Wolkig mit Aussicht auf Rechte
Der MDR besucht rechte Verschwörungs-Theoretiker, ohne es zu merken. Die taz ist kritischer mit sich selbst als manche Medien mit ihr. Die VG Wort muss Geld verteilen und sich ändern. Buzzfeed verteidigt die Freiheit seiner Mitarbeiter in der Anzeigenabteilung. Und von Daniela Katzenberger lässt sich etwas lernen.

Ein sonniger Samstag im Thüringischen, eine Burg, ein Kinderfest, und der Wetterbericht des MDR, der von selbigem eingesprochen werden soll. Was soll da schon schiefgehen?, denkt man sich. Alles, stellt sich heraus.

Schauen wir uns zunächst den kurzen Bericht an, den der MDR mittlerweile aus der Mediathek entfernt hat, der aber noch auf der Facebookseite des Vereins mit dem sympathischen Namen „Deutscher Zivilschutz“ verfügbar ist.

Schnuckelig und beschaulich sieht es aus auf der Uferburg in Altenburg, wir sehen Kinder Steckenpferde reiten und Bogen schießen, und bei Sekunde 23 ist ein Plakat des Bürgerforums Altenburger Land als Veranstalter des Kindertages in Sicht, was weniger martialisch klingt als Deutscher Zivilschutz, dabei steht dieser Verein hinter dem Bürgerforum

Wofür sich dieses außer für das Ausrichten von Kinderbespaßung interessiert, steht auf dessen Website:

„Wir sind für Asyl echter Kriegsflüchtlinge. Wir sind nicht fremdenfeindlich. Wir sind gegen die unkontrollierte Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen. Wir wehren uns gegen den durch die Bundesregierung/Merkel begangenen Gesetzesbruch. Wir wehren uns gegen die Anzahl der für den Landkreis Altenburg vorgesehenen Flüchtlinge. (...) Aber wir wollen eben auch nicht, dass wir - als einfache Bürger unseres Landes, unsere Sicherheit, unseren sozialen Frieden für diese vom Globalisierungswahn beherrschte Politik, opfern sollen.“

Ein Verein, der explizit erwähnt, seine Mitglieder seien nicht fremdenfeindlich (u.a.) – da wird man doch misstrauisch (zumindest, wenn man nicht der Wetterprogrammplaner des MDR ist). Und siehe da, ein Bericht des Deutschlandfunks vom März:

„In der Tat gibt es Indizien dafür, dass es sich bei manchen Organisatoren des Bürgerforums nicht um lupenreine Demokraten handelt. Einer von ihnen betreibt eine private Ausstellung mit dem Titel ,2000 Jahre - Des deutschen Volkes Leidensweg’. Sie zeigt ein geschlossen antisemitisches, ethnozentrisches und revisionistisches Weltbild. Ein Gruselkabinett der Verschwörungstheorien. Nur ein Beispiel: Hitler sei ein zionistischer beziehungsweise britischer Agent gewesen, der den Zweiten Weltkrieg absichtlich verloren habe. Und den Krieg hätten die Juden Deutschland schon 1932 erklärt.“

Falls Sie sich selbst ein Bild von der Ausstellung machen wollen, die auf der gleichen Burg zu finden ist wie das Kinderfest, können Sie auf der nur harmlos klingenden Website www.altenburg-online.de Fotos anschauen und Sätze wie „In der Ausstellung wird der 2000 Jahre währende Leidensweg des deutschen Volkes dokumentiert, angefangen von der römischen Fremdherrschaft (...) über (...) dem allierten [sic!] Bombenholocaust über Deutschland (insbesondere in Dresden) bis hin zur sowjetischen Besatzung und der bis heute andauernden amerikanischen Vorherrschaft in Deutschland“ lesen. Woraus Sie, der Sie ja nicht beim MDR den Ort für Wetteraufsagen bestimmen, schließen können, dass in Altenburg auch Menschen mit sehr verquerem Weltbild unterwegs sind.

Als letzten Beweis dafür finden Sie das besagte Kinderfest auch auf einer Liste mit „Termine(n) der extremen Rechten in Thüringen in den nächsten Wochen“ – und das sind alles Infos, die ich an diesem Dienstagmorgen rasch zusammengegoogelt habe, ohne irgendwelche Vorkenntnisse zur rechten Szene in Thüringen im Allgemeinen oder Altenburg im Besonderen. Brauche ich ja auch nicht zu haben. Ich bin ja kein Regionaljournalist in Thüringen. Im Gegensatz zu den Kollegen vom MDR. Und Sie ahnen, was jetzt kommt.

„Wir, die Prinzessinnenreporter, die letzte Bastion vor den Horden der Finsternis, erteilen dem MDR und seiner Wettershow daher einen besonders schweren Tadel. Bei Nichtbesserung behalten wir uns vor, Thüringen an den Geltungsbereich unseres Säxit-Dekrets anzugliedern“,

formulieren es die Prinzessinnenreporter, die das Thema nach einem Twitter-Hinweis des Autoren des oben zitierten Deutschlandfunk-Stückes aufgriffen. Ich hingegen, die ich ja nicht nur keine thüringische Lokaljournalistin, sondern auch keine Prinzessin bin, würde noch etwas weiter gehen und dem MDR zurufen, dass er ja wohl nicht mehr alle Latten am Zaun hat, der rechten Szene bei der Pflege ihrer bürgerlichen Fassade zu helfen.

Lektion 1.1 an jeder Journalistenschule ist es, den Absender einer Nachricht oder Veranstalter einer Veranstaltung ausfindig zu machen, um dessen Intention zu hinterfragen. Gleiches auf den MDR angewandt, lässt zwei Schlüsse zu, nämlich entweder die bewusste Verharmlosung eines rechten Vereins oder komplette Unfähigkeit. Um freundlich zu sein, würde ich mal das Letztere unterstellen.

[+++] Auch nach der langen Recherche aus der taz am Wochenende, die gestern schon im Korb Thema war, sind weiterhin ein paar Fragen offen. Diejenigen, die Sebastian Heisers Motive betreffen, mag dieser nicht beantworten. Aber zum Umgang der taz mit der Affäre und der offenbar nicht stringenten Informationspolitik gegenüber den Betroffenen, die im Text von Martin Kaul und Sebastian Erb klar angesprochen wird, könnte man die Verantwortlichen befragen. Bülend Ürük hätte dazu Gelegenheit gehabt, als er für kress.de mit taz-Chef Georg Löwisch sprach. Doch stattdessen ließ er Löwisch lieber seine Zeitung loben:

„Die Nachwuchsarbeit hing nie an einer Person. Viele Kolleginnen und Kollegen betreuen die Nachwuchs-Workshops der Panter-Stiftung. Wir haben eine ausgezeichnete Praktikumsbeauftragte. Ein Kollege organisiert Extra-Schulungen im Rahmen der taz-Akademie. Und auch in den Ressorts wird viel Zeit und Kraft in die Nachwuchsarbeit gesteckt. (...) Als die Keylogger-Affäre 2015 aufkam, stand zu befürchten, dass sie das Vertrauen innerhalb des Rudi-Dutschke-Hauses beschädigt. Das ist nicht geschehen. (...) Am wichtigsten finde ich, dass alle 23 Ausgespähte, von denen wir wissen, jetzt wenigstens eine Vorstellung haben, was da passiert ist. Zwei der direkt Betroffenen haben wir im Übrigen erst im Zuge dieser sehr komplexen Recherche gefunden. Wir haben sie benachrichtigt und allen 23 angeboten, sich die Daten selbst anzusehen, die bei ihnen abgefischt wurden.“

Zum Vergleich noch mal die Darstellung von Kaul und Erb:

„Zwar werden die meisten darüber informiert, dass sie betroffen sind. Doch es gibt keinen wirklich systematischen Umgang damit. Manche Betroffene erhalten eine E-Mail, viele von ihnen sind längst nicht mehr bei der taz. Mal ist diese etwas konkreter, mal etwas allgemeiner. Manche werden auch angerufen. Mal kommt die Information von der EDV, mal vom Ressortleiter oder dem Justiziar. Und einige ehemalige Praktikantinnen haben schließlich die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit ihrem Ressortleiter. Wieder andere erfahren über KollegInnen, dass sie betroffen sind. Was ein mögliches Motiv der Ausspähaktion sein könnte, erfahren viele gar nicht.“

Ein Medienkritiker ist also weniger kritisch mit der taz (Offenlegung: für die ich auch schreibe) als diese selbst. Hm.

[+++] Bereits am Freitag tagte die VG Wort mit ihren so-called Wahrnehmungsberechtigten, was spannend ist, da sie dies erstmals nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs tat (siehe Altpapier).

Bei Übermedien berichtet Stefan Niggemeier nicht nur von der einen Million Euro, die die VG Wort der Rechtsstreit gekostet hat, und die sie nun nicht mehr an ihre Mitglieder ausschütten kann. Sondern auch von der Debatte darüber, was das Urteil eigentlich bedeutet:

„Wer auf Dauer davon profitieren wird, dass die jahrzehntelange Praxis der VG Wort vom BGH gekippt wurde – auch darüber gehen die Meinungen auseinander. Denkbar ist nach den Worten von [VG-Wort Vorstand Robert] Staats, dass die Verlage ein eigenes Leistungsschutzrecht fordern und eine eigene Verwertungsgesellschaft gründen. Offenbar fordern manche Verlage ihre Autoren auch schon dazu auf, zu unterschreiben, dass sie auf ihre Rechte verzichten. Kurzfristig aber können die Urheber in der VG Wort mit erheblichen Nachzahlungen rechnen – nicht nur aus dem Geld von 2012 bis 2015, das sonst die Verlage bekommen hätten, sondern auch aus Nachzahlungen der Geräteindustrie.“

Yes, this could be the end of the VG Wort, as we know it, wie auch Henry Steinhau bei irights.info erklärt:

„Staats bemerkte, dass der BGH die Verlegerbeteiligung nicht generell verboten habe, sondern nur das von der VG Wort bislang praktizierte Modell. Er verwies auf die Satzungspräambel der Verwertungsgesellschaft, nach der die VG Wort eine Verwertungsgesellschaft von Urhebern und Verlegern sei. Der Konsens darüber sei seit Gründung der VG Wort immer wieder bestätigt worden. Eine Mitgliederversammlung könne das Modell grundsätzlich aber auch ändern.“

Ob es das tut, soll bei weiteren Versammlungen im Herbst geklärt werden.


Altpapierkorb

+++ „Mitte der Woche könnte der Ligavorstand zustimmen, am Donnerstag die DFL-Mitgliederversammlung, danach will Seifert in Frankfurt das Ergebnis verkünden“, berichtet Caspar Busse heute auf der Medienseite der SZ über die laufende Versteigerung der Bundesliga-Fernsehrechte. +++

+++ Der DJV ruft ab Ende der Woche 13.000 Zeitungsjournalisten in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zum Streik auf. +++

+++ Selbst Buzzfeed muss nicht alles mitmachen und verkündete gestern, seinen Anzeigen-Deal mit der Trump-Kampagne zu kündigen. „The Trump campaign is directly opposed to the freedoms of our employees in the US and around the world and in some cases, such as his proposed ban on international travel for Muslims, would make it impossible for our employees to do their jobs“, zitiert der Guardian Gründer Jonah Peretti. +++

+++ „245 Seiten zählt der Bericht, keine fünf davon thematisieren Risiken“, vermeldet Christian Füller auf der Medienseite der FAZ über einen vom Bundestag in Auftrag gegebenen Bericht über die Möglichkeiten der Digitalisierung an Schulen. „Bei Experten fällt die Studie durch. Die Deutsche Kinderhilfe begrüßte auf Anfrage, dass der Bundestag sich mit digitalen Medien befasst. Allerdings seien ,die eigentlichen Gefahren und Risiken für Kinder und Jugendliche’ aus den Augen verloren worden: Cyber-Mobbing, Sexting und Cybercrime. Deutschlands bekanntester Cyberpolizist, der Brandenburger Kriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger, vermisst kompetente Aufklärung an Schulen über das zurzeit beliebteste Kinderspielzeug, die digitalen Spiele.“ +++

+++ Auf Platz 1 der Personen, von denen etwas lernen zu können man jetzt nicht unbedingt erwartet hätte: Daniela Katzenberger. Aber offenbar weiß diese sehr gut Facebook zu bedienen bzw. jemanden auszusuchen, der dies für sie erledigt, schreibt Jens Schröder bei Meedia. +++

+++ Von wem man sich hingegen nichts sagen lassen sollte, zumindest nichts über Passwortsicherheit, ist Zuckerbergs Mark. Dessen Pinterest-Account wurde offenbar gehackt, stand gestern überall, u.a. bei Wired.de. Andere Stars waren wohl auch betroffen (siehe futurezone.at), aber von denen hatte keiner das trioeske Passwort "dadada" – die sicherste Variante seit dem Code von Emily Gilmores Panic Room. +++

+++ Falls Sie sich für etwas interessieren, bei dem „die Zukunftsthemen der Medien im Mittelpunkt“ stehen, ist das Medienforum NRW Ihr Ding, das ab heute in Köln gastiert und bei Twitter unter dem MuFuTi-Gedächtnis-Hashtag #mefo16 zu finden ist. +++

+++ Bereits verpasst haben Sie hingegen den #bjv16, den Journalistentag des Bayrischen Journalisten-Verbandes. Wie’s war, steht bei Regensburg Digital. Spoiler: „Wenn nämlich ein, so Seehofer, ,altehrwürdiger Verband’ wie der BJV 70 wird, dann darf man als Ministerpräsident, der sich in der Vergangenheit selbst in die Nähe des ,Lügenpresse’-Gebrülls begeben hat, schon mal milde werden. Da darf ein Ministerpräsident zu seiner Verteidigung auch mal anbringen, dass die Pressefreiheit nicht gefährdet sei durch Politiker, die mal etwas kritisieren. Da darf er darauf hinweisen, dass es vor allem zwei wahre Gefahren dieser Pressefreiheit gibt: ,die radikalen Gegner der Demokratie und die Gleichgültigkeit’.“ +++

+++ Einstimmung auf die Fußball-EM-Einstimmung gesucht? Dann lesen Sie im Tagesspiegel Thomas Gehringers Rezension der Arte-Doku „Ziemlich beste Feinde“, die sich heute Abend der deutsch-französischen Fuballfreundschaft widmet. Auch die FAZ berichtet, aber bislang nicht frei online. +++

+++ „In den fünf ostdeutschen Landesregierungen ist der Anteil von Politikern ostdeutscher Herkunft von 75 Prozent im Jahr 2004 auf zuletzt 70 Prozent wieder gesunken. Von 60 Staatssekretären der Bundesregierung wiederum stammen drei aus dem Osten, vor 12 Jahren waren es noch sechs. An der Spitze der 100 größten ostdeutschen Unternehmen ging der Anteil von 35,1 auf nun 33,5 Prozent zurück und noch deutlicher werden die Verhältnisse in der Gesamtschau: 1,7 Prozent der Führungskräfte in Deutschland sind Ossis.“ Aus diesen Ergebnissen einer Studie der Uni Leipzig hat der MRD die zweiteilige Doku „Wer beherrscht den Osten“ gemacht, die Cornelius Pollmer heute auf der Medienseite der SZ rezensiert. +++

+++ Damit niemand das Gefühl haben muss, beim gestrigen Fernsehabend etwas verpasst zu haben: „Jauch beichtet bei ,Wer wird Millionär’ eine Mäuse-Phobie“, berichtet das Hamburger Abendblatt. ++++

Frisches Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.