„Hier wird niemand in seinem Glauben erschüttert“
Ist #verafake ein „Geniestreich“ bzw. „genialer Coup“ oder eher ein „kleiner Coup“? Ist es positiv, dass bei Facebook Menschen in die „Trending Topics“ eingreifen? Inwiefern profitieren US-Sender von den Präsidentschaftskandidaten-Debatten? Außerdem: Warum es wenig zielführend wäre, wenn das geplante Online-Jugend-Angebot von ARD und ZDF nach dem Motto „Seht her, wir können auch cool“ produziert werden würde. Warum bayerischen Volksmusikfreunden ein trauriges Pfingstwochenende bevorsteht.

Da diese Kolumne unter anderem für Entschleunigungsmaßnahmen und historische Schlenker bekannt ist, fragen wir uns doch heute erst einmal, was der Sprachphilosoph Gottlob Frege (1848-1925) zu Jan Böhmermann zu sagen gehabt hätte bzw. warum er „den Satiriker höchstwahrscheinlich freisprechen würde“. So ist es in der am Donnerstag erschienenen neuen Ausgabe des Philosophie Magazins formuliert, für die Chefredakteur Wolfram Eilenberger aus immer noch aktuellem Anlass Frege gelesen hat: 

„Unser Sprechen (beruht) grundsätzlich auf der Fähigkeit, Worte im Munde führe zu können, ohne für deren Inhalt selbst behauptend einstehen zu müssen. Also ohne sie selbst im eigentlichen Sinne zu ‚sagen‘ (...) Die Unterscheidung zwischen dem ‚Gebrauchen‘ und ‚Erwähnen‘ von Worten geht auf (...) Frege (...) zurück (...) Er erklärt sie wie folgt: ‚Wenn man in der gewöhnlichen Weise ein Wort gebraucht, so ist das, wovon man sprechen will, deren Bedeutung. Es kann aber auch vorkommen, dass man von den Worten selbst oder von ihrem Sinn sprechen will (...) Wir haben dann Zeichen von Zeichen. In der Schrift schließt man in diesem Falle die Wortbilder in Anführungszeichen ein. Es darf also ein in Anführungszeichen stehendes Wort nicht in der gewöhnlichen Bedeutung genommen werden.“ 

Die Überschrift des Beitrags lautet dann auch „Staatsaffäre in Anführungszeichen“. Diese nahm am Donnerstag im Bundestag noch eine ihrer vielen nicht unbedingt erwartbaren Wendungen, als ein anti-böhmermännisch gesinnter Christdemokrat dort das berüchtigte Schmähgedicht vortrug - was im übrigen Ralle Höcker, R.T. Erdogans vielseitiger Medienanwalt (siehe auch Altpapier), „rechtlich vollkommen in Ordnung“ fand, wie faz.net vermeldete.

Böhmermann selbst spielte der CDU-Mann damit auch in die Karten (siehe u.a. Zeit Online), weil er, der Parlamentarier, auf diese Weise Werbung machte für die erste „Neo Magazin Royale“-Sendung nach der Pause, die am Abend ausgestrahlt wurde. Eigentlich hatte ich mir dafür die Formulierung zurecht gelegt, es mangele nicht an Betrachtungen zur Comeback-Show, und obwohl Letzteres zutrifft, schadet es auch nicht, auf das im Prinzip bekannte Problem der relativen Vielfalt hinzuweisen. Konkret heißt das in diesem Fall: Auf den Websiten der DuMont-Medien Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau und Kölner Stadt-Anzeiger steht ein und dieselbe Böhmermann-Show-Nachkritik. Sie stammt von Anne Burgmer (deren Texte ich schätze, aber das ist hier nicht der Punkt). Die KSTA-Redakteurin lobt die Sendung:

„(Böhmermann) konzentrierte sich auf das, was er wirklich gut kann. Sehr, sehr intelligente Medienkritik. Er habe nämlich viel nachgedacht ‚über eine wichtige, mächtige Frau‘. Und das war eben nicht die Kanzlerin, sondern RTL-Moderatorin Vera Int-Veen. Die moderiert ‚Schwiegertochter gesucht‘ und zerrt dort auf menschenverachtende Art und Weise einsame Männer vor die Kamera, die gar nicht einschätzen können, wie sie in der Kuppelshow vorgeführt werden. Wer Böhmermanns Grinsen sah, als er sagte, in der Show gehe doch sicherlich ‚alles mit rechten Dingen zu‘, der wusste schon, jetzt kommt etwas Großes. Denn der Moderator und sein Team haben zwei Schauspieler – als  einsamen Eisenbahnfreund Robin und dessen Vater – in ‚Schwiegertochter gesucht‘ eingeschleust und so auf brutale Art deutlich gemacht, wie RTL diese Show manipuliert und Kandidaten zum Gespött macht. 150 Euro Aufwandsentschädigung für bis zu 30 Drehtage, Anweisungen, was der offensichtlich minderbemittelte Robin zu sagen hat.“

Nun gut, „wenn man sich anschaut, dass die RTL-Gruppe allein 2015 über 500 Millionen Euro Gewinn an Konzernmutter Bertelsmann abgeliefert hat“ (ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky in einem gaaanz anderen Zusammenhang): Wer allzu luxuriöse Aufwandsentschädigungen zahlt, kriegt das nicht hin. 

Auch notierenswert: Burgmers Kritik stand bereits um 22 Uhr online, als die Sendung im Internet bereits zu sehen gewesen war, die lineare Erstausstrahlung aber noch nicht einmal begonnen hatte. Doch nun weiter mit den Einschätzungen zur Show, deren zentrales Schlagwort #verafake Böhmermann gleich zu Beginn ins Spiel gebracht hatte. Über einen „echten Geniestreich“ jubelt die WAZ, die schon um 21.34 Uhr ihren Text raushaute, von einem „Coup“ spricht der Tagesspiegel, eine Synthese hat die Welt parat („genialer Coup“).

„RTL lügt. Ach“,  

bemerkt dagegen Imre Grimm bei Twitter. Ähnliches dachte wohl auch Christian Buß (Spiegel Online), der es eher als „kleinen Coup“ empfand, dass Böhmermann und seine Leute „aufdeckten, wie Int-Veens Menschenzoo inszeniert wird“. Die Frage, die die #verafake-Sendung aufwirft, lautet, ob trotz des geringen Nährwerts der Botschaft die Art der Aufdeckung Anerkennung verdient. Buß spricht von 

„einer technisch gelungenen, moralisch einwandfreien Enthüllung aus den unteren Sektionen des Privatfernsehens - die einen allerdings nicht wirklich vom Glauben an Vera Int-Veen und RTL abfallen lässt, schließlich gerieten Moderatorin und Sender schon 2011 mit ihrer Denunzianten-Soap ‚Mietprellern auf der Spur‘ ins Visier der Landesmedienanstalten (...) So besitzt #verafake nicht solche Sprengkraft wie #varoufake. Hier wird niemand in seinem Glauben erschüttert. Dass die über Monate geplante Undercover-Aktion gerade jetzt fertig produziert worden war, ist jedoch eine schöne Fügung. Sonst hätte Böhmermann wirklich komplett blank dagestanden.“

Letzeres bezog sich darauf, dass Böhmermanns Gespräch mit Gregor Gysi zumindest für jene, die sich die Sendung im linearen Fernsehen angeschaut haben, eher als Einschlafhilfe gedient haben dürfte. Da die Show zeitig aufgezeichnet wurde, konnte Gysi am Donnerstag der SZ noch erzählen, was er in der Sendung erzählt, so dass das von Cornelius Pollmer geführte Interview, das heute auf der SZ-Medienseite steht, auch als eine Art Nachbetrachtung dienen kann.

[+++] Das Facebook-Angebot „Trending Topics“ ist für Nutzer in Deutschland zwar bekanntlich nicht verfügbar, die Anfang der Woche durch einen Gizmodo-Bericht ausgelösten Diskussionen darüber, wie diese Trendthemenliste zustande kommt, sind natürlich trotzdem nicht von geringer Relevanz (siehe Altpapier von Mittwoch und Donnerstag). Der Guardian hat nun einen 21-seitigen Leitfaden, den Facebook für seine „Trending Topics“-Truppe erstellt hat, zugespielt bekommen:

„The documents show that the company relies heavily on the intervention of a small editorial team to determine what makes its ‚trending module‘ headlines – the list of news topics that shows up on the side of the browser window on Facebook’s desktop version. The company backed away from a pure-algorithm approach in 2014  (...) Former employees who worked in Facebook’s news organization said that they did not agree with the Gizmodo report on Monday alleging partisan misconduct on the part of the social network. They did admit the presence of human judgment in part because the company’s algorithm did not always create the best possible mix of news. Specifically, complaints about the absence from trending feeds of news reports about clashes between protesters and police in Ferguson in 2014 were evidence to Facebook that – in the specific case of the trending module – humans had better news judgment than the company’s algorithm. Multiple news stories critcized Facebook for apparently prioritizing Ice Bucket Challenge videos over the riots.“ 

Bemerkenswert unter anderem: Die Kritik an der jetzigen Praxis kommt von konservativer Seite, die Kritik an der alten kam dagegen aus dem nicht konservativen Lager. Möglicherweise hat ja ein konservativer Angestellter den Algorithmus für „Trending Topics“ programmiert, der nun gewissermaßen händisch korrigiert werden muss.

Der Guardian weiter:

„The guidelines show human intervention – and therefore editorial decisions – at almost every stage of Facebook’s trending news operation, a team that at one time was as few as 12 people. The company’s guidelines are very similar to a traditional news organization’s, with a style guide reminiscent of the Associated Press guide, a list of trusted sources and instructions for determining newsworthiness.“

Wie auch immer: Auswahl und Gewichtung laufen bei Facebook also ähnlich wie bei traditionellen Medien. Wobei letztere immerhin ein Impressum vorhalten, das zumindest eine Ahnung davon vermittelt, wer in dem Laden gewichtet oder auswählt. Auf Ähnlichkeiten zwischen Facebook und alten Medien will auch Ken Doctor (Nieman Lab) heraus:

„Ironically, with the widening of (national) news choices that the Internet has spawned, we’re depending on fewer pipelines of news. It’s a narrowing of the filter funnel, just another unintended consequence of the digital re-shaping of our lives. It’s just as troubling as the filter bubbles that used to occupy our concerns, but likely more potent. As those pipelines narrow, necessarily, the decision on what is news, and what is important in news, inevitably falls to fewer people and their buddy bots. So a few liberal-leaning curators at Facebook de-prioritizing ‚conservative‘ viewpoints isn’t surprising at all. Someone has got to decide what’s the most important and least important news — and what to display where. Editors at wire services, newspapers, and TV and radio stations have long done that.“

Auf die Berichterstattung reagiert Facebookk nun mit einer verspäteten Offensive. Justin Osofsky, der „VP Global Operations“, liefert im Hausblog einen “overview of how Trending Topics works“ (siehe auch Spiegel Online), und in der vergangenen Nacht hat sich Mister Zuckerberg persönlich zu Wort gemeldet.

Schweigsam verhält sich Facebook bei einem anderen Thema, zu den hier am Donnerstag erwähnten Lösch-Dienstleistern der Firma Arvato. Johannes Boie (SZ), der in dem Text auch eine sehr unfeine Attacke gegen die mit Facebook kooperierende Antonio-Amadeu-Stiftung und deren Vorsitzende Anetta Kahane untergebracht hat, schreibt:

„Eine Möglichkeit herauszufinden, was und wie bei Facebook gelöscht wird, wäre, die Menschen zu besuchen, die diese Aufgabe übernehmen. In Deutschland sind das Mitarbeiter der Firma Arvato, die zu Bertelsmann gehört, eine Art von Klick-Fließbandarbeitern. Gerne wüsste man, wie es ihnen etwa in der hochkomplexen Debatte um Jan Böhmermann und den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdo?an, die sich auf Facebook hunderttausendfach in Kommentaren und Kommentaren zu Kommentaren fortsetzt, gelingt, ihre Arbeit zu machen: Was ist Beleidigung, was ist Satire, was ist Meinungsäußerung? Was ist legal und was nicht? Was dürfen andere Menschen lesen und was nicht? Im Fall Böhmermann gegen Erdo?an diskutieren Juristen seit Wochen. Die Lösch- und Sperr-Arbeiter aber haben diese Zeit nicht (...) Besuchen kann man sie bislang nicht. Facebook lässt seit Monaten keine Journalisten an diesen Ort, der nicht nur für den Konzern, sondern auch für die Gesellschaft zentral ist.“

Darüber hinaus, so Boie, wolle Facebook auch nicht sagen, wie viele Mitarbeiter im Löscheinsatz sind und „wie viele Beschwerden von Nutzern dieses Team täglich erreichen“.

[+++] Die eine oder andere Tasse im Schrank fehlt möglicherweise bei den Machern der ukrainischen Website Mirotworez. Diese hat, wie die Taz berichtet,

persönliche Daten von 4068 Journalisten veröffentlicht, die in den letzten zwei Jahren in den nicht anerkannten ‚Volksrepubliken‘ von Lugansk und Donezk als Journalisten akkreditiert waren. In der über die Homepage von Mirotworez abrufbaren Excel-Datei mit dem Namen „Schurken“ finden sich Handy-Nummern, E-Mail-Adressen und Angaben über die Aufenthaltsdauer der Journalisten in den ostukrainischen „Volksrepubliken“.

Unter anderem „Korrespondenten von Reuters, der Süddeutschen Zeitung, ABC News, des ZDF, al-Dschasira, CNN, Stern und der New York Times“ seien betroffen - und auch Kollegen „regionaler Medien in Belgien oder China“, wie die Deutsche Welle (DW) ergänzt. Diese informiert über uns Hintergründe zu Mirotworez:

„Als Gründer des Projekts gilt Heorhij Tuka, ein bekannter früherer freiwilliger Helfer der ukrainischen Armee. Tuka war zwischen Juli 2015 und April 2016 Gouverneur des Gebiets Luhansk, beziehungsweise von dessen Teilen, die unter Kiews Kontrolle stehen. Ein anderer Prominenter, der hinter Mirotworez steht, soll Anton Heraschtschenko sein. Er ist Parlamentsabgeordneter der regierenden Partei ‚Volksfront‘ des früheren Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk (....) Heraschtschenko kündigte die Veröffentlichung der Journalisten-Liste in seinem Profil auf Facebook an und lobte die Hacker.“

Laut SZ protestierten „Journalistenverbände aus aller Welt sowie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) scharf“. Darunter Johann Bihr (Reporter ohne Grenzen). Laut DW verweist er darauf, 

„dass die Medienvertreter auf der Liste ‚nur ihren Job gemacht haben‘. Eine Akkreditierung in Separatistengebieten sei ‚keinesfalls ein Zeichen der Unterstützung‘, sagte Bihr der DW. Er findet die Veröffentlichung ‚nicht nur entsetzlich, sondern auch gefährlich.‘“

[+++] Zu loben ist heute die FAZ, und zwar, weil man dort als Haupttext für die Medienseite ein nicht gerade unkomplexes Thema ausgewählt hat. Es geht um einen Dokumentarfilm des Russen Andrej Nekrassow ("Der Fall Magnizki"), den arte am 3. Mai ausstrahlen wollte. Nach einer Vorab-Intervention eines der Protagonisten, des US-Investmentbankers Bill Browder, will man ihn aber erst einmal einer „juristischen Prüfung“ unterziehen (siehe Altpapier). Regisseur Nekrassow sagt dazu im FAZ-Interview:

„Ich bin ganz einfach entsetzt und empört wie noch nie in meinem Leben (...) Ich verfüge nicht über die finanziellen, juristischen, politischen Ressourcen wie Browder, um mich symmetrisch verteidigen zu können. Mein Film ist eine europäische, öffentlich finanzierte Filmproduktion. Es ist skandalös, dass es Browder, dessen Geschichte ich hinterfragt habe, gelingt, mich mundtot zu machen und sogar Koproduzenten zu beeinflussen (...) Ich kenne die Kollegen bei ZDF und Arte aus früheren Produktionen (‘Lebt wohl, Genossen!‘, Grimme-Preis 2013) und finde sie professionell und sympathisch. Da es auch ein Film von Arte ist, sollten sie ihn meines Erachtens stärker öffentlich verteidigen. Ich glaube, eine wichtige Entdeckung gemacht zu haben, die die internationale Politik beeinflussen kann. Aber Filmemachen ist eine kollektive Arbeit. Ich bin Arte für die Zusammenarbeit dankbar. Derzeit bin ich aber Browders Propaganda-Maschinerie ziemlich allein ausgesetzt.“

Unabhängig davon, ob Nekrassow mit seinem Film richtig liegt (das kann ich nicht beurteilen): Mit seiner Kritik an den beteiligten öffentlich-rechtlichen Sendern, die sein Werk ja vor der geplanten Ausstrahlung bereits abgenommen haben dürften, liegt er richtig.


Altpapierkorb

+++ Wehmut lag am Dienstag in der Berliner Luft, und zwar konkret bei einem Stehrümchen auf der Dachterrasse der Berliner Stern-Filiale. Darüber berichtet Ulrike Simon in ihrer RND-Medienkolumne. Der Die Wehmut rührt daher, dass die dortigen Mitarbeiter bald „in neue Räumlichkeiten umziehen (müssen). Sie sind weit weniger repräsentativ (...) Die Redakteure müssen dort enger zusammenrücken. Die Fläche ist nur halb so groß, Einzelbüros sind passé (...) Der Umzug ist nicht nur ein Umzug. Er ist das äußere Zeichen für das, was die Stern-Leute innerlich umtreibt. Es ist der Bedeutungsverlust, sowohl der des Magazins als auch der eigene, und es ist die Befürchtung, dass das mit den Anzeigen und der Auflage nicht besser wird, dass das immer so weitergeht.“

+++ Mehr zum Stern: „Was Adolf Hitler für den Spiegel ist und Rückenschmerzen für den Focus, könnte für den Stern schon bald der Nordseestrandkorb werden“, spöttelt Katharina Riehl in der SZ, weil das Magazin gleich zweimal innerhalb eines Monats Titelgeschichten aus heimatoiden Reisetipps zimmerte, nämlich zunächst „Urlaub in Deutschland – Reiseziele zwischen Ostsee und Alpen sind beliebt wie nie“ und danach „50 Traumziele vor der Haustür – die besten Tipps für ein perfektes Wochenende“.

+++ Über Satire in muslimischen Staaten berichtet Andrea Böhm im Zeit-Politikteil (Seite 7, Ausriss), unter anderem geht es um den im saudi-arabischen Fernsehen eine „gewisse Narrenfreiheit“ genießenden Komiker Nasser al-Kassabi. „Sich über den ‚Islamischen Staat‘ lustig zu machen, ist auf arabischen Bühnen und in den sozialen Medien inzwischen ein Volkssport“, bemerkt Böhm ebenfalls.

+++ Sophie Charlotte Rieger würdigt im Missy Magazine (Juni/Juli/August-Ausgabe), dass „nach vielen Jahren männlich angeführten Krimis und mittelständischer Dramen über Frauen auf dem holprigen Weg zum Traummann“ nun in den ambitionierten bzw. zumindest eventösen TV-Mehrteiler- und Serienprojekten der jüngeren Vergangenheit („Ku‘damm 56“, „Die Stadt und die Macht“, „Deutschland 83“) zumindest ein Bemühen um Frauenfiguren jenseits der Stereotypen zu erkennen sei. Vieles liege aber weiterhin im Argen. Problematisch sei zum Beispiel die Vorliebe des deutschen Fernsehens für das Thema Schwangerschaft. Wenn eine Frau im Zentrum der Geschichte steht, dann muss sie auch schwanger sein oder dies zumindest vermuten (...) Nicht nur in ‚Ku‘damm 56‘, auch in der ARD-Miniserie ‚Die Stadt und die Macht‘ kann die Geschichte einer unabhängigen Frau nur in Zusammenhang mit einer Babykrise erzählt werden.“

+++ Dominik Speck (epd medien) formuliert einen Wunsch an die Macher des im Oktober startenden Online-Jugend-Angebots von ARD und ZDF: „Die Öffentlich-Rechtlichen (sollten) (...) einfach mehr gutes, tiefgründiges Programm für junge Menschen machen, statt sich mit ‚Seht her, wir können auch cool‘-Rufen anzubiedern oder noch mehr Inhalte im Webvideo-Stil zu produzieren. Es reicht nicht, junge Menschen nur zu beobachten, zu begleiten und sie da abzuholen, wo sie sind, also in den sozialen Netzwerken. Öffentlich-rechtliche Medien - egal auf welchen Plattformen - müssen ihnen auch etwas bieten. Und zwar etwas, das sie nicht anderswo schon in Massen finden.“ Zumal man etwa bei Eins Plus in den vergangenen Jahren schon beobachten konnte, was dabei herauskommt, wenn Sender oder Produktionsfirmen mal so richtig crazy Sachen machen.

+++ Nicht sonderlich spannend verspricht die Wahl des kommenden Intendanten des Saarländischen Rundfunks zu werden. Der Rundfunkrat der Senders hat nur einen Kandidaten nominiert, es ist Thomas Kleist, der jetzige Amtsinhaber. Die Medienkorrespondenz berichtet.

+++ Die Medienkorrespondenz weiß darüber hinaus, in welchem Maße in den USA Fox News und CNN von den Übertragungen der TV-Duelle zwischen den Präsidentschaftskandidaten profitieren: „Gleich zu Beginn des Wahlkampfs im August 2015 schossen die Quoten der auf Politik fixierten Nachrichtensender kometenhaft nach oben. Die von Fox News live übertragene erste Debatte der republikanischen Kandidaten versammelte 24 Mio Zuschauer vor den Bildschirmen. Das zum Time-Warner-Konzern gehörende News-Network CNN sah seine Chance gekommen, dem Marktführer auf diesem Sektor ein Bein zu stellen und übertrug in der Folgezeit nicht weniger als neun Debatten, alle zur Hauptsendezeit. Die Rechnung ging auf. Noch bei der letzten der neun gesendeten Debatten schalteten bei CNN 11,8 Mio Zuschauer ein. Acht Wochen lang war zuvor entweder CNN oder Fox News in der Primetime das meistgesehene Kabelnetwork der USA – trotz heftiger Konkurrenz durch populäre Serien auf anderen Kanälen.“

+++ Dass der Bayerische Rundfunk „seine letzten analogen Volksmusiksendungen“ abschaltet, ist der SZ doch glatt Anlass für eine Seite Drei. Rudolf Neumaier schreibt: „Bayern1 war von Anfang an der Sender der Mitte der weiß-blauen Gesellschaft – der allermittigsten Mitte. An diesem Samstag um 19.05 Uhr beginnt auf diesem Urkanal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Bayern zum letzten Mal die Sendung ‚BR-Volksmusik‘, und am Pfingstsonntagmittag strahlt er zum letzten Mal ‚BR Heimat – So schön klingt Blasmusik‘ aus. Dann wird die Volksmusik nur noch mit Digitalradios zu hören sein.“ 

Neues Altpapier gibt es wieder nach Pfingsten.