Stoppt die Druckerpressen! In einem deutschen Medienmedium hat ein Journalist den Mangel an Live-Tickern beklagt.
„Oscar-Verleihung, Eurovision Song Contest, Oktoberfest, Ankündigungen des Apple-Konzerns, Obama-Besuch, Wetter-Extreme wie Sturm im Herbst - zu allen Themen hat es schon Live-Ticker gegeben. Und zur Bundespräsidentenwahl in Österreich: Fehlanzeige.“
Es beschwert sich: Matthias Stelte im Zapp-Blog. Stattdessen hätten an der Präsidentenwahl-Zitterpartie interessierte Deutsche österreichische Nachrichtenangebote wahrnehmen müssen, woraufhin deren Server in die Knie gingen bzw. Rekordzugriffe verzeichneten, wie etwa der Standard meldet.
Skandal! Deutsche Medien entschleunigt! Was natürlich nicht der Fall war, wie Andreas Dieners Beitrag für faz.net belegt:
„Den nervösesten Finger hatte Reuters. Um viertel nach vier konnte man nicht mehr an sich halten und eilte an die Medien, dass Medien berichteten, Alexander van der Bellen habe gewonnen. Nun lesen ja Medien, so auch wir, mitunter andere Medien. Wer also als Medium in den letzten Stunden irgendein anderes Medium aufgeschlagen, angeklickt oder eingeschaltet hatte, dem konnte dieser Fakt unmöglich entgangen sein. Egal, Eilmeldung, zack, besser spät als nie.“
Das Live-Tickern halbgarer Infos, auch Gerüchte genannt, haben gestern die Nachrichtenagenturen übernommen. Kein Grund zur Aufregung also. Im rasanten Internetnachrichtengeschäft ist alles beim Alten.
[+++] Wir hingegen in unserer schnuckeligen evangelisch.de-Nische machen das jetzt mal anders. Schließlich wurde bereits in der vergangenen Woche hier das Sommerloch ausgerufen, und da kann man sich auch mal zurücklehnen und auf Grundsätzliches besinnen. Etwas die Funktionsweise der Meta-Medien. Diese ließ sich nämlich gestern sehr schön am ebenfalls gestern bereits im Korb verlinkten Text von Franz Sommerfeld nachvollziehen.
Der ehemalige Chefredakteur der Mitteldeutschen Zeitung, ehemaliger Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers und ehemaliger Vorstand der Mediengruppe M. DuMont Schauberg, heute bei den Kress-Köpfen als Facebook-Blogger geführt, hatte Sonntagfrüh in diesem seinem neuen Stammmedium seinem Ärger über die FAS Ausdruck verliehen. Diese hatte in der Wirtschaft einen ziemlichen Verriss der Flüchtlingspolitik Angela Merkels veröffentlicht, diese Kritikpunkte jedoch nicht in dem im Politikteil veröffentlichten Interview mit der Kanzlerin zur Sprache gebracht.
„Dieses Vorgehen der FAS ist für eine sich gern auf Werte berufende Zeitung stillos, es ist darüberhinaus journalistisch völlig unakzeptabel. Denn diese Kritik hätten die FAS-Redakteure im Interview vortragen müssen. Es wäre mit Sicherheit interessanter und relevanter geworden. Sie ihr hinterher um die Ohren zu schlagen, wo sie sich nicht wehren kann, geht überhaupt nicht“,
argumentierte Sommerfeld, was uns an dieser Stelle jedoch kein Stück interessiert. Stattdessen verfolgen wir den Weg dieser Meinungsäußerung, der noch am gleichen Abend dorthin führte, wo so manche bereits im Internet verfügbare Meinung ein zweites Mal auftaucht, denn doppelt hält besser und irgendetwas muss ja erscheinen: zu Carta. Wo Sommerfeld auch sonst gerne veröffentlicht, auch sonst gerne Dinge, die er vorher rasch bei Facebook eingestellt hat (so wie hier und hier bzw. hier und hier).
Die maximal mögliche Streuung war damit natürlich noch nicht erreicht. Dafür haben wir schließlich Mediendienste.
Bei Meedia ging man auf Nummer sicher und erzählte dann gestern die Meinung Sommerfelds nicht nur nach, sondern bettete den Original-Facebookpost auch ein. Zudem gab es den Bonustrack „Stellungnahme der FAZ („Wir bitten um Ihr Verständnis, dass sich die F.A.Z. zu den Ausführungen von Herr Sommerfeld nicht äußert.“), was man mit viel gutem Willen irgendwie als journalistische Leistung anerkennen kann, aber definitiv abstinkt gegen die Fleißarbeit, die Bülend Ürük für kress.de leistete, als er nicht nur die Orginial-Artikel aus der FAS sowie Sommerfelds Meinung dazu zusammenfasste, sondern auch die unter dem Facebook-Post befindlichen Kommentare. Dort fiel dann, Christoph Kappes sei Dank, endlich der zweite Vorname der FAZ: Binnenpluralismus. Der die ganze Aufregung – oder, wie Ürük es nennt: „schwere(n) Vorwürfe gegen die FAZ“ - ganz einfach erklärt bzw. entkräftet.
Fassen wir zusammen: Ein Ehemaliger und Facebook-Blogger fand was in der FAS doof, und inklusive diesem waren mit dieser Ansicht nun vier Medien beschäftigt.
Dieses Vorgehen ist für eine sich gern auf Werte berufende Branche stillos und darüber hinaus journalistisch völlig unakzeptabel. Dass Sie es nun trotzdem ausschneiden und sich als eine Art Urmeter onlinejournalistischer Nachrichtenwege an die Wand hängen können, ist das eigentlich Traurige an diesem kleinen, sommerlöchrigen Einschub.
Was in dieser Zeit an wirklich journalistischer Arbeit hätte geleistet werden können, mag man sich gar nicht ausmalen.
[+++] Damit zurück zur aktuellen Nachrichtenlage und zum Nachklapp zur ungewöhnlichen Verweigerungshaltung des Bayrischen Rundfunks zu den Münchnern gleichen Ursprungs (Altpapier gestern).
Auf der Bayern-Seite der SZ lässt sich heute nachlesen, dass die Lokalpolitik über die finanziellen Forderungen der Fußballer an den Fernsehsender nicht so amüsiert waren. Stattdessen wird angesprochen, dass diese Art der Abrechung auch wieder die andere Richtung nehmen kann:
„Die nicht eben seltenen Fußballpartys verursachen nicht nur beim Sender und bei der Stadt München erhebliche Kosten. Die Polizei war mit etwa 150 Beamten im Einsatz, um die Pokalfeier auf dem Marienplatz zu begleiten. Die Polizisten sicherten die Anfahrtswege sowie die U-Bahn-Stationen. Das Präsidium musste also fast denselben Aufwand wie bei einem normalen Bundesligaspiel des FC Bayern betreiben, wo im Schnitt 200 Beamte tätig sind. Bei Hochrisikospielen – etwa beim Derby der zweiten Mannschaften des TSV 1860 und des FC Bayern im Grünwalderstadion – sind schon auch mal mehr als 1000 Polizisten im Einsatz.“
Aktuell sieht die Münchner Polizei keinen Anlass, dem Verein ihre Einsätze in Rechnung zu stellen. Aber als kleine Erinnerung, dass die Bayern vielleicht auf die Dienste des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, aber wohl kaum auf die des öffentlichen Raums und der Wahrer öffentlicher Sicherheit werden verzichten mögen, kann ja nicht schaden.
Um Ersteres, also das eigene Sendungsbewusstsein des Vereins, geht es auch auf der Medienseite der Zeitung, wo Ralf Wiegand schreibt:
„Den exklusivsten Zugang zum FC Bayern hat der FC Bayern selbst. Er liegt damit im Trend der Bundesliga, die an vielen Standorten darum bemüht ist, Bilder und Nachrichten nicht mehr der kritischen Prüfung von Journalisten zu überlassen, sondern selbst herzustellen und bestenfalls auch zu verkaufen. So kreieren vereinsinterne Nachrichtenkanäle News zu Spielerverpflichtungen, Sponsorenabschlüssen oder Verletzen-Bulletins selbst und exklusiv, bevor freie Medien informiert werden. Der Zugang zu Vereins-Banketten, Mannschaftshotels oder Flugzeugen, mit denen die Spieler unterwegs sind – früher üblich – sind weitgehend abgeschafft worden. Bilder aus jenen Räumen, in denen die Protagonisten des Fußballs noch einigermaßen authentisch sein dürften, vertreiben viele Vereine exklusiv. Sie bestimmen damit das Gesamtbild, das entstehen soll.“
Dass es in anderen Ländern um die unabhängige Fußballberichterstattung auch nicht besser bestellt wird, steht zudem auf der Seite.
Jürn Kruse zieht in der taz aus dieser Entwicklung einen interessanten Schluss für die Fans:
„Die Zielgruppe des Klubs ist mittlerweile die ganze Welt. Nicht der gemeine Altfan in Bayern oder irgendwo in Deutschland, der seit Jahrzehnten die Feiern des Rekordmeisters und -pokalsiegers beim BR verfolgte. Je näher man am FC Bayern dran ist, desto schwerer fällt es, Fan zu bleiben. Das muss ein Verein erst mal schaffen.“
+++ Wenn ich die Auswahl hätte zwischen „Machen Smartphones dumm und krank?“ und „Erfüllen Sendungen, die solche Fragen stellen, nicht viel eher diese Funktion?“, wählte ich Letzteres. Daher kann ich Ihnen leider nicht aus erster Hand berichten, wie der Plasberg-Talk zum Thema war, aber dafür haben wir ja die Nachtkritiken, etwa von Arno Frank bei Spiegel Online oder Hans Hütte bei faz.net. Bei Meedia hat Nils Jacobsen ein paar Tweets zusammenkopiert und nennt das „So entgeistert reagiert das Netz auf die Smartphone-Sendung“. +++
+++ Investigative Recherche lohnt sich auch finanziell. Das hat Horizont bei der Süddeutsche Zeitung erfahren. Dass dieser, derzeit hoch gelobte Journalismuszweig jedoch auch Kritik einstecken können muss, argumentiert Wolfgang Michal in seinem Blog. Bislang hapere es noch an dieser Fähigkeit, und das ist nicht sein einziger Verdruss: „Bereits der nationale Rechercheverbund der Leitmedien WDR, NDR und SZ prägt in zunehmender Penetranz die heimische Nachrichtenagenda. Das macht den Medienmarkt nicht etwa vielfältiger, sondern ärmer. Denn solche Recherche-Verbünde verschärfen den Konzentrationsprozess. Sollte es irgendwann kein kritisches Correctiv [ich nehme an, der fast gleich geschriebene Rechercheverbund macht sich darob dieser Erwähnung einen Sekt auf, Anm. AP] mehr geben, könnte es passieren, dass kleine Meldungen nach Belieben gepuscht und politisch instrumentalisiert werden. Es würde dann niemanden mehr geben, der vernehmbar dazwischenruft: Habt ihr keine anderen Sorgen?“ +++
+++ Facebook hat in einer internen Untersuchung festgestellt, dass Nachrichtenströme im Netzwerk nicht systematisch manipuliert wurden (s. Altpapier), meldet Zeit Online. Puh, so ein Glück. +++
+++ Yippee, bei der Tagesschau hat jemand die Zugangsdaten vom Blog wiedergefunden! So kann dort Michael Wegener berichten, wie das über Youtube verbreitete Video von einem Anschlag im syrischen Jableh verifiziert wurde. +++
+++ Man stelle sich vor, jemand anderes hätte noch ausstehenden, juristischen Böhmermann-Entscheidungen vorweggegriffen: Das hätte Bundesrichter Thomas Fischer sicher zu ein paar wohlgedrechselten Sätzen in seiner Zeit-Online-Kolumne motiviert. Aber da er es selbst war, der nun gegenüber dpa (siehe faz.net oder Meedia) formulierte, dass Teile der „Schmähkritik“ „vermutlich strafbar“ seien, wird schon alles seine Ordnung haben. +++
+++ Was ein für gedruckte Zeitungen werbendes Interview aus einer gedruckten Zeitung im Zentralabitur der englischen Sprache macht, und warum anwesende junge Leser nicht selbst formulieren dürfen, wie sie Print finden, fragt sich Boris Rosenkranz bei Übermedien. +++
+++ Andererseits hat gerade ein 19-Jähriger ein großes Herz für Print bewiesen, indem er ein Neo-Magazin-Royal-Magazin selbst bastelte, wie bei wuv.de steht. +++
+++ Auf der FAZ-Medienseite rezensiert Michael Hanfeld die Arte-Doku „Dschihadisten im Visier“ („Es braucht die Politik, Verbände, gesellschaftliche Kräfte sonder Zahl und insbesondere mutige Muslime, um „Daesch“ und anderen Terrorgruppen den Nachwuchs zu entziehen. Es ist ein Kampf um die Köpfe und Herzen inzwischen mehrerer Generationen von jungen Menschen. Das ist keine neue Erkenntnis. Laetitia Moreau zeigt in ihrem Film aber, wie dringlich es ist, zu handeln.“), Ursula Scheer den ZDF-Film „Meine fremde Frau“ („Maria, die Schwester vom mobilen Pflegedienst, von der Patienten nur sagen: ,Sie ist die Beste’, wurde auf der Wiener Ringstraße von einem Raser erfasst. Es war Fahrerflucht. Wer hinterm Steuer des Wagens saß, könnte nur der Mann gesehen haben, mit dem Maria an jenem Abend unterwegs war und der nun nicht neben ihrem Bett steht. Aber von all dem weiß die Erwachende nichts. Ihre Knochen sind heil geblieben, ihre Erinnerungen sind gelöscht.“), und Adrian Lobe berichtet, wie in den USA Firmen die Daten ihrer Mitarbeiter ausspähen („Wie das ,Wall Street Journal’ berichtete, lässt der Einzelhändler Walmart über Auftragsfirmen Daten von Mitarbeitern sammeln. So will er herausfinden, welche Angestellten beispielsweise ein hohes Diabetesrisiko haben. Solche Mitarbeiter könnte man mit personalisierten Nachrichten zu einem Arztbesuch oder Abnehmprogramm bewegen. ,Nudging’ nennt sich dieser verhaltenspsychologische Ansatz: den Leuten einen Schubs in die ,richtige’ Richtung geben.“). Online verfügbar ist derzweit keiner der Texte. +++
+++ „,Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht’, lautet ein Sprichwort. Man könnte auch sagen: Was der Bauer nicht kennt, sieht oder liest er nicht. Auch neue Formate haben durchschlagenden Erfolg. Aber das ist schwerer zu kalkulieren.“ Im Tagesspiegel macht sich Tatjana Kerschbaumer ein paar Gedanken zum Thema Spin-offs. +++
+++ „Wir haben RTLplus als Sender aufgesetzt, mit dem die Zuschauer noch einmal die schönsten Momente der Vergangenheit Revue passieren lassen können“ – dieser Satz aus dem DWDL-Interview mit Björn Klimek, Marketing-Leiter und Creative Director bei RTL, über die Strategie zum Start des neuen Senders klingt nur so lange verheißungsvoll, bis man erfährt, was er zu den schönsten Momenten der Vergangenheit zählt. Nämlich „Dr. Stefan Frank“, „Hinter Gittern" und „Doppelter Einsatz“. +++ Außerdem hat DWDL Peer Schader ans Set der ersten ZDFneo-Serie „Tempel“ in eine Fabrikhalle nach Berlin-Oberschöneweide geschickt: „Der zermürbende Kampf um bezahlbaren Wohnraum in der Stadt ist ein zentrales Motiv in ,Tempel’. ,Wir wollen eine Geschichte mit aktuellem Bezug zu Berlin und Deutschland schaffen – und eben keine amerikanische Serie kopieren’, erklärt Uwe Urbas von der Produktionsfirma Polyphon die Grundidee.“ +++
Frisches Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.