Es gibt Tage, da zahlt man für Qualitätsjournalismus gleich zweimal. Allerdings nicht, weil das Angebot so großartig wäre, dass man den Anbieter doppelt entlohnen möchte, sondern schlicht, weil die Deutsche Post so langsam ist. Womit Sie nun wissen, dass ich Abonnent des Journalist aus dem Hause DJV bin, dieser es zumindest in Berlin nicht pünktlich zum Monatsanfang in die Briefkästen geschafft hat und ich daher nun gerade 1,09 Euro ausgegeben habe, um schon jetzt in der Online-Version nachlesen zu können, wie Spiegel Online in Zukunft Geld im Netz verdienen möchte.
Den Orden Wider der Gratiskultur in Gold, einer hat ihn verdient. Geklärt werden müsste nur noch, ob es der Verlag Rommerskirchen ist oder doch eher ich.
Aber widmen wir uns lieber dem Inhaltlichen, das im obersten Absatz anklingt.
1. Der Journalist möchte nun auch gerne im Internet Geld verdienen und bedient sich dabei des Richard-Gutjahr-Projektes LaterPay.
„Von heute an finden Sie auch auf journalist.de deutlich mehr lange – und wie wir finden lesenwerte – Hintergrundgeschichten, die sonst nur Print-Abonnenten vorbehalten sind. Allerdings nicht umsonst. Wir haben uns für eine Kooperation mit LaterPay entschieden. Warum? Weil LaterPay einfach zu handhaben ist – und weil wir an den Verkauf von Einzelinhalten nach dem iTunes-Prinzip glauben. Zumindest sehen wir darin einen Bedarf, der immer wieder an uns herangetragen wird. Von Nicht-Abonnenten, die sich aber doch für einzelne journalist-Inhalte interessieren. Und die bereit sind, diese zu bezahlen“,
schreibt Chefredakteur Matthias Daniel frei zugänglich auf journalist.de.
Das Fachmagazin befindet sich damit nun in der guten Gesellschaft von flassbeck-economics, dem Windows-8-Spiel Carcassonne sowie dem Bank Blog, die das Bezahlsystem laut LaterPay-Blog in den vergangenen Wochen ebenfalls eingeführt haben.
2. Wenn sich nun alle auch online von ihren Lesern bezahlen lassen, möchte Spiegel Online das natürlich auch. Zumal uns gestern folgende Meldung vom Weltzeitungskongress erreichte:
„,Die Grundannahme des Nachrichtengeschäftsmodells, dass Nachrichteninhalte durch Erlöse aus dem Anzeigengeschäft subventioniert werden, hat sich erledigt’, sagte WAN-IFRA-Generalsekretär Larry Kilman (...). ,Es lässt sich eindeutig sagen, dass die Leserschaft zur größten Erlösquelle der Verlage geworden ist.’“ (Quelle: newsroom.de)
SpOn-Chefredakteur Florian Harms kündigt folgerichtig im Interview mit dem Journalist den Start eines entsprechenden Bezahlangebots für die „zweite Jahreshälfte an“. Dafür, dass das schon ziemlich bald sein könnte, bleibt er aber bemerkenswert unkonkret:
„Wir schauen uns zunächst sehr genau an: Wer sind die Zielgruppen, wer ist bereit, online etwas zu bezahlen? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein, wie muss das Angebot gestaltet sein, dass es sofort als etwas Besonderes erkennbar ist und einen echten Mehrwert vermittelt? Und vor allem: Wie lässt sich das technisch smart und einfach umsetzen? Die meisten Bezahlangebote von Verlagen erscheinen mir noch zu kompliziert. Das Bezahlen muss leicht sein, es muss sich gut anfühlen.“
Als kleine Service-Kolumne beantworten wir all diese Fragen natürlich gerne:
„Wer sind die Zielgruppen, wer ist bereit, online etwas zu bezahlen?“ - Ich, beispielsweise, gerade eben noch.
„Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein, wie muss das Angebot gestaltet sein, dass es sofort als etwas Besonderes erkennbar ist und einen echten Mehrwert vermittelt?“ – So nicht.
„Wie lässt sich das technisch smart und einfach umsetzen?“ – LaterPay, zum Beispiel, hat gerade sehr gut funktioniert. Aber:
„Das Bezahlen muss leicht sein, es muss sich gut anfühlen.“ – Ernsthaft? Man soll sich gut fühlen beim Bezahlen? Schon mal über die Eröffnung einer Hilfsorganisation nachgedacht?
Ähm, ja.
Man wolle das neue System nicht mit einem großen Aufschlag einführen wie etwa die SZ oder die Bild-Zeitung, sagt Harms noch, und es dürfte auch nicht die Reichweite gefährden, schließlich solle das Anzeigengeschäft weiterhin einträglich bleiben.
Wer sich für eierlegende Wollmilchsäue interessiert, sollte also dranbleiben.
[+++] Da wir gerade von Zahlen sprechen: Hat eigentlich schon jemand ausgerechnet, wem unsere öffentlich-rechtlichen Sender mehr Gebührengeld pro Sendeminute hinterherwerfen – Thomas Gottschalk oder der Fifa?
Über beides lässt sich jedenfalls vortrefflich – und zu Recht – aufregen. Zur Fifa übernimmt das heute Spiegel Online, wo in ein paar Grafiken demonstriert wird, dass Senderechte das korrupte System stützen, und ARD und ZDF dabei fröhlich mitbezahlen.
„Für die WM 1998 zahlten sie gerade mal gut 20 Millionen Mark, mittlerweile müssen sie etwa das 20-fache davon auf den Tisch legen. Allein die fünf WM-Turniere von 2006 bis 2022 kosten die beiden Staatssender rund eine Milliarde Euro.“
Da weiß man gar nicht, über welche Information man sich zuerst wundern soll: Über die eine Milliarde Euro, oder darüber, dass wir offenbar doch ein Staatsfernsehen haben in diesem Land.
Immerhin, und das ist es ja, was in der Fernsehwelt gilt: Die Quoten stimmen. Damit wird das Geld zwar in den Rachen eines korrupten Haufens geworfen, doch die Leute wollen das Bezahlte zumindest sehen. Mit Thomas Gottschalk in der ARD verhielt es sich genau umgekehrt, wie Michael Hanfeld heute einmal mehr auf der FAZ-Medienseite thematisiert – diesmal mit dem Schwerpunkt, dass das mangelnde Zuschauerinteresse aus Sicht der das Thema überhaupt erst eingebracht habenden AG Dok vorhersehbar war:
„Schließlich habe eine Umfrage im Auftrag der WDR-Programmplanung mit achthundert Teilnehmern bei der Vorbereitung der Show ergeben, dass 39 Prozent der Befragten sagten, sie würden die Sendung ,wahrscheinlich nicht’ oder ,bestimmt nicht’ ansehen, weil ihnen der Moderator nicht zusagte. Das WDR-Controlling habe zudem eingewendet, dass in Vorabendsendungen ,Gespräche besonders bei jüngeren Zuschauern oft auf wenig Interesse stoßen’. Warum ließ sich die ARD dann ,auf derart hohe Ausfallzahlungen’ ein, wo ein ,vorzeitiges Ende der Show zumindest nicht unwahrscheinlich war’?“
Doch wenn 39 Prozent nicht gucken wollen, bleiben immer noch 61 Prozent potentieller Zuschauer übrig, die Gottschalk zudem „hinter Günther Jauch als zweitbeliebtester Moderator“ genannt hätten. So argumentiert zumindest der WDR.
Bülend Ürük, der diese Antworten ebenfalls erhalten hat, animiert das bei kress.de zum Griff zu folgender Sprachkeule:
„Solche Stellungnahmen eines journalistischen Unternehmens, die Art der restriktiven Kommunikationspolitik und Auskunftsverweigerung (etwa gegenüber dem radio eins Medienmagazin (rbb), haben den Sound von Erich Honnecker kurz vor dem Untergang der DDR. Obwohl alle ökonomischen Daten vorlagen, verkündete er munter rosige Zeiten und blühende Wirtschaftsdaten.“
Wo Wirtschaftsdaten Blüten treiben, darf sich Erich auch mal zwei „n“ im Nachnamen gönnen. (Nachtrag: Mittlerweile hat man es gemerkt und ein "n" wieder einkassiert.) Aber beschweren wir uns nicht: Immerhin gibt es diesen Ürükschen Gefühlsausbruch im Gegensatz zu so ziemlich allem, was hier gerade Thema war, kostenlos.
+++ Heute ist ein Tag, an dem man lieber nicht beim Deutschen Presserat Telefondienst hat. Denn die Bild-Zeitung hat dessen Kontaktdaten veröffentlicht, damit der aufgeklärte Bild-Leser sich über eine ausgesprochene Rüge beschweren kann. +++
+++ Als Alfred Neven DuMont am Sonntag starb, ging er in Frieden mit seinem Sohn, weiß kress.de: ,Mit meinem Vater habe ich mich komplett versöhnt, die Streitigkeiten sind vergessen.“ +++
+++ „Berliner Boulette, gefüllt mit Zürcher Geschnetzeltem“ – so klingt es, wenn Turi2 den gestern gestarteten Testlauf von 20 Minuten in Deutschland bewertet (dazu auch: kress.de) +++
+++ Die NZZ arbeitet sich heute einmal mehr am Schweizer Rundfunksystem ab, über dessen nutzungsunabhängige Finanzierung Mitte des Monats abgestimmt wird. +++
+++ Sat.1? Ist das nicht der Sender, der sich zuletzt erfolgreich in die Bedeutungslosigkeit katapultierte? Und ProSieben? Zeigen die noch was anderes außer „Two and a half men“-Wiederholungen? Ja bzw. nein, aber das soll sich jetzt ändern! Ab sofort suche ProSiebenSat.1 Stoff für Fiktionales, schreibt DWDL. +++
+++ Die Berichterstattung über den RT-Deutsch kopierenden Lokalsender aus Thüringen (Altpapier gestern) hat nun auch den Tagesspiegel erreicht. +++
+++ Die über die tschechische Serie „Urlaub im Protektorat“ (Altpapier am Donnerstag) die Süddeutsche Zeitung. „Kaum hat die Familie sich also daran gewöhnt, kein fließendes Wasser zu haben und Kühe zu melken, spricht schon Adolf Hitler aus dem Rundfunkgerät. Aus der Zeitung, die der Bürgermeister vorbeibringt, erfährt die Familie von der Besetzung des Landes duch die Deutschen. Später wird sie mit Widerstandskämpfern liebäugeln, die Gestapo wird das Bauernhaus durchsuchen und in Folge vier, die an diesem Dienstag ausgestrahlt wird, gibt es nach einem heimlichen Schlachtfest richtig Ärger mit der neuen Obrigkeit.“ +++
+++ „Alle, die vorher nur mitschwammen und Durchschnittsware produziert haben, spült es jetzt weg.“ Ist auch eine Haltung zum Medienwandel. Daniel Puntas Bernet, Gründer des Magazins Reportagen bezieht sie im Interview zu seinem Projekt mit der taz. +++
+++ In Manchester zündet die IRA eine 1,5-Tonnen-Bombe. Für zwei Familien, die den Anschlag überleben, ist danach trotzdem nichts mehr, wie es war. „From there to here“ heißt die BBC-Miniserie, die Arte als „Zwei Familien, ein Leben“ am Donnerstagabend zeigt. Dazu Benedikt Frank in der SZ: „Die Serie handelt von den vier Jahren danach, von der Zeit des Wiederaufbaus in der Stadt nach der Explosion. Vier Jahre des politischen Wandels, in dem sich auch das Leben im Kleinen verändert. Der gesellschaftliche Hintergrund ist dabei stets präsent, aber nicht aufdringlich. Tony Blairs New Labour löst nach 18 Jahren die Konservativen ab, England richtet die Fußball-Europameisterschaft aus. Die Euphorie in Sport und Politik schlägt in Ernüchterung um. Indie-Rock von I Am Kloot liefert dazu den stimmigen Soundtrack.“ +++
+++ Bei Netflix startet am Freitag eine neue Serie? Klar, dass die FAZ heute berichtet. „Im Kern ist ,Sense8’ eine Meditation über die Verbundenheit von Menschen aus verschiedenen Kulturen, unterschiedlicher Hautfarbe, Klasse und sexueller Orientierung. Es geht um die Kraft, die dieser Verbundenheit innewohnt. Und es wären nicht die Wachowskis am Werk, wenn dabei der Weltfrieden nicht von einer geheimen Verschwörung bedroht würde“, schreibt Nina Rehfeld. +++
Frisches Altpapier gibt es morgen wieder.