahen im ersten Halbjahr im Schnitt 230.000 Menschen in diesem Alter; ‚Tagesschau‘ und ‚heute‘ zusammengerechnet fast doppelt so viele: 430.000 Menschen.“
Ausdrücklich kritisiert Niggemeier FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld, der, nachdem das ZDF die von Albert verbreiteten falschen Zahlen korrigiert hatte, mit der Formulierung aufwartete, die Mainzer hätten „eigene Zahlen“. Niggemeier dazu:
„Wenn eine Beraterin von Donald Trump von ‚alternativen Fakten‘ spricht, gibt es einen großen Aufschrei, aber hier tut der Medienredakteur der FAZ so, als gebe es einfach verschiedene Zahlen, jeder hat seine, und irgendwas wird schon stimmen oder alles und ist ja auch egal.“
[+++] Die medienjournalistisch relevanten Artikel aus dem aktuellen Freitag (Inhaltsverzeichnis hier) stehen noch nicht online. Es liegt aber nahe, die neue Ausgabe, die heute erscheint, hier zu erwähnen, denn es ist die erste ohne Katja Kullmann, die dort zuletzt als stellvertretende Chefredakteurin wirkte. Sie hat die Wochenzeitung Ende Juni verlassen. In ihrem eigenen Blog erläutert sie die Gründe.
„It’s that ole devil called ‚Haltung’ again“,
schreibt sie. Der Grund für ihren Weggang ist - natürlich - Herausgeber Jürgen Todenhöfer (siehe Altpapier):
„Was die Person, den Namen Jürgen Todenhöfer angeht: Er pflegt, meinem Empfinden nach, einen zu engen, zu vertrauten Umgang mit dem, nun ja, sagen wir erdfarbenen Spektrum, als dass ich für eine Zeitung in leitender Position tätig sein möchte, die durch ihn repräsentiert wird. In jenes Spektrum möchte ich hier auf diesem Blog keine direkten Links setzen, man findet das alles recht leicht im Internet, etwa dass Jürgen Todenhöfer sich in den vergangenen Jahren als Gesprächspartner bzw. Berichterstatter für die Publikationen Junge Freiheit und Compact und den Sender RT Deutsch zur Verfügung gestellt hat, oder dass er auf seiner Facebook-Seite Hunderte von User-Kommentaren unkommentiert stehen und mit ‚Gefällt mir‘-Daumen versehen lässt, die sich etwa in ‚Illuminaten‘-Theorien oder in der Reichsbürger–Rhetorik ergehen (die Bundesrepublik Deutschland sei ein von fremden Mächten ‚besetztes Land‘); auf ebenjener Facebook-Seite hat Jürgen Todenhöfer, garniert mit einem ungeheuer eintönigen, einsilbigen Anti-Amerikanismus, schon für vieles geworben, etwa um Verständnis für die Erdogan-Administration in der Türkei, um Verständnis für Wladimir Putin, für Musik von Xavier Naidoo und für die Lektüre eines Schlüsselwerkes der einstigen ‚Rassentheoretikerin‘ zu SS-Zeiten und Stichwortgeberin der sogenannten Neuen Rechten, Sigrid Hunke. Dies sind nur ein paar Beispiele, alles wenig spektakulär – alles ja nichts Unbekanntes oder Geheimes – all das gehört ja wesensmäßig zur publizistischen Figur ‚Jürgen Todenhöfer‘, aus all dem bezieht Jürgen Todenhöfer einen Teil seiner 700.000+-Facebook-Anhängerschaft.“
Eine stichhaltigere Begründung dafür, nicht mehr für den Freitag zu arbeiten, habe ich bisher nicht gelesen. Kullmann schreibt des weiteren:
„Ich halte es für mindestens fahrlässig, in jedem Fall billig, letztlich für gefährlich, auch nur den verdruckstesten Trippelschritt auf das (alte, neue, alt-neue) erdfarbene Spektrum zuzugehen. Das Gegenteil wäre aus meiner Sicht richtig: Gerade jetzt die Grenze so fein rasiert, so scharf und deutlich wie möglich zu ziehen, auch und gerade in der Publizistik. Zusammengefasst: Der Freitag und ich, wir passen da einfach nicht mehr zueinander.“
Anzumerken wäre noch, dass der Text in keinerlei Hinsicht als Angriff auf die Journalisten zu verstehen ist, die weiterhin beim Freitag oder für ihn arbeiten.
Um kurz noch beim Thema Haltung gegenüber dem "nun ja, sagen wir: erdfarbenen Spektrum“ (Kullmann) zu bleiben: Der freie Osteuropa-Korrespondent Krsto Lazarevic hat in einem Offenen Brief begründet, warum die Schweizer Weltwoche einen Text von ihm, den sie gern veröffentlicht hätte, nicht veröffentlichen darf. Watson und persoenlich.com gehen darauf ein.
[+++] Zu den zahlreichen Autoren, denen Katja Kullmann in ihrem Abschied-vom-Freitag-Beitrag dankt, gehört Georg Seeßlen, der im Autoren-Blog getidan gerade „Anmerkungen zur Wanderung von Intellektuellen aus dem linken ins rechte Lager“ veröffentlicht hat. Die Folgen dieser „Wanderung“ sind hier immer mal wieder Thema, wobei man natürlich darüber streiten kann, ob „durchgeknallte Überläufer“ (Seeßlen) so viel Aufmerksamkeit überhaupt verdienen. Seeßlen analysiert:
„Nehmen wir den Intellektuellen als Berufsbezeichnung, so muss sich seine politische Ökonomie nach der Aufmerksamkeit richten, welche mit der Arbeit erzielt werden kann. In einer ‚Medienlandschaft‘, die sich insgesamt nach rechts bewegt oder sich in ‚heller Auflösung‘ befindet, und in einem sich vulgarisierenden Betrieb des Intellektuellen, ist das Spiel mit dem Rechten oder auch mit dem performativ Anti-Linken ein Teil der Aufmerksamkeitsökonomie. Der Typ der Stunde ist der nach rechts gewendete Krawallfeuilletonist. Grob gesagt: Rechtes verkauft sich besser als linkes, aber am besten verkauft sich Ex-Linkes auf dem Weg nach rechts.“
Seeßlens Fazit:
„Nicht nach rechts gehen ist schon fast die Ausnahme, oder, um es mit den Worten des französischen Historikers Jacques Juillard zu sagen: ‚Das Wort Linksintellektueller war lange Zeit ein Pleonasmus, heute wird es zu einem Oxymoron.‘“
Altpapier
+++ „Welche Inhalte werden auf Facebook besonders häufig geteilt, welche Posts bringen die größte Resonanz? Wie unterscheiden sich die Facebook-Strategien der großen Medienhäuser?“ Diesen Fragen ist das Medienmagazin journalist in seiner aktuellen Ausgabe (in der auch ich mit zwei kürzeren Texten vertreten bin) nachgegangen. Die Analyse ergab unter anderem, „dass Focus Online mit Abstand die meisten Posts absetzt. Rund 80 Beiträge veröffentlichen die Münchner allein über ihren Hauptaccount jeden Tag“. Dies ist einer Pressemitteilung der Zeitschrift zu entnehmen.
+++ Einen weiteren Beitrag aus dem journalist hat dwdl.de aufbereitet, nämlich ein Interview mit Friedrich Küppersbusch, der sich dazu äußert, dass das von ihm produzierte, 2014 für den Grimme-Preis nominierte Politik-mal-anders-Format „Tagesschaum“, das vor der Bundestagswahl 2013 im WDR zu sehen war, in diesem Jahr dort nicht zu sehen sein wird. Küppersbusch: „Beim WDR haben sie im Moment genug Schwierigkeiten und brauchen keine Bonus-Schwierigkeiten. Etliche Programme laufen dort nach der Programmreform unter dem Niveau, das sie vorher hatten. Es ist ja nicht nur so, dass neue Programme vom Publikum abgelehnt werden, sondern alte dann gleich mit."
+++ Mehr aus den Monatsmagazinen: Die bei Hulu laufende US-Serie „The Handmaid’s Tale“, die Verfilmung eines Margaret-Atwood-Bestsellers sei „eine künstlerische Umsetzung der Totalitarismustheorie. Die einzelnen Phänomene werden nicht in ihren spezifischen historischen Kontexten erkundet, weil vorher schon klar ist, was am Ende herauskommen soll“. Das schreibt Tanja Röckemann für die Juli-Ausgabe von konkret. Der Text ist nicht zuletzt eine Auseinandersetzung mit bereits erschienenen Rezensionen, unter anderem aus der Welt und der New York Times.
+++ Über Gunnar Mergners und Carsten Franks Dokumentation „Schatten des Verbrechens – Der Amoklauf am OEZ München“ (ZDFinfo) schreibt Thomas Gehringer (Tagesspiegel): „‚Wiso‘-Moderatorin Sarah Tacke (fungiert) als Reporterin vor der Kamera, was eher mittelprächtig funktioniert. Wenn sie in der Redaktion nachdenklich Material sichtet, fühlt man sich an schlechte Journalisten-Filme erinnert. Und grundsätzlich wundert man sich, warum die Reporterin so häufig im Bild sein muss, wo es doch um die Opfer-Familien geht.“ Von der „recht albern als Rechercheurin inszenierten Reporterin Sarah Tacke“ ist in Oliver Jungens Text für die FAZ-Medienseite die Rede. „Diese Doku ist ein Lehrstück, weil sie so gut wie alles falsch macht“, meint er.
+++ Das lässt sich auch für eine weitere ZDFinfo-Dokumentation sagen: „Helden der Propaganda – Sportler in der NS-Zeit.“ Ich habe den vor rund einem Monat erstausgestrahlten Film, der am kommenden Samstag wiederholt wird, für die Medienkorrespondenz besprochen.
+++ Mittlerweile frei online: der am Freitag hier zitierte epd-medien-Leitartikel, in dem Elisa Makowski den „Faktencheck“ des WDR zu „Auserwählt und ausgegrenzt“ scharf kritisiert.
+++ „Das Medienhaus Axel Springer spricht nach Informationen dieser Zeitung exklusiv mit Constantin Medien über dessen Sender und Digitalanbieter Sport1. Springer verhandele nun ausschließlich mit Constantin, verlautet aus Kreisen, die mit der Lage vertraut sind. Bislang war auch Sky Deutschland im Rennen. Sollte es mit Springer keine Einigung geben, stünde aber Sky weiter bereit, ebenso Freenet, ist zu hören.“ Die Zeitung, die das gehört hat, ist in diesem Fall die FAZ, die darüber im Unternehmens-Ressort schreibt (derzeit nicht frei online). Die Frankfurter wissen auch: „Der Verkauf von Sport1 ist als Notverkauf zu interpretieren: Kommenden April wird eine Constantin-Schuldverschreibung über 65 Millionen Euro fällig.“
+++ Über die Hintergründe, warum derzeit drei Plätze im ZDF-Fernsehrat unbesetzt sind, berichtet Übermedien (€).
+++ Der um kräftige Worte (und lobende in eigener Sache) selten verlegene Online-Lokaljournalismuspionier Hardy Prothmann berichtet, dass der Rhein-Neckar-Blog bzw. „unsere junge Unternehmung“ in seiner Existenz bedroht sei. Die Mannheimer Morgen Großdruckerei und Verlag GmbH, der Verlag der Tageszeitung Mannheimer Morgen (MM), hat in einem Fall, gegen den „die Causa Böhmermann Pillepalle (ist)“, in erster Instanz gegen Prothmann und Co. gewonnen. „Kommende Woche haben wir Termin in Karlsruhe vor dem Oberlandesgericht. Da geht es in Summe um rund 14.000 Euro für den Verlierer. Doch das ist nicht alles. In einem anderen Fall hat uns der MM auf insgesamt 6.000 Euro Schadenssumme plus Anwalts- und Gerichtskosten verklagt, was locker gut nochmals 10.000 Euro ausmacht.“
+++ Mehr Juristisches: Herbert Grönemeyer „hat sich in drei Verfahren vor dem Landgericht Köln erfolgreich gegen die Berichterstattung über eine Auseinandersetzung mit einem Fotografen und einem Kameramann auf dem Flughafen Köln-Bonn im Dezember 2014 gewehrt.“ Das berichtet Hans Leyendecker auf der SZ-Medienseite. Die Besonderheit des Falls, so Leyendecker: „Grönemeyer war in der Lage, einen bekannten Presseanwalt und einen bekannten Strafverteidiger zu engagieren, um vehement gegen die Fotografen vorzugehen. Seine Juristen ließen eine Videoanalyse und ein rechtsmedizinisches Gutachten erstellen. Alles sehr teuer. Wer kann sich das sonst leisten, auch wenn er recht hat? Kein Staatsanwalt hätte vermutlich all diese Analysen von Staats wegen in Auftrag gegeben.“
+++ Im Feuilleton der SZ stellt schließlich Jörg Häntzschel einen Bildband vor, der das Wirken des New Yorker Fotoreporters Weegee dokumentiert. Der Fotograf, der seine journalistische Karriere 1935 begann und auf Tat- und Unglücksorte spezialisiert war, „pfiff auf Objektivität“. Außerdem charakteristisch für Weegees Arbeit: „In seinen Menschenmengen gibt es immer ein paar, die von einem Ereignis offenbar nicht berührt sind, die grinsen, wenn die anderen Tote betrauern, die verstört zu Boden sehen, wenn alle feiern. Dass Weegee diese Störer in seinen Inszenierungen zuließ, macht seine Bilder so modern. So triumphiert in einer Welt von sensationslüsternen, primitiven Impulsen folgenden Massen am Ende immer doch die Freiheit.“
Neues Altpapier gibt es wieder am Freitag.