Endlich! Stunden, Tage, ja in nur leichter Zuspitzung ließe sich sagen: beinahe gesamte Wochen lang mussten Fernsehverbraucher fast vollständig auf Fußballspiele und ihr beim Zeitvertreib hilfreiches umfängliches Begleitprogramm verzichten. Allmählich läuft nun nicht nur die Saison wieder an, sondern es kommt das "Sport-Netflix" namens Dazn, wie z.B. dwdl.de schon mal in den Diskurs einspeist.
"Erlebe Deinen Sport" und "Erlebe über 8.000 Live-Events pro Jahr", würde dieses Dazn selber sagen, was natürlich voraussetzt, dass nicht jedes dieser Ereignisse 90 Minuten dauert bzw. erfordert. So viele Minuten hätte ein Jahr ja gar nicht.
Das Angebot stammt vom Anbieter mit dem leichter von der Zunge gehenden Namen Perform Group, der Ihnen bereits im Juni, in Berichten über die Versteigerung von siebzehn Bundesligafußball-Rechtepaketen ab Sommer 2017 weiter unten (z.B. in diesem SZ-Artikel), begegnet sein könnte. Die Perform Group sitzt in London, ist aber "mehrheitlich im Besitz von Access Industries, einer US-Firmengruppe, die sich in Privatbesitz befindet und die globale, strategische Investitionen in vier Kernbereichen" wie etwa auch "Natürliche Ressourcen & Chemie" tätigt (dazn.com). Hierzulande betreibt sie das Sport-Portal spox.com (das am Donnerstagmorgen u.a. die Meldung "Medaillen: BRD hinter Kasachstan & Thailand" bringt). An der Bundesliga ab 2017/18 hatte die Group das Recht der "Highlight-Zusammenfassung im Internet" ersteigert, das bislang noch Axel Springer für sein bild.de besitzt. Damit wird auch Dazn jetzt schon dienen:
Es "zeigt jedes Tor der ersten beiden Fußballbundesligen in den nächsten fünf Spielzeiten", meldet Axel Springer, das seine eigenen Rechte für die anlaufende Saison so mit denen von Dazn für die folgenden Spielzeiten getauscht hat, dass bild.de wohl dieselben Höhepunkte ebenfalls weiterhin wird zeigen können. "Kein schlechter Deal für Springer. Und Dazn ist sofort mit dem wichtigsten deutschen Sport-Thema am Start", kommentiert netz-tv.blogspot.de.
Am ausführlichsten von der Dazn-Pressekonferenz in München, wo ein "mehr als 100 Mann starkes Redaktions-, Kommentatoren- und On-Air-Promotion-Team" für die neue Plattform tätig sei, berichtet dwdl.de. Unter anderem wird geklärt, welche Fußballspiele denn wie erlebt werden können:
"mehr als 200 Saisonspiele der englischen Premier League live und exklusiv, und die restlichen Spiele in voller Länge als 'Re-Live'. Auch aus der spanischen La Liga, der italienischen Serie A und der französischen Ligue 1 werden Spiele übertragen. Hinzu kommen über 250 Spiele der NBA sowie zahlreiche Übertragungen aus der NFL. Neben 50 Spielen der Regular Season sowie ..."
undsoweiter. Die Ausschreibung der österreichischen Bundesliga wolle Dazn sich gerne auch "genau ansehen", berichtet die österreichische Agentur APA (Standard), die überdies die interessanteste Wendung der internationalen Sportrechte-Entwicklung zum Vorschein bringt:
"Den wichtigsten Schritt auf dem Weg zur neuen Plattform machte die Perform Group mit Hauptsitz in London im vergangenen Dezember, als sie dem bisherigen Rechteinhaber Sky für drei Spielzeiten die Rechte an der englischen Premier League abrang. Die Teams von Jürgen Klopp, Pep Guardiola und Jose Mourinho sind im deutschsprachigen Raum künftig nicht mehr beim Pay-TV-Sender zu sehen ..."
War denn nicht gerade erst (Altpapier gestern) "eine weit reichende Content-Partnerschaft" des deutschen Sky-Ablegers mit dem so sympathischen wie multiplen Werbeträger und Fußballtrainer Klopp und seinem aktuellen Verein FC Liverpool verkündet worden?
Doch, aber Sky wird als Service für Fernsehverbraucher, die besonders viel Zeit totzuschlagen haben, "wöchentlich das dreistündige internationale Clubmagazins des Vereins" und so was zeigen, wie gestern hier auch stand. An Fußballspielen, die der FC Liverpool bestreitet, hat es, wie es in Skys Pressemitteilung heißt, "zeitversetzte Ausstrahlungsrechte" erworben. Also das, was Dazn "Re-Live" nennt und was auf Deutsch das sicher ein paar Silben zu lange Wort Wiederholung bezeichnet.
Fußballfreunde wissen, dass es erheblich weniger attraktiv ist, Fußballspiele zeitsouverän anzuschauen (oder bingezuwatchen) als etwa all die epochalen Serien-Ereignisse des richtigen Netflix. Doch durch die Ausdifferenzierung der Fußball-Fernsehrechte in solche Pakete kommen die Milliarden-Einnahmen der englischen Premier League zustande, dank derer die Vereine dann so viele mittelgute internationale Fußballspieler für so viel Geld einkaufen können, dass der englische Fußball international so interessant erscheint und/ oder so schlecht ist ... So ungefähr.
[+++] Da wir gerade bei Skys Pressemitteilungen waren: Die Pay-TV-Plattform, deren englischsprachige, deutschsprachige und italienische Ableger inzwischen unter einem Dach (dem englischen) zusammengelegt wurden, haut inzwischen eine ambitiöse Eigenproduktions-Ankündigung nach der anderen raus. Auf die Ergebnisse dürften Fernseh-Verbraucher mindestens so gespannt sein wie beispielsweise auf die neuen Horst-Lichter- oder Rosamunde-Pilcher-Sendungen des ZDF. Das könnte etwa für die Kochshow gelten, deren Dreh just "vor der einmaligen Kulisse von Schloss Engers in Neuwied" begann.
Interesse verdient erst recht der Drehstart der fiktionalen "neuen paneuropäischen Sky Eigenproduktion", nun jedoch "vor der sonnendurchfluteten Kulisse Südfrankreichs und der Welt der Superreichen". Sie trägt den Titel "Riviera" und hat mitwirkende Darsteller bereits "hoch erfreut" oder "überglücklich" gemacht.
Vielleicht ist Europa ja doch so schön und gut zusammengewachsen, dass Nationalitäten gleichgültig sind und es auch in der deutschsprachigen Pressemitteilung dazu keiner Erwähnung mehr bedarf, wenn an der "paneuropäischen" Produktion in nicht ganz unerheblicher Position auch ein Deutscher mitmischt:
"Regie übernimmt der mehrfach ausgezeichnete Philipp Kadelbach ('Generation War', 'SSGB')".
(Der Inhalt der noch nicht fertig produzierten Serie "SSGB" könnte dagegen ganz interessant sein, das stammt aber von der BBC).
[+++] Außerdem kehrt ein, wie sein neuer Arbeitgeber sagt, "herausragender Journalist und Medienmanager" zurück nach Deutschland ... (weiter im Altpapierkorb).
+++ Also: Wolfgang Büchner ist schon wieder da. Eine kleine Battle gilt den Fragen, wie erfolgreich der zeitweilige Spiegel-Chef an seinen bisherigen Stationen war ("In all seinen Funktionen war es Büchner aufgegeben, eine Gesamtstrategie für auf Papier gedruckte und online publizierte Medien zu finden. Bei der dpa war er mit einem Modernisierungskurs erfolgreich, beim 'Spiegel' weniger, bei Ringier soll er schon vor einiger Zeit um die Auflösung seines Vertrags gebeten haben", schreibt Michael Hanfeld in der FAZ) und warum er seinen Posten in der Schweiz (NZZ: "Büchner wollte offenbar aus privaten Gründen zurück nach Deutschland") aufgibt. Jedenfalls geht er zum Madsack-Verlag, der sich freuen kann, dass sogar in Vorspännen Sätze wie "Dort soll er das Redaktionsnetzwerk Deutschland leiten" stehen (SPON), so als sei dieses "Redaktionsnetzwerk Deutschland" bereits allgemein geläufig. Der Erstvermelder der Personalie, das gut vernetzte horizont.net, betont jedenfalls vehement, dass Büchner in der Schweiz nicht etwa "desavouiert worden" sei, sondern im Gegenteil seine Rückkehr nach Deutschland aus Gefälligkeit länger verheimlicht habe. +++ Bei Madsack trifft Büchner, der dort u.a. den stolzen Titel "Chief Content Officer" tragen wird, als Online-Koordinator Rüdiger Ditz wieder, den er "aus gemeinsamen Zeiten" in der Spiegel-Chefetage kennt (kress.de). +++
+++ "Facebook demonstriert so wieder mal, wie man seine Marktmacht als zentrale Plattform rücksichtlos für den eigenen Profit nutzen kann. Erst vor wenigen Wochen hat das Unternehmen damit angefangen, Nutzern, die über einen mobilen Browser auf die Plattform zugreifen, den Zugang zu ihren persönlichen Nachrichten zu verweigern. Sie sollen so dazu gebracht werden, Facebooks Messenger-App zu installieren" (netzpolitik.org zu Facebooks Ankündigung, jetzt auch gegen Werbeblocker vorzugehen). +++
+++ Doch bei gedruckten Zeitungen schöpfen sie Hoffnung, zumindest am Ende des Wirtschaftsressorts der FAZ (S. 26) unter der Überschrift "Facebook gefällt nicht mehr". Und zwar sei es der größte Werbetreibende der Welt, dem Facebook nicht mehr gefalle: " ... Auch wenn Procter & Gamble jetzt sagt, man wolle weiterhin Anzeigen auf Facebook schalten und nur an der Methodik feilen: Die Begeisterung für digitale Werbung ist nicht mehr so groß wie vor einigen Jahren. Auf dem diesjährigen Werbefestival in Cannes sprach Procter-Mann Pritchard auffällig wenig über Daten und viel über die Kraft kreativer Ideen und die traditioneller Medien. ... Man habe andauernd Anzeigen produziert, um in der 'Echtzeit'-Welt des Internets dabei zu sein, so Pritchard. Aber vieles davon sei einfach nur 'Mist' gewesen, habe den ohnehin schon hohen Lärmpegel im Netz noch verstärkt". +++
+++ Gestorben ist "ein Grenzgänger zwischen Politik, Journalismus und Forschung" (FAZ, S. 5): Walther Stützle, der 1994 bis 1998 gemeinsam mit Monika Zimmermann und Gerd Appenzeller Tagesspiegel-Chefredakteur war (Tsp.-Meldung), sowie SPD-Mitglied. "Nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün kehrte er 1998 ins Verteidigungsministerium zurück: Das Amt des Staatssekretärs bekleidete er vier Jahre lang – es waren alles andere als ruhige Zeiten ..." (FAZ noch mal). +++
+++ Endlich! "Die bisher teuerste Netflix-Eigenproduktion" wird auf der SZ-Medienseite besprochen, wohlwollend wie gewohnt. +++
Ebd. kostenpflichtig: "neue Formen der Werbung", die das Radio brauche. "Redet man dieser Tage mit Radioleuten über das Thema, kommt die Sprache immer wieder auf den Amoklauf von München: Er nahm an einem Freitagabend seinen Anfang in einer McDonald’s-Filiale. Die Fast-Food-Kette hat daraufhin ihre Radiowerbespots ausgesetzt. Das musste von den Vermarktern per E-Mail und Telefon kommuniziert werden. 'Einen Spot auszutauschen, ist bis jetzt mit Personaleinsatz verbunden', sagt Uwe Denzler, Organisationsleiter bei Radio Gong 97,1 in Nürnberg. 'Den können kleine Sender wochenends oft gar nicht leisten'", schreibt Stefan Fischer (Blendle-Link). +++
+++ Nachbesprechungen der missglückten RTL-Investigation bei der Kölner Polizei (Altpapier gestern): "Man fragt sich, ob es der Kölner Polizeipräsident nicht eine Nummer kleiner hat", ergreift Michael Hanfeld auf der FAZ-Medienseite Partei für den Privatsender. Man könne "das Vorgehen der Polizistin, vor allem ihren Kollegen gegenüber, als Vertrauensmissbrauch nicht gutheißen, aber auch aus einer anderen Perspektive sehen – als Whistleblowing und Undercover-Recherche ..." +++ Der Tagesspiegel hat beim Sprecher der Journalistengewerkschaft DJV, Hendrik Zörner, nachgefragt, der auch noch nichts genau weiß, aber natürlich antwortete. "'Wenn bei der Kölner Polizei dauerhaft viel zu großer Stress herrscht ..., ist das Thema von hoher journalistischer Relevanz – das reicht möglicherweise auch für einen Undercover-Einsatz', sagte Zörner" +++
+++ Unter der pfiffigen Überschrift "Wie wäre es mit Pokémon Go für Journalisten?" stellt Adrian Lobe auf der FAZ-Medienseite das "Geolocation-Plugin für Verlage" namens "Bloom for Publishers" vor: "Der Dienst funktioniert so: Eine Zeitung installiert den Plugin auf ihrer Website, mit dem Redakteure und Produzenten jeden Artikel mit einer Ortskennung versehen können. Der Leser kann mittels einer Suchfunktion auf der Website nach Straße oder Postleitzahl und damit verbundenen Nachrichten in seiner Umgebung suchen. Medien können in die App Lokalmeldungen einspeisen." +++
+++ Inzwischen frei online, was vorgestern in der FAZ, ausführlicher aber im Kölner Stadtanzeiger darüber stand, wie seltsam überaus zufrieden alle Seiten damit scheinen, dass die Die Zeit-Beilage "Christ & Welt" ab Oktober nicht mehr vom Katholischen Medienhaus ("Mission Medien"), sondern von der Zeit selbst produziert werden wird. +++
+++ "Wie groß muss die Verzweiflung auf der journalistischen Seite bereits sein", wenn sogar Appelle erscheinen, dich bitte Zeitungen zu kaufen, meint Jens Rehländer in seinem Blog. Er hat anderen Rat, wie "das presse-resistente Milieu", "ein vielschichtiges mit völlig unterschiedlichen Haltungen und Motiven", erreicht werden könnte. +++
+++ "Lasst uns den RBB rocken!" hat Patricia Schlesinger zu vielen Mitarbeitern der Anstalt, die sie seit 1. Juli leitet, gesagt. Sagte sie der Berliner Zeitung. +++
+++ Allen, die vesuchen wollen, 8.000 Sport-Events pro Jahr zu verfolgen, gibt Tilman Baumgärtel in der TAZ Rat: "Speed Watching", also die Sichtungsgeschwindigkeit technisch zu erhöhen, könnte helfen. +++
+++ Dagegen ein entschleunigender Fernsehtipp von Jan Russezki in der FAZ: In "Zugvögel", das Arte heute um 20.15 Uhr zeigt, "wird uns mit ruhiger Stimme die Vogelwelt aus imposanten Perspektiven erklärt. Doch, wenn wir uns besinnen, auch, was wir mit dem bunten Singvogel auf dem kleinen Ast in unserem Garten gemeinsam haben". +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.