"Die Klägerinnen sind Verlagsgesellschaften, die Tageszeitungen herausgeben. Ihr Angebot kann auch über das Internet, teilweise über sogenannte 'Apps' abgerufen werden. Die Beklagte zu 1, die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD), und die Beklagte zu 2, eine Landesrundfunkanstalt, bieten das über das Internet abrufbare Nachrichten- und Informationsportal 'tagesschau.de' an, für das sie ein Telemedienkonzept nach § 11f Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) entwickelt haben, das von der für die Rechtsaufsicht zuständigen Niedersächsischen Staatskanzlei nach Durchlaufen des sogenannten Drei-Stufen-Tests freigegeben worden ist. Daneben bieten sie die über Smartphones und Tablet-PC's abrufbare 'Tagesschau-App' an."
Gehört ins Wort Tablet-PCs tatsächlich ein Apostroph? Egal, in puncto Rechtschreibung ist der Bundesgerichtshof vielleicht auch gar nicht die letzte Instanz, bloß in allen anderen Dingen (außer vielleicht, es käme mal zu Meinungsverschiedenheiten mit dem EuGH). Jedenfalls gehen die Blicke der Medienbeobachter an diesem Donnerstag u.a. nach Karlsruhe. Die Sache I ZR 13/14, die vorm BGH verhandelt wird, finden Sie auf der prallvollen Vorschau-Seite des BGH ("Um alle presserelevanten Termine ansehen zu können, bitte nach unten Scrollen") noch relativ weit oben. Die Vorgeschichte der Klage von acht Zeitungsverlagen gegen die "Tagesschau"-App auf ihrem Weg durch die Instanzen fasst medienkorrespondenz.de zusammen. "Möglicherweise ist am Donnerstag bereits ein Urteil zu erwarten", meldet der EPD.
Das grundsätzliche Dilemma fasst der BGH ja konzise zusammen: "Verlagsgesellschaften, die Tageszeitungen herausgeben" und "ihr Angebot ... auch über das Internet" zugänglich machen, haben dort jede Menge Konkurrenz, was es verdammt schwierig macht, für solche Angebote genung Geld zu verlangen, mit dem das Angebot aufrechterhalten werden kann. Ideen für Auswege aus diesem Dilemma werden bekanntlich laufend erwogen. Vom Fortgang einer der pragmatischsten, allerdings selten diskutierten Ideen berichtet ebenfalls die katholische Medienkorrespondenz. Über den
"Antrag ..., dass Journalismus von den Finanzämtern künftig als gemeinnützig eingestuft werden kann",
sollen "zunächst weitere Expertengespräche" geführt werden, bevor der Ausschuss für Kultur und Medien im nordrhein-westfälischen Landtag über eine "Beschlussempfehlung" zum entsprechenden Antrag abstimmen wird, die dann zu weiteren Schritten führen könnte. Es ist natürlich fies, Grundsätzliches zum Journalismus in einem Atemzug mit der FDP zu nennen. Journalismus könnte schließlich immer gebraucht werden. Es ist aber so, dass die FDP den Antrag eingebracht hat und nun hoffen muss, dass SPD und Grüne zustimmen.
[+++] Einer der praktischen Pioniere solcher Gemeinnützigkeits-Gedanken, "das erste gemeinnützige Recherchebüro im deutschsprachigen Raum", durfte gerade kräftig jubeln. Correctiv ist "gleich dreimal unter den Nominierten" der diesjährigen Grimme Online Awards vertreten:
"Das Recherchebüro selbst ist in der Kategorie Spezial nominiert, auch weil die Recherchen kostenfrei anderen Medien zur Weiterverarbeitung zur Verfügung stehen. In der Kategorie Information ist die aufwändige Vor-Ort-Recherche 'MH17 - Die Suche nach der Wahrheit' nominiert und am Informationsfreiheitsportal 'FragDenStaat.de' ist Correctiv ebenfalls beteiligt" (grimme-institut.de).
Überhaupt wird über die Grimme-Online-Nominierungen bemerkenswert gejubelt, nicht bloß von den Presseabteilungen öffentlich-rechtlicher Anstalten, die im Grimme-Bejubeln ja über einen unermesslichen Erfahrungsschatz verfügen. Auch ein abgebrühter Hauptstadt-Zeitungs-Chefredakteur wie Lorenz Maroldt vom Tagesspiegel verschickte gestern, nachdem die vom früheren TAZ-Veteran und jetzigen Grimme-Referenten Steffen Grimberg raffiniert eingefädelte Bekanntgabe-Kampagnen gelaufen waren, einen "große Ehre, große Freude!"-Eilmeldungs-Newsletter ob der Nominierung seines "persönlichen Newsletters 'Checkpoint'", der jeden Morgen "bissige Kommentare direkt in den Maileingang" (Grimme-Institut) liefert. Beachten Sie auch das entzückende Foto einer mutmaßlichen Prenzelschwäbin mit Latte-Pappbecher und Smartphone in den Händen, mit dem der Tagesspiegel immer für den Newsletter wirbt.
"So viel zu tun! Journalistenpreise wohin man blickt. Zum Glück gibt's das lange Wochenende. Gleich zwei Journalistenpreise haben ihre Nominierungs- und Gewinnerlisten online gestellt. Auf den Seiten des Axel-Springer-Preises für junge Journalisten und des Grimme Online Awards tummeln sich nur so die lesens- sehens- und hörenswerten Formate ...",
jubelt am allerausgelassensten Christian Fahrenbach, der mit unglaublicher Begeisterungsfähigkeit gesegnete Urheber des werktäglichen Krautreporter-Morgen-Newsletters.
"Der Geschäftsführer muss aber auf Nachfrage zugeben, dass er für die mühselige Akquise keinen hohen Aufwand betrieben hatte. Er war allein für alle Werbekunden zuständig, hatte sich aber im letzten Jahr, seit er parallel als Geschäftsführer des Online-Portals Krautreporter arbeitet, kaum noch darum gekümmert und nur noch Altverträge auslaufen lassen",
berichtet Torsten Wahl. Wobei zum Bild natürlich gehört, dass alle Berliner Redaktionen ihre überwiegend gratis ausgelierten Inhalte gerne mit umrahmender Berliner Werbung finanzieren würden und es der BLZ auch nicht gold geht (während Maroldts Newsletter nicht nur ganz am Rande auch ein Werbeträger ist).
[+++] Wer gut ist im Akquirieren und Sich-Bezahlen-Lassen lokaler bis standortbezogener Werbung: Google. Zur am Dienstag bekannt gewordenen, gestern ausführlich kommentierten Millionenspende des Datenkraken an acht Zeitungsverlage mehren sich noch kritischere Stimmen. (Es sind übrigens nicht dieselben acht Verlage, die in Karlsruhe klagten, schließlich ist die Klage rein deutsch, während die 150 Millionen Euro gesamteuropäisch verteilt werden sollen; nur die FAZ ist jeweils dabei). Ablasshandel, Strohhalm, Gutsherrenart, lauten Stichworte.
"Etwas ketzerisch könnte man sich jetzt freilich erkundigen, wie es denn beim sogenannten Qualitätsjournalismus um die Glaubwürdigkeit bestellt ist, wenn er einem Monopolisten aktiv dabei hilft, seine Vormachtstellung zu festigen, bloß um die eigene Haut zu retten",
meint Jan Jasper Kosok im Freitag (also unter der Überschrift "Ablasshandel digital").
"Statt eine zukunftsfähige Digitalstrategie zu entwickeln, springen sie auf jeden angeblichen Online-Trend auf und haben damit Milliarden versenkt. Ihre Renditen sind während der vergangenen Jahre weggeschmolzen, was nicht wenige Verlagshäuser veranlasst hat, lieber auf das Modell des kostensenkenden Barfuss-Journalisten zu setzen",
schimpft Peter Welchering auf die Verlage, wobei er auf "die hauptamtlichen Funktionäre in den Journalistenverbänden" ebenfalls schimpft und Googles Millionen "Strohhalm" nennt. Das ist so wahr, wie es wohlfeil ist, es in einen Blog des öffentlich-rechtlichen WDR (digitalistan) zu schreiben.
So salomonisch wie pragmatisch kommentiert Lorenz Matzat bei netzpolitik.org:
"Es lässt sich darüber streiten, ob sich Zeitungsverlage mit einem Monopolisten gemein machen sollten. Aber die Frage sollte sich überhaupt erst stellen, wenn Google in Europa seine Steuern vollumfänglich zahlt."
Denn es seien "über viele Jahre durch Steuertricks" in Europa "den Gesellschaften entzogenen Gelder", beziehungsweise nicht einmal all die Millionen, die der kalifornische Konzern jetzt "nach Gutherrensart" verteilt, unter anderem an die FAZ und die Zeit.
+++ Innovation im deutschen Fernsehen: "ZDF-Provinzkrimi kommt in die Großstadt" (Hambruger Abendblatt). +++ Echt innovativ, was bei "Newtopia", einer langlaufenden Sendung des privaten Nischensenders Sat.1, abgeht: "eine Revolte der Kandidaten, die das Konzept der Show - 'die Chance auf auf ein selbst bestimmtes, vielleicht besseres Leben in einer Gesellschaft, die sie gestalten' - offensichtlich sehr wörtlich nehmen wollen" (dwdl.de). +++
+++ Die Auswertung des ZDF-Experiments, zwei Serien für interessierte Binge-Watcher vorab komplett online zu stellen, ist abgeschlossen. "Im Schnitt schauten sich via Internet 144.000 Zuschauer 'Schuld' und 242.000 'The Team' an, wobei im Falle von 'Schuld' 51 Prozent und bei 'The Team' 59 Prozent aller Mediathek-Abrufe sogenannte Vorabnutzungen waren" (FAZ). +++ Sehr schön, was die FAZ-Medienseite vor allem bringt: zwei ausführliche, aufschlussreiche Verrisse neuer deutscher TV-Filme. "Die ARD übertreibt es langsam mit den Wohlfühlfilmen über lebenslustige Senioren", schreibt Ursula Scheer über "Das Gewinnerlos" (Freitag, 20.15 Uhr). +++ Und "Kommissar Marthaler" (auch Freitag, 20.15 Uhr, bei Arte) "versammelt bis in die Nebenrollen hinein ein ansehnliches Personal, gibt aber nicht einmal der Hauptbesetzung ausreichend Raum zu spielen. Matthias Koeberlin kann als Marthaler ... noch am meisten zeigen, doch schon die Kommissars-Rollen von Julia Jentsch, Jürgen Tonkel und Tim Seyfi ... sind undankbar. Sie laufen nebenher oder hinterdrein und haben gerade einmal Gelegenheit, den jeweiligen Ermittlungsstand zu rapportieren. Im entscheidenden Moment zieht Marthaler dann doch wieder allein los, was, wie wir wissen, sich in einem derart gefährlichen Beruf ganz und gar nicht empfiehlt und nur dazu führt, dass man - bestenfalls - eins über die Rübe bekommt und sich anschließend an nichts mehr erinnert. Auf derlei Weise im Krimi für Spannung sorgen zu wollen ist ein wenig überholt", meint Michael Hanfeld. +++
+++ Thomas Gehringers am Freitag hier erwähntes epd medien-"Tagebuch" über die Mediatheken-Karriere einer Doku in unterschiedlichen Versionen und unter unterschiedlichen Titeln steht inzwischen frei online. +++
+++ Von Netflix gibt's ebenfalls Zahlen. "10,7 Prozent der US-Abonnenten hätten sich mindestens eine Folge 'Daredevil' angeschaut, seit die Serie am 10. April gestartet ist. Die Folgen der ebenfalls kürzlich gestarteten dritten Staffel 'House of Cards' hätten nur 7,3 Prozent der Abonnenten angeklickt", referiert die SZ-Medienseite, um anschließend nachzureichen: "Das große Problem mit diesen Zahlen, die gestern von der Hollywood-Fachzeitschrift Variety veröffentlicht wurden: Es ist nicht klar, ob sie stimmen." Egal, Netflix, das bestens davon profitiert, dass Medien jede Nicht- und Kaum-Meldung über es gerne bringen, wird sich freuen. +++ Härtere Zahlen, z.B. 62,3 Millionen Abonnenten weltweit, nennt medienkorrespondenz.de. +++
+++ "Englischsprachige Serien sind so attraktiv, da können deutsche Sender gar nicht anders - sie lassen nachspielen. Schauen Sie mal!", bzw. hat die SZ-Medienseite unter dieser Überschrift ein paar Kästchen fast wie zum Durchklicken gestaltet. Genannt werden da die gerade erst entstehende ZDF-Serie "Morgen hör’ ich auf", die noch kein Mensch gesehen hat (aber vielleicht das deutsche "Breaking Bad" werden könnte), und die schon längst von jedem der wenigen Zuschauer vergessene Sat.1-Serie "Das iTeam" ... +++
+++ Der sinnvolle Beitrag auf der heutigen SZ-Medienseite kreist um den französischen Bondy Blog. "Mittlerweile gilt der Blog als gute Adresse für Profijournalismus, der soziale Hürden überwindet. Ableger von Brüssel bis Lyon sind so entstanden". "Aber im Frankreich, diesem Land mit vielen Standesvorurteilen, klagt der Direktor, würde der Blog auch wegen der Finanzierungsform vor allem als sozio-kulturelles Aktionsprogramm für die Problemviertel wahrgenommen. Kein einziger öffentlicher oder privater Medienkonzern habe in all den Jahren eine dauerhafte Investition in den Bondy Blog in Erwägung gezogen." +++
+++ "In Deutschland zum Beispiel scheint es so, als ob die Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Medien unter sich ausmachen, was auf der Agenda stehen soll. Als 2008 die Wirtschaftskrise begann, berief Angela Merkel die Leitmedien zu sich und bat um eine verharmlosende Berichterstattung, um einen Run auf die Banken zu vermeiden …" - "Über dieses Treffen bin ich nicht unterrichtet, aber wir wünschen uns mehr Pluralismus und eine wirkliche Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien. Gerade die demokratischen Staaten sollten hier eine Vorbildfunktion einnehmen. Aber auch dort gibt es Beispiele dafür, dass Journalisten eingeschüchtert werden sollen. Etwa die des Guardian bei der Snowden-Affäre." Da unterhalten sich Wilfried Urbe und die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, die in Aachen die Karlsmedaille für europäische Medien erhält (die zuvor u.a. André Rieu und die Reporter ohne Grenzen bekamen), für die TAZ. +++ Mehr zu Mijatovic in diesem Altpapier. +++
+++ "Wer über 50 Stunden seiner Lebenszeit damit verbracht hat, zuzusehen, wie diese Serie ganze Viertel voller Abgehängter porträtiert, Menschen, die die US-Wirtschaft einfach nicht mehr braucht, wer zugesehen hat, wie die TV-Show Polizei und Bildungsapparat als verrottetes System vorstellt, dem kommen die Nachrichten aus Baltimore schrecklich schlüssig vor." (Meike Laaff in der TAZ, über "The Wire"). +++
+++ Und etwas aus Berlin, das Guido Knopp morgen "sogar möglicherweise zum allerletzten Mal im Fernsehen zeigen" wird, weiß dann noch der Tagesspiegel. +++
Neues Altpapier gibt's nach dem langen Wochenende wieder am Montag.