Jeder spart auf seine Weise. Die Funke-Mediengruppe, von der gleich noch ausführlicher zu reden sein wird, tut dies normalerweise, indem sie sich von Mitarbeitern trennt - aktuell von diversen Freien des Hamburger Abendblattes, die aufgrund der Fusion von Print- und Online-Redaktion nicht mehr benötigt werden, wie Meedia gestern vermeldete.
Beim Wochenmagazin Spiegel wird man auf diesen Weg auch nicht verzichten. Der Zukunftsagenda 2018 (s. Altpapier) folgend haben nun schon 111 Mitarbeiter zugesagt, in den Vorruhestand abzuwandern, wie Anne Fromm in der taz aus einer internen Nachricht des Spiegel-Geschäftsführers Thomas Hass berichtet. Darüber hinaus hat das Sturmgeschütz aber noch ganz andere Einsparpotentiale:
„Über drei Millionen Euro konnten bereits an Sachkosten gespart werden, unter anderem dadurch, dass die Redaktion deutlich weniger mit Freien und Pauschalisten zusammenarbeitet – das spart Honorare. Raumkosten werden gesenkt, weil zum Beispiel das Berliner Hauptstadtbüro demnächst von seinem prestigeträchtigen Büro am Brandenburger Tor in ein neues in der Nähe des Hauptbahnhofs zieht. Gespart wird auch, weil der Orangensaft nun nicht mehr im Haus selbst gepresst, sondern frisch gepresst eingekauft wird.“
Man stelle sich vor, wie viele Freie hätten behalten werden können, wenn statt frisch Gepresstem Saft aus Konzentrat oder gar Nektar ins Sortiment aufgenommen worden wäre! Bei der Funke-Zeitung, bei der ich einst mein Volontariat absolvieren durfte, nachdem deren Sparprogramm schon angelaufen war, bestand die Auswahl aus Kaffee aus einem schrecklichen Münzautomaten sowie Wasser aus der Leitung. Aber das sollte natürlich kein Vorbild sein, eher umgekehrt.
Was die Spiegelschen Geldverwalter tun sollten, damit sie und ihre Kollegen auch in Zukunft noch auf ihre Vitamine kommen, weiß Verlags-Beraterin Katja Nettesheim:
„Besonders wichtig ist, dass die Bezahlinhalte in der gleichen Form nirgendwo im Netz zu finden sind. Ansonsten wird es auch für den Spiegel schwer, hierfür Geld zu verlangen. Dies schließt auch die Inhalte auf Spiegel Online ein.“
Ganz lustig ist, dass sie dieses in einem Interview mit Meedia sagt, die zuverlässig zu denen gehören, die alles hinter einer fremden Paywall Verborgene blitzschnell abschreiben und kostenlos auf der eigenen Seite republizieren (ein Beispiel dafür hatten wir gestern im Korb). Was uns wieder zurück zu den Funkes führt.
Diese haben, wir erinnern uns, vor drei Jahren einen Teil des lokalen Printbestandes des Hauses Axel Springer gekauft, weil dieses schon damals ganz aufs Digitale setze, während Funkes druckten und druckten und drucken.
Nun ist ihnen aber doch aufgefallen, dass dieses Internet nicht nur nicht mehr weggeht, sondern auch etwas mit den Mediennutzungsgewohnheiten ihrer Leser macht, und ihre Antwort darauf lautet nun zum einen: Internetauftritte der Lokalzeitungen mit Paywall versehen und ausbauen. Und zum anderen Portale an den Start bringen, die ähnliche Nachrichten kostenlos bringen.
Unter www.thueringen24.de startet heute ein derartiges Angebot, das an die thüringischen Funke-Titel gekoppelt ist. Das Braunschweiger Pendant namens news38.de ist bereits seit Mitte Mai online.
„Das kostenlose Angebot informiert über aktuelle Nachrichten aus der Region, berichtet über lokale Geschehnisse und Trends, gibt Tipps und erzählt die unterhaltsamsten, überraschendsten und emotionalsten Geschichten in und aus Thüringen“,
heißt es dazu in der Pressemitteilung aus dem Konzern, die zudem Michael Tallai, Geschäftsführer der Mediengruppe Thüringen, mit den schönen Worten zitiert:
„Gleichzeitig stärken wir im Rahmen der digitalen Zwei-Säulen-Strategie die kostenpflichtigen Premium-Angebote unserer drei Tageszeitungstitel und entwickeln diese weiter.“
Wer sich ein wenig auf den kostenlosen Portalen umsieht, der erkennt, dass diese aus dpa, Pressemitteilungen und Meldungen aus den Printtiteln zusammengestückelt werden. Die großen Recherche und Hintergrundstücke, die Funke hinter der Paywall entwickeln möchte, finden sich dort nicht. Aber:
Wäre dies nicht das Altpapier, sondern ein ARD-Check, würden wir sofort in der Erfurter Fußgängerzone einen Stand aufbauen, der drei Angebote macht: Ein Glas frisch gepressten O-Saft für drei Euro, eines mit Nektar geschenkt oder beides. Wenn meine Menschenkenntnis und die Erfahrungen aus den ersten Minuten eines Sommerschlussverkaufs mich nicht völlig täuschen, werden der frisch Gepresste verschimmeln, der Nektar fließen und die digitale Zwei-Säulen-Strategie garantieren, dass am Ende nur eine Säule übrig bleibt. Und die war zwar günstig, ist aber leider nicht stabil.
[+++] Da wir gerade von Lokaljournalismus sprechen: Die Berliner Hauptstadtzeitungen konnten sich nie richtig entschließen, ob sie nun diesen oder nicht doch lieber das große Überregionale vorantreiben möchten. Der Tagesspiegel versucht es nun noch einmal mit der Bezirksebene und verschickt ab sofort für diese Newsletter, hier zu abonnieren.
„Der Checkpoint bekommt 12 kleine Brüder und Schwestern für alle Berliner Bezirke! Jeweils einmal in der Woche bringt Ihnen ,Tagesspiegel Leute’ per Mail ganz nah, wer und was um Sie herum wichtig ist - pointiert, unterhaltsam, anregend und informativ“,
verspricht Lorenz Maroldt heute im Mutterschiff des neuen Newsletter-Imperiums, das die so still und heimlich heruntergefahrenen Stadtteilblogs der Zeitung ersetzen bzw. ergänzen soll, dass ich hier nicht einmal einen Link dazu anbieten kann (Offenlegung: ich gründete einst die Prenzlauer Berg Nachrichten, die diesen Gründungen vorangingen und die noch existieren, allerdings ohne meine Beteiligung).
Auch hier könnte man Kannibalisierungs-Potential vermuten, schließlich ersetzt der Checkpoint schon heute für So-mittel-Berlin-Interessierte sämtliche Hauptstadtzeitungen. Da diese jedoch bislang eher selten aus den Bezirken berichten, sind Infos aus der eigenen Nachbarschaft eh kein Kaufgrund für die gedruckte Gesamtausgabe. Quer durch alle Titel einmal die Woche das Wichtigste zusammenzufegen, dafür sollte der Stoff aber reichen.
[+++] An dieser Stelle bereits erfolgreich vergrault: diejenigen, die sich weder für Lokales noch für Berlin begeistern können. Da kommt es nun auf alle Nicht-Jugendlichen auch nicht mehr an.
Denn diese sind alle nicht die Zielgruppe des neuen RTL2-Angebots RTL2 You, von dem man hier einen Vorgeschmack gewinnen kann.
„RTL II YOU kann auf allen relevanten Endgeräten genutzt werden – ganz gleich ob mit dem Smartphone, Tablet, PC oder SmartTV. Und das zu jeder Zeit. Dabei ist RTL II YOU kein klassischer Fernsehsender, sondern ein IP-basiertes Angebot, das On-Demand- Flexibilität und das entspannte Lean-Back eines linearen Streams auf einen Nenner bringt“,
erklärt Christian Nienaber, Bereichsleiter Digital bei RTL2, hier das Konzept seinen „lieben Geschäftspartner(n)“.
Wer angesichts so vieler Buzzwords nicht gleich verstanden hat, worum es geht – DWDL hat aus einem älteren Interview mit Nienaber alternativ diese ausgegraben:
„RTL II You wird ein digital verbreitetes, lineares Angebot mit Time-Shift-Funktion und VoD. Wir bauen hier Next-Generation-TV.“
Yeah!
Übersetzt bedeutet das, dass diese jungen Menschen nun irgendwas mit Handycameras, Youtube und „Berlin - Tag & Nacht“ rund um die Uhr abrufen können.
„Offensichtlich lotet RTL2 hier aus, wie man das Beste aus Netz und TV vermengen kann, ohne sich mit Fragen von Niveau oder intellektuellem Anspruch aufzuhalten. Bei ARD und ZDF dürfte man das Experiment mit einem weinenden und einem lachenden Auge zur Kenntnis nehmen. Weinend, weil RTL2 früh eine Nische besetzt. Lachend, weil die billige Herangehensweise es dem demnächst startenden öffentlich-rechtlichen Jugendangebot sehr leicht macht, besser zu sein“,
urteilt Hans Hoff heute auf der Medienseite der SZ.
Und falls Sie eindeutig nicht zur Zielgruppe gehören, aber trotzdem bis hierhin durchgehalten haben, gibt es als Belohnung die Aussicht auf RTLplus, das am Samstagabend an den Start gehen wird und Klassiker wie „Dr. Stefan Frank“, „Hinter Gittern“ oder eine Neuauflage des „Familienduells“ mit Inka Bause verspricht. Obwohl:
„Nun soll es ,Gutes von gestern’ also auch für die Frau geben. Wobei das mit dem ,gut’ so eine Sache ist. Denn was RTL gerne ,Klassiker’ nennt, ist oft nicht weit weg von einer Katastrophe, gut abgehangen und überwiegend aus eigener Produktion“,
meint Andreas Böhme im Hamburger Abendblatt.
+++ Ob Journalisten sich mit guten Sachen gemein machen sollten, diese Frage hat Rupert Neudeck für sich sehr eindeutig beantwortet. An den gestern verstorbenen Cap-Anamur-Gründer erinnert u.a. sein einstiger Arbeitgeber, der Deutschlandfunk. +++
+++ Über seinen täglichen Medienkonsum, die Rolle der Medien beim Aufstieg der AfD und den Unterschied zwischen Medienkritik und „Lügenpresse“-Rufen hat Altpapier-Kollege René Martens im „Nachtstudio“ bei Bayern 2 berichtet. +++
+++ „Das Urteil könnte sich mittelbar auch auf andere Leistungsschutzrechte auswirken, etwa jenes für Presseverleger, meint Tripp. Die Entscheidung mache deutlich, dass Schutzrechte für kreative Leistungen ,nicht so rigoros ausgestaltet sein dürfen, dass die kulturelle Auseinandersetzung mit ihnen im Keim erstickt wird’“, heißt es auf S. 19 in der FAZ zum vielberichteten Sampling-Urteil und dessen mögliche Konsequenzen für die Verlage. +++
+++ Noch einmal Refinanzierung von Journalismus im Netz, diesmal aus Sicht des Axel-Springer-Managers Christoph Keese im Interview mit dem österreichischen Standard: „Aber eine Geschichte, die auf einer dpa-Meldung aufbaut und eigene Recherchen in der besonderen Sprache und Haltung der Redaktion hinzufügt, findet ihr Publikum auch in Zahlmodellen.“ Passend dazu: Die t3n-Meldung, dass sich die Zahl der weltweiten Adblocker-Nutzer im vergangenen Jahr verdoppelt habe. +++
+++ ARD-Programmdirektor Volker Herres hat sich ein Interview mit dem Rotary Magazin dazu ausgesucht, um von der Möglichkeit zu sprechen, den Mediatheken-Dschungel seiner Sender zu lichten. Weitere schöne Zitate: „Man achtet bei den Vormittags- und Nachmittagsserien schon darauf, dass der Zuschauer der Handlung auch dann noch folgen kann, wenn er einen Moment abgelenkt ist“ oder „Aber ich glaube nicht, dass die Zukunft des Fernsehens interaktiv ist. Fernsehen ist ein Lean-Back-Medium: Man schaltet das Gerät ein, auch weil man ein bisschen abschalten will.“ +++
+++ „Der Meteorologe Jörg Kachelmann erhob am Montag schwere Vorwürfe gegen die ARD: Regionalsender des öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramms hätten ihr Programm wegen des Unwetters umstellen, die Bevölkerung warnen müssen, meint er.“ Schreibt Spiegel Online. +++
+++ „Nennen wir den Schal jetzt ,trendy’ oder ,süß’? Bestimmt gibt es eine Redakteurin, deren heiligste Aufgabe es ist, die verwendeten Adjektive zu zählen, und die dann beschließt, der Schal müsse ,trendy’ sein, weil ja schon die Przedswit-Pferde als ,süß, aber selten’ und Covermodel Sisi als ,süßes Shetlandpony’ annonciert werden. Die Faustregel ,Nur zweimal süß auf dem Cover’ darf nämlich nur in Ausnahmefällen gebrochen werden.“ So denkt sich das Julia Bähr heute auf der Medienseite der FAZ anlässlich des 30. Geburtstags des Mädchenpferdemagazins Wendy. +++ Die weiteren Themen dort: Der Arte-Film „Treibsand“ („Das ist ziemlich französisch, im Guten wie im Anstrengenden“) sowie der Film „Adieu Paris“, der parallel heute Abend im Ersten läuft („Am Ende nimmt Patrizia den Mann aus der zweiten Reihe und weiß, was sie will: heiraten, Kinder bekommen, einen Kirschbaum pflanzen. Solange es darüber keinen Film gibt, nur zu.“). +++
+++ Zum Schluss waren es der Hundehasser einfach zu wenig: Kot und Köter wird eingestellt, berichtet sueddeutsche.de. +++
+++ Derweil Thema auf der gedruckten Medienseite: „Laura Himmelreich wird Chefredakteurin von Vice.com, einer Webseite, von der nicht alle Kollegen beim Stern je gehört haben dürften. Aber sie wird auch: Chefredakteurin bei einer der erfolgreichsten Medienfirmen der Gegenwart. Auch wer nichts hält vom Abgesang auf die alte Magazinwelt, wird zugeben müssen, dass Vice zumindest ein wichtiger Teil der medialen Zukunft sein wird. ,Ich wollte nicht weg vom Stern’, sagt Laura Himmelreich, ,ich wollte zu Vice’“ (Text: Katharina Riehl). +++
+++ Pro Sieben möchte einen Teil der Lücke, die Stefan Raab im Programm übrig ließ, mit Wissenssendungen auffüllen, schreibt DWDL. +++
+++ Warum der BDZV mit seinem Versuch, besonders herausragenden Journalismus in den sozialen Medien mit dem Hashtag #Meisterstück zu verbreiten, so wenig Erfolg hatte, analysiert Thomas Knüwer in seinem Blog. +++
+++ Wie cool und unabhängig es sich bei „Frontal 21“ recherchieren lässt, erzählt Redaktionsleiterin Ilka Brecht im kress.de-Interview. +++
+++ Warum es keine gute Idee ist, Kinder statt „Coco – der neugierige Affee“ „Halloween“ schauen zu lassen, erklärt Joachim Huber im Tagesspiegel. Spoiler: FSK-Angaben haben ihren Sinn, und wer zu früh im Leben „Der weiße Hai“ schaut, mag später nicht in bayrischen Baggerseen baden. +++ Zudem berichtet Markus Ehrenberg über die am Sonntag startende Show „Mensch Gottschalk – Das bewegt Deutschland“, die auch für Imre Grimm in der Hannoverschen Allgemeinen Thema ist. +++
Frisches Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.