Danke, Anke!
Warum ein im Fernsehen häufig auftauchender „Militärexperte“ eher ein Propagandist ist. Warum ein Badehosen-Foto „als Auftakt für modernen Fotojournalismus“ gelten kann. Außerdem: Wer zu spät kommt, den bestraft die Aufmerksamkeitsökonomie; Michael Hanfeld weiß, wie wichtig es bei der Bundeswehr ist, die Wäsche richtig zusammenzufalten; die taz erinnert an den „Penis-Prozess“.

Warum noch mal werden eigentlich Experten bzw. „Experten“ interviewt oder in Gesprächssendungen eingeladen? In geschriebenen Texten tauchen sie auf, weil ein paar O-Tönchen zur besseren Lesbarkeit beitragen oder weil Redaktionen glauben, dass Leser glauben, vom Autor als Experten eingeführte Personen seien kompetenter als der Autor selbst. Man kann durch die Auswahl bestimmter Experten auch Konflikte konstruieren (siehe Altpapier kürzlich). Aber natürlich gibt es auch Experten, die Instruktives äußern - auch in Gesprächsrunden des Fernsehens, regelmäßig zum Beispiel bei „Scobel“.

Mit den Experten, die die etwas weniger feinsinnigen TV-Gesprächsformate prägen, befasst sich Sylke Tempel in der Welt: Sie kritisiert die „Einladungspolitik der Talkshows“. Konkret: Dass sich zum Beispiel „zum ‚Russlandkritiker‘ ein ‚Russlandversteher‘ und „zum ‚Türkeibasher’ ein AKP-Vertreter“ gesellen müsse, hält sie für völlig falsches Verständnis von Ausgewogenheit. Problematisch werde es,

wenn Propagandisten unter dem Etikett des ‚kritischen Experten‘ auftreten. Chefvertreter dieser Kategorie sind die Talkshowstammgäste Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, und Jürgen Todenhöfer, Ex-CDU-Abgeordneter und unermüdlicher (selbst ernannter) Streiter für den Frieden (…) Weder Kujat nach Todenhöfer sind unabhängige Experten, die seriös um eine möglichst umfassende Kenntnis der Tatsachen ringen. Kujat sitzt im Aufsichtsrat des ‚Dialogs der Zivilisationen‘ des Putin-Vertrauten Wladimir Jakunin – und damit eines Mannes, der maßgeblich für den Aufbau der derzeitigen russischen Kleptokratie verantwortlich ist.“

Um einen in letzter Zeit in Mode gekommenen Begriff kümmert sich Tempel auch noch:

‚Postfaktisch‘ müsste im Grunde ‚Auf den Kopf gestellt’ heißen (…) Es wäre an der Zeit, ein paar Grundlagen wieder unverbrüchlich festzustellen: Meinungen sind keine Tatsachen (…)“

[+++] Die Welt-Gastautorin Tempel ist im Übrigen Chefredakteurin der Zeitschrift Internationale Politik, die nicht zu verwechseln ist mit den Blättern für deutsche und internationale Politik, die wiederum in diesem Monat ihren 60. Geburtstag feiern. Rudolf Walther preist die Blätter im aktuellen Freitag unter der Überschrift „Abgeklärte Aufklärung“ als das

„bedeutendste wissenschaftlich und politisch engagierte Organ deutscher Sprache (…). Es ist geradezu das Markenzeichen der Blätter, wissenschaftlich satisfaktionsfähig zu sein und zugleich einen publizistisch intervenierenden Anspruch zu bewahren“.

Aufs Ökonomische geht Walther auch kurz ein:

Gegen den Trend bei politischem Druckwerk konnte die Redaktion (…) die Auflage in den zurückliegenden Jahren auf 10.000 Exemplare leicht steigern, wovon 7.900 an Abonnenten gehen.“

Angesichts dessen, dass wesentlich bekanntere Titel nicht wesentlich mehr verkaufen, ist das gar nicht mal schlecht. Walthers Text steht derzeit frei online,  aber  in der vergangenen Woche sind rund um den runden Blätter-Geburtstag bereits Beiträge im SZ-Feuilleton sowie dem Neuen Deutschland erschienen.

[+++] Noch ein Jubiläum: 25 Jahre alt wird in diesem Monat „Die Wahrheit“ der taz, „die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit“. Derzeit blicken Autoren und Redakteure auf die „Greatest Hits“ der Seite zurück. In der vierten Folge tut dies Ressortleiter Michael Ringel. Er erinnert an das juristische Spektakel, das ein am 8. Mai 2002 unter der Überschrift „Sex-Schock! Penis kaputt?“ erschienener Text Gerhard Henschels auslöste, der „die Schniepelverlängerung eines Bild-Chefredakteurs“ zum Gegenstand hatte:

„Der Boulevardist habe die Operation angeblich in Texas für ‚500 Dollar’ vornehmen lassen. Dabei, so Henschel, sei wohl etwas schiefgegangen. Mehr darf man heute leider aus dem Text nicht zitieren, aber bereits die ‚500 Dollar‘ zeigen, dass Henschel das komische Stilmittel der Litotes, also der Untertreibung, brillant einsetzt, um dem Durchschnittsleser zu verdeutlichen, dass es sich um eine Satire handelt. Wer würde schon nur 500 Dollar für eine solch wichtige Operation an seinem besten Stück bezahlen? Sicher nicht ein Bild-Chef, der Millionen verdient. Im Text aber war der Eingriff in die Intimsphäre so offensichtlich, dass man sich wegen der möglichen juristischen Folgen mit dem Hausjustiziar und der Chefredaktion abstimmen musste. Die Einschätzung war unentschieden: fifty-fifty. Die Chefredaktion meinte, dass Diekmann gerade versuche, in der Branche als seriöser Journalist eines ernsthaften Leitmediums wahrgenommen zu werden. Deshalb sei er bestimmt nicht so dumm, wegen einer Satire zu klagen.“ 

Tat er dann aber doch. Ringel weiter: 

30.000 Euro Schmerzensgeld verlangte der Schwerverletzte. Dazu wären die immensen Prozess- und Anwaltskosten gekommen, die gern das Zehnfache des Streitwerts annehmen können, was für die taz eine durchaus existenzbedrohende Summe hätte sein können.“

Schließlich entschied das Kammergericht Berlin, dass eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliege, Schmerzensgeld aber nicht in Frage komme, weil „derjenige, der – wie der Kläger – bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung anderer sucht, weniger schwer durch die Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechtes belastet wird“.

Das haben die Richter damals sehr schön formuliert, und einen ähnlichen Scharfsinn wünschte man heute so manchen Journalisten, die jene, die heute für die Bild-Zeitung das Geschäftsmodell der Persönlichlichkeitsrechtsverletzung betreiben, für seriös halten.

[+++] Da wir uns gerade auf historischem Terrain bewegen: Der Tagesspiegel empfiehlt eine Ausstellung im Deutschen Pressemuseum im Berliner Ullstein-Haus. Gezeigt werden dort Teile

„(der) Sammlung des 2014 gestorbenen Berliner Foto-Journalisten (Robert Lebeck), der als erster Fotograf überhaupt mit dem Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnete wurde. (Sie) umfasst insgesamt über 30 000 Exemplare, darunter Erstausgaben und Unikate von Zeitschriften, Zeitungen und Magazine von 1839 bis 1973. Davon sind (leider) nur rund 80 Exponate in der Ausstellung zu sehen, was auch den überschaubar großen Räumlichkeiten im Parterre des Ullsteinhauses geschuldet ist.“

Eine wichtige Rolle im Text spielt das auch die Überschrift inspirierende Foto „Ebert und Noske in der Sommerfrische“, das die Berliner Illustrirte Zeitung am 24. August 1919 publizierte:

„Das Badehosen-Foto gilt als Auftakt für modernen Fotojournalismus, der ab den 1920er Jahren neue Wege ging. Das Bild als Nachrichtenträger, politische Propaganda, Kriegsreportagen, Homestory bei Picasso, immer größere Bildstrecken in Illustrierten – man wandert durch diesen ‚Kiosk‘, staunt, denkt an Gisèle Freund: ‚Die Einführung des Photos in der Presse ist ein Phänomen von außerordentlicher Bedeutung. Das Bild verändert die Sehweise der Massen. Mit der Photographie öffnet sich ein Fenster zur Welt.‘“

[+++] Auf ganz andere Art um Mediengeschichte, nämlich um den Versuch ihrer Auslöschung, geht es in Yavuz Badars aktueller Ausgabe der „Türkischen Chronik“ in der SZ. "Hoffentlich haben sie eine Sicherheitskopie“, habe er gedacht, als er von der Erstürmung der Cumhuriyet-Redaktion (Altpapier von Dienstag) erfahren habe, schreibt Badar. Der Grund für seine Furcht: 

„Wenig Zweifel konnte daran bestehen, dass die AKP angesichts der Größenordnung und Art der Razzia einen Bevollmächtigten einsetzen, die Kontrolle über das Tagesgeschäft ergreifen und die Redakteure entlassen würde. Um anschließend, wie es mittlerweile Praxis ist, die digitalen Archive zu löschen. Alles darin, die gesamte Erinnerung, würde ins Vergessen befördert. Als sich die systematischen Attacken gegen die Medien vor genau einem Jahr ausweiteten und nicht länger nur einzelne Journalisten gefeuert und eingesperrt, sondern ganze Medienhäuser angegriffen wurden, (…) traf (es) das Wochenmagazin Nokta, das als Marke einen ähnlich guten Ruf wie Der Spiegel besaß, und ihr Konkurrenzformat Aksiyon. Die digitalen Archive beider Redaktionen sind Geschichte. Es traf auch die Tageszeitung Taraf, deren früherer Redakteur Ahmet Altan seit mittlerweile 45 Tagen im Gefängnis sitzt und deren wertvolle Archive ebenfalls nicht mehr existieren. Auch die der Gülen-Bewegung nahestehende Tageszeitung Zaman musste dabei zusehen, wie ihre mehr als 30 Jahre lang gepflegten Archive in Luft aufgelöst wurden.“

Dieser Aspekt scheint mir in der Berichterstattung über die Attacken der türkischen Regierung auf die Medien noch unterrepräsentiert zu sein.

[+++] Was uns hier ja stets interessiert: Wie journalistische Arbeit in der Fiktion dargestellt wird. Aktuelles Anschauungsobjekt: der im Rahmen der ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ zu sehende, zum Oberthema möglicherweise nicht zwingend passende Thriller „Tödliche Geheimnisse“, der am Samstag zur besten Sendezeit läuft. In dem von Sherry Hormann inszenierten Thriller ist eine Nachrichtenmagazin-Redakteurin (Nina Kunzendorf) auf der Suche nach einem verschwundenen Whistleblower, der als wichtiger Informant zu Details des Freihandelsabkommens TTIP gilt. Oliver Jungen (FAZ) meint, was unter anderem

„gelingt, ist die Schlussgerade mit Überraschungen und harscher Medienkritik. Wie ein solcher, die noch qualmende Handelspolitik kommentierender Film enden würde, war schließlich die Hauptfrage. Sich dabei auf ein Minimum an aufgesagten Erklärpassagen zu beschränken (ganz ohne ging es wohl nicht) spricht ebenso für diese Produktion wie der Mut zur Überlänge (105 Minuten) und die überzeugende Leistung der Schauspieler, die der recht eindeutigen Handlung zumindest mimisch ambivalente Charaktere entgegensetzen. Dass alles recht engagiert wirkt und ein Spielfilm hier als Medium dient, um vor einer drohenden Wirtschaftsdiktatur zu warnen, mag durchaus einmal angehen. Es steht ja tatsächlich viel auf dem Spiel: die Gesellschaft der Bürger, wie wir sie kennen.“ 

In der SZ hingegen kommt  ein TTIP-Gutfinder zu Wort: Alexander Hagelüken ärgert sich über den „holprigen Plot“ und darüber, dass „zwei Anti-TTIP-Aktivistinnen und ein TTIP-Gegner der Grünen als ‚Fachberater‘" firmieren. Und Heike Hupertz schreibt in epd medien (derzeit nicht frei online):

„Die Thrillerhandlung dreht einige unvorhersehbare Runden, nach der Wahrscheinlichkeit sollte der Zuschauer irgendwann besser nicht mehr fragen. Die Haltung macht diesen Film stark, seine Darstellerinnen sind es ohnehin, beeindruckend recherchiert sind die Hintergründe. Eine gewisse gutgemeinte Naivität ist den ‚Tödlichen Geheimnissen‘ trotzdem nicht abzusprechen.“

The European hat ein Interview mit der Produzentin Gabriele Sperl geführt. Sie sagt unter anderem:

„Im Film (…) vernichtet die Chefredakteurin das Material, das die Agrarfirma belastet, um die Arbeitsplätze ihrer Redaktion zu sichern. Sie nimmt damit in Kauf, die Wahrheit zu vertuschen, aber sie sichert, so meint sie, damit den Job ihrer Mitarbeiter. Sie entscheidet gegen die Wahrheit, für Existenzsicherung – und verliert beides. Denn der Verlag wird von einem Konzern gekauft und sie fliegt ohnehin. Es sind diese Ambivalenzen, mit denen wir immer wieder konfrontiert werden. Lavieren wir uns durch, ducken wir uns weg oder nehmen wir Stellung. Das sind die eigentlichen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Und diese Ambivalenzen dem Publikum darzulegen, darin sehe ich eine wichtige Aufgabe als Filmemacherin.

Die Stuttgarter Zeitung hingegen hat Anke Engelke, die die erwähnte Chefredakteurin gibt, interviewt. „Wie ist Ihr Verhältnis zu Journalisten?“ lautet eine Frage an die Frau, die - auch das kommt in dem Gespräch vor - einst Hörfunkredakteurin war, und diese antwortet einigermaßen feierlich:

„Ich habe im Rahmen der Dreharbeiten und in der Vorbereitung oft gedacht, dass ich mich gar nicht oft genug darüber freue, dass wir in Deutschland die Möglichkeit haben, jeden Tag ein Dutzend guter Tageszeitungen zu lesen. Ich bin wirklich die letzte, die schimpft. Keine Frage, es gibt auch viel Müll, aber wenn wir wollen, können wir uns gut informieren, wir können uns ein Bild machen von Themen wie TTIP, und das verdanken wir einem Journalismus auf hohem Niveau in Deutschland.“

Danke, Anke!, kann ich da nur sagen, denn ich selbst schreibe regelmäßig für drei Tageszeitungen, und vielleicht meint sie ja zumindest eine oder zwei davon. Wie Engelke auf „ein Dutzend guter Tageszeitungen“ kommt, erschließt sich mir allerdings nicht. Naja, womöglich kommt sie einfach mehr rum in der Republik und kennt den Regionalzeitungsmarkt besser als ich.

Mal vorausgesetzt, zum guten Dutzend gehörten derzeit noch Berliner Zeitung und Berliner Kurier - Altpapier-Autorin Juliane Wiedemeier geht im Freitag davon aus, dass das nach der ihnen von DuMont verordneten Schrumpfkur (Altpapier) nicht mehr der Fall sein wird:

„Hinter dem vermeintlichen Neuanfang versteckt DuMont das Auspressen der bekannten Marken, letztlich ihr Dahinsiechen. Dabei hätte es Alternativen gegeben. Etwa den Abschied vom Print und eine konsequente Umstellung auf Online, mit Paywall und modernem Lokaljournalismus. Für solche Experimente gibt es keine Erfolgsgarantie. Aber das wäre ein echter Rettungsversuch gewesen.“

Wobei das Auspressen (und Totsparen) bekannter Marken ja auch das „Konzept“ von Madsack und Funke ist. Wofür Berliner Zeitungen bzw. in Berlin verkaufte Zeitungen noch gut sind, berichtet derweil der Tagesspiegel anlässlich eines Überfalls auf eine 70-jährige Zeitungsverkäuferin, an dem auch ein Mann mit einem Schwert beteiligt war:

„Die Seniorin ließ sich davon aber offenbar nicht einschüchtern und warf dem Räuber mit dem Schwert daraufhin Zeitungen ins Gesicht.“

Woraufhin das Gauner-Duo schließlich beutelos von dannen zog.


Altpapierkorb

+++ Mit dem Medien-Hype um die „Gruselclowns“ beschäftigt sich Georg Seeßlen in der Jungle World: „Jeder politische Clown, hätte ich beinahe gesagt, jeder Rotnasen-Experte und jede Kulturanthropologin hat Empörung und Erklärung beigesteuert. Wer zu spät kommt, den bestraft die Aufmerksamkeitsökonomie.“

+++ Ein ganz großer Spaß: Michael Hanfeld verteidigt auf der FAZ-Medienseite die von der Bundeswehr produzierte Grundausbildungs-Dokusoap „Die Rekruten“ (siehe Altpapier von vorvergangenem Mittwoch) gegen ihre Kritiker, zum Beispiel Tobias Lindner, den verteidigungspolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, der im Deutschlandfunk gesagt hatte, man müsse „das ganze Bild der Bundeswehr zeichnen und nicht nur irgendwelche netten Videos drehen, wo es darum geht, wie man Wäsche zusammenfaltet“. Hanfeld macht danach deutlich, dass er nicht nur die Schützengräben des Medienjournalismus kennt, sondern einst auch nicht nur bildlich durch den Schlamm gerobbt ist: „Der Mann hat gut reden. Er ist zwar Verteidigungspolitiker seiner Partei, hat sich persönlich aber, wie er im Radio eigens betont, seinerzeit für den Zivildienst entschieden. So kann er nicht wissen, wie (absurd) wichtig es bei der Bundeswehr ist, richtig ‚Wäsche zusammenzufalten‘.“ Verglichen damit eher ein kleiner Spaß: „Die Rekruten. Das Original“ aus dem Hause Titanic.

+++ Recherchen und ihre Folgen: Unter anderem die taz berichtet über einen Gesetzesentwurf, „nach dem die Pflicht für Steuerzahler verschärft wird, ihre Beteiligungen an Briefkastenfirmen zu melden“. Der Entwurf ist eine Reaktion auf die Panama-Papers-Enthüllungen.

+++ Einen Weiterdreher zu #nacktimnetz bzw. zur großen Datenskandalenthüllung des NDR (siehe Altpapier von Mittwoch und Donnerstag) gibt es bei netzpolitik.org: „Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche warnt Journalisten weltweit vor der Gefahr einer Ausspähung durch Browser-Add-ons. Es handele sich um eine ‚bislang völlig unterschätzte Bedrohung für den Journalismus’. Mit den Daten können Recherchethemen nachvollzogen und Quellen identifiziert werden.“ Die vollständige Warnung des Netzwerks steht hier.

+++ Noch mehr Rechercheleistungen: Die SZ und Vice Motherboard decken auf, wer die „mutmaßlichen Betreiber der größten deutschen Hetzseite“ waren. Die Rede ist von der rechtsextremen Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv, die der Konzern im Mai gelöscht hat. Max Hoppenstedt und Simon Hurtz „liegt ein Screenshot vor, der den internen Administratoren-Bereich von Anonymous.Kollektiv zeigen soll“ und auf dem unter anderem ein „Nutzer mit de(m) Namen (…) ‚Kai Homilius‘ zu sehen ist“. Hoppenstedt/Hurtz erläutern: „Homilius ist Geschäftsführer der Compact Magazin GmbH, das als eines der wichtigsten publizistischen Sprachrohre von AfD und Pegida gilt. Der Screenshot wurde SZ.de und Motherboard im Sommer von einer Quelle zugespielt. Diese gab an, bei Facebook-Seiten einsehen zu können, welche Nutzer in welchen Rollen tätig sind. Als Beleg schickte die Quelle Screenshots des Admin-Bereichs einer anderen Facebook-Seite, deren jeweilige Rollen SZ.de und Motherboard bekannt waren. Die Facebook-Accounts, die auf dem Screenshot zu sehen waren, stimmten in mehreren separaten Fällen mit den tatsächlichen Rollen überein - obwohl diese Informationen nicht öffentlich bekannt oder einsehbar sind.“ Die endgültige Klärung über die Hintermänner könnten aber „nur polizeiliche Ermittlungen“ liefern.

+++ In der Sache Boie gegen Bednarz - zuletzt erwähnt im Altpapier von Dienstag, Auslöser war in der vergangener Woche dieser SZ-Artikel - meldet sich nun der Anwalt der von Johannes Boie angegriffenen Anwältin Liane Bednarz zu Wort. Auf Facebook wirft er dem SZ-Redakteur unter anderem „künstliche Skandalisierung“ vor.

+++ Die amerikanische Journalistin Erin Schrode ist bei einem Interview am Rande einer Protestaktion in North Dakota von der Polizei beschossen worden. Fusion berichtet und zeigt auch das Video, auf dem der Schuss zu sehen ist.

+++ Warum Montenegro ein „gefährliches Land für Journalisten“ ist, steht bei Ostpol.

+++ Tausendsassa der Woche: Joachim von Gottberg, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Mit umfänglichen Einschätzungen zur Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) ist er in den aktuellen Ausgaben beider kirchlichen Medienfachdienste vertreten. Sein Leitartikel für epd medien steht noch nicht frei online, jener für die Medienkorrespondenz hingegen schon: Zu den „wichtigen Änderungen des JMStV“ zählt von Gottberg dort: „Fernsehsender und Anbieter von Telemedien mit jugendschutzrelevanten Inhalten müssen einen Jugendschutzbeauftragten bereitstellen, der nach dem neuen Gesetz durch Bekanntgabe der elektronischen Kontaktaufnahmemöglichkeit für mögliche Beschwerdeführer leicht erreichbar sein muss (Paragraph 7 Abs. 1 letzter Satz). Eine Erleichterung für die Anbieter ist eine Klarstellung in Paragraph 10, der die Bewerbung von Medieninhalten betrifft. Die bisherige Regelung war missverständlich und von der KJM so ausgelegt worden, dass Filme mit Sendezeitbeschränkungen nur in der Zeit beworben werden durften, die für den Hauptfilm gelten. Nun ist klargestellt: Wenn die Werbung selbst unproblematisch ist, kann das Angebot zeitlich unbegrenzt beworben werden.“ Sie merken schon: Hier kommen Freunde des ganz harten Stoffs auf ihre Kosten.

+++ In der oben schon erwähnten ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ auch zu sehen: „Wir sind die Rosinskis“, eine „Prekariats-Komödie“ (Programmdirektor Volker Herres). „Der sozialkritische Milieufilm würde sich das nicht trauen, mindestens würde er das hinterfragen – wenn eine Imbissbude ‚Karl Mag’s‘ heißt“ - so fängt eine Empfehlung Joachim Hubers im Tagesspiegel an.

+++ Wer den einen oder anderen Fernsehfilm schon vorab sehen will und in der Region Hamburg/Schleswig-Holstein lebt: Bei den Nordischen Filmtagen in Lübeck laufen am morgigen  Samstag beispielsweise: die Komödie „1.000 Mexikaner“ aus der zweiten Staffel der NDR-Nachwuchsfilmreihe „Nordlichter“ (Sendetermin: 17.11.) sowie der für 2017 zur Ausstrahlung vorgesehene Rostocker „Polizeiruf“ „Angst heiligt die Mittel“, in der die Ermittler auf „Ungereimtheiten in den Zeugenaussagen (einer) Dorfgemeinschaft“ stoßen, „die ein dunkles Geheimnis hütet“.

Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.