Für Freunde von Darts und Snooker war gestern ein schlechter Tag. Bislang sind sie es gewohnt, dass Eurosport ihre nischigen Interessen bedient; heute zum Beispiel zwischen 8.30 und 14 Uhr durch Übertragung der World Main Tour, die Insider gleich als Snooker-Saison erkennen.
Doch nun hat sich Discovery Communications, die seit dem vergangenen Jahr die Mehrheit an Eurosport halten, das wohl mainstreamigste Sportangebot der Welt eingekauft in Form der Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele 2018 bis 2024. 1,3 Milliarden Euro kostet das für den gesamten europäischen Markt und hat nicht nur Folgen für die Programmgestaltung von Eurosport.
„In Übereinstimmung mit den Anforderungen des IOC und der lokalen Märkte hat sich Discovery verpflichtet, die Olympischen Sommerspiele mindestens 200 Stunden und die Olympischen Winterspiele mindestens 100 Stunden lang während des Zeitraums der jeweiligen Spiele im frei empfangbaren Fernsehen zu übertragen. Darüber hinaus wird Discovery einen Teil der Rechte in vielen europäischen Märkten sublizenzieren“,
heißt es bei eurosport.de.
Uwe Mantel erklärt bei DWDL, was das bedeutet:
„In Deutschland hätte Discovery zwar einen frei empfangbaren Sportsender, auch hier ist erscheint es aber wahrscheinlich, dass man ARD und ZDF oder andere Free-TV-Anbieter wieder mit ins Boot holt. Doch selbst wenn es zu dieser Sublizenzierung kommt: Ob diese dann im gleichen Umfang berichten können wie bislang oder ob Eurosport Teile der Übertragungen exklusiv behalten will - ob nun fürs frei empfangbare Eurosport oder fürs Pay-TV - bleibt erst mal abzuwarten. Es liegt jedenfalls nun in den Händen von Discovery: ,Discovery ist jetzt der Gate-Keeper für die Rechte an den Olympischen Spielen in Europa’, sagt IOC-Präsident Bach in der Telefonkonferenz am Nachmittag. Und zur Beruhigung an bisherige Rechteinhaber wie ARD und ZDF: ,Niemand ist derzeit raus aus dem Rennen. Sie können sich jederzeit an Discovery Communications wenden.’“
Die erneute Diskussion, wie Grundversorgung solche Sportereignisse eigentlich sind, und ob man für die vielen Millionen Euro, mit denen sich Discovery besagte Sublizenzen sicher bezahlen lässt, nicht lieber ein paar schöne Dokumentationen für damit frei werdende Sendeplätze in Auftrag gibt, ist hiermit eröffnet.
Einen Blick in diese Zukunft kann man schon heute beim Guardian wagen – auch die britischen Senderechte sind von dem Discovery-Deal betroffen, allerdings erst ab 2022, weil die BBC etwas langfristiger beim IOC eingekauft hat als ARD und ZDF.
„This outcome is not, I think, just a function of the size of the licence fee. The fact is that public service broadcasters the world over are losing key rights to the soaraway inflation caused by pay TV. It is impossible to imagine that the BBC could ever be in the market again for something like live Premier League, which comes in at over £10m per match (...)However, the corporation needs to fight as hard for its reputation in sport as it is currently doing in music and the arts. I sometimes found the BBC Trust less sympathetic to sport than they should have been, given its manifest value to viewers and listeners.“
meint Roger Mosey, der die BBC-Übertragung 2012 in London verantwortete. Ähnliche Texte sind sicher auch bald hierzulande auf Deutsch verfügbar, Gegenrede der AG Dok inklusive.
[+++] Machen wir von dem US-amerikanischen Medienkonzern, der gerade 1,3 Milliarden Euro in Sportinhalte investierte, einen Sprung zu einem deutschen Verlag Haus der Inhalte, das ausgerechnet für diese zuletzt kein Geld mehr ausgeben wollte. So hatten wir es zumindest in Erinnerung nach Meldungen wie dieser, dieser oder dieser. Wer nicht klicken möchte: Sie behandeln alle Einsparungen und Stellenstreichungen im Haus Gruner und Jahr und stammen aus den vergangenen zwölf Monaten.
Für Julia Jäkel scheinen diese ein paar Galaxien entfernt zu sein, liest man das Interview, das Marc Beise und Claudia Tieschky anlässlich des heutigen 50. Geburtstags von G+J für die Medienseite der SZ geführt haben.
Kostprobe gefällig?
„Dieses Haus hat einen stabilen Kern, der heißt Journalismus. Und den werden wir profitabel in die Zukunft führen, mit gedruckten Magazinen und einem wachsenden Digitalgeschäft.“
„Es gibt im Moment sicher kein Medienhaus, in dem das Gefühl herrscht, es sei ruhig und beschaulich. Aber wir sind hier bei Gruner + Jahr durch die schwierigste Phase durch. Wir entwickeln neue Titel, wir machen bestehende besser, wir greifen digital an.“
„Qualität kommt nicht von Sparen, sondern von klugen Menschen, von Freiraum zum Denken und zum Handeln. Davon lebt ein Verlag.“
Nun ist es nicht so, als seien wir es nicht gewöhnt, dass Mitteilungen aus dem Hause G+J eher abstrakt umschreiben, was es eigentlich zu sagen gilt. Aber diese Aussagen von Jäkel klingen so weit weg von der Wirklichkeit, als habe Ulrich Wickert himself ihr Büro professionell vom Rest des Inhaltehauses abgedämmt.
Doch was interessieren mich die Entlassungen von gestern, wenn heute vor 50 Jahren Richard Gruner, John Jahr und Gerd Bucerius im Jahrschen Garten Erdbeerkuchen und Champagner konsumierten? Selbiges wird zur Feier des Tages den verbliebenen Mitarbeitern gereicht, wie man überall nachlesen kann. Den Vor-die-Tür-Gesetzen und anderen Externen bleibt ein Blick auf die extra angelegte Website www.grunerjahrzehnte.de sowie das Verfolgen des gleichnamigen Hashtags, für den 200 Tweets vorhergesagt sind – kein Witz:
„Die 200 Tweets erscheinen in verschiedenen Kategorien. So gibt es unter #Seeingtheunseen einzigartige Geschichten aus G+J-Magazinen oder unter #Wirkungstreffer Artikel, die gesellschaftliche Wirkung entfalteten. Gezeigt werden aber auch kuriose Spesenabrechnungen (#AußerSpesenNixGewesen) und journalistische Vorhersagen, die nicht eingetroffen sind, etwa die Angst vorm Baumsterben (#FailPrognosen). Die Tweets werden unter www.grunerjahrzehnte.de gebündelt. Die Aktion wird auch auf der Facebook-Seite von Gruner + Jahr zu sehen sein. Der Schwerpunkt liegt auf Deutschland und auf den Magazinen von G+J.“ (Quelle: Pressemitteilung)
Es geht doch nichts über eine verlässliche Internetvoraussage. Dass sich da nur kein Spielverderber das so schön Vorbereitete kapert und dem Grunersparzehnt unter #Seeingtheunseen oder #Wirkungstreffer ganz Anderes untermischt.
[+++] Man kann es den Leuten aber auch nicht Recht machen. Wird sich gestern auch Christian Lindner gedacht haben. Eigentlich meinte der Chefredakteur der Rhein-Zeitung alles richtig gemacht zu haben, als seine Zeitung auf der Titelseite die Beisetzung des Germanwings-Kopiloten Andreas Lubitz lediglich kurz vermeldete, versehen mit ein wenig Weißraum als Gelegenheit zum Innehalten.
„Ja, wir hätten aus der Ferne Fotos von der Beerdigung machen können. Ja, wir hätten die Beerdigung als einziges Medium beschreiben können. Ja, wir hätten die Bilder weltweit verkaufen, hätten unseren exklusiven Text deutschlandweit und auch international vermarkten können. Auf all das haben wir bewusst verzichtet. Stattdessen setzen wir in der knappestmöglichen Form einen Schlusspunkt in diesem Drama um Flug 4U 9525“,
erklärte er stolz "in eigener Sache". Was ihm wiederum schlecht ausgelegt wurde.
„Hmm, ein Satz hätte genügt, ja. Aber dann dazu auffällige weiße Fläche auf der Titelseite, Erklärstück, und Facebook-Bewerbung des Ganzen. Erscheint mir schon als gewisser #widerspruch...“,
lautete nur einer von vielen Facebook-Kommentaren, auf die naturgesetzgemäß ein Meedia-Artikel folgte, in dem Nora Burgard-Arp von einem breiten Konsens der Medien zu Respekt und Diskretion gegenüber Familie Lubitz spricht:
„Es scheint fraglich, ob überhaupt ein deutsches Medium bei einem entsprechenden Angebot der Rhein-Zeitung zugegriffen hätte. (...) Im Grunde hat Lindner das getan, was die allermeisten seiner Kollegen in einer solchen Situation auch tun würden, nur dass die Art, wie er darüber redet (bzw. schreibt) das Gegenteil signalisiert.“
Meanwhile, back at the Bild-Zeitung:
„Der Abschiedsgruß der Eltern – Wer alles zur Beerdigung kam und wie sich Verwandte und Freunde von dem Amok-Flieger verabschiedeten.“
Auch wenn ein hipper Bart Manche darüber hinwegzutäuschen vermag: Die Bild-Zeitung bleibt die Bild-Zeitung. Natürlich heute mit Bild vom Grab.
+++ Die Entlassungsmeldung des heutigen Tages kommt aus Hannover, wo Madsack 2017 seinen Druckstandort schließen will, vermeldet die Mediengruppe selbst. Gedruckt wird zwar weiterhin, aber von Anderen, und das auch nur im Rheinischen statt im bislang üblichen Nordischen Format. 170 Menschen verlieren dadurch ihren Job. Bülend Ürük dokumentiert bei kress.de, was Verdi davon hält. +++
+++ Wer einen Facebook-Account hat, der braucht keine Journalisten mehr, will er Informationen unter das Volk bringen. Das hat auch Stephan Russ-Mohl erkannt und schreibt heute darüber in der NZZ. +++
+++ Das Wissenschaftsmagazin Substanz verabschiedet sich in eine Sommerpause mit ungewissem Ausgang. „Das Magazin bleibt dann online mit allen Funktionen, wird aber erstmal nicht mehr mit neuen Beiträgen bestückt. Das ist sehr schade, weil wir wirklich schöne Geschichten in petto haben. Aber wir kommen jetzt allmählich an den Punkt, an dem es für unser Startup finanziell eng wird – jedenfalls wenn wir die Qualität halten wollen, mit der wir angetreten sind“, erklären Georg Dahm und Denis Dilba. +++
+++ „Aber wir versuchen, jedem Nutzer eine Supermacht zu geben, nämlich die Supermacht, sehen zu können, was in diesem Moment in der Welt geschieht – durch den Blick von anderen Menschen.“ Sagt Periscope-Gründer Kayvon Beykpour im Interview mit Florian Güßgen bei stern.de. +++
+++ „Bacher war in seiner Heimat so populär, dass ,legendär’, ,visionär’ und ,leidenschaftlich’ in keinem Nachruf fehlten, ebenso wenig wie der Hinweis darauf, dass Bacher immer mit besonderer Verve und ungewohnter, fast verletzender Offenheit die Unabhängigkeit des Journalismus in öffentlich-rechtlichen Anstalten verteidigte. In Österreich und zumal beim ORF war und ist das keine Selbstverständlichkeit.“ So erinnert Cathrin Kahlweit heute auf der Medienseite der SZ an den ehemaligen ORF-Generalintendanten Gerd Bacher, der am Samstag gestorben ist. Die FAZ schreibt: „Der Spitzname, den er sich damals mit seiner Programmreform erwarb, lautete ,der Tiger’. Er selbst bezeichnete sich als ,Obmann einer Ein-Mann-Partei’.“+++
+++ Des Weiteren widmet sich die Medienseite der FAZ dem heutigen Fernsehprogramms. Zum einen der MDR-Doku „Wem gehört der Osten“ („800 000 Anträge auf die Rückgabe von Grundstücken und Häusern wurden gestellt, fast 160 000 Widersprüche eingelegt, häufig wurde jahrelang durch alle Instanzen gekämpft. Der politisch gewollte Grundsatz ,Rückgabe vor Entschädigung’ erwies sich als juristisches, vor allem aber als menschliches Problem. Zurück blieb ein gesellschaftliches Schlachtfeld, auf dem meist der Westen gegen den Osten, vor allem aber Groß gegen Klein siegte“). Zum anderen dem Dokumentarfilm „Falciani und der Bankenskandal“ – die Geschichte des Informatikers Hervé Falciani, dem wir Swiss-Leaks verdanken, läuft heute Abend im Ersten. +++
+++ Der Tagesspiegel greift heute den Bericht der SZ auf, nach dem Saudi-Arabien für positive Artikel in der deutschen Presse zahlen wollte, wie wiederum Wikileaks enthüllte. +++
+++ Sat1 fehlen Ideen wie Zuschauer, lautet die Saison-Bilanz von Uwe Mantel bei DWDL. +++
+++ „Allein das Wort-Ungetüm ,Stabilitätsmechanismus’. Ein Mechanismus, ein Apparat, der irgendwie jene Stabilität zu erzeugen verspricht, nach der wir Deutsche uns so sehnen. Es ist aber auch ein kaltes Wort, das der Vize-Gabriel da mit grauer Krawatte vor taubenblauem Bundesadler spricht.“ Stefan Winterbauer stefanwinterbauert bei Meedia über die griechische Krise, die deutsche Politikersprache und die Frisur von Angela Merkel (never change a winning joke). Inspiration für diesen Text bekam er eventuell von diesem, der bereits am Sonntag bei Zeit Online erschien und sich mit der Wortwahl der Medien in Zeiten der Krise auseinandersetzt. +++
Neues Altpapier gibt es morgen wieder.