Sonst war einfach niemand da
Wie man auf vorbildliche Weise Recherchematerial zugänglich macht. Wie sich der neue „Kronprinz“ der New York Times die Zukunft seiner Zeitung vorstellt. Außerdem: Kritik an der Kritik der Carolin-Emcke-Rede; Donald Trumps medienpolitische Ankündigungen; der - in kleinem Rahmen - große Erfolg von ZDFinfo; eine Grundausbildungs-Dokusoap der Bundeswehr.

„Wer gründlich recherchiert, vermag auf Dauer zu überzeugen“, hat Angela Merkel am Dienstag bei den Münchener Medientagen gesagt (meedia.de), und natürlich bietet es sich an, sich über solche Sonntagsreden-Textbausteine lustig zu machen. Aber manchmal können wir ja auch anders - aktuell deshalb, weil morgen ein Dokumentarfilm in die Kinos kommt, der zeigt, was gründliche Recherche bewirken kann: In „Das Versprechen“ geht es um Jens Söring, der seit mehr als 30 Jahren in einem US-Gefängnis sitzt - für einen Doppelmord, den er, wie der Film darlegt, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht begangen hat. Möglich wurde der Film nur aufgrund der Jahre langen Arbeit der SZ-Redakteurin Karin Steinberger an dem Fall. Um es genauer - mit Zeit Online - zu sagen: 

„Die Journalistin der Süddeutschen Zeitung traf Söring vor zehn Jahren zum ersten Mal, seitdem hat sie mehrere Artikel über ihn geschrieben. Nun hat Steinberger das filmreife Lebensdrama um eine große Liebe, Verrat und einen höchst fragwürdigen Gerichtsprozess fürs Kino erzählt“,

und zwar gemeinsam mit dem „mehrfachen Grimme-Preisträger“ Marcus Vetter.

Eine Besonderheit: Auf der Website zum Film bekommt man Zugriff auf Zeitungsartikel und Fernsehbeiträge, die seit 1985 zu dem Thema erschienen sind. „Es ist eine in dieser Vollständigkeit einmalige Ansammlung von Artikeln aus den USA und Deutschland, durch die Sie diesen Fall über mehr als 30 Jahre verfolgen können“, schreiben die Macher, und dieses Selbstlob ist gerechtfertigt. Man kann es vorbildlich nennen, dass hier jedermann ein großer Teil des genutzten Recherchematerials zugänglich gemacht wird.

Die Südwest-Presse hat mit Vetter gesprochen, der dort sagt, neben der Kino-Fassung gebe es „weitere Versionen, ‚damit er in allen Medien und auch im Fernsehen auf vielen Kanälen laufen kann‘. So gibt es sechs 30-Minüter für die BBC und eine Video-on-demand-Serie, die ab März laufen soll.“ Steinbergers m.W. letzter Artikel über den Fall Söring erschien im August, und der eignet sich als Einstimmung auf den Film ebenso gut wie dieser sehr detaillierte im New Yorker, der vor rund einem Jahr erschienen ist.

[+++] Die Reaktionen auf die Rede Carolin Emckes zur Verleihung des Friedenspreises am vergangenen Wochenende sind Thema in Margarete Stokowksis Spiegel-Online-Kolumne. Wobei der erste Absatz ihres Textes auch in andere Zusammenhänge passt:

Das Wort ‚Moral‘ klingt für viele Leute wie etwas Schlechtes, und da geht der Spaß schon los. In einer Zeit, in der die Kombination aus ‚gut‘ und ‚Mensch‘ als Beleidigung gilt, wird Moral häufig in den Varianten ‚Keule‘ oder ‚Predigt‘ präsentiert, so als hätten wir nicht alle eine eigene Einteilung in Dinge, die wir okay oder nicht okay finden, die sich immer dann äußert, wenn wir reden oder schimpfen, einkaufen oder klauen, in der Schlange warten oder alle vor uns umschubsen, also in ungefähr siebentausend kleinen Entscheidungen an jedem einzelnen Tag.“

In ihrer Kritik an der Kritik an Emcke geht Stokowski unter anderem auf einen Tagesspiegel-Autor ein, der geschrieben hatte, die Rednerin wolle, „in erster Linie verurteilen, nicht verstehen". Stokowski dazu:

„Frontenbildung ist so alltäglich geworden, dass sie selbst in einer Rede mitgehört wird, in der es heißt: ‚Verschiedenheit ist kein Grund für Ausgrenzung. Ähnlichkeit keine Voraussetzung für Grundrechte. Das ist großartig, denn es bedeutet, dass wir uns nicht mögen müssen. Wir müssen einander nicht einmal verstehen in unseren Vorstellungen vom guten Leben. Wir können einander merkwürdig, sonderbar, altmodisch, neumodisch, spießig oder schrill finden.‘ Eigentlich eine sehr entspannende Aussage, aber offenbar zu suspekt. Eine Rede, die für grundlegende Rechte plädiert, wird missverstanden als eine, die spalten will. What a time to be alive.“

[+++] Wenn es Fernsehjournalisten gelingt, Interviews mit finstersten Machthabern zu führen, die man normalerweise nicht vor die Kamera bekommt, dann findet man in den Analysen der Gespräche neben dem Lob für die Leistung, das Interview überhaupt auf die Beine gestellt zu haben, oft auch Kritik folgender Art: Der Fragende habe an dieser oder jener Stelle nicht nachgehakt (siehe etwa Kleber/Ahmadinedschad 2012), und letztlich habe man dem Despoten ja auch ein Forum gegeben für seine Ansichten. Derartige Argumentationsmotive tauchen nun auch auf in einer Infosperber-Betrachtung eines Interviews, das Sandro Brotz für die „Rundschau“ des Schweizer Fernsehens mit Bashar al-Assad geführt hat:

„Brotz wirkte hölzern, fast maschinell, er las seine Fragen oft ab, hakte kaum nach. Klar, es ist sicherlich nicht einfach, Assad in dessen Land, in dessen Fernsehstudio, vor dessen Leuten Paroli zu bieten. Aber: Brotz schien schlicht der Mut und vor allem das Fachwissen zu fehlen, um an entscheidenden Punkten nachzufragen und Assad zu zeigen, dass dieses Interview mehr als eine Alibiübung ist.“

Ein weiterer Kritikpunkt:

„Statt Assad sachlich zu widersprechen, versuchte sich Brotz mit der Tränendrüse. So fragte er den Machthaber, ob er den Kriegsverlauf am Familientisch mit seinen Kindern diskutiere (…) Als ob es eine Rolle spielen würde, was Assads Kinder denken (…) So kam es wie es kommen musste: Assad erhielt Gelegenheit, praktisch unwidersprochen seine Sicht der Dinge darzulegen (…) Richtig wäre gewesen, nicht Brotz zu Assad zu schicken, sondern jemanden, der bezüglich Syrien Fachwissen hat, jemanden, der Assad kontern kann, ohne vorbereitete Texte vom Papier abzulesen. Jemand wie Ulrich Tilgner hätte Assad vis-a-vis sitzen müssen.“

[Nachtrag, 19.15 Uhr: Infosperber ist i.d.R. eine gute Quelle, aber es gilt wohl, die Verlässlichkeit hin und wieder zu überprüfen, denn in diesem Fall hat man dort den Text eines Autors republiziert, der sonst verschwörungstheoretisch unterwegs ist. Es handelt sich um einen Burschen, den ich normalerweise mit keiner Silbe zitieren würde, aber über seinen Hintergrund wusste ich heute morgen noch nicht Bescheid -  mangels intensiver Kenntnisse der Schweizer Blogosphäre. Das ist möglicherweise eine verzeihliche Schwäche - auch wenn ihr ein Missgeschick entsprungen ist. Natürlich könnte man auch die beiden obigen Zitatblöcke löschen, aber sinnvoll scheint es mir eher, einen Fehler transparent zu machen - RM] 

[+++] Nina Rehfeld analysiert in der FAZ Donald Trumps Ankündigung, „er werde im Fall seiner Wahl zum Präsidenten gegen Medien-Konglomerate zu Felde ziehen, etwa gegen den geplanten Zusammenschluss von AT&T und Time Warner“ und auch „die vor fünf Jahren von der Obama-Regierung unter Auflagen genehmigte Fusion von NBC Universal mit dem Medienkonzern Comcast“. Rehfeld konstatiert:

„Beobachter finden dies insofern erstaunlich, als Republikaner in der Regel Befürworter der Deregulierung sind.“

Die FAZ-Korrespondentin schreibt weiter:

Trumps Medienpolitik hat freilich noch einen ganz anderen Hintergrund. Es hält sich das Gerücht, dass er – für den wahrscheinlichen Fall, dass er nicht zum Präsidenten gewählt wird – ein eigenes Fernseh-Network gründen will.“

So ähnlich klang es am Montag auch im Handelsblatt (Blendle-Link):

„Es wird erwartet, dass Trump, so er nicht Präsident wird, seine Dauerpräsenz in Twitter, TV und Talkradio in einen neuen Medienkonzern verwandeln könnte, weiter rechts als Rupert Murdochs News Corporation und deren Flaggschiff Fox News.“

„How could Trump TV turn a profit? How many subscribers will the outlet need and how much can Trump spend to get in the black?“ - mit diesen Fragen kann man sich bereits bei thomsonreuters.com befassen, obwohl Trump (falls das in seinem Fall etwas zu bedeuten hat) dementiert, dass er so einen Sender überhaupt plant.

[+++] In die Kategorie teilnehmende Beobachtung unter in vielerlei Hinsicht extremen Rahmenbedingungen fällt das aktuelle Projekt der Journalistin Noëmi Landolt: Sie ist für die Schweizer WoZ zwei Wochen lang unterwegs mit der Sea-Watch 2, einem privat betriebenen Rettungsschiff, das Flüchtlingsboote in Seenot zu finden versucht. In einem Online-Logbuch berichtet sie, teilweise mehrmals am Tag, darüber. Am Montag etwa schrieb sie:

„Auf einem früheren Sea-Watch-Einsatz ist einmal die Schwimmweste einer Journalistin ins Wasser gefallen. Weil die mit einem sogenannten AIS-Sender ausgerüstet war, wurde auf allen umliegenden Schiffen ein Alarm ausgelöst. Alle meldeten sich auf der Sea-Watch 2, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung sei. Fällt die Schwimmweste einer Europäerin ins Wasser, geht ein Alarmsystem los. Wenn aber Hunderte, Tausende Menschen vor Lampedusa ertrinken, dann wird das zwar bedauert, aber machen kann man halt nichts, als handle es sich um Opfer einer Naturkatastrophe. Natürlich, Unfälle kann es immer geben. Gehen MigrantInnenboote unter, ist das jedoch kein Unfall, sondern so gut wie unausweichlich. Keines dieser Boot würde es jemals von alleine ans europäische Festland schaffen. Dass dies einfach so hingenommen wird, zeugt von der Geringschätzung menschlichen Lebens, wenn es sich nicht um weiße Menschen handelt. Die Mitarbeiter der Küstenwachen und auf Frontex-Schiffen tragen weisse Ganzkörperanzüge, Mundschutz und Handschuhe, wenn sie die Flüchtlinge an Bord nehmen (…) Es ist keine Begegnung zwischen Menschen. Die Frontex- und Küstenwachenleute sehen aus, als wären sie Roboter, die kontaminiertes Gut an Bord nehmen.“

Und am Dienstag: 

„Der Einsatz mit der Sea-Watch fordert viel von der Crew, bestehend aus Leuten, von denen die meisten ansonsten ein relativ unspektakuläres Leben führen (…) Es kann doch nicht sein, dass die Rettung von Flüchtlingen in Seenot einem Haufen AmateurInnen wie uns überlassen wird. Die meisten von uns können, wie Captain Jon kürzlich bemerkte, nicht mal einen anständigen Knoten knüpfen. Und doch waren wir in den letzten Tagen an der Seenotrettung von weit über 1700 Flüchtlingen beteiligt. - Auch weil sonst einfach niemand da war.“

Mit dem Sprecher von Seawatch e.V. hat aus anderen Gründen gerade der Deutschlandfunk gesprochen.

[+++] Ab 1. November amtiert bei der New York Times ein neuer „Deputy Publisher“: Arthur Gregg Sulzberger, 36, ist „Stellvertreter seines Vaters Arthur Sulzberger Jr., der den Verlag als Herausgeber und Vorsitzender des Verwaltungsrats führt. Der junge Mann ist damit das, was man den Kronprinzen der New York Times nennen könnte“, schrieb die SZ dazu in der vergangenen Woche.

Bei Poynter gibt es nun ein ausführliches Interview mit dem „Kronprinzen“:

- „Do you foresee a day when The New York Times will no longer put out a print edition? If so, when do you think that will be?“

- „The landscape is changing so fast these days that it’s wise to stay away from predictions. But I don’t think many newspapers can say this: We would still be profitable on subscriber revenue alone.“ 

(...)

„Jeff Bezos has reinvigorated The Washington Post by giving it ample resources to compete with some of the biggest and best news organizations in the world, including The New York Times. Would the Sulzbergers be willing to make investments in the Times in the same way that Bezos has? Does the Post’s ascendency make you nervous at all?“

„(…) Though it’s great to see The Post investing again after years of cuts, please remember that The Times is still unrivaled in its journalistic investment. Even if we do face cuts, our newsroom and our technology team will remain far larger than those at other newspapers and digital publishers.“

Trotz vieler Sprechblasen und rituellen Selbstlobs („We’ve not only caught up in the last few years but we’ve started leading in so many key areas. Take virtual reality, where we’ve been a pioneer. Or visual and interactive storytelling …“) scheint mir das Interview wesentlich substanzieller zu sein, als es Gespräche mit vergleichbaren Hierarchen hier zu Lande sind.


Altpapierkorb

+++ Die taz berichtet über #WeAreTwitter, jene internationale Initiative von 170 Menschen, die Twitter zu kaufen und im weiteren Sinne basisdemokratisch zu organisieren gedenkt. Carolina Schwarz zitiert einen der deutschen Initiatoren, re:publica-Gründer Johnny Haeusler, mit den Worten, „er könne sich (…) als Geschäftsmodell ‚eine ähnliche Genossenschaft wie bei der taz, nur auf internationaler Ebene, vorstellen‘“. Schwarz weiter: „Für die UnterstützerInnen von #WeAreTwitter ist Twitter unabhängig von Erfolg oder Misserfolg der Aktion nur ein Anfang. Dahinter steckt eine größere Bewegung, die demokratisch geführten Besitz innerhalb der Onlinewirtschaft fördern möchte.“

+++ Livia Gerster stellt auf der FAZ-Medienseite (FAZ-Plus-Link) Radio Dange Nwe vor, einen von Frauen in der nordirakisch-kurdischen Kleinstadt Halabdscha betriebenen Radiosender: „Die ‚neue Stimme‘, wie ‚Radio Dange Nwe‘ auf Deutsch heißt, ist mittlerweile zehn Jahre alt. Doch was ihre 30 000 Empfängerinnen hören können, gefällt vielen Männern nicht: Offen sprechen sie dort über Genitalverstümmelung, häusliche Gewalt und Ehrenmorde – in einer Stadt, in der die radikalislamistischen ‚Ansar al Islam‘ zwar entmachtet, aber immer noch präsent sind.“ Anlass des Artikels: der Raif Badawi Award for courageous journalists, den die Friedrich-Naumann-Stiftung gerade an Mitarbeiterinnen verliehen hat, „die ein eigenes Radioprogramm in drei Sprachen aus einem der größten Flüchtlingslager des Irak“ senden.

+++ Die freie Journalistin Madeleine Janssen hat im August die Privatvormundschaft für einen 17-jährigen Flüchtling aus Afghanistan übernommen. Für Spiegel Online hat sie einen Erfahrungsbericht geschrieben.

+++ Die unter anderem von Volker Lilienthal organisierte Ringvorlesung der Uni Hamburg zum Thema „‘Lügenpresse‘ - Medienkritik als politischer Breitensport“ (siehe Altpapier), die in der vergangenen Woche begann, ging an diesem Montag in die zweite Runde. Giovanni di Lorenzos halbstündiger Vortrag ist bereits online verfügbar (ab 10:50), er geht darin unter anderem darauf ein, warum er juristisch gegen eine rechtsextreme - meine Wortwahl, nicht seine - Website vorgegangen ist, die einen von ihm für Cicero verfassten Gastbeitrag mit der verzerrten Schlagzeile „Ja, wir waren Lügenpresse“ zusammengefasst hatte. Außerdem nimmt di Lorenzo Bezug auf den 1986 erschienenen, aber nichtsdestotrotz aktuellen Aufsatz „On Bullshit“, verfasst vom US-amerikanischen Philosophen Harry Frankfurt.  

+++ Dafür, dass es angebracht ist, Pressesprecher als Kollegen zu bezeichnen - diese Frage poppt unter Journalisten immer mal wieder auf -, mag es ein paar Argumente geben. Im Fall des Pressesprechers des Landeskriminalamts Thüringen, der nunmehr im dortigen Landesvorstand der AfD hockt, gibt es keine. Unter anderem die Thüringer Allgemeine und Bento befassen sich mit der Sache. 

+++ Die Bundeswehr macht jetzt Content Marketing auf YouTube, und zwar in Form einer Grundausbildungs-Dokusoap: „Zwölf Rekruten, zwei Frauen und zehn Männer, werden drei Monate lang auf einem Marinestützpunkt in Mecklenburg-Vorpommern begleitet. Dabei entstehen 90 kurze Filme, die jeden Tag neu hochgeladen werden sollen“, berichtet mdr.de. jetzt.de schreibt dazu: „Die Produktion von ‚Die Rekruten‘ kostet 1,7 Millionen Euro, was für eine Fernseh-Serie jetzt nicht abartig teuer ist, für den Zusammenschnitt von Selfie-Videos aber doch recht stolz anmutet.“

+++ Mehr zu den ganz oben schon genannten Münchener Medientagen: dwdl.de erwähnt unter anderem, dass ein Sat-1-Hierarch bei der Veranstaltung Horst Seehofers „Gedanken aufgriff, die öffentlich-rechtlichen Sender zusammenzuführen“. Siehe außerdem einen kurzen Kongressbericht in der SZ sowie einen dpa-Beitrag bei faz.net.

+++ Die taz geht noch einmal den Fall einer brandenburgischen Rundfunkbeitragsverweigerin ein, über den sie selbst zuerst berichtet hatte (siehe Altpapier von vergangenem Mittwoch). Aktueller Stand der Dinge: Der Haftbefehl ist aufgehoben, aber das Verfahren noch nicht beendet.

+++ Mit der rheinland-pfälzischen Staatssekretärin Heike Raab (SPD) und Fritz Jäckel (CDU), dem sächsischen Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, die seit dem Frühjahr die Länderarbeitsgruppe „Auftrag und Strukturoptimierung der Rundfunkanstalten“ leiten, hat medienpolitik.net über die bisherige Arbeit eben dieser Arbeitsgruppe gesprochen. 

+++ „Obgleich Marktanteile bei öffentlich-rechtlichen Spartenkanälen nicht das Maß aller Dinge sein sollten, kommt man kaum umhin, die Entwicklung von ZDFinfo in den vergangenen fünf Jahren eine Erfolgsgeschichte zu nennen. Und das, obwohl der jährliche Etat mit rund 15 Millionen Euro nach wie vor nicht sonderlich üppig ist.“ Das schreibt Reinhard Lüke in der Medienkorrespondenz. Hintergrund seiner Einschätzung: Der Spartenkanal, „der Mitte 2011 aus dem vor sich hindümpelnden ZDF-Infokanal hervorging“, kam im vergangenen Jahr auf einen Marktanteil von 1,0 Prozent - das heißt, dass man die Quote innerhalb eines halben Jahrzehnts verzehnfacht hat. 

+++ In einem weiteren Text für die MK blickt Lüke auf die Konferenz Cologne Futures zurück. Er geht dabei unter anderem auf das Referat Harald Welzers ein, Autor des Bestsellers „Die smarte Diktatur“: „Die Machtfülle einzelner Personen als Herrscher über gigantische Datenmengen (berge) unabsehbare Gefahren für demokratische Gesellschaften. Welzer nannte in diesem Zusammenhang das Beispiel Mark Zuckerberg. Der Facebook-Gründer habe heute Verfügungsgewalt über zwei Milliarden Menschen und damit mehr Macht, als irgendein Diktator sich jemals hätte erträumen können (...) Des Weiteren erklärte Harald Welzer das Gerede vom ‘digitalen Menschen’ für unsinnig. Das Leben sei nach wie vor analog und auf die wahren Probleme des Menschseins habe die Digitalisierung keinerlei Antworten.“ Siehe auch Deutschlandfunk neulich.

+++ Was im Bereich der tagesaktuellen Medien nur noch selten zu finden ist: eine Nachkritik in gedruckter Form. Heute steht eine auf der SZ-Medienseite: Bernd Graff schreibt über Oliver Polaks am Montag bei Pro Sieben gestartete Late-Night-Show „Applaus und Raus!“. Das Prinzip der Sendung: Polak weiß nicht, wer in die Show kommt, weiß also auch nicht, ob er die Gäste überhaupt kennt - und er darf sie schnell rausschmeißen, wenn er mit ihnen nichts anfangen kann. Der erste Gast in der ersten Sendung war Oliver Pocher. Graff schreibt: „Polak surft auf dem Comedy-Ticket des schamlosen Aufdeckers falscher Verdruckstheit. Sein Fuck-you-Trainingsanzug-Outfit zeigte schon formal an, dass (ihm) (…) alle Formalitäten der Correctness ziemlich wumpe sind. ‚Erste Frage an Pocher: ‚Wen bumst du gerade?‘ Später, im Gespräch mit seiner eigenen Mutter, folgten Dönekes aus glücklicheren Masturbationszeiten. Neun Gäste verschliss Polak auf die Weise eher rückstandslos. Das wäre zu verkraften, wenn Polak sich auch in den spontan entstehenden Gesprächen als die schlagfertige, coole Sau erweisen würde, als die er in den Stand-up-Phasen vor und zwischen seinen Gästen daherkommt.“ In der Sendung traten auch zwei regelmäßige Altpapier-Gäste auf: Sascha Lobo und - damit hätten wir dann einen Bogen zum oberen Teil der heutigen Kolumne geschlagen - Margarete Stokowski.

Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.