Der Wacholder fehlt
Gibt es Themen, bei denen man sich als sich doof stellender Journalist leichter durchschummeln kann als bei anderen? Außerdem auf der Agenda: sämtliche Stilmittel des „Reihungskünstlers“ Volker Weidermann; der fragwürdige Unterton der „Naturkatastrophenmetaphorik“; der fragwürdige Umgang des Stern mit einer Umfrage zur Beliebtheit des „Lügenpresse“-Vorwurfs.

Mit Personalien aus Zeitungsredaktionen steigen wir hier ja selten ein. Aber man kann durchaus mal eine Ausnahme machen, wenn eine der Nachfolgerinnen Marcel Reich-Ranickis, die beinahe sogar Nachfolgerin Frank Schirrmachers geworden wäre, eine berufliche Veränderung ankündigt und es das altersbedingte Ausscheiden eines Redakteurs mit sich bringt, dass sich, zumindest nach dem Dafürhalten Jan Küvelers (Welt am Sonntag) die Theaterkritik nun „leider in einer Krise“ befindet. Es geht um die FAZ-Literaturressortchefin Felicitas von Lovenberg und den Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier. Sie „will spätestens Ende Januar aus der Redaktion ausscheiden und nach München ziehen“ (Spiegel), er hat sich aus der Redaktion, der von Lovenberg noch angehört, „heimlich, still und leise in die Rente verabschiedet, angeblich schon im September“ (WamS again). 

Von den beiden entscheidenden Spiegel-Sätzen zu von Lovenberg steht einer sowohl in der Online- als in der Druckfassung: 

„Seit dem Amtsantritt des neuen Herausgebers Jürgen Kaube in diesem Januar haben mehrere Redakteure das Feuilleton verlassen.“

Der andere findet sich nur in der Druckausgabe:

„Während (Frank Schirrmacher) im Feuilleton die große Debatte pflegte, hat sein Nachfolger Jürgen Kaube es zum konventionellen Feuilleton zurückgebaut.“

Es könnte also etwas mit Kaube und nicht bloß mit den offiziell angeführten „privaten Gründen“ zu tun haben, dass die Literaturchefin geht. Wer sich zu Spekulationen über ihre Nachfolge inspirieren lassen möchte: Bitte hier klicken. Die Meldung zu von Lovenberg auf der Personalien-Seite hinten im Heft lässt sich auch als kurze Nachbemerkung zu dem größeren Georg-Diez-Text zur Lage des FAZ-Feuilletons nach Frank Schirrmachers Tod lesen, der in der vergangenen Spiegel-Ausgabe erschienen ist (siehe Altpapier). Seit dem Tod Schirrmachers seien im Feuilleton 

„zentrale Stellen nicht neu besetzt worden, etwa die des Theatermannes Gerhard Stadelmaier, es fehlt eine klare Stimme, wenn es um Literatur, Film oder Musik geht“.

Womit wir also einen Übergang zum aktuellen Text über Stadelmaier hätten. In dem kommt im Übrigen reichlich Baum-Metaphorik zum Einsatz, etwa in Sätzen wie „Manchmal war er ein Wacholder, besonders in den Adjektiven“. Ob Stadelmaier derlei Lob schätzt, vermag ich angesichts nicht ausreichender Kenntnis seines Oeuvres nicht zu sagen. Wichtiger ist für eine Medienkolumne ohnehin anderes, insbesondere folgende Passage:

„Tragikomisch, also so, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll, ist das klammheimliche Ende von Gerhard Stadelmaier als Theaterkritiker der FAZ. Es soll in der Frankfurter Hellerhofstraße einen Abschied gegeben haben, kein Herausgeber hat ihn besucht. Auch in der Zeitung ist nichts erschienen, keine Notiz (...)“

Die Stimmung bei der FAZ scheint also schlecht zu sein, und das könnte natürlich auch damit zu haben, dass die Lage schlecht ist. In Prozenten hat man im dritten Quartal (siehe meedia.de neulich) die bei weitem höchsten Verluste aller überregionalen Tageszeitungen zu verzeichnen (minus 13,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Woran könnte das liegen: An der politischen Radikalisierung? Würde mich freuen, wenn das ein entscheidender Faktor wäre, aber das muss ja nicht heißen, dass dem so ist. Könnte aber auch sein, dass es eher an jenem Phänomen liegt, das der in Richtung Springer abgewanderte Schirrmacher-Buddy Dirk Schümer Spiegels Diez gegenüber so beschrieb:

„Es sei die Tragik von „Altherrenmarken‘ wie Kölnisch Wasser oder Asbach Uralt, dass sie die Zeichen der Zeit nicht sehen und mit ihrer alternden Kundschaft einstauben.“

Petitesse im Rande: Vor mehr als einem Monat hatten wir im Altpapier durchaus begründet gestichelt, in der Redaktion von faz.net läse niemand die Texte, die dort erschienen. Anlass war eine Rezension des aktuellen Frank-Witzel-Romans, in dem vom „Ex-Beatle Brian Jones“ die Rede ist. Was ist seitdem geschehen? Nun, Witzel ist mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden, und es wäre natürlich möglich gewesen, dass jemand im Haus noch mal die Rezension jenes Buches liest, für den Witzel den Preis bekommen hat. Ist aber offenbar nicht passiert, jedenfalls hat den Fehler bis heute niemand korrigiert. Vielleicht ist das aber auch nur ein Symptom für eine fatalistische Ist-eh-alles-wumpe-Haltung.

[+++] Für die Medienkolumne des Merkur hat Ex-Altpapier-Autor Matthias Dell jene „Hart aber fair“-Sendung seziert, in der die berüchtigte N-Wort-Äußerung Joachim Herrmanns fiel (Altpapier). Das ist auch im  Rückblick interessant, weil Dell hier herausarbeitet, wie die Sendung den „Raum für Herrmanns Fehlleistung einrichtet“ und „der eitle Jahrmarktbudenbetreiber“ Plasberg ihm immer wieder „Brücken baut“, die der CSU-Mann dann nach sehr langem Zögern endlich beschreitet. Weshalb von einer „unbedachten“ Äußerung, von der oft die Rede war, eben nicht die Rede sein kann. 

Vor allem lohnt es sich, sich mit dem Thema eingehend zu beschäftigen, weil Dell bei der Durchsicht der medialen Reaktionen auf die Sendung nur ein „fundierter Kommentar“ aufgefallen ist (dieser hier). Dell schreibt:

„(Es) gehört zu der Geschichte um Herrmanns Äußerung auch ein medialer Apparat, der dem Problematischen am Sprachgebrauch des Politikers zu einem Großteil völlig uninformiert und naiv gegenübersteht: Die meisten Journalisten erlauben sich hier, die eigene Ahnungslosigkeit derart offen auszustellen, wie sie es in anderen Bereichen nie wagen würden, weil ihre Urteilsfähigkeit dadurch in Frage gestellt, die Glaubwürdigkeit futsch wäre.“

Wenn man diese Passage kurzschließt mit Klaus Brinkbäumers letztwöchigem Spiegel-Kommentar, in dem er mit Blick auf die Rolle des Sport-Bild-Chefredakteurs Alfred Draxler in der Berichterstattung über den DFB-Skandal (siehe Altpapier) schrieb, dass dieser mit einer derartigen Berufsauffassung im Politikjournalismus keine Schnitte sehen würde, führt das zu einer reizvollen Frage: Gibt es Ressorts oder Themen, in oder bei denen man sich als sich doof stellender Journalist leichter durchschummeln kann als in oder bei anderen? Für eine Beantwortung der Frage bräuchte es aber übermenschliche Fähigkeiten. Ich neige ja zu der nicht bauchgefühlfreien These, dass das Niveau des oft gescholtenen Sportjournalismus höher ist als das des Medienjournalismus, also jener Bereich, aus dem viele Autoren kamen, die sich zur Sache mit Herrmann und dem N-Wort äußerten. Wie es aber, zum Beispiel, um den Wissenschafts- oder Agrarjournalismus oder die Kunstkritik bestellt ist bzw. ob sich dort Dinge in der jüngeren Vergangenheit zum Guten oder Schlechten gewendet haben, entzieht sich meiner Kenntnis.

Für alle Beobachter der Medienjournalismusqualität noch ein kleines Schmankerl: Stefan Niggemeier hat am Freitag bei Facebook aus einem aktuellem Anlass auf eine der faszinierendsten Textkatastrophen des laufenden Jahres aufmerksam gemacht. Es handelt sich um ein beim Clap Club erschienenes Porträt einer Art Cartoonfigur aus dem Hause Gruner + Jahr. Faszinierend ist der Artikel zumindest insofern, als hier ungewollt Stilmittel  titanicesker Fake-Porträts imitiert werden; ich habe den Artikel viermal gelesen, weil ich nicht glauben konnte, was da steht. Wäre der Text nicht rund ein halbes Jahr alt, hätte man damit in diesen Tagen eine komplette Altpapier-Kolumne bestreiten können.

[+++] Es bleibt, so viel sei versprochen, bis zum Beginn des Altpapierkorbs noch unterhaltsam: Zu den diversen FAZ- und FAS-Feuilleton-Abgängen der jüngeren Vergangenheit, von denen heute weiter oben schon die Rede war, zählt bekanntlich Volker Weidermann, der mittlerweile für den Spiegel in die Tasten haut. Joseph Wälzholz hat nun für konkret „eine Collage in 19 Motiven und 79 Fußnoten“ erstellt, dank derer wir nun die überlebenswichtigen Stilmittel des „Reihungskünstlers“ Weidermann kennen. Eine der rhetorischen Figuren - das Asyndeton enumerativum - sei hier herausgegriffen (wer die Quellen der hier kompilierten Weidermann-Zitate wissen will, muss zu den Fußnoten im Ursprungstext gehen, die im Folgenden aus optischen Gründen durch Gedankenstriche ersetzt sind): 

“Die zwei Frauen, die Sonne, das Meer, die Drachen in der Luft, Badegäste aus aller Welt, der verehrte Dichter, ein sich langsam leerender Strand.” - “Und auch das Meer ist dasselbe, der lange, weite Strand, die große, etwas zu breite Promenade, das geschwungene Casino mit der großen Terrasse, die Bistros, die kleinen Marmortische davor, die Badehäuschen aus Holz im Sand. - “Ein Strand in Belgien, weiße Häuser, Sonne, eine breite Promenade, kleine Bistros mit Blick aufs Meer.” - “Erste Badegäste treffen ein, die Promenade belebt sich, Sonnenschirme, Männer in Badehosen, die Badehäuschen werden an den Strand geschoben.” - “Auf der Promenade wuseln die Urlaubsgäste, Kinder mit bunten Hüten, Sonne, leichtes Leben.” - “Seine Bücher sind schnell, klar, hart, kompromisslos, spannend, toll.” - “Eifrig, leise, blass, kränklich, unauffällig, sprachbegabt.” - “Die Kraft, die Schnelligkeit, die Angst.” - “Eine Musik, eine Erfindung, ein Text, ein Buch.” - “Familie, Bürgerlichkeit, Glanz, Feuilleton, Wichtigkeit, Selbstachtung”. - “Banalitäten, Erstaunlichkeiten, Schriftstelleralltag, Feieralltag, Buchmesse, Buchgespräche, Geschäftigkeit, Gewöhnlichkeiten”. - “Authentizität, Wahrheit, das Leben, das Leiden”. - “Mathematik, Buffy, Sozialismus, Pop, die Zukunft”. - “Schummrigkeiten, Abschweifungen, Dreideutigkeiten.” - “Raben, Fledermäuse, Laufschweine, Wölfe, ein Luchs, ein weißer Tiger”. - “Naturbetrachtung, Lebenspraxis, Geldnot, Liebesnot”. - “Modernität, Montage, Großstadt, Zerstückelung, Vereinzelung, das Leben, die Kälte, die Wirklichkeit (...)" 

Die Älteren werden sich erinnern: Die Kunstfertigkeit des weltspitzenmäßigen Feuilletonisten Weidermann war hier vor drei Jahren schon einmal Thema - ebenfalls anlässlich einer Veröffentlichung in konkret.


Altpapierkorb

+++ Neues rund um den DFB-Skandal haben Stefan Frommann, Lars Gartenschläger und Tim Röhn für die Welt am Sonntag zu Tage gefördert: „Nachdem der Spiegel dem DFB einen Fragenkatalog zu einem möglichen Stimmenkauf für die WM 2006 vorlegte, flog (DFB-Präsident) Niersbach eilig nach Salzburg, um sich mit Beckenbauer abzusprechen. Bei dem Treffen sollen die beiden vereinbart haben, eine gemeinsame Presseerklärung herauszugeben, die von allen ehemaligen WM-OK-Mitgliedern unterzeichnet wird. Das Schreiben trägt nach Fertigstellung in Frankfurt jedoch den Titel ‚Erklärung von Franz Beckenbauer‘. Darin heißt es zur Zahlung der 6,7 Millionen Euro, andere Mitglieder des WM-OK's seien ‚zum damaligen Zeitpunkt nicht informiert‘ gewesen. Auf den ersten Blick übernimmt Beckenbauer damit die alleinige Verantwortung. Der DFB zieht seinen Präsidenten aus der Schusslinie, so wirkt es. Jene ausführliche Pressemitteilung jedoch wird nie veröffentlicht, weil Beckenbauer sie in dieser Form ablehnt.“

+++ Ergänzend zur hier am Mittwoch zumindest angerissenen Problematik der Verwendung ideologischer Begriffe in der Berichterstattung über Flüchtende: Der Standard hat mit der Germanistin Constanze Spieß über die „Naturkatastrophenmetaphorik“ gesprochen: „‚(Damit wird) im gegenwärtigen Flüchtlingsdiskurs (...) mehr oder weniger unbewusst auf etwas Großes, Bedrohliches und nicht wirklich Steuerbares verwiesen, das sich mit dem Flüchtlingsbegriff verbindet‘, erklärt (Spieß) (...) Die Imagination von Naturkatastrophen erzeugt Angst und ein Gefühl von Kontrollverlust – und genau dieser ‚Frame‘ werde mit der Verwendung solcher Metaphern aufgerufen. Selbst wenn die Begriffe in eine neutrale oder sogar ‚flüchtlingsfreundliche‘ Berichterstattung eingebunden sind. Mittlerweile werden diese Begriffe derart häufig verwendet, dass sie selbst von vergleichsweise sprachsensiblen Menschen nicht mehr als Metaphern mit fragwürdigem Unterton wahrgenommen werden.“

+++ Dass 44 Prozent der Deutschen den ‚Lügenpresse‘-Vorwurf von Pegida teilen, wie der Stern glauben machen will, stimme nicht, erläutert im Deutschlandfunk der Mathematiker Gerd Bosbach: „Alleine schon die Frage, die da gestellt wurde - ich wüsste nicht, was ich darauf antworten sollte. Da stand, die von oben gesteuerten Medien verbreiten nur geschönte und unzutreffende Meldungen. Da sind quasi mindestens zwei Fakten drin: Von oben gesteuerte Medien, und sie verbreiten nur unzutreffende Meldungen. Wenn ich jetzt bei dem einen ja und bei dem anderen nein sagen würde, was soll ich denn dann da ankreuzen. Und wenn Sie jetzt die Frage mal logisch betrachten, dass die Medien nur geschönte und unzutreffende Meldungen verbreiten, das ist doch Quatsch! Da kann doch kein vernünftiger Mensch dazu sagen, das stimmt. Also werden vernünftige Menschen spätestens an der Stelle aus der Befragung aussteigen und sagen, wenn ihr so einen Quatsch fragt, kriegt ihr von mir auch keine Antworten.“ Bosbach ist ohnehin ein Guter. Weitere Kritik am Stern em erwähnten Zusammenhang: siehe die Blogs von Stefan Fries und Stefan Niggemeier.

+++ In seinem Blog rekonstruiert Niggemeier (dritte Erwähnung heute!) des weiteren die weit verbreitete falsche Zitation von Akif Pirinccis KZ-Äußerung, die aus anderen Gründen widerlich sei als aus den allzu vielen Medien zunächst insinuierten.

+++ Die Sächsische Zeitung stellt via dpa-Bericht die Betreiber des Accounts @streetcoverage vor, die von rechtsextremistischen Demonstrationen berichten. Am heutigen Montag werden die beiden Dresdner Studenten „vom Förderkreis für das Berliner Holocaust-Denkmal für ihre ehrenamtliche Arbeit mit dem Preis für Zivilcourage ausgezeichnet“.

+++ Frank Nienhuysen hat für die SZ-Medienseite die Redaktion von Meydan TV besucht, die Aserbaidschan von Berlin aus „mit kritischem Journalismus versorgt“.

+++ Vom Verbandstag des DJV, der heute einen Nachfolger des scheidenden Bundesvorsitzenden Michael Konken wählt (siehe Altpapier), berichtet kress.de.

+++ Um noch einmal zur FAZ zurückzukommen: Wer wird bei der Fassnacht in Frankfurt demnächst wohl nicht in einem Mainzelmännchenkostüm auflaufen? Hanfelds Michael. Diesen Eindruck erweckt zumindest eine aktuelle Kurzkampfschrift.

+++ Weil das „Fleischesser-Pornoheft Beef“ (Wochenend-SZ) bei den Lead Awards einen Preis gewonnen hat, jubelt der Chefredakteur: „Beef! ist keine Zeitschrift, Beef! ist längst eine Bewegung.“ An der These, dass übermäßiger Fleischkonsum der Gesundheit schadet, scheint was zu dran sein.

+++ „Animiert durch die Bemerkung von Karl Kraus, dass Preise, die der Aufmunterung dienen, ‚auf sämtlichen Gebieten der Kunst schon so viel Unheil angerichtet haben, während Abschreckungspreise, geknüpft an die Bedingung, nichts dergleichen mehr zu tun, sondern einen nützlichen Beruf zu ergreifen, ein wahrer Segen wären‘", schuf konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza vor 28 Jahren den Karl-Kraus-Preis. Daran erinnert er im Journalistenfragebogen der Prinzessinnenreporter. Das Honorar konnte er sich allerdings sparen, weil die beiden einzigen im Rahmen dieses Wettbewerbs auserkorenen Preisträger - Fritz J. Raddatz und Günter Wallraff - die mit der Annahme verknüpfte Bedingung, fortan nie wieder einen Text zu schreiben oder schreiben zu lassen, nicht erfüllen wollten. Wäre vielleicht mal ein hübsches Crowdfunding-Projekt: Geld zu sammeln, um Leute dazu zu bewegen, nie wieder etwas zu veröffentlichen. Allein, es gäbe zu viele Kandidaten.

+++ Was Titanic-Chefredakteur Tim Wolff bei „Tichys Einblick“ auffällt: „Hugo Müller-Vogg (‘Beim Thema Flüchtlingskrise gibt es ein Diskursverbot‘), ehemaliger Herausgeber der FAZ – mehr Medien- und Staatselite geht im Preßwesen ja wohl kaum – nennt seine Kolumne (dort) allen Ernstes ‚Gegen den Strom‘. Wenn er denn wenigstens Ökostrom meinte …“ Siehe turi2.

+++ Die Geschichte des Sportjournalismus unter seltener betrachteten Aspekten erzählt im Tagesspiegel Gitta Schlusche, die ebendort seit 1976 als Sekretärin der Sportredaktion gearbeitet hat und nun in Rente geht.

+++ Von den Altpapier-Autoren schaut heute niemand „Silvia S. – Blinde Wut“, den „sehenswerten ZDF-Film über das Innenleben einer Amokläuferin“ (Tagesspiegel), denn das Team trifft sich zum Abendessen in Berlin. Was verpassen wir? Ein „psychologisches Drama, das (...) die sich anbahnende Katastrophe mit einer gewissen Tiefenschärfe aus(leuchtet). Das Thema ist faszinierend und die Umsetzung weit über dem Durchschnitt. Man erlebt eine Protagonistin, die den Spagat zwischen ihrer Rolle als Hausfrau und dem Versuch einer Rückkehr in den Beruf nicht hinbekommt. Dabei wird aber unmissverständlich klar, dass die Gründe für Silvias schleichenden psychischen Zusammenbruch nicht ausschließlich in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter zu suchen sind. Es geht um weit tiefer liegende psychische Deformationen, von denen man hier und da eine Ahnung bekommt“ (Manfred Riepe, Medienkorrespondenz). Katharina Riehl (SZ) ist ebenfalls angetan: „Dem deutschen Fernsehen wird ja gern zurecht vorgeworfen, sich nicht ausreichend auf seine Figuren zu verlassen, den Figuren zu wenig charakterliche Vielschichtigkeit zuzutrauen. Das alles nur im Sinne des Zuschauers natürlich, weil dieser an die Grenzen seiner intellektuellen Leistungsfähigkeit geraten muss, wenn ein guter Mensch etwas Böses tut, oder – Gott bewahre – gar andersherum. In ‚Silvia S. – Blinde Wut‘ wird eine zierliche blonde Frau, eine Ehefrau und Mutter, ein unglücklicher Mensch, zur Mörderin. Wer ihr zusieht, schwankt zwischen Mitleid und Fremdscham für diese Hauptfigur, der man im Film keine Minute entkommen kann. So penetrant konfrontiert das deutsche Fernsehen sein Publikum normalerweise nicht mit menschlichen Abgründen.“ 

Neues Altpapier gibt es wieder am Dienstag.