Früher wurde mehr gevögelt
Die Meinungs- und Recherchefreiheit in Deutschland sind bedroht, allerdings nicht durch den Staat. Außerdem: neue Einschätzungen zu „Köln II und dem Versagen der Massenmedien“; eine Bank als Sportsender; eine brennende Dortmunder Kirche bei Breitbart; die Öffentlich-Rechtlichen und ihre Elphie; mangelnde Transparenz bei auf Pressereisen basierenden Artikeln.

Wir steigen heute einmal mit der vielleicht nicht allerrelevantesten Meldung ein, aber mit einer, die in ihrer objektiven Absurdität frappierend viel darüber aussagt, inwiefern derzeit die Grenzen zwischen Medienunternehmen und Nichtmedienunternehmen verschwimmen. Im Kern lautet die Nachricht, dass eine Bank, die Handball sponsert, in der kommenden Woche zum Handball-Sender wird. Konkreter: Die Frage, wer denn nun die Handball-WM überträgt (siehe Altpapier), ist geklärt. Die Deutsche Kredit-Bank AG (DKB) macht’s. Horizont berichtet unter Verwendung horizontalster Begriffe:

„Mit der Live-Übertragung der Handball-WM schafft die DKB ein besonderes Beispiel der Sponsoring-Aktivierung und zugleich ein Novum: Noch nie hat hierzulande ein Sponsor die Rechte an einer sportlichen Großveranstaltung erworben. Das Kreditinstitut ist seit der Saison 2012/13 Namenssponsor der Handball-Bundesliga (…) Beim Deutschen Handballbund ist das Unternehmen auf der Ebene eines Premium-Sponsors angesiedelt.“

Einen ausführlichen dpa/Tagesspiegel-Beitrag gibt es auch, die Bank werde „insgesamt mehr als 50 Spiele (…) live im Internet übertragen. Das sieht nach Notlösung und Lösung zugleich aus“, steht dort unter anderem. Bank kann Fernsehen, ließe sich nun in Anlehnung an den nicht unbeknackten Reklameslogan des Hauses („Das kann Bank“) sagen. Da die DKB eine hundertprozentige Tochter der BayernLB ist, die wiederum eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist, gibt es immerhin gewisse Gemeinsamkeiten zwischen dem neuen „Sender“ und ARD und ZDF. Vielleicht kann sich ja der Deutsche Handballbund revanchieren, indem er die nächste Aktionärsversammlung der DKB AG überträgt.

[+++] Kommen wir nun aber zu einem Thema, das nicht nur Sport-TV-Interessierte betrifft, sondern ungefähr jeden Bürger.

„Die größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit geht heute nicht mehr vom Staat aus, sondern von der Angst vorm digitalen Schnellgericht und seinem Pranger“,

schreibt Jochen Bittner bei Zeit Online. Den Eindruck konnte man auch bereits Mitte Dezember nach den Attacken auf den Werber Gerald Hensel (#keingeldfürrechts) bekommen konnte (siehe Altpapier), der von Schnellrichtern derart terrorisiert wurde, dass er um sein Leben fürchten und untertauchen musste. Bittners Text stimme ich über den gerade zitierten Satz hinaus übrigens kaum zu, weil er behauptet, dass die Meinungsfreiheit im oben beschriebenen Sinne nicht nur von rechts, sondern auch von links bedroht werde. Troll- und Mobster-Armeen in einem bedrohlichen Ausmaß mobilisieren können aber - glücklicherweise - nur Presseausweisbesitzer und Presseausweis-Nichtbesitzer aus dem rechten Milieu. Beziehungsweise: Die „systematisch manipulierenden Player, die Menschen im Netz steuern und lenken“ (der eben erwähnte Hensel neulich gegenüber Cicero Online), kommen ausnahmslos von rechts, wenn man mal von Peergroups in vernachlässigenswert kleinen Blasen absieht.

Aktueller Anlass für Bittners These ist, natürlich, das, was sich in sozialen Netzwerken, insbesondere bei Twitter, nach der Berichterstattung zur Silvesternacht am Kölner Dom abspielte. Was uns dazu bringt, anknüpfend ans Altpapier von Mittwoch, überzuleiten zum Thema „Köln II und das Versagen der Massenmedien“, wie es der Freitag formuliert. Christoph Kappes fragt dort:

„Warum (…) ist fast nichts außer Koloratur über den Abend vor Ort bekannt? Es wäre ein Leichtes gewesen, durch Nachfragen und Interviews für die Öffentlichkeit zu recherchieren, welche Geschichte die Nordafrikaner erzählen, und sich ein Bild von den Gruppen zu machen. Woher kommen sie? Waren sie schon im Vorjahr da? Wie haben sie sich verabredet? Was führt sie an den Ort? Wie wirken sie? Was ist ihre Intention? Und wie nahmen andere die Situation wahr, etwa Frauen?“

Sebastian Dalkowski (Rheinische Post) hat versucht, das zu tun, was Kappes einfordert, er wollte Nordafrikaner ihre Geschichte erzählen lassen, und deshalb veröffentlichte er bei Nett-Werk Köln, „eine Art schwarzem Brett“ bei Facebook „für alle Themen, die mit Köln zu tun haben“, am 2. Januar eine Rechercheanfrage:

„Ich fragte: ‚Meine Zeitung sucht Männer nordafrikanischer Herkunft, die Silvester in Köln gefeiert haben und von ihren Erlebnissen berichten wollen. Momentan wird ja vor allem über Nordafrikaner gesprochen, aber nicht mit ihnen.‘ Mehr nicht. Ich wollte einfach, dass sie zu Wort kommen. Erzählt doch mal, wie war das für Euch an Silvester in Köln? Eine offene Recherche ohne festes Ziel. Es ging mir nicht darum, die Arbeit der Polizei schlechtzureden. Es ging mir nicht darum, Nordafrikaner als Opfer darzustellen.“

Die digitalen Schnellrichter machten sich dann aber schnell und massiv an die Arbeit, posteten Diskussionsbeiträge à la "wie hohl bist Du???" und "Deutsche Presse halt die Fresse !!!!!!!“, weshalb die Administratoren vom Nett-Werk so sehr genervt gewesen seien, dass sie, so Dalkowski, „das Posting nach Rücksprache mit mir am Abend löschten“. In diesem Sinne ist, um Jochen Bittners These noch etwas kräftiger auszumalen, derzeit nicht nur die Meinungsfreiheit gefährdet, sondern auch die Recherchefreiheit, die Freiheit, sich ein Bild von etwas zu machen. Am Ende schreibt Dalkowski:

„Wie können wir über das Thema ‚Migration‘ sprechen, wenn selbst allersachlichste Anfragen innerhalb von Sekunden zur Eskalation führen? Ich habe darauf noch keine Antwort gefunden.“

Weitere Beiträge zu Köln II: Daniel Bax kritisiert in der taz beispielsweise die Vermutungskünstlerin Alice Schwarzer (siehe Altpapier von Donnerstag):

„Die Publizistin (…) behauptet, ‚dieselbe Sorte Mann wie vor einem Jahr‘ hätte in Köln auch in dieser Silvesternacht wieder ‚gezielt provozieren‘ und den Staat herausfordern wollen. Und der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster meinte im ZDF, dabei habe es sich um eine ‚Machtprobe‘ gehandelt. Für beide Behauptungen gibt es bislang keinerlei Belege.“

Philip Faigle, Cem Güler und Karsten Polke-Majewski beschreiben für Zeit Online Unklarheiten an verschiedenen Fronten:

„Journalisten und Politiker (versuchen) zu verstehen, wer die Männergruppen waren, von denen in der Nacht Gefahr ausgegangen sein soll. Doch die Zahlen, die bisher öffentlich sind, machen das nicht gerade leichter. Die Kölner Polizei prüfte in der Nacht bei 650 Personen die Identität. Sechs Personen wurden festgenommen, 29 in Gewahrsam genommen. Doch um welchen Personenkreis es sich dabei genau handelte, kann (Polizeipräsident) Mathies bisher nicht sagen. Die Bundespolizei wiederum teilte mit, dass sie 170 Personen wegen festgestellter oder schon registrierte Straftaten oder gefahrenabwehrender Maßnahmen erfasst habe. Diese Menschen hatten jedoch 23 verschiedene Staatsangehörigkeiten, unter ihnen waren 56 Deutsche, 23 Syrer, 22 Algerier und 17 Marokkaner.“

Das Zeit-Online-Trio hat, um auf Kappes’ Forderung zurückzukommen, übrigens mit zwei 16-jährigen Marokkanern gesprochen, die die Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof gefeiert haben. Die Ruhrbarone haben derweil 62 Fragen zu Köln II an Polizei, Politik, Gesellschaft und „auch an dich“ formuliert, die auch andere Journalisten stellen könnten, noch stellen werden oder vielleicht (sich) schon gestellt haben. Dem im Altpapier von Mittwoch zitierten freien Journalisten Christoph Herwartz schließlich wirft Michael Wuliger (Jüdische Allgemeine) vor, „die Schoa bagatellisiert“ zu haben, weil er in seinen Berichten über die Maßnahmen der Kölner Polizei die Begriffe „Selektion“ und „Sonderbehandlung“ gebrauchte. Herwartz hat darauf bereits reagiert

[+++] Der andere Silvesterfeier-Schauplatz, der medienjournalistisch derzeit relevant ist, ist Dortmund. Das liegt daran, dass dubiose internationale Medien „einen Ausnahmezustand konstruier(t)en, den es nicht gab“, wie der Deutschlandfunk berichtet. Victoria Reith rekapituliert:

„Ein Mob von mehr als 1.000 Männern habe ‚Allahu Akbar‘ geschrien, Polizisten attackiert und eine historische Kirche in Brand gesetzt, berichtet das umstrittene, rechtskonservative US-Portal Breitbart und zeichnet ein düsteres, bedrohliches Bild von der Silvesternacht in Dortmund. Für den Leser scheint es so, als sei die Lage dort in der Nacht zum neuen Jahr vollkommen außer Kontrolle geraten.“

Und was passierte wirklich?

„Eine Gruppe von 1.000 Männern feierte in der Dortmunder Innenstadt. Es gab auch einzelne ‚Allahu-Akbar‘-Rufe. Eine Feuerwerksrakete landete im Netz eines Baugerüsts der Reinoldikirche, die auch, anders als "Breitbart" berichtete, nicht die älteste Kirche Deutschlands ist. Dort entstand ein kleinerer Brand, der schnell gelöscht werden konnte. Einige Polizisten wurden verletzt - doch kein Beamter wurde gezielt attackiert.“

Bei den Beiträgen von Breitbart und anderen handelt es sich um bemerkenswerte Verdrehungen eines Berichts des Ruhr-Nachrichten-Reporters Peter Bandermann. Dieser selbst rekonstruiert, wie das im Detail passierte, wie sich die Fake News in sozialen Netzwerken verbreiteten und welche Folgen die Berichterstattung für ihn hatte. Die Welt zitiert eine Dortmunder Polizeisprecherin:

„Ein YouTube-Video, das bereits 25.000 Mal angeklickt wurde und angeblich ‚Silvester 2016 Dortmund‘ zeigen soll, entlarvte (sie) als Fake: ‚Jeder, der die Stadt kennt, sieht, dass das nicht bei uns ist.‘“

Und die FAZ meint:

„Es genügte für Breitbart News, entscheidende Details der Dortmunder Silvesternacht zu verstellen,um einen völlig anderen Eindruck der Lage zu vermitteln. Genau darin sind die Autoren von Breitbart News in den Vereinigten Staaten besonders geübt.“

Man könne, so Jonathan Hackenbroich, von einem „Vorgeschmack“ auf das sprechen, was droht, sollte Breitbart nach Deutschland expandieren.

Anlässe, das Thema Fake News heute noch auf einer allgemeineren Ebene zu betrachten, gibt es auch. Der Deutschlandfunk hat mit mehreren Kommunikationswissenschaftlern und Informatikern gesprochen, die „sich weitgehend darüber einig“ seien, „dass Bots oder auch Fake News weniger meinungsverändernd als lediglich meinungsverstärkend seien und das Internet „zum Sündenbock für die politischen Probleme einer Gesellschaft“ gemacht werde. Und das am Mittwoch hier schon erwähnte Philosophie Magazin wirft die Frage auf, ob „im Zeitalter von Big Data menschliche Methoden“ ausreichen, um Fake News erkennen zu können: 

„Es ist die schiere Menge an vorhandenen Daten, die unsere Standards von Überprüfbarkeit unterhöhlt. Mit menschlichen Kontrollverfahren allein ist diesem Missstand nicht mehr beizukommen“,

meint Philipp Felsch.

[+++] An weiteren Beiträgen zum 70. Geburtstag des Spiegel (siehe Altpapier von Montag und Mittwoch) mangelt es auch nicht.

„Wie aus dem ‚Nachrichtenmagazin‘ eine reißerische Boulevard-Illustrierte wurde“,

lautet ein Satz aus dem Vorspann eines Neuen-Deutschland-Artikels von Leo Fischer, und die Formulierung liefert gewissermaßen gleich die Pointe mit, dass der Vorspann selbst sich natürlich auch durchaus als reißerisch bezeichnen ließe. Fischer macht dann aber den einen oder anderen Punkt:

„Das Problem des Spiegel heute (...) steckt (...) in Hurra-Artikeln wie dem über die Rückkehr des Gerhard Schröder: ‚Von seinen Schwächen hat sich Schröder nie zurückhalten lassen. Es ist für ihn eine Demonstration seiner Stärke, maximale Souveränität. Er kann sie sich jetzt leisten. Diesen Artikel jetzt lesen, später zahlen: 0,39 Euro.‘ Um einen Propagandaartikel darüber zu lesen, warum der Ex-Chef immer noch so ein toller Hecht ist, zahlt man halt auch bei der New York Times keine 40 Cent, und in Nordkorea bekommt man solcherart entmilitarisierten Journalismus sogar ganz umsonst.“

Wobei sich das ironisch eingeflochtene „entmilitarisiert“ auf Brinkbäumers neulich in einem dpa-Interview gemachte Äußerung bezieht, das Wort „Sturmgeschütz“ sei ihm zu „militaristisch“.

Um dem gleich mal eine vergleichsweise pastorale Stimme entgegen zu setzen:

„Insgesamt lässt sich doch, bei aller Kritik im Einzelfall, festhalten, dass der Spiegel mit beigetragen hat zur Modernisierung der Bundesrepublik, zur Rationalisierung ihrer Institutionen und zur Liberalisierung der Lebensverhältnisse. Das ist ihm, aber auch anderen Medien zu danken“,

schreibt in der SZ (Donnerstags/Freitags-Ausgabe) der auf dem Autorenfoto zum Text mit schickem Sommerschal posierende Volker Lilienthal.

„Zum Spiegel sage ich gar nichts mehr“, sagt dagegen, in einem Interview mit dem Schweiz-Teil der Zeit, Wolli Büchner, einst kurzzeitig Chefredakteur beim Nachrichtenmagazin, dann auch nicht lange in der Schweiz zugange und nun als oberster Inhalteoffizier bzw. Chief Content Officer bei Madsack im Einsatz.

Der Jubilar selbst stellt die gekürzte Fassung eines Gesprächs online, das Spiegel-Redakteurin Britta Sandberg 2006 mit dem 2009 verstorbenen und durch hagiographische Bücher zur Geschichte des Magazins auffällig gewordenen Spiegel-Urgestein Leo Brawand geführt hat. Am Ende des Interviews wird’s saftig, es geht darum, was sich 1955 durch den Umzug der Redaktion von Hannover nach Hamburg änderte:

„In Hamburg wurden wir alle viel braver und ordentlicher (...) Augstein sagte, wir sollten uns alle merken, in Hamburg hole man sich Freund und Freundin nicht mehr in der Redaktion. Was den innerbetrieblichen Verkehr anging - in Anführungsstrichen -, waren die wilden Zeiten damit vorbei.“

Ganz anders als in anderen Hamburger Redaktionen. Heide Sommer jedenfalls, früher Chefsekretärin bei Zeit und Spiegel, darüber hinaus Raddatz-Redigiererin und Übersetzerin, erzählt in einem derzeit online nicht verfügbaren Interview, das Ex-Altpapier-Autor Matthias Dell für den Freitag mit ihr geführt hat, mit Bezug auf die Mitte der 1960er Jahre:

„Die verheirateten Männer hatten in ihrem Arbeitsumfeld alle eine Liaison. Als Gruner + Jahr gegründet wurde, haben Stern und Zeit auf der Hanseatic eine Wochenendfahrt rund um Helgoland gemacht. Was meinen Sie, was da gevögelt wurde! Aber das hat das Gemeinschaftsgefühl und die Arbeitsfreude erhöht.“

[+++] Komplette Texte zitieren wir hier ja praktisch nie, unter anderem aus urheberrechtlichen Gründen. Jetzt müssen wir es mal riskieren, denn das FAZ-Medienressort hat heute seinen besten Text seit vielen Monaten veröffentlicht. Er geht so:

„Den Festakt und das Konzert zur Eröffnung der Elbphilharmonie am 11. Januar in Hamburg gibt es auf allen Kanälen zu hören und zu sehen. Der NDR überträgt live in Radio, Fernsehen und online. Das ‚Hamburg Journal‘ berichtet von 18 Uhr an, um 18.30 Uhr folgt die Übertragung des Festaktes, von 20.15 Uhr an das Eröffnungskonzert. Im Ersten läuft um 22.45 Uhr die Dokumentation ‚Die Elbphilharmonie – Konzerthaus der Superlative‘. Um 23.30 Uhr gibt es eine Zusammenfassung des Eröffnungsabends. Am Sonntag, 8. Januar, 18 Uhr, stellt die ‚ZDF.reportage‘ die Elbphilharmonie vor. Am Eröffnungstag zeigt ZDFinfo um 20.15 Uhr eine längere Fassung des Films. Arte zeigt den Festakt am 11. Januar um 18.30 Uhr auf concert.arte.tv/de im Netz. Am Sonntag, 15. Januar, zeigt der Kultursender um 16.50 Uhr die Dokumentation ‚Die Elbphilharmonie – Hamburgs neues Wahrzeichen‘, um 17.40 Uhr eine Aufzeichnung des Eröffnungskonzerts, die am Samstag, 21. Januar, um 20.15 Uhr noch einmal auf 3sat zu sehen ist.“ 

Radikaler und wirkungsvoller lässt sich öffentlich-rechtlicher Wahnwitz kaum darstellen.

Gespart wird bei den Öffentlich-Rechtlichen aber bald an anderer Stelle. Mit den von den ARD-Anstalten, dem ZDF und dem Deutschlandradio geplanten, weil von den Bundesländern geforderten „kostensenkenden Kooperationen untereinander etwa im Verwaltungs- oder Technikbereich“ (siehe epd medien neulich sowie u.a. Altpapier) bzw. den gesetzgeberischen Voraussetzungen, die für diese Kooperation in den kommenden Wochen in Bundesrat und Bundestag geschaffen werden müssen, befasst sich die Medienkorrespondenz. Und in einem weiteren MK-Text beweist der Medienrechtler Karl-Heinz Ladeur, dass sich über Medienpolitik auch partiell launig schreiben lässt. Er berichtet aus eigener Erfahrung über den Umgang öffentlich-rechtlicher Sender mit den gesetzlich geregelten „Eingaben“ von Zuschauern. Die Überschrift lautet: „Das Imperium schweigt zurück.“ 


Altpapierkorb

+++ „Sehr geehrte Damen und Herren, die Türkei befindet sich im Umbruch. Die negativen Meldungen in der internationalen Presse überwiegen. Doch wie sieht die Lage nach dem Putschversuch im Juli wirklich aus? (…) Mit herzlichen Grüßen, Arda Ermut, Präsident der ISPAT (Investment Support and Promotion Agency of Turkey)“. So beginnt eine Anfrage, den eine PR-Agentur mit dem putzigen Namen Faktenkontor, unter anderem an den freien Journalisten Bartholomäus von Laffert schickte - und so beginnt die erste Pressereise des Autors, über die er nun im Freitag berichtet. Von Laffert wirft in dem Text der SZ, der FAZ und dem Tagesspiegel vor, Artikel, die auf Basis dieser bezahlten Pressreise zustande kamen, nicht als solche gekennzeichnet zu haben.

+++ „Warum dpa 2016 rund 1200 Eilmeldungen verschickt hat“, allerdings nur zwei sog. Blitzmeldungen bzw. „Meldungen der Priorität 1“, die aber „spätestens seit der Wiedervereinigung“ ohnehin „eine Rarität in den dpa-Diensten“ seien, schreibt Froben Homburger, der Nachrichtenchef der Agentur, bei kress.de.

+++ Tilman P. Gangloff hat für die Stuttgarter Zeitung (Donnerstags-Ausgabe) aufgedröselt, wohin der Rundfunkbeitrag im Detail fließt. „Von den rund 8 Euro, die dem SWR pro Monat für jeden Gebührenzahler zur Verfügung stehen, werden 6,05 Euro konkret ins Programm investiert. Bisher flossen 2,99 Euro ins SWR Fernsehen (...) Das Ressort Politik und Gesellschaft wiederum ist mit 34,4 Prozent davon das aufwendigste. (...) Sport liegt beim SWR mit 2,8 Prozent ganz weit hinten. Der Hörfunk ist mit 2,80 Euro etwas preiswerter als das Fernsehen. Teuerster Radiosender ist das Kulturprogramm SWR 2 mit 60 Cent pro einzelnem Rundfunkbeitrag; die beliebte Popwelle SWR 3 kostet bloß 24 Cent.“

+++ Einer von der taz gegeißelten Anti-Merkel-Karikatur in der Sächsischen Zeitung (siehe Altpapier) widmet sich nun auch der Sprachlos-Blog. „Klischeewahnsinn“; „blödester Pegida-Wahn“; „fehlt jedes Indiz für eine zweite Deutung, für eine kritische Distanz oder gar eine Spur von Ironie“ - so lauten die Urteile.

+++ Sächsische Zeitung (II): Die Frankfurter Rundschau beömmelt sich über die Versuche der Dresdner Kollegen im Bereich des „konstruktiven Journalismus“.

+++ Um noch einmal zurückzukommen auf die zwischen Medienunternehmen und Nichtmedienunternehmen verschwimmenden Grenzen (siehe ganz oben): Gruner + Jahr will seine Rolle als Möbelhaus ausbauen (Horizont).

+++ Über das „Austrocknen“ des Schweizer Sonntagszeitungsmarktes informiert das Europäische Journalismus-Observatorium: „Noch ums Jahr 2010 kamen die Sonntagsblätter gemeinsam auf über 3,5 Millionen Leser. Heute ist es schon eine Million weniger. Der Sonntag hat seinen Heiligenschein verloren“. Eine neue Gratis-Sonntagszeitung könnte aber bald kommen (siehe Tages-Anzeiger).

+++ Ester Gould und Reijer Zwaan erzählen in der von Manfred Riepe (Tagesspiegel) empfohlenen Arte-Dokumentation „Express Yourself“ die Geschichte von sechs Tänzern, die 1990 bei Madonnas "Blond Ambition Tour“ mitwirkten, die wiederum als Basis diente für eine „Dokumentation namens ‚Truth or Dare‘, die hierzulande unter dem Titel 'In Bed with Madonna' in die Kinos kam“ und eine „provokative Vorwegnahme des heutigen Reality-TVs“ war. „Express Yourself“ sei, so Riepe „ein komplexer Metafilm, eine Dokumentation über (eine) Dokumentation“. 

+++ Da wir hier gern Journalistendarstellungen im Fiktionalen aufgreifen (siehe etwa die Passage zu „Good Girls Revolt“ im gestrigen Altpapier), wollen wir hier unseren Lesern nicht den Hinweis auf einen Film vorenthalten, den die ARD glaubt, so beschreiben zu müssen: „Urlaub auf einem Containerschiff! Diese ungewöhnliche Fernost-Reise will die Möchtegern-Journalistin Eva, der man aufgrund ihres nicht gerade robusten Nervenkostüms wenig zutraut, nutzen, um endlich zu zeigen, was in ihr steckt. Während der eintönigen Wochen auf hoher See plant Eva ‚verdeckte Recherchen‘, um eine heiße Geschichte über Schiffsentführungen und Piraten im Südchinesischen Meer an Land zu ziehen. Endlich bietet sich ihr die Chance, als ernstzunehmende Journalistin wahrgenommen zu werden.“ Sogar der tendenzielle Freitagsfilmversteher Rainer Tittelbach kann sich da nur zu dem Fazit, der Film entziehe „sich strengen Kritikerregeln“, durchringen. Oder, um es mit Axel Weidemann (FAZ-Medienseite) zu sagen: „Bei der ARD hat man wahrhaft Vertrauen in die Duldsamkeit des Fernsehzuschauers. Anders ist dieses wahnwitzige Experiment mit Piraten, Pilzen, Krokodilen, Explosionen und einem Kakadu um Viertel nach acht nicht zu erklären.“ 

Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.