Helden der Ringe
Kann Eurosport kritische Sportberichterstattung? Sind Fußball spielende Männer mehr Grundversorgung als Frauen auf dem Schwebebalken? Und was senden ARD und ZDF jetzt? Dass sie von 2018 bis 2024 keine olympischen Spiele übertragen werden, hinterlässt viele Fragen. Außerdem geht es um Pistenraupen, Chatbots, FAQ und FAW und einen Sat.1-Film, der nicht ganz so lächerlich ist wie die "Wanderhure".

Wo liegt eigentlich Eurosport – vor QVC oder dahinter? Zwei Jahre haben Sie nun Zeit, diese Fernseprogrammsortierungsfrage zu klären. Dann sollten Sie den Sender gefunden und nach vorne verlegt haben – zumindest, falls Sie beabsichtigen, Menschen auf Skiern und Schlittschuhen durch südkoreanische Sportarenen gleiten zu sehen. Die Olympischen (Winter-)Spiele von Pyeongchang werden die ersten von vier sein, die nicht von ARD und ZDF, sondern den Sendern des Discovery Channels übertragen werden. Dieser hatte sich bereits im Sommer vergangenen Jahres für 1,3 Milliarden Euro die Fernsehrechte für Deutschland gesichert (Altpapier). Nun ist eine Sublizensierung an die öffentlich-rechtlichen Sender gescheitert.

„ARD und ZDF haben nach dpa-Informationen für die Sub-Lizenzen von 2018 bis 2024 rund 200 Millionen Euro geboten, das US-Unternehmen Discovery etwa 300 Millionen Euro verlangt. In der letzten Runde sollen sich beide Seiten noch einmal ein bisschen angenähert haben - doch es reichte nicht für eine Einigung“,

meldet die dpa/Hamburger Abendblatt, nicht ohne die Olympischen Spiele „Ringe-Spektakel“ zu nennen.

Dass man bei Eurosport keine Angst vor dieser Aufgabe hat, möchte dessen CEO Peter Hutton bei DWDL mit dem Zitat

„Dank unserer Führungsrolle in der Berichterstattung über olympische Sportarten und mit unserer Fähigkeit neuen Technologien zum Durchbruch zu verhelfen, gepaart mit der umfassenden Präsenz und den zahlreichen Angeboten von Discovery im deutschen Markt, werden die Zuschauer noch tiefer ins Wettkampfgeschehen eintauchen und ihre Helden hautnah verfolgen können“

belegen, wobei er jedoch eher den Eindruck hinterlässt, als müsse er dringend in eine Tüte atmen. Doch es gibt durchaus einen Plan, wie die Auflagen des IOC, 100 Stunden der Winter- und 200 Stunden der Sommerspiele frei empfangbar zu verbreiten, umgesetzt werden sollen, wie Susanne Aigner-Drews, Geschäftsführerin von Discovery Networks, im Interview mit Alexander Krei ebenfalls bei DWDL erklärt:

„Wir machen Eurosport zur exklusiven Olympia-Heimat und werden mit DMAX auch unseren zweiten Free-TV-Sender nutzen. Eurosport 1 wird im Zuge dessen kräftig lokalisiert, sodass die deutschen Medaillen-Entscheidungen mit all ihren Olympia-Helden für jeden Fan frei empfangbar sein werden. Hinzu kommen Eurosport 2 und unser Eurosport Player, der vom Stunden-Volumen her das größte Olympia-Angebot liefern wird. Da können wir in einem Umfang senden, der im Free-TV nicht machbar wäre.“

Bei ARD und ZDF nutzt man derweil die Gelegenheit, sich selbst zu loben – „Wir müssen aber erkennen, dass die Forderungen von Discovery bei Weitem über dem liegen, was von uns verantwortet werden kann. Wir sind zu wirtschaftlichem Umgang mit Beitragsgeldern verpflichtet“, ARD-Sportrechte-Intendant Ulrich Wilhelm bzw. „Sehr gerne hätten wir dieses besondere sportliche Großereignis auch weiterhin mit all unserem über Jahrzehnte aufgebauten Knowhow und unserer Kompetenz live und umfassend übertragen“, ZDF-Intendant Thomas Bellut (Quelle: Pressemitteilung). Doch spannender sind die Einschätzungen, was diese Entscheidung nun bedeutet.

„Dass die öffentlich-rechtlichen Sender radikal streichen und ihre aufgeblähten Apparate zu einer Anstalt verschlanken, darauf wird der Gebührenzahler wohl noch lange warten müssen. So werden weiterhin jedes Jahr mehr als 8 Milliarden Euro in ein verschwenderisches Rundfunksystem geleitet.“

Oh, Verzeihung, hier sind wir versehentlich in einem Kommentar von Michael Ashelm im Wirtschaftsteil der FAZ (nicht online) gelandet, wo beim Stichwort „Gebühren“ kein bedenkenswerter Debattenbeitrag zu erwarten ist, sondern nur Schaum vor dem Mund.

Dagegen differenziert argumentiert Peter Ahrens bei Spiegel Online:

„ARD und ZDF sind mal bei der Tour de France ausgestiegen, als das flächendeckende Doping in der Szene öffentlich wurde. Es wurde Zeit, dass sie das auch bei den Olympischen Spielen tun. Sie haben es jetzt vorrangig aus finanziellen Gründen gemacht, aber es gäbe genug andere Argumente, diesen Schritt als einen Befreiungsschlag anzusehen. Jetzt können sie ihre Arbeit tun. Das ,Jaaaaaaaa’ und ,Gooooal’-Geschrei können sie getrost ihren Kollegen überlassen.“

Diesen Gedanken greift auch Hans Hoff bei sueddeutsche.de auf, der „Und vielleicht gelingt die Erfüllung dieses Auftrags noch ein Stückchen besser, wenn man nicht abgelenkt ist, weil man nebenbei noch die Übertragung stemmen muss“ weiterentwickelt zu

„Schaffen ARD und ZDF es, ihr Programm qualitativ so aufzuhübschen, dass es eine attraktive Alternative zur Olympia-Berichterstattung darstellt, dann müssen möglicherweise auch die Fußball-Rechtehändler umdenken. Sie dürften sich dann mit der Frage konfrontiert sehen, wie das Programm von ARD und ZDF ohne ,Sportschau’ oder ,Das aktuelle Sportstudio’ aussähe.“

Genau anders herum stellt die Frage Tabea Rößner in einem Artikel von Christian Meier bei welt.de:

„,An sich ist es richtig, wenn ARD und ZDF bei diesem Wettbieten nicht bis zum Ende mitziehen’, sagte Rößner auf Anfrage. Doch bei den Fußball-Großereignissen der Männer ,scheint man etwas spendabler als bei Olympia und anderen Sportarten’. Man müsse ,ernsthaft hinterfragen, ob die Schwerpunkte richtig gesetzt werden – oder ob das Geld im Sinne des Auftrags nicht etwas gerechter und besser verteilt werden könnte’. Am Ende schauten Sportler und Zuschauer ,in die Röhre’.“

Hier liegt also eine schöne Gelegenheit herum, sich über den öffentlich-rechtlichen Auftrag generell Gedanken zu machen, und speziell über die Frage, in wie weit ein nicht nur hoch kommerzialisierter, sondern auch hochgeputschter Sport dazugehört - Thomas Kistner in seinem Kommentar für die SZ (S. 4):

„Olympische Spiele wandern in den Privatsender Eurosport ab? Was dramatisch klingt, ist eigentlich kaum noch ein Problem. Denn die Spiele sind eh nur mehr Momentaufnahme, eine Illusion fürs Publikum: In Zeiten massivsten Dopings durch einzelne Athleten und ganze Staaten steht erst Jahre später fest, wer welche Medaille gewonnen hat.“

Statt überbezahlte Chemikalienkonsumenten und ihre filzaffinen Verbände könnten ARD und ZDF also in Zukunft beispielsweise deutschen Dokumentarfilmern Reisen in kaukasische Bergdörfer oder nach Duisburg-Marxloh finanzieren und deren Rechercheergebnisse vor 23 Uhr präsentieren, denn die besten Sendeplätze werden ebenfalls frei. Statt FAZ-like auf das ganze System einzuschlagen, würde ich persönlich diese Variante bevorzugen, zumal ich mir vorstellen kann, dass wir dieses noch brauchen, wenn Print dann endgültig tot ist.

Ein Teil der schon jetzt gesparten 200 Millionen Euro sollte jedoch auch weiterhin in der Sport-Berichterstattung bleiben – der kritischen. Dass die neuen Olympia-Sender diesen Job intensiv übernehmen werden, scheint nämlich nicht zu erwarten, wie Max Hädler auf der SZ-Medienseite schreibt:

„Gebührenfinanzierte Sender könnten weitgehend unabhängig arbeiten und diese Seiten mit einem großen Team abbilden. Eurosport? Das sind fähige Sportjournalisten, aber es ist ein kleines Team. Und sie haben als Privatunternehmen einen anderen Auftrag. Die Devise lautet, in dieser Reihenfolge: Werbekunden, Partner, Zuschauer und Anteilseigner zufriedenstellen. ,Wir sind Teil dieser Unterhaltungsindustrie, das ist eine Herausforderung, vielleicht manchmal ein Problem’, gestand Eurosport-Geschäftsführer Peter Hutton im vergangenen Jahr im Gespräch mit der SZ. Aber er sagte immerhin auch: Seine Redaktion müsse benennen, wenn etwas falsch laufe im Sport.“

Sowohl Hutton als auch Aigner-Drews bezeichnen in ihren oben genannten Zitaten Sportler als "Helden". q.e.d.

[+++] Damit noch schnell zur aktuellsten Medienmetadebatte, die im Nachgang zum auch das Nachrichtenmagazin Spiegel kritisierenden Roger-Köppel-Interview bei Meedia (Altpapier am Mittwoch) Jan Fleischhauer in seiner Spiegel-Online-Kolumne weiterspielt. Er ärgert sich, dass Köppel überhaupt zu Wort kam („Köppel zu Blättern wie dem SPIEGEL oder der ,Süddeutschen' zu befragen, ist in etwa so, als ob man eine katholische Nonne bitten würde, Herrenmagazine zu rezensieren.“) und auf sein politisches Engagement bei der SVP erst nachträglich hingewiesen wurde.

„Wenn man schon dabei ist, die Medien zu kritisieren, sollte man vielleicht auch einmal über den Zustand der Medienkritik reden. Vor sechs Monaten wurde man noch des ,Rechtsrucks’ geziehen, wenn man sich zu eingehend mit den AfD-Anhängern und ihren Motiven beschäftigte. Heute ist man ein hochnäsiger Pinsel, der nichts von der Wirklichkeit verstanden hat, wenn man zu hart mit Trump und seinen Wählern ins Gericht geht. Auch die Medienkritik ist nicht frei vom Opportunismus, wie man sieht: Irgendwann will jeder mal auf der Seite der Sieger stehen. Manchmal geht es auch einfach darum, der Konkurrenz eins auszuwischen.“

Ein Georg Altrogge kann das nicht auf sich sitzen lassen und antwortet bei Meedia wie ein getretener Hund, inklusive Grafik zur sinkenden Auflagenzahl des Spiegels. Ich möchte da wirklich nicht tiefer einsteigen, aber falls Sie Bedarf haben, folgen Sie dem Link.


Altpapierkorb

+++ Die dpa hat aufgearbeitet, wie sie auf den PR-Stunt mit der verfahrenen Pistenraupe (Altpapier gestern) hereinfallen konnte. „Die dpa ist durch zwei Medienberichte auf die Geschichte aufmerksam geworden. Ein dpa-Redakteur aus Schleswig-Holstein rief daraufhin beim Tourismusverband im österreichischen Seefeld an, der angeblich auf die Lieferung der Schneeraupe wartete. Geschäftsführer Walser bestätigte ausdrücklich, dass die Geschichte wahr sei. (...) Auf Grundlage dieser Bestätigung (...) berichtete dpa in mehreren Diensten über die angebliche Irrfahrt.“ (Online veröffentlicht u.a. bei den Lübecker Nachrichten.) +++

+++ „Je öfter publikumswirksam über Fusionen spekuliert wird, desto größer wird der Rechtfertigungsdruck für ARD und ZDF. Spätestens dann, wenn der Rundfunkbeitrag 2021 tatsächlich steigt, werden die ARD-Intendanten nachweislich Reformen nicht nur eingeleitet, sondern umgesetzt haben müssen.“ Christian Meier bei welt.de im Nachklapp zur Bild-Zeitungs-Meldung vom Freitag über eine mögliche Fusion auf nur vier ARD-Anstalten (Altpapier).

+++ Nein, nein, der Einsatz von Laterpay sei gar kein Flop, lässt der Spiegel-Verlag via Meedia ausrichten als Reaktion auf einen Artikel von Ulrike Simon aus der vergangenen Woche (Altpapier am Freitag), die mit dem Bezahldienstleister auch gleich den Chefsessel bei Spiegel Online wackeln sah. (Ja, da war dem Spiegel Meedia doch nützlich. Anyway.) Simons Reaktion auf das Dementi bei Twitter: „Abwarten!“ +++

+++ Über die Medienkompetenz von Jugendlichen macht sich bei Zeit Online Christa Gebel Gedanken. +++

+++ „Auf die in Deutschland produzierte und veröffentliche Zeitung hatte die türkische Regierung keinen direkten Zugriff. Doch laut Zaman-Mitarbeitern wurden Anzeigenkunden ,einzeln angerufen oder persönlich aufgesucht, bedroht und eingeschüchtert’.“ Der Standard über die in Deutschland entstehenden, Gülen-nahe Zeitung Zaman, die morgen zum letzten Mal erscheint (Altpapierkorb am Donnerstag). +++

+++ „Falls ein ausländischer Geheimdienst Interesse an der Beeinflussung von Informationen und Meinungen in Deutschland hat, wird er dies munter vom Ausland aus weiter mit Hilfe von Chatbots tun. - Das Strafgesetzbuch erscheint hier leider als ein eher kurzes Schwert, es endet an der Landesgrenze.“ Klaus Goldhammer bei kress.de über Chatbots und Fake-News. +++

+++ „Print hat Zukunft“. Lautet zumindest der Einstieg in einen Text von Lothar Struck über die beiden neuesten Kiosk-Zugänge aus dem Hause FAZ, FAQ und FAW, die er für die Medienwoche rezensiert. +++

+++ Über ein Seminar für Nachwuchsjournalisten in Yad Vashem berichten kress.de und der Tagesspiegel. +++

+++ Die Freizeit Total hat das Patentrezept gegen sinkende Printauflagen gefunden und druckt seit mehreren Wochen immer das gleiche Cover, deckt Mats Schönauer bei Übermedien auf. +++

+++ Über einen frisch aufgesetzten Rechtshilfe-Fonds für Whistleblower berichtet Netzpolitik.org. +++

+++ „Das wird jetzt kein Werbeblock, aber (!) die Medienausgabe von Kater Demos gibt Anlass, auch transparent zu machen, woher das Magazin kommt und was uns antreibt.“ Alexander Sängerlaub macht sich in einem bei Carta republizierten Artikel eher allgemein gehaltene Gedanken über Medien („Mit RTL und Springer-Presse allein sähe dieses Land heute wahrscheinlich deutlich anders aus. Dennoch würde man sich wünschen, dass ARD und ZDF ihrem Auftrag, so heißt das im Rundfunkstaatsvertrag, mehr gerecht werden“; „Die Menschen haben eine Sehnsucht nach gut aufbereiteten Informationen“ etc.) sowie Werbung für sein Magazin. +++

+++ „Wie ein Jack-the-Ripper-Film auszusehen hat, ist durch eine Vielzahl von Genrefilmen bekannt. Schmucklose Backsteingebäude, dunkle Gassen, eine noch düsterere Stimmung, grobschlächtige Gestalten und die vom Leben gezeichneten Huren, auf die es der Ripper abgesehen hat. Die Sat-1-Verfilmung passt sich mit ihren Sepia-Bildern nahtlos in diese Vorgaben ein.“ Kurt Sagatz im Tagesspiegel über das heutige Sat.1-Abendprogramm, dem sich auf der Medienseite der FAZ auch Michael Hanfeld widmet („So lächerlich wie ehedem bei der ,Wanderhure’ mit Alexandra Neldel ist das nicht, aber auch nicht so, dass es über hundert Minuten tragen würde.“).  +++

+++ Außerdem in der FAZ: Oliver Jungen über die ZDFneo-Serie „Tempel“: „Man lässt jahrelang eine eigene Dramaserie entwickeln, ein romantisches Männerschweißepos, das davon handelt, wie materielle Not, Hormone und Rachedurst einen gebändigten Berserker zurück in die Arena der harten Kerle treiben, und dann wirkt die gesamte erste Staffel, als hätte jemand das Drehbuch falsch herum gehalten.“ Eine Rezension, die online steht, ist die von Peer Schader bei DWDL. +++

Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.