Ein Kessel Buntes
Wo liegt die Zukunft von ARD und ZDF? Nicht im Netz, meinen ostdeutsche Zeitungsverleger. Als Bezahlsender, glaubt die AfD. Als Plattform, auf der sich auch rechte Politiker ohne journalistische Einordnung präsentieren können, probiert der WDR. Außerdem: Erinnerungen an den Wettkandidaten mit den Buntstiften. 75 Jahre Frank Elstner. Die Vortragshonorare des Edward Snowdens. Fake-News-Tipps, angewandt auf die Bild-Zeitung.

Ein öffentlich-rechtlicher Sender zu sein hat auch schon mal mehr Spaß gemacht. Genüsslich konnte man sich über Jahre die steigende Unruhe in den Zeitungsverlagen ansehen und sich an der Tatsache erfreuen, dass man selbst finanziell nicht von Abonnements und Anzeigenkunden abhängig war. Und nun? Schlagen diese geprügelten Hunde in ihrer Panik um sich und erwischen dabei auch ARD und ZDF. 

Beweisstück 1: Wie angekündigt (Altpapier) verklagen diverse ostdeutsche Zeitungsverlage das Online-Angebot des RBB und folgen damit dem Beispiel ihrer Freunde aus Norddeutschland, die das Gleiche mit Radio Bremen durchziehen. 

„,Erst nach der Abmahnung der Verlage hat der rbb damit begonnen, die nach wie vor presseähnlichen Textbeiträge – teilweise nachträglich – mit einem Sendungsbezug zu versehen. Offensichtlich hat der rbb die Rechtswidrigkeit seines bisherigen Handelns im Internet erkannt’, erklärte Marco Fehrecke, Vorsitzender des VZBO. (…) Vor diesem Hintergrund bleibe den Verlagen keine andere Möglichkeit, als Klage zu erheben, um dafür zu sorgen, dass der rbb die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages beachte und sich zukünftig gesetzestreu verhalte“,

heißt es in der Pressemitteilung des BDZV, selbstloser wie selbsternannter Hüter und Wächter über Recht und Unrecht in diesem Land sowie Internet und damit dritte und vierte Gewalt in Personalunion (wie praktisch). Denn wenn dem Journalismus gerade noch etwas fehlt, dann ist es ein wenig gegenseitige Zerfleischung.

Beweisstück 2: Bei Springers Welt haben sie mit Laurin Meyer einen Journalistenschüler auf das Jugendangebot Funk angesetzt, und der tritt zu, als wäre er über 50 und im Nebenberuf Michael Hanfeld. 

„Den öffentlich-rechtlichen Sendern sind die Formate jährlich rund 45 Millionen Euro wert. Geld, das aus den Zwangsgebühren, dem Rundfunkbeitrag, kommt. (…) Freuen dürfte das nicht nur Benni und Dennis selbst, sondern auch die großen Plattformanbieter. Jeder Klick auf die Videos spült mehr Geld in die Kassen von YouTube, Facebook & Co. Der Gebührenzahler zahlt, die Jugendlichen klicken – und die Giganten aus der digitalen Welt verdienen.“

Die beiden angesprochenen Benni und Dennis sind Youtuber, die bei Funk ihr World Wide Wohnzimmer betreiben und mit Kommentaren über Barbara Schönebergers Brüste bewiesen haben, dass sie dringend Nachhilfe zum Thema „Sexismus - gar nicht so cool wie gedacht“ benötigen. Was ich hier nicht verharmlosen will, aber als Einzelbeispiel aus über 50 Angeboten den großen Hass auf das Gesamtkonzept Funk nicht erklärt. 

Doch Meyer ist mit seiner Sicht nicht alleine. Großen Zuspruch erhielt er gestern etwa von den Betreibern der Facebookseite der AfD, die den Artikel begeistert teilten, wobei ihnen die Welt-Überschrift „ARD und ZDF fördern geschmacklose Inhalte mit Millionen“ so gut gefiel, dass sie sogar ein Bildchen dazu bastelten (auf den dazugehörigen Post kann ich leider nicht eingehen, dafür ist er einfach zu krude: „Einseitig bunt, wie von den öffentlich-rechtlichen Sendern gewohnt, geht es auch bei Funk zu.“ - WTF?) Wenn Verlage auf die Sender einprügeln, dann spielen sie halt im Zweifelsfall auch Leuten in die Hände, die gegen jede Art von Medien sind, die sie nicht selbst lenken. 

Und damit zu einem Text mit zahlreichen Autoren (genauer: Maria Fiedler, Michael Kreil, Hendrik Lehmann, Markus Reuter, Lisa Charlotte Rost), der Teil einer Reihe ist, die Netzpolitik.org und Tagesspiegel gemeinsam stemmen und veröffentlichen.

„Ob auf Facebook, Twitter oder der Videoplattform YouTube: In den sozialen Netzwerken schafft sich die AfD ihre eigene Öffentlichkeit. ,Die Partei hat mit dem Schimpfen auf die ,Lügenpresse’ einen Bedarf nach wahrhaftigen Medien geschaffen. Den versucht sie jetzt durch eigene Parteikanäle zu befriedigen’, sagt der Politikberater Johannes Hillje, der seit Längerem die AfD beobachtet. Er sieht in den Netzwerken der AfD einen Paralleldiskurs, der an der Medienöffentlichkeit vorbei geführt wird. (…) Daneben verbreitet die AfD ihre Botschaften auch über die offiziellen Twitterkonten der Bundespartei sowie des Mitgliedermagazins ,AfD Kompakt’. ,Hier ist die Logik des alternativen Mediums zu erkennen. Auf diesen Accounts wird Pseudojournalismus betrieben’, sagt Hillje.“

Des Weiteren geht es um den Twitter-Account @balleryna - einer von mehreren anonymen Unterstützer-Accounts, die „ein Grundrauschen im Sinne der Partei (erzeugen), ohne dass sich die AfD offiziell dazu bekennt. Sie haben die Möglichkeit, radikaler aufzutreten als mit offiziellen Parteiaccounts.“

Auf Grafiken lässt sich zudem gut erkennen, dass das AfD-Twitter-Universum ziemlich abgeschnitten ist von dem anderer Parteien und Medien. Während die einen gegen die Strukturen von Filterblasen anrennen, nutzen die anderen deren Echokammern, um ihr Weltbild unwidersprochen unter die Leute zu bringen, die sich dank @AFDKompakt & Co schon umfassend informiert fühlen sollen. Ein schöner Plan, in dem konkurrierende, leicht zugängliche Informationsquellen natürlich störend wirken, was uns zu den generellen AfDschen Abschaffungsphantasien zu ARD und ZDF bringt.

In einer Pressekonferenz hat die Partei gestern ihre konkreten Pläne dazu vorgestellt, die beinhalten, sämtliche Unterhaltungsprogramme zu streichen, die Rundfunkanstalten zu einer einzigen Einrichtung zusammenzulegen sowie die Gebühren zu kappen und das Verbleibende als Bezahlsender zu organisieren (s. dpa-Meldung bei Meedia). 

Bei @mediasres im Deutschlandfunk hieß es dazu gestern:  

„,Wenn man ganz genau hinschaut, dann sind die Vorschläge nicht besonders konkret’, resümiert Stefan Maas (Hauptstadtkorrespondent des DLF, Anm. AP). Zum einen hätten bei der Umsetzung die Länder ein wichtiges Wort mitzureden. Zum anderen beschränke sich das Konzept auf das Fernsehen - was mit Online und Radio passieren soll, dazu gab es von der AfD noch keine Antworten.“

Offenbar ist man mit der Lektüre des vom Land Sachsen kürzlich gestalteten Grundlagenwerks „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, erklärt in 630 Fragen“ (Altpapier) noch nicht ganz durch, oder jemand wartet ab, ob der vergleichbare Fragenkatalog, der beim Land Berlin vorliegt, noch neue Erkenntnisse bringt. Festhalten lässt sich in jedem Fall, dass die AfD das System massiv zusammenstutzen möchte, noch bevor sie es ganz verstanden hat. 

Was die Partei sich laut dpa/Meedia-Meldung allerdings auch in Zukunft noch im Bezahlfernsehen von ihren politischen Gnaden vorstellen kann (und das ist die letzte, zurechtgebogene Überleitung für heute, versprochen), sind Dokumentationen wie Stephan Lambys „Die nervöse Republik“, dessen Rezensionen im Korb gestern Gesellschaft bekommen haben, schließlich läuft der Film heute um 22.45 Uhr im Ersten. 

Lamby hat Politiker und Journalisten begleitet, um festzustellen, wie sie im Populismus-Fake-News-Shit-Storm den Überblick behalten. 

„Der Politik- und Medienbetrieb hat sich verändert, ist sicherlich hektischer geworden, aber die Doku zeigt auch, dass sich die Akteure auf die neuen Gegebenheiten eingestellt haben“,

ist das lakonische Fazit, das Kurt Sagatz im Tagesspiegel zieht. 

Bei kress.de sieht hingegen Armin Fuhrer nur bestätigt, was manche als Kern der gesellschaftlichen Probleme ausmachen, die u.a. auch eine Partei wie die AfD nach oben spülte, nämlich das Leben von Politikern und Journalisten in einer gemeinsamen, aber vom Rest abgeschnittenen Blase:

„Es gibt viele Gemeinsamkeiten, selbst die Büros sehen gleich aus, ganz egal, ob im Willy-Brandt-Haus oder im Springer-Hochhaus bei ,Bild’. Und schließlich wohnen sie alle in Prenzlauer Berg.

Das alles ist interessant und vielsagend, aber es ist zu wenig, wenn ein Film die ,nervöse Republik’ analysieren will. Lamby bewegt sich nämlich selbst in dieser Berliner Blase. Aber die Republik ist auch Flensburg, Wuppertal oder Rosenheim.“

Sowie, kleine Ergänzung, auch Dresden, Magdeburg und Ueckermünde. 

In Blasen, das sind halt immer die Anderen. Ein paar Medien, die zumindest den Anspruch haben, alle anzusprechen, scheinen mir da doch nicht ganz verzichtbar.


Altpapierkorb

+++ Der frühere Titanic-Redakteur Bernd Fritz - der mit der Buntstiftwette - ist am Sonntag gestorben. Sein Magazin erinnert an ihn, ebenso wie Willi Winkler auf der Medienseite der SZ („Während Gottschalk den Kulturauftrag des Fernsehens erfüllte und das Volk verdummte, hielt der Aufklärer Fritz den Moderator und sein Volk zum Narren. Das war allerbeste Fernsehkritik, und dabei war die Disruption noch gar nicht erfunden.“) sowie Freddy Langer im Feuilleton der FAZ („Bernd Fritz war ein Dandy. Ein Dandy mit Witz, und man wunderte sich, dass er nicht unentwegt Oscar Wilde zitierte.“) +++

+++ Falls Sie in NRW leben und Ihren Direktkandidaten für die Landtagswahl mal nicht in der Fußgängerzone, sondern im Netz vor der Kamera erleben möchten, hat der WDR ein Angebot für Sie: den Kandidatencheck. „Wähler haben hier die einmalige Möglichkeit, sich ein Bild von den Kandidaten der Landtagswahl in NRW zu machen. Wir befähigen sie  damit, sich eine eigene Meinung zu bilden. Solch ein herausragendes Online-Projekt zu einer Wahl hat es in Deutschland noch nicht gegeben“, zitiert DWDL Tom Buhrow. Bei den Ruhrbaronen hat hingegen Stefan Laurin angesichts des damit verbundenen politischen Beifangs eine etwas andere Meinung: „Der WDR (…) hätte die Aufgabe, über die Kandidaten journalistisch zu berichten, wenn es sich denn lohnt und nicht allen eine Plattform zu geben. Aber genau das hat der WDR in seiner gebührenfinanzierte Einfalt getan und gibt so drei bekannten Neonazis der Partei ,Die Rechte’ die Möglichkeit, sich online zu präsentieren. Ohne Zusatzinformationen, ohne Hintergrund zur Partei, ohne irgendwas, was man als journalistische Leistung bezeichnen könnte.“ +++

+++ Frank Elstner wird 75, und auf der Medienseite der SZ schreibt Moderations-Kollege Ranga Yogeshwar die Glückwünsche dazu: „Er ist kein Showanarchist, der plötzlich vom geplanten Ablauf abweicht. Keiner, der seine Gäste missbraucht, um sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Er erspart uns die Enttäuschung, ihn eines Tages lachend auf einer Möbelhauswerbung wiederzusehen. Nein, ,FE’, wie er von vielen genannt wird, macht so etwas nicht.“ Bei DWDL übernimmt den Job Alexander Krei. +++

+++ Per Roboter hält Edward Snowden Vorträge, auch in den USA, und das für gutes Geld, was Adrian Lobe auf der FAZ-Medienseite folgende Fragen stellen lässt: „Landen amerikanische Steuergelder bei Russlands Präsident Wladimir Putin, der den Whistleblower als eine Art Faustpfand hält? Wer verdient am NSA-Skandal-Nachlass?“ Eine Antwort hat er allerdings nicht. +++ Weiteres Thema auf der Seite: Der Umgang der US-amerikanischen Comedy mit Donald Trump, besonders am Beispiel der neuen „The President Show“ bei Comedy Central. Nina Rehfeld: „Gespielt wird der Präsident (…) von Anthony Atamanuik, einem Veteranen der Comedytruppe ,Upright Citizens Brigade’. (…) Er trifft nicht nur Trumps Rhetorik und Intonation, er hat auch seine Gestik derart genau einstudiert, dass man sich an Tina Feys große Parodie der vormaligen Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin erinnert fühlt. An Schärfe ist Atamanuik kaum zu überbieten.“ +++ 

+++ Das Aus der gedruckten Ausgabe der Zeitschrift Männer nimmt Dirk Ludigs in der taz zum Anlass, eine kleine Abhandlung über die Geschichte der Schwulenmagazine zu schreiben. +++

+++ Was tut man bei der Funke Mediengruppe nicht alles, damit das Klatschblatt Die Aktuelle ihre Käufer findet? Einfach mal auf der Titelseite andeuten, dass Caroline von Monaco bald sterben müsse. Belegt bei Übermedien Mats Schönauer. +++  

+++ Fake News II: Wie mal wieder die ausgedachte Geschichte einer Falschmeldungsseite bei Qualitätsmedien wie Focus Online und Huffington Post zur Nachricht wurde, thematisiert Benjamin Kutz beim Flurfunk Dresden. +++

+++ Fake News III: Die tollen Tipps, die Facebook dieser Tage per Werbeanzeige zum Erkennen ausgedachter Meldungen gibt, lassen sich auch hervorragend auf die Bild-Zeitung anwenden. Beweist Altpapier-Autor Ralf Heimann in seiner Bildblog-Kolumne. +++

+++ In der Hannoverschen Allgemeinen rezensiert Matthias Halbig die Miniserie „Wir sind alle Millionäre“ nach John Lanchesters Roman „Capital“, die morgen bei Arte läuft. Sie „wirft einen wissenden Blick in die britische Hauptstadt kurz vor dem Brexit. Bis vor Kurzem war das Leben hier noch normal und klein, jetzt sitzen alle auf den Schatzinseln der explodierenden Londoner Immobilienpreise und Neureiche ziehen ein.“ Und jemand beginnt, im Viertel Postkarten mit der Botschaft „Wir wollen, was ihr habt“ zu verteilen. +++

+++ Kein Wunder, dass die Zeitungsausdrucker langsam nervös werden: Jetzt wandern auch noch die Anzeigen für Luxusuhren und Sportwagen ins Netz, berichtet Gregory Lipinski bei Meedia (wehe, Sie diesen so schön geschlagenen Bogen mit dem Hinweis kaputt, dass die vorher auch nicht bei der Märkischen Oderzeitung geworben haben!). +++

Das nächste Altpapier erscheint am Donnerstag.