Im Lift mit Zuck
Mark Zuckerberg joggt durchs Brandenburger Tor und bezaubert den Springer-Konzern, der wiederum einen Garten zaubert. Ein Plädoyer für "Halbdistanz" aus "psychohygienischen Gründen". Die neue Rundfunkgebühren-Diskussions-Saison läuft an. Eine Hörfunkdirektorin im Spagat. Fernsehkrimis verweilen unterschiedlich, aber immer länger online. Außerdem: "Ä bissle mehr könnt's immer sein".

Mark Zuckerberg ist in Berlin. Da hagelt es Inhalte aller Art, Fotos, auf denen er einflussreichen Einheimischen von ganz unterschiedlicher Statur, v.a. Angela Merkels Peter Altmaier und Axel Springers Mathias Döpfner, begegnet, sowie Videos und Usergeneriertes.

"Auf seiner Facebook-Seite hat der 31-Jährige übrigens einen Livestream vom 'Fireside Chat' online gestellt. Es hat nach wenigen Stunden mehr als 130.000 Kommentare erhalten",

informierte Tina Halberschmidt schon gestern abend bei handelsblatt.com. Zuckerbergs Facebook-Seite heißt ganz einfach facebook.com/zuck ("Um dich mit Mark zu verbinden, registriere dich noch heute für Facebook"). Videos gibt's aber auch bei Axel Springer, gleich eingebunden in die enorm ausgelassene Pressemitteilung ("Axel Springer zaubert Dachgarten der Facebook-Zentrale in Berliner Verlagshaus") und in den redaktionelleren Bericht bei welt.de ("Auf dem Boden Gras, an der Wand ein leuchtendes Wort: 'Innovate'"), den schreiben zu müssen kein Journalist Christian Meier beneidet haben dürfte.

Besonders bemerkenswert ist das Video "Hier joggt Mark Zuckerberg durch Berlin", für das die Medienfüchse von Springer aus den gestern omnipräsenten unbewegten PR-Bildern vom inmitten seiner Leibwächter lächelnd grazil joggenden Zuckerberg ein Video mit Bewegungseffekten gezaubert haben.

Am konzentriertesten bringt die Chose natürlich Springers weiterhin wirkungsmächtigstes Sturmgeschütz bild.de ("Zuckerberg wickelt alle ein!/ Der Facebook-Gründer über virtuelle Realität und Windeln-Wechseln/ Daumen hoch für diesen Auftritt!") auf den Punkt, mit Videos und Fotos en masse, sowohl von Bill Gates überlebensgroß im punkfarbenen Pulli als auch von jeder Menge grinsender Lokal-Celebritys zwischen Kai Diekmann und Johannes B. Kerner sowie, viel weiter unten, "ARD-Vorsitzender und NDR-Intendant Lutz Marmor" [der, auch wenn er den ARD-Vorsitz Ende 2015 abgab, tatsächlich weiter NDR-Intendant ist]. Und die Anzeige "Jetzt die Biografie zu Mark Zuckerberg auf Amazon bestellen" weiter oben fehlt ebenfalls nicht.

Mit dem Satz "Um es mit Facebook zu sagen: We like!", endet der halbwegs redaktionelle Teil des Artikels. Tagesaktuell kehrt Axel Springer seine devoteste Seite hervor, um im Lift mit Zuck erst mal noch möglichst weit nach oben fahren zu können. Diese Mechanik beherrscht der Konzern ja perfekt.

Zuck hat natürlich Geschenke mitgebracht und sie nach seinem "ausgedehnten Jogginglauf durchs Brandenburger Tor" (DPA/ Kieler Nachrichten) Kanzleramtsminister Altmaier überreicht. Falls Sie oben auf den zweiten Link in diesem Altpapier nicht geklickt haben: Hier geht's noch mal zu Tina Kulows Facebook-Pressemitteilung "Künstliche Intelligenz - Facebook fördert deutsche Forschung". "Uneigennützig ist die Spende" von "25 Hochleistungsservern" an "ausgewählte Forschungsinstitute in Deutschland und ganz Europa" "aber nicht" (SPON-Netzwelt).

Hat Altmaier, die sympathische Plaudertasche, nichts gesagt? Schon. Er

"kam dann aber doch zu sprechen auf das, was er von Zuckerberg erwartet: Stärker darauf zu achten, dass Kommentare in deutschen Diskussionen nicht gegen deutsches Recht verstoßen. 'Mark Zuckerberg hat die Bedeutung verstanden, die das für uns hat', sagte Altmaier nach dem Gespräch. Der Kanzleramtsminister machte aber zugleich deutlich, dass er in dem US-Unternehmen 'einen wichtigen Partner' für Deutschland sieht, wenn es um die digitale Entwicklung geht",

berichtet Sonja Alvarez im Tagesspiegel und beschreibt dann auch den Ort dieses Geschehens, das von Facebook errichtete 700 Quadratmeter große Zelt namens "Innovation Hub".

Falls Sie jetzt gerne noch einen etwas kritischen Kommentare lesen wollen: Ausgerechnet die FAZ hat einen knackigen in ihrem Politikressort:

"Eine Zeitung oder ein Sender, der solche Inhalte verbreiten würde" wie Facebook, "wäre längst ein Fall für den Staatsanwalt. Facebook, für das der Schutz vor Nacktbildern lange wichtiger war als der vor Volksverhetzung, hat sich mittlerweile dazu herabgelassen, sich des Problems anzunehmen. 'Facebook ist unser Partner', teilt das Kanzleramt stolz mit. Doch ein 'Gefällt mir' reicht nicht",

schreibt Reinhard Müller. Wie auch immer man zum FAZ-Politikressort steht, das schließlich nicht zur Speerspitze des  Datenschutzes zählt (die könnte eher der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar bilden, von dessen "zähem Ringen mit der Datenkrake Facebook" aktuell heise.de berichtet): Mehr oder weniger kalkuliertes Sich-einlullen-Lassen von internationalem, und das heißt in Deutschland nahezu ausschließlich US-amerikanischem Glamour unter bereitwilliger Preisgabe eigener Positionen ist auch ein wachsendes Problem.

"Ich kann nur schwer beurteilen, ob ein direktes Gespräch beispielsweise Sigmar Gabriel mit Mark Zuckerberg irgendeine fruchtbare Folge haben könnte. Aber es ist sehr häufig so, dass man symbolische Politik dort macht, wo tatsächliche Regulierung und Gestaltung so schwierig ist, dass man sich herumdrücken möchte. Egal, wie man zu Facebook steht: Die richtige Regulierung von dem, was dort gerade passiert, ist extrem schwer. Die meisten einfachen Lösungen sind entweder falsch, ungerecht oder dumm. Oder alles drei",

sagte gerade auf die Frage, ob Gespräche zwischen der Bundesregierung und Zuckerberg sinnvoll sein können, Sascha Lobo, der bei derselben Gelegenheit auch ein schönes Plädoyer für "Halbdistanz" aus "psychohygienischen Gründen" hält.

[+++] Bei welcher Gelegenheit? Ein Interview von ndr.de - also die elektronische Presse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

In diesem Biotop tut sich aktuell noch mehr als ohnehin. Schließlich läuft turnusgemäß die Diskussion wieder an, die immer die größte Breitenwirkung entfacht. Der neue Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten KEF geht intern herum (DPA/ faz.net). Ob die Rundfunkgebühr nochmals um den Wert eines Brötchens im Monat gesenkt werden soll oder nicht, um dann vielleicht auch bei der nächsten Gelegenheit noch nicht erhöht werden zu müssen (Michael Hanfeld auf der FAZ-Medienseite: "Den besten Twist hat noch immer ... Malu Dreyer ... auf Lager: Eine Senkung 2017 dürfe nicht zu einer Erhöhung 2021 führen"), wird zusehends besprochen.

Sicher kein Zufall, dass der WDR die Diskussion um das u.a. von ihm verantwortete Radioprogramm Funkhaus Europa geschickt hochgefahren hat (Altpapier vor zwei Wochen) und sich nun, da eine Online-Petition läuft, die Hörfunkdirektorin Valerie Weber meldet. Im Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger geht sie in den erwartbaren Spagat. Einerseits soll sich nichts ändern:

"Es ist Unsinn, wenn sie glauben, dass Funkhaus Europa ein Mainstream-Sender wird. Das ist nicht unsere Absicht. Die Musik soll so bleiben wie bisher. Wir haben nicht vor, unsere Richtung zu ändern, was die Musikauswahl angeht. Wir wollen ein junges europäisches Kulturradio sein"

Mainstream-Sender hat das WDR-Radio schließlich schon jetzt mindestens genug im Haus, und die private Konkurrenz bietet ja überdies welche an. Doch andererseits, auf Nachfrage des KSTA (der ja gerade sein nicht-gebührenfinanziertes Fernsehprogramm einzustellen ankündigte) sagt Weber:

"Wir stehen also auch bei Funkhaus Europa unter einem enormen Sparzwang. Wir müssen allein in diesem Jahr eine halbe Million Euro einsparen, das sind zehn Prozent des Budgets. Und es trifft auch nicht nur die freien Mitarbeiter ..."

Wie "drastisch" (digitalfernsehen.de) genau gespart wird, kann also mit in die Gebühren-Diskussion einfließen.

[+++] Zum Themen-Komplex sind aktuell zwei Artikel zu haben, die über die übliche Perspektive auf die Öffentlich-Rechtlichen hinausgehen, weil sie mitdenken, dass linearer Rundfunk seinen Höhepunkt überschritten hat.

Den einen hat Hans Hoff für die SZ-Medienseite geschrieben. Online ist er unfrei zu haben (die SZ kriegt schließlich keine Rundfunkgebühren, oder höchstens ein ganz bisschen für ihr WDR-NDR-Investigativressort ...). Darin geht es um die Frage der Verweildauern von Fernsehproduktionen in Mediatheken:

"Dort stehen Filme seit Ende vergangenen Jahres nämlich länger als bisher zum Abruf bereit. Konnte man sich einen 'Tatort' ursprünglich nur sieben Tage nach Ausstrahlung anschauen, so sind es nach einem Beschluss der ARD-Fernsehprogrammkonferenz inzwischen 30 Tage. Und es sollen noch mehr werden. Laut dem Telemedienkonzept von 2010 sind theoretisch bis zu drei Monate möglich",

Dadurch sei eine erst im Januar mit Brimborium verkündete Einigung der ARD mit der Produzentenlobby schon wieder umstritten. "Man muss kein Schelm sein, um einen Zusammenhang zu sehen zwischen dem Eckpunktepapier, das nach KEF-Genehmigung frühestens 2017 in Kraft treten kann, und den im Herbst ausgeweiteten Verweildauern", schreibt Hoff, der selbst natürlich doch ein Schelm ist. Die Produzenten beklagen jedenfalls in Gestalt Uli Aselmanns von der Produzentenallianz, dass ihnen durch verlängerte Verweildauern Geschäftsmodelle wegbrechen.

ARD-Vertreter wiederum beklagen, was Mediatheken-Nutzer ebenfalls beklagen können: dass das mit den Verweildauern sehr unterschiedlich ist, manches lange zum Abruf verweilt, manches kurz, manches sogar gar nicht. Dazu ist ein jetzt frei online erschienener Artikel der Medienkorrespondenz interessant, in dem Volker Nünning fünf aktuell laufende Drei-Stufen-Tests aufdröselt, in denen es nicht zuletzt um Verweildauer-Fragen geht.

Zum Beispiel um die populärste der nicht wenigen ARD-Mediatheken, die mediathek.daserste.de, die der Bayerische Rundfunk verantwortet (der außerdem natürlich eine eigene Mediathek besitzt; dass es zu wenige Mediatheken gäbe, ist jedenfalls kein Problem):

"Sowohl in der Mediathek des BR als auch in der des Ersten sollen unter anderem Filme aus Reihen – beim BR etwa Heimatkrimis, beim Ersten etwa 'Tatort' oder 'Polizeiruf 110' – länger im Netz bleiben können, und zwar künftig über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten (aktuell sind es bis zu drei Monate). Folgen von täglichen Unterhaltungsserien – beim BR beispielsweise 'Dahoam is Dahoam', beim Ersten etwa 'Rote Rosen' oder 'Sturm der Liebe' – sollen demnächst bis zu drei Monate verfügbar sein. Bisher gilt hier, dass die jeweilige Folge bis zu sieben Tage nach ihrer TV-Ausstrahlung online verfügbar sein kann. Episoden von den übrigen Serien (vor allem wöchentliche) sollen künftig in beiden Mediatheken bis zu sechs Monate nach ihrer linearen Ausstrahlung abrufbar bleiben"

Sie merken: Was die "Tatort"-Verweildauer-Perspektiven angeht, legt die MK gar noch drei weitere Monate drauf. Und wie läuft so ein Test? Indem Gremiengremlins, wenn die Fristen des Rundfunkänderungsstaatsvertrags es vorsehen, üblich verdächtige Berater anheuern:

"Bis zum 11. Februar konnten kommerzielle Wettbewerber zu den vorgesehenen Verlängerungen der Abrufzeiträume in den beiden Mediatheken gegenüber dem BR-Rundfunkrat Stellung nehmen. In seiner Sitzung am 4. Februar beauftragte der Rundfunkrat das Beratungsunternehmen Goldmedia (Berlin) damit, zwei Gutachten vorzulegen, die die marktlichen Auswirkungen der längeren Abrufzeiträume für die BR-Mediathek und das Portal daserste.de aufzeigen. Die beiden Gutachten sollen bis Ende März dieses Jahres vorliegen. Wann der BR-Rundfunkrat die beiden Prüfverfahren mit Entscheidungen abschließen wird, ist offen."


Altpapierkorb

+++ "Die Stimmung habe 'einen neuen Tiefpunkt erreicht', heißt es aus dem Berliner Axel-Springer-Haus." Huch? Aber das hat nichts mit Zuck zu tun. Da hat sich die SZ dann auch noch bei den Welt-Medien zu den gestern auch hier behandelten Umstrukturierungen/ Stellenstreichungen umgehört. +++

+++ Darauf, dass es dem Eigentümer der SZ auch nicht gold geht (Die Südwestdeutsche Medienholding "schreibt nach dem Kauf der 'Süddeutschen Zeitung' vor acht Jahren noch immer rote Zahlen - obgleich der Verlust laut jüngster Bilanz 2014 auf vier Millionen Euro geschrumpft ist") macht indes Ulrike Simon in ihrer Madsack-Medienkolumne am Rande eines erfreulichen Anlasses aufmerksam: Die vor allem gedruckt erscheinende Kontext-Wochenzeitung wird fünf Jahre alt, und ihr geht es gut (auch wenn der "stets listig in sich hineinkichernden Initiator, Kopf und Motor des Ganzen", "Reporterlegende Josef-Otto Freudenreich", "Ä bissle mehr könnt's immer sein" sagt). Und gut geht's auch deshalb, weil die Stuttgarter Tageszeitungs-Konkurrenz, die wiederum der SWMH gehört, zusehends sparen und fusionieren muss. +++

+++ Wo ist das Positive? Ausnahmsweise in der Türkei. Das dortige Verfassungsgerichts hat die Freilassung der Untersuchungs- und Isolationshaft gehaltenen Cumhuriyet-Journalisten Can Dündar und Erdem Gül angeordnet (Reporter ohne Grenzen, Standard). +++

+++ Das Deutschlandradio ist spitze, zumindest was Politiker unmittelbar sowie als Verbandsvertreteter in seinem Hörfunkrat betrifft. Und die Bundesländer, die etwas daran ändern könnten, haben es damit nicht besonders eilig (medienkorrespondenz.de noch mal). +++

+++ "Und es mischten sich immer mehr Menschen ein, in den Streit um das kleine iPhone 5c. Facebook-Chef Marc Zuckerberg ging ins Team Apple – genauso wie ungefähr alle digitalen Bürgerrechtsorganisationen der Welt. Bill Gates, Gründer des Apple-Rivalen Microsoft, stellte sich auf die Seite der Regierung ...": Da erzählt Meike Laaff (TAZ) die Geschichte vom Streit zwischen Apple und dem FBI. +++

+++ Deutsche Datenschützer betrachten außer Facebook auch Googles E-Mail-Dienst als Kraken. Daher werden sich der "Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) und Google ... bald vor dem Landgericht Berlin treffen" und Jahre später wahrscheinlich vorm Bundesgerichtshof (sueddeutsche.de). +++

+++ Einer der nächsten "Tatorte" will "auf den Spuren Stanley Kubricks" wandeln. Freddy Langer war für die FAZ-Medinseite am Stuttgarter Drehort der Folge "Hal". +++ Außerdem geht's ebd. um zwei 20.15-Uhr-Filme der ARD: "Hotel Heidelberg" heute (siehe auch hier nebenan) und "Seitensprung mit Freunden" am Samstag ("eine Partnertauschkomödie, die so sexy ist wie eine Bypass-Operation"). +++

+++ "Westentaschenverschwörungstheorie": Da ärgert Stefan Niggemeier (uebermedien.de) Albrecht Müller (nachdenkseiten.de) zurück.  +++

+++ "Für den WDR ist es nicht leicht, ... Fake-Anrufe bei Call-in–Sendungen zu unterbinden" (Tagesspiegel wg. der aktuellen Jürgen-Domian-Aufregung). +++

+++ Und "das Beste, was TV-Mogul und Ex-Eigner Haim Saban der ProSiebenSat.1 Media SE hinterlassen hat" (dwdl.de), Jan Frouman, soll nun dafür, dass Ideen, die die immer mehr zu ProSiebenSat.1 gehörenden TV-Produktionsfirmen haben, auch in deren deutschen Sendern auftauchen. +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Montag.