Meine Damen und Herren, begrüßen Sie jetzt auf unserer Showbühne, die wir Twitter nennen: Edward Snowden aka @snowden! Seit gestern, 18 Uhr ist der Account in Betrieb.
Dass es sich dabei tatsächlich um den echten Edward und nicht schon wieder um Rob Vegas handelt, bestätigen Leute, die es wissen müssen, nämlich die Snowden-Versteher von The Intercept, wo der Schritt wie folgt begründet wird:
„Snowden, who has lived in Russia since turning over a trove of top secret documents to reporters more than two years ago, has remained in the public eye thanks to frequent appearances and interviews using video links and sometimes even robots. But joining the Twitterverse establishes him even more firmly as a major figure in the public discourse about surveillance and privacy that he jump-started in June 2013.“
So viele Fragen, die sich an dieser Stelle aufdrängen: Wie twittert es sich mit dem Handy im Kühlschrank? Steht Twitter damit offiziell auf der guten Seite im Datendschungel? Was ist in der linken, oberen Ecke, in die der Neu-Twitterer auf seinem Profilbild so angestrengt starrt?
Klären wir erst mal das Naheliegende:
„The @Snowden handle had been taken by someone who hadn’t used it in three years. So Twitter was contacted, and agreed to turn it over to Snowden himself. According to Snowden’s lawyer, Ben Wizner of the ACLU, Snowden himself will be controlling the account.“
Sein erster Tweet ist auf jeden Fall gelungen:
„Can you hear me now?“
Yes, we can.
[+++] Der Versuch, mit einem Ankauf der Financial Times die internationale Präsenz auszuweiten, war noch gescheitert (siehe Altpapier). Nun hat sich der Springer-Verlag den Online-Wirtschaftsdienst Business Insider genehmigt. 300 Millionen Euro für weitere 88 Prozent der Anteile - das macht nach dem Erwerb erster Anteile Anfang des Jahres und Graf Zahl insgesamt 97 Prozent.
Für Freunde alberner Buzzwords sind solche Ereignisse stets Feststage. Wie hier natürlich nicht nur behauptet, sondern am Beispiel zweier Männer vom Fach auch belegt wird.
Auftritt Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE:
„Mit dem Erwerb von Business Insider setzen wir unsere digitale Wachstumsstrategie fort und investieren wie angekündigt in digitale journalistische Unternehmen im anglo-amerikanischen Raum. Business Insider hat neue Maßstäbe im digitalen Wirtschaftsjournalismus weltweit gesetzt. Henry Blodgets Art des digitalen Storytellings erreicht die Entscheider von morgen. Gemeinsam werden wir Wachstumspotentiale ausschöpfen mit neuen Themenangeboten, neuen Standorten und neuen digitalen Inhalten.“
So stand es in der Pressemitteilung, die wiederum Meedias Stefan Winterbauer zu Höchstleistungen antrieb:
„Was Springer am Business Insider so gut gefällt ist, dass es sich um ein globales, rein digitales Medienunternehmen handelt. 60 Prozent des BI-Traffics stammt von Mobilgeräten, 39 Prozent von Sozialen Netzwerken. Das Publikum besteht zum Großteil aus so genannten Millennials, den von traditionellen Medienhäusern häufig vergeblich umworbenen Digital Natives. Blodget glaubt, dass der TV-Industrie eine ähnliche disruptive Phase bevorsteht, wie sie die Print-Industrie bereits erlebt. Die Profiteure sind dann digitale Medienhäuser wie der Business Insider. Mit der Beratungs-Einheit BI Intelligence hat Business Insider sogar schon eine (kleine) Paid-Content-Abteilung, die laut Döpfner ausgebaut werden soll. Bei Springer mögen sie Bezahl-Inhalte.“
Dann ist doch jetzt alles klar, oder? Bis auf die Frage, woher Springer eigentlich das ganze Geld hat. Ach ja, der Funke-Deal, unter anderem, der wiederum unter anderem dazu führt, dass man gerade ein paar gut gelegene Hamburger Bürogebäude verkaufen kann.
[+++] Andererseits braucht man bei Springer auch immer wieder Geld, um Menschen zu entschädigen, denen die Zeitung namens Bild zu sehr auf die Füße bzw. das Persönlichkeitsrecht getreten hat. Für heute erwartet man das Urteil im Prozess, in den Jörg Kachelmann gezogen ist, um sich mit der Rekordsumme von 2,25 Millionen Euro die Prozessberichterstattung von Bild und bild.de ausgleichen zu lassen (zuletzt dieses Altpapier).
Michael Hanfeld wagt heute auf der Medienseite der FAZ eine Prognose, wie das ausgehen könnte:
„Dass Kachelmann Schmerzensgeld bekommt, ließ der Richter im Laufe der Verhandlung schon durchblicken. Ob Springer in Revision geht, dürfte von der Höhe der Strafsumme abhängen und davon, ob sich die Entscheidung dezidiert auch auf Beiträge bezieht, die im Rahmen der Verdachtsberichterstattung als vertretbar erscheinen und als solche nicht juristisch angegriffen worden sind. Ein Punkt, auf den Kachelmann – der in der Zwischenzeit fleißig auf Twitter gegen Springer oder auch Alice Schwarzer wettert – in seiner Klage abhebt, ist die Kampagne, die er ,Bild’ vorwirft. Dass die Causa Kachelmann gegen Springer vor dem Bundesgerichtshof landet, damit darf man wohl fest rechnen.“
[+++] Eine andere, und zwar eigene Klage, hat Springer bereits gestern verloren. Nämlich die gegen die Adblocker von Eyeo, wie Meedia berichtet, was hier vor allem Erwähnung findet, um eine Überleitung zu den Gedanken über Adblocker, Werbung und die Zukunft der Medienfinanzierung zu schaffen, die sich Dirk von Gehlen heute auf der Medienseite der SZ macht:
„Besondere Popularität haben Adblocker in den vergangenen Tagen erlangt, seit Apple sie für jene Computer anbietet, die früher einmal Telefone waren. Im mobilen Betriebssystem iOS9 kann man nun auch auf dem Smartphone Werbung blocken. In der amerikanischen Werbebranche hat dies für so viel Aufregung gesorgt, dass ein Experte sogar die Vermutung twitterte, der Papst werde sich bei seinem Besuch in den USA zu dem Thema äußern. Das tat er nicht – anders als nahezu jeder Web- und Werbe-Experte. Denn spätestens durch die Block-Optionen von Apple droht aus dem Thema, das bisher nur Branchenexperten diskutierten, eine Debatte zu werden, die weitere Teile der Gesellschaft betrifft. Dabei beschreibt die moralische Frage, ob man Adblocker nutzen und damit werbefinanzierten Medien ihre Einnahmen abschneiden darf, nur einen Teil des Veränderungsprozesses, den diese in Gang gesetzt haben. Die weitaus größere Frage lautet: Wie wird Werbung in Zukunft aussehen?“
[+++] Mit einem Blick nicht in die Zukunft, sondern auf Montagabend arbeiten wir uns nun langsam Richtung Altpapierkorb vor. Diesen nutzten Anhänger der Pegida-Bewegung, um zu belegen, dass sie dem Skandieren von Worten wie „Lügenpresse“ durchaus auch Taten folgen lassen.
„Während der Pegida-Demonstration am Montagabend in Dresden haben mehrere Teilnehmer in Höhe des Landtages am Rande stehende Journalisten tätlich angegriffen. Einer der Medienvertreter erhielt einen Tritt, ein weiterer einen Faustschlag ins Gesicht. Der Täter und seine Begleiter konnten in der johlenden Menge untertauchen, die Polizei kam zu spät“,
heißt es lapidar bei den Dresdner Neuesten Nachrichten, deren Reporter ebenso attackiert wurde wie ein Fotograf des MDR. Auf dessen Internetseite wird der Tathergang etwas ausführlicher beschrieben:
„Nach Aussagen des MDR-Fotografen stand er zum Zeitpunkt des Angriffs mit zwei Kollegen vor dem Landtag, am Rand des vorbeiziehenden Demonstrationszuges. Die Reporter waren mit ihrer Technik beschäftigt und machten zu diesem Zeitpunkt keine Fotos, als sich von hinten ein Mann näherte und Fragen stellte. Weil die Fotografen nicht reagierten, fing der Mann an, einen der Journalisten zu schubsen. Daraufhin kamen etwa drei Demonstrationsteilnehmer hinzu und nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung eskalierte die Situation.“
Welche Sorgen die schlagenden Bürger in dieser Situation umtrieben, ist nicht überliefert.
+++ Gestern ist Hellmuth Karasek gestorben. „Als Talkshow-Moderator, -Gast und -Kandidat in Spielshows für den guten Zweck war Karasek auf zahlreichen Medienkanälen präsent und huldigte dem Motto ,Eine gute Pointe ist besser als eine schlechte Welt’. Die FAZ bezeichnete ihn 2004 daher als ,publizistisch schillernder Turbokarpfen im Teich der grauen Hechte’“, heißt es bei Sueddeutsche.de, wo man für den Nachruf um diese Uhrzeit noch der dpa bemüht, ebenso wie bei faz.net und Spiegel Online. +++
+++ Wer will heute eigentlich noch Journalist werden? Und warum? Bei „Zapp“ hat man sich dieser Fragen angenommen und das dazugehörige Video schon vor Ausstrahlung heute Abend online gestellt. +++
+++ 140 Zeichen sind nicht genug. Scheint man nun auch bei Twitter zu erkennen, wie zum Beispiel der Guardian unter Berufung auf das Technikportal Re/code schreibt: „Twitter most recently reported having 316m monthly active users – about one-fifth of Facebook’s user count – and it is looking for ways to increase that number, though it has had a great deal of success with advertising and monetization of its existing user base.“ +++
+++ Beim Kölner Stadtanzeiger fragt man sich, wie eigentlich Tom Buhrows neuer Dienstwagen mit dem WDR-Sparprogramm zusammenpasst: „Seit April hat Buhrow einen neuen Dienstwagen, einen Audi A8 L, wie der WDR auf Anfrage dieser Zeitung bestätigte. Das ist kein Sparmodell – das Fahrzeug kostet je nach Ausstattung laut Preisliste zwischen 88.700 und 143.000 Euro.“ +++
+++ Hurra, dem Hessischen Rundfunk ist endlich mal ein Fehler passiert! Aufgrund eines Tonproblems konnte ein Beitrag nicht zu Ende gesendet werden – so lautete gestern die erste Fehlermeldung, die in der bereits Anfang September gestarteten Korrekturspalte des HR verzeichnet werden konnte. Stefan Niggemeier, der sich angesichts der Fehlerfreiheit schon Sorgen gemacht hatte, wird’s freuen. +++
+++ Wie man guten Journalismus macht, bekommen wir ja allerorts ungefragt um die Ohren gehauen. Der Schweizer Rundfunk hat nun aus Umberto Ecos neuestem Roman „Nullnummer“ zehn Tipps für besonders schlechten Journalismus herausgefiltert, u.a. „Von Gerüchten zu sprechen ist immer sehr gut, am besten mit ein paar pikanten Details“. +++
+++ Was macht eigentlich... der Geschäftsführer des Medienboards Berlin-Brandenburg? Markus Ehrenberg hat sich für den Tagesspiegel in dieser Sache bei Elmar Giglinger erkundigt, der den Job nach fünf Jahren nun aufgibt. +++
+++ Das Investigativ-Blog vom Springers Welt heißt jetzt investigativ.de und macht auch in Bewegtbild, schreibt Meedia. +++
+++ Auf der FAZ-Medienseite fand sich wieder einmal viel Platz für Fernsehrezensionen: „Der Fall Charlie Hebdo“ – ein Film aus dem Jahr 2008, der sich dem damals laufenden Prozess widmet, den islamische Verbände aufgrund der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen gegen die Zeitschrift anstrebten - läuft morgen bei Phoenix. Ebenfalls morgen startet die vierte Staffel „Girls“ bei ZDFneo. Und Amazon hat eine neue Serie: „Hand of God“ (Sie handelt von einem Richter, der das Gesetz schon mal beugt, seine Ehefrau betrügt und nur eine Mission zu kennen scheint: den Vergewaltiger seiner Schwiegertochter Jocelyn zur Strecke zu bringen. Harris’ Sohn liegt nach einem Selbstmordversuch im Koma und sendet dem Vater Botschaften. Von Gott? Auf jeden Fall hat der dubiose Prediger Paul Curtis (Julian Morris) leichtes Spiel, seine Interessen mit denen des Richters zu verknüpfen. Seine Kirche heißt: Hand of God.“) +++
+++ Trevor Noah hat seinen neuen Job als Nachfolger Jon Stewarts bei der „Daily Show“ ja bereits am Montagabend angetreten. Heute bescheinigt ihm Anne Philippi auf der SZ-Medienseite, dass er seinen neuen Job gar nicht schlecht gemacht habe. +++
Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.