Die Wahrheit ist kein Fertighaus
Ist der Anti-Hate-Speech-Gesetzesentwurf aus dem Bundesjustizministerium „eklatant europarechtswidrig“ bzw. voll von „rechtsstaatswidrigen Zumutungen“ oder „ein Fundament, auf dem man jetzt weiter aufbauen kann“? Können wir „auf Institutionen, die für Tatsachen garantieren, nicht verzichten“? Inwieweit nehmen AfD-Freunde systematisch Einfluss auf den Wikipedia-Eintrag zur Partei? Außerdem: ARD und Verleger kriegen kein „Memorandum of Understanding“ hin.

„Seltsam kleinmütig“ verhielten sich Ende des vergangenen Jahres einige Intendanten der ARD, schrieb epd-medien-Chefin Diemut Roether im "Rückblick auf das Medienjahr 2016", der auch im Altpapier Erwähnung fand. Anlass der Kritik war, dass kurz zuvor bekannt geworden war,

„dass ARD und Verleger erneut über eine gemeinsame Erklärung sprechen, in der die ARD sich verpflichten würde, den Anteil ihrer Texte auf den Startseiten der Online-Angebote zu reduzieren (…) Intern ist dieses Papier sehr umstritten, da eine solche Selbstbeschränkung einen Eingriff in die Programmautonomie bedeuten würde“.

Die kleinmütigen Angreifer auf die eigene Programmautonomie haben sich, so könnte man jetzt sagen, vorerst nicht durchgesetzt. Um es nachrichtlicher zu formulieren, und zwar mit Daniel Bouhs („Zapp“):

„Die Intendanten haben sich trotz monatelanger Verhandlungen nicht mit den Verlagen darauf einigen können, ihre öffentlich-rechtlichen Onlineauftritte deutlich einzuschränken.“

Gescheitert ist nach „vielen Gesprächsrunden“ mit dem BDZV der „Versuch eines Memorandums of Understanding“ (der recht müde wirkende ARD-Sprecher Steffen Grimberg im eingebetteten Interview) - zum Glück, würde ich sagen, denn:

„Angepeilt wurde zuletzt, dass die ARD auf den Überblicksseiten ihrer Onlineauftritte – Homepages und Ressortseiten – nur noch maximal ein Drittel Text veröffentlichen“,

schreibt Bouhs. 

Was Roether schrieb, bleibt aktuell:

„(Die ARD wird) den Streit mit den Verlegern austragen müssen. Alles andere würde bedeuten, dass sich die Sender in ihren Gestaltungsmöglichkeiten zu stark einschränken lassen. Angesichts der medienpolitischen Gemengelage wäre das nicht zu verantworten.“

[+++] Viel Bewegung gekommen ist am Dienstag in eine noch wesentliche größere (im weiteren Sinne) medienpolitische Gemengelage: Das Bundesjustizministerium hat den lange angekündigten Entwurf eines “Netzwerkdurchsetzungsgesetzes – NetzDG” präsentiert. Im Agenturstil lautet die Quintessenz: „Justizminister Heiko Maas erhöht den Druck auf soziale Netzwerke, die seiner Meinung nach nicht genug gegen Hassbotschaften unternehmen“ (zitiert nach Zeit Online). Wer nachrichtlich noch auf den aktuellen Stand gebracht werden muss, kann beispielsweise auch bei Spiegel Online reinschauen. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf Kommentare und Analysen des Entwurfs. Melanie Reinsch (Berliner Zeitung) atmet auf:

„Endlich gibt es ein Fundament, auf dem man jetzt weiter aufbauen kann (…) Man kann jetzt nur hoffen, dass dieses Gesetz nun möglichst reibungslos durch das parlamentarische Verfahren rutschen wird und noch in dieser Legislatur verabschiedet werden kann, so wie es sich Maas erhofft.“ 

Positiv, wenn auch mit Abstrichen, fällt auch die Einschätzung Detlef Esslingers für die SZ aus:

„Selbstverständlich wird ein Gesetz des Ministers Maas die Probleme nicht lösen. Selbstverständlich kann man - wie die Grünen - einwenden, dass es mehr einschlägig qualifizierte Staatsanwälte bräuchte sowie mehr Medienbildung an den Schulen; und eine europäische Regelung ist sowieso immer besser als bloß eine deutsche. Aber soll das ein Argument sein, erst dann etwas zu tun, wenn man sämtliche Maßnahmen und sämtliche Akteure beisammenhat (und am besten sogar Mark Zuckerberg es kapiert)?“

Die FAZ nutzt den Entwurf, um den guten alten „Netzjüngern“ vors Schienbein zu treten:

„Die Klagen der Netzgemeinschaft über eine Beschneidung der Meinungsfreiheit gehen in die falsche Richtung (…) Nur wenn man seine Freiheit in den Grenzen des Rechts auslebt, hat man weiterhin das Recht, diese Freiheit auszuleben. Auf diese Idee sollten sich auch alle Netzjünger verständigen können. Strafverfolgung ist nicht Zensur, im Gegenteil“,

schreibt Alfons Kaiser auf Seite 1. Und worin bestehen nun die vermeintlichen Klagen der vermeintlichen Netzjünger? Der Rechtsanwalt Niko Härting zählt im IT-Rechtsblog CR Online ein Dutzend Strafnormen aus dem „Verbotskatalog des § 1 Abs. 3 NetzD“ auf. Sein Fazit:

„Der Katalog ist kunterbunt und kaum nachvollziehbar. Warum soll eine ‚Fälschung beweiserheblicher Daten‘ zu einer Löschpflicht führen, nicht jedoch eine ‚Verletzung von Privatgeheimnissen‘ (§ 303 StGB)? Warum sollen Beiträge gelöscht werden, die eine ‚Bedrohung‘ enthalten, nicht jedoch pornographische Inhalte, die Minderjährigen zugänglich sind (§ 184d StGB)? Wieso braucht man die Löschpflicht bei einer Verunglimpfung der Nationalhymne (§ 90a Abs.1 Nr. 2 StGB), nicht jedoch bei einer verfassungsfeindlichen Verunglimpfung der Bundeskanzlerin (§ 90b StGB)?“ 

Härting bezeichnet diesen „Normenkatalog“ als „ungelenkes Potpourri“, dem anzumerken sei, wie „denkbar schwammig“ Begriffe wie Hate Speech und Fake News seien. Eine (erste) „Analyse“ unter dem Titel „So gefährlich ist das neue Hate-Speech-Gesetz für die Meinungsfreiheit“ präsentiert derweil Markus Reuter (netzpolitik.org) - wobei er unter anderem eine Einschätzung des Blogs Digitale Gesellschaft aufgreift: 

„Als besonders verheerend dürfte sich die Verpflichtung zur Löschung von ‚offensichtlich rechtswidrigen Inhalten‘ binnen 24 Stunden erweisen. Da eine vorherige gerichtliche Kontrolle nicht vorgesehen ist, müssen die Anbieter selbst entscheiden, ob diese Verpflichtung im Einzelfall greift oder nicht. In Anbetracht der hohen Bußgeldandrohungen bei Verstößen dürfte dies zu einer höchst proaktiven Löschpraxis der Anbieter führen, die im Zweifel stets zu Lasten der Meinungsfreiheit gehen wird.“

In Sachen Bußgeld blenden wir noch eimal kurz rein bei Härting:

„In § 4 Abs. 5 NetzDG erklimmt der Entwurf des Gipfel rechtsstaatswidriger Zumutungen. Im Streit um Bußgelder soll es einen kurzen Prozess um die Rechtswidrigkeit von Inhalten geben. Zuständig soll ein Amtsgericht sein, das ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann und dessen Entscheidung nicht anfechtbar ist. Dass es bei dem ‚kurzen Prozess‘ um nicht weniger geht als um die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG), scheint den Entwurfsverfassern nicht einmal aufgefallen zu sein.“

Das Fazit in Reuters netzpolitk.org-Beitrag lautet:

„Der Gesetzentwurf ist sehr weit gefasst und betrifft deutlich mehr Dienste als die großen marktdominanten und meinungsbildenden sozialen Netzwerke Facebook und Twitter, die in der bisherigen Debatte immer als Grund für das Gesetz herhalten mussten (…) Würde der Entwurf Gesetz werden, macht man die betroffenen Netzwerke ohne vorhergehende richterliche Überprüfung zu Ermittler, Richter und Henker über die Meinungsfreiheit (…) Gleichzeitig würde das Gesetz zu einer Ausweitung automatischer und gefährlicher Zensurmechanismen führen.“

Und um zum Ende dieses Themenabschnitts noch mal was Knackiges zu zitieren: Der Entwurf sei „eklatant europarechtswidrig“. Meint jedenfalls Niko Härting.

[+++] Der aktuelle Was-mit-Fake-News-Longread stammt aus der April/Mai-Ausgabe des Philosophie Magazins, die am Donnerstag an den Kiosk kommt. Es handelt sich um ein Interview, das Philipp Felsch mit der Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston und dem am Wochenende (siehe Altpapier) gerade erst als Was-mit-Fake-News-Longread-Autor aufgefallenen Georg Mascolo geführt hat. Das Gespräch ist Teil des Dossiers „Und woran zweifelst du?“, und Interviewer Felsch fragt unter anderen, „welche Möglichkeiten wir überhaupt haben, um ‚gute‘ von ‚schlechten‘ Fakten zu unterscheiden. Institutionen scheinen dafür unumgänglich. Ist die Krise der Wahrheit im Kern eine Institutionenkrise?“ Ja, sagt Daston. Zudem hätten wir es zu tun mit einer 

„Krise der Autorität (…) Das Internet (versprach) zunächst eine wahrhaft demokratische Wissensproduktion. Doch inzwischen sehen wir, welche Probleme sich aus der Unterhöhlung institutioneller Autorität ergeben. Genau wie in der Kunst gibt es auch in den Wissenschaften die Legende vom Einzelnen, der von den etablierten Institutionen ignoriert wird, aber am Ende doch recht behält (…) In der Gegenwart profitiert sie von der Mythologie des Internets. In Wirklichkeit können wir auf Institutionen, die für Tatsachen garantieren, nicht verzichten. In den meisten Fällen kommt die Wahrheit nämlich nicht durch Geniestreiche ans Licht. Stattdessen muss sie mühsam erarbeitet werden – und dazu tun Institutionen, Methoden und Beweismittel not. Die Wahrheit ist kein Fertighaus, das man über Nacht errichtet. Sie ist, wenn ich das etwas pathetisch formulieren darf, eine Kathedrale.“ 

Mascolo indes möchte Dastons „Skepsis“ etwas entgegensetzen: 

„Wir (erleben) gegenwärtig (…) auch eine Form des Zweifels (…), die ich als aufklärerisch empfinde. Der Soziologe Niklas Luhmann hat einmal gesagt, dass wir so gut wie alles, was wir über die Welt wissen, aus den Medien wissen, dass wir aber über die Medien zu viel wissen, um ihren Informationen zu trauen. Ein vergleichbares Reflexionsniveau erkenne ich heute tatsächlich bei einer größeren Anzahl von Mediennutzern wieder. Auf der einen Seite scheint es tatsächlich diejenigen zu geben, die wir kaum noch erreichen, weil sie meinen, dass wir vorsätzlich die Wahrheit verbiegen wollen. Eine weitaus größere Gruppe ist aber auf eine Weise kritischer geworden, die ich als mündiger bezeichnen würde: Sie zieht die Autorität der traditionellen Medien in Zweifel und fragt, nach welchen Kriterien wir eigentlich arbeiten. ‚Was sind eure Quellen, wie trefft ihr eure Entscheidungen? Korrigiert ihr eure Fehler? Legt ihr an euch und euer Handeln die gleichen Maßstäbe an, die ihr an alle anderen anlegt?‘“ 

Hm, ist die Gruppe der mündigen Mediennutzer, die auf reflektierte Weise Kritik vorbringen, wirklich „weitaus größer“ als jene der „Internetkrieger“, die „nichts mehr (glauben) und alles schon (wissen)“? Wenn’s dazu Studien geben sollte - gern her damit.

Wer gerade keinen philosophie-magazinigen Ansatz braucht und statt dessen das Bedürfnis hat nach einer (weiteren) Großabhandlung zum Thema Fake News früher und heute inclusive einer „What can we do?“-Checklist, wer also das Bedürfnis hat nach einem „guide to journalism in a new and more chaotic media environment“ - der schaue doch mal rein beim an der Uni Oxford angesiedelten Reuters Institute for the Study of Journalism bzw. in diesen Text von Anders Hofseth. „Beware numbers“, lautet einer seiner Ratschläge. Denn:

„Numbers have a tendency to seem more credible than they are. To include a number in a statement or press release is a well known trick for giving the sheen of science and credibility. But the number might not be that relevant.“

Folgende Fragen sollte man sich zum Beispiel stellen:

„Does the number measure what you think it does?“ 

Oder: 

If you’re unsure what it means, or it’s difficult to explain, alarm bells should go off.

[+++] Dass man an Wikipedia grundsätzlich zweifeln sollte, ist keine neue Erkenntnis. Warum insbesondere Vorsicht angebracht ist beim Wikipedia-Eintrag über die AfD - das liegt vor allem an einem „AfD-Freund“, der sich „Lukati“ nennt. Patrick Schlereth schreibt in der FR

„Wenn (…) im Eintrag von AfD-Politikerin Beatrix von Storch die Bezüge ihrer Verwandten zur NS-Vergangenheit getilgt werden, dann war mit einiger Wahrscheinlichkeit ‚Lukati‘ am Werk (...) Mit seiner Beharrlichkeit setzt sich der Nutzer in etlichen Editierkriegen oft durch.“ 

Schlereth rekapituliert in dem Text noch einmal die zu diesem Thema ebenfalls in der FR veröffentlichten Recherchen Marvin Oppongs und geht auf die Reaktionen dazu ein. Über „Lukati“ schreibt Schlereth:

„Er geht umsichtiger vor als der manipulativ agierende Hobby-Nutzer, argumentiert in Diskussionen um Editierungen mit einer genauen Kenntnis der Richtlinien und begründet seine Änderungen bevorzugt mit der Neutralität der Online-Enzyklopädie, neben der Anonymität eins der höchsten Güter in der Community. Eben diese Neutralität steht jedoch in Frage, seit sich der Nutzer ‚Magister‘, der im Schiedsgericht der Wikipedia sitzt, jüngst als AfD-Funktionär outete und damit in die Schlagzeilen geriet.“

Was es mit ‚Magister“ auf sich hat, steht wiederum ausführlich in einem Anfang des Jahres erschienene Vice-Artikel. Die FR meint:

„Auch wenn die Rede von einer Unterwanderung verfrüht sein mag, bilden sich jedoch nachweislich Netzwerke zwischen den Nutzern am rechten Rand. Fest steht, dass ‚Lukati‘ AfD-Funktionär ‚Magister‘ in einem Konflikt mit einem anderen Autor unterstützte, als die Nachricht von der Parteimitgliedschaft bereits öffentlich war. ‚Magister‘ wiederum sprang ‚Lukati’ in der Diskussion um Oppongs FR-Artikel bei:

[+++] Was gibt es Neues rund um das Thema #FreeDeniz? Das Neue Deutschland weist auf eine heutige Solidaritätslesung in Berlin hin, bei der unter anderem Michel Friedman, „der selbst erst kürzlich von Erdogan heimgesuchte und bedrohte Komiker“ Jan Böhmermann, Maxim Biller und der gerade infolge einer umstrittenen Grimme-Preis-Auszeichnung (Altpapier) Aufmerksamkeit genießende Oliver Polak mitwirken. hr2 wiederholt am heutigen Mittwochmittag um 12.05 Uhr eine „Doppelkopf“-Sendung von 2016, in der Moderator Klaus Walter Yücel in dessen Eigenschaft als Mitbegründer der Gruppe "Hate Poetry“ zu Gast hatte.

Mittlerweile online: der im Altpapier vom Freitag erwähnte epd-medien-Schwerpunktartikel, der einen Überblick über die Repressionen gegen Journalisten in der Türkei liefert. Glücklicherweise nicht aktuell ist derzeit #FreeAsli, denn die mit ähnlich absurden Vorwürfen wie Yücel konfrontierte Schriftstellerin und Journalistin Asli Erdogan (siehe unter anderem dieses Altpapier) sitzt derzeit nicht im Gefängnis. Eine schlechte Nachricht gibt es dennoch, u.a. via tagesschau.de: „Erstmals seit ihrer Freilassung kurz vor Silvester“ stand die Autorin am Dienstag vor Gericht.


Altpapierkorb

+++ Mehr in Sachen Stefanie Sargnagel (siehe Altpapiere von Montag und Dienstag): Dass die zur Hetzjagd auf die Autorin blasende Kronen-Zeitung, dieses österreichische RevolverPanzerfaustblatt, „dessen - um es einmal vorsichtig zu formulieren - wenig subtiler Stil die Bild-Zeitung wie einen Hort der Seriosität und des Feinsinns wirken lässt“ (Thomas Blum im Neuen Deutschland), auch „mit öffentlichen Geldern alimentiert“ wird - darauf weist Lisa Mayr im Standard hin. Andrea Diener schreibt auf der FAZ-Medienseite: „In Österreich stehen die Fronten offenbar seit fast dreißig Jahren stabil zwischen Kulturschaffenden auf der einen, Boulevard und FPÖ auf der anderen Seite. Die Aufregungen sind die gleichen, der Unterschied ist, dass sich die Angriffe durch das Internet deutlich verstärken und beschleunigen.“ Die Krone stachele „einen Mob an, der kaum noch zu kontrollieren ist“.

+++ Eine Ergänzung zu all den Betrachtungen der „Anne Will“-Sendung von vergangenem Sonntag (siehe erneut das gestrige Altpapier): ein in der taz erschienener Erfahrungsbericht Oliver Kontnys, der den türkischen Minister Akif Kilic simultan übersetzte: „Man beginnt mit Selbstverständlichkeiten. Schafft Common Ground. Deutsch-türkische Beziehungen. Eine versöhnliche, sanfte Stimme? Zu nah am Mikro. Mindestens mein erster Halbsatz klingt arg nach Schlafzimmer. Etwas weiter weg? Die Tonregie dreht auf, da hört man auch die Pressatmung. Das Fernsehpublikum hat Anspruch auf eine Stimme, die ihr Vertrauen erweckt in diesen Zeiten. Vertrauen ist gut. Besser: Kontrolle. Minister K?l?ç denkt ebenso. Nach jedem Satzbaustein macht er eine Kunstpause und horcht dem Verdolmetschten nach. Nickt sanft ab, was ich gesagt habe, damit alle, die im Regierungsstab und an den Fernsehbildschirmen mithören, quasi simultan, gestisch, rückverdolmetscht bekommen, dass alles stimmt und die Öffentlich-Rechtlichen niemanden genommen haben, der das Gesagte verzerrt.“ Das Grundproblem, so Kontny: „Die (rechtsläufige) Syntax des Deutschen und die (linksläufige) Syntax des Türkischen sind so grundverschieden, dass Sie erstens für einen geraden deutschen Satz zu Beginn die Informationen brauchen, die Sie im Türkischen gegen Ende bekommen, und die ersten fünf bis zehn türkischen Satzbausteine im Kopf irgendwo ablegen müssen, um sie dann gegen Ende des deutschen Satzes geschickt irgendwo einzubauen.“

+++ Für die Verdi-Zeitschrift M - Menschen Machen Medien beschreibt die freie Journalistin Karin Burger, unter welchen Umständen sie eine 130-prozentige Honorarnachzahlung vom Südkurier bekommen hat.

+++ In Sachen Trump (I): Wie sehr sich die hiesigen Medien für ein von einem „bekannten pfälzischen Historiker und Auswanderungsforscher“ entdecktes „Schreiben der Königlich Bayerischen Regierung der Pfalz vom Februar 1905, worin das Gesuch eines Friedrich Trump um Wiederaufnahme in den bayerischen Staatsverband abgelehnt wurde“, interessieren, steht im Gemeinschaftsblog der rheinland-pfälzischen und saarländischen Archive. Friedrich war Donalds Großvater.

+++ In Sachen Trump (II). Den im Altpapier gelegentlich bereits aufgegriffenen Sachverhalt, dass diverse US-Medien zu den Trumpismus-Gewinnlern gehören, illustriert die Medienkorrespondenz mit weiteren Zahlen: „Der Nachrichtensender CNN bekommt in jüngster Zeit stets den Löwenanteil von Trumps Beschimpfungen ab, obwohl CNN genau betrachtet das unparteiischste der drei großen News-Networks im amerikanischen Kabelfernsehen ist (...) Die jetzt bekannt gewordenen Sehgewohnheiten und Reaktionen des amerikanischen Fernsehpublikums können Trump und seiner Mannschaft nicht gefallen. Bei den Budgetkalkulationen für das Jahr 2017 hatte CNN noch einen Rückgang seiner Einschaltquoten um 25 Prozent prognostiziert. Doch nach den ersten sieben Wochen des neuen Jahres zeigt sich nun, dass die Zuschauerzahl des Networks insgesamt um 36 Prozent angestiegen ist.“

+++ Ebenfalls aus der Medienkorrespondenz: eine launig präsentierte „Screenshot-Galerie“, die die Frage aufwirft, warum das ZDF in seinem linearen Programm in Form von Facebook-Adressen-Einblendungen ständig kostenlose Werbung macht für ein anderes - im weiteren Sinne - Medienunternehmen. „Würden sich im Sinne ausgleichender Gerechtigkeit nicht auch andere außerhäusige Unternehmen freuen, wenn sie solche kostenlose Einblendungszeit erhielten?“ fragt Dieter Anschlag in diesem Zusammenhang. Vor allem: Ist es mit Blick auf die eigene Markenzukunft nicht eher kontraproduktiv, dauernd auf Facebook zu verweisen? Nicht zuletzt: „Was mag wohl Tom Bellutberg denken, wenn er all das sieht? Denkt er: Ja, bin ich denn schon der Intendant vom Zweiten Deutschen Facebook?“

+++ Kostenlose Werbung anderer Art macht die Brigitte - und zwar u.a. für einen Kaffeeladen, der auch Sportmode im Angebot hat. Siehe Übermedien

+++ Silke Burmester war für die SZ (€) in einer Ausstellung in Lüneburg, die sämtliche 118 Starschnitte zeigt, die bis 2004 in der Bravo erschienen sind.

+++ Heute im Fernsehen: Corinna Harfouch „beeindruckt“ in „Viel zu nah“ „als Mutter, die sich an ihren 18-jährigen Sohn klammert“ (Tagesspiegel). Der Film ist „das Porträt einer Frau in mittleren Jahren, die mit Panikattacken und der Angst vor dem Verlassenwerden kämpft“, schreibt Thomas Gehringer. Jedoch: „Dass die Hauptfigur ausgerechnet Polizistin ist, kann man angesichts der Krimiflut natürlich kritisieren.“ Claudia Tieschky (SZ) meint: „Der Thriller funktioniert hervorragend. Das Psychodrama weniger, trotz Harfouchs großartigem Spiel.“ Und Jörn Wenge (FAZ-Medienseite) ärgert sich über diverse Mätzchen: „Armin Alker an der Kamera (lässt) nichts unversucht, dem Zuschauer mit Slow-Motion-Aufnahmen und einem stets unterlegten Grauton klarzumachen, wie es um die Hauptfigur, der er immerzu folgt, steht. Gutgetan hätte es dem Film, sich bei diesen Stilmitteln etwas zurückzunehmen.“

+++ Gestern im Fernsehen: eine Ausgabe der „Pierre M. Krause Show“ (SWR), die noch ein Weilchen im Netz kursieren dürfte, weil Harald Schmidt hier seit langer Zeit mal wieder einen Auftritt hat - und sich dabei in ziemlich guter Form präsentiert. Angesichts dessen erträgt man sogar Krause, das ewige Talent.

Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.