„Anthroposophie“. „Biofach und Vivaness“. „Fahr Rad!“ „Fairer Handel“. „Grünes Geld“. Über die Klischeehaftigkeit der Themenauswahl der Sonderseiten der taz kann sicher bei Gelegenheit Harald Martenstein mal eine Kolumne schreiben. Hier sei nur generell darauf hingewiesen, dass sie existieren und es vielleicht daran liegen könnte, dass Sebastian Heiser für seine gestern hier schon verbreiteten Enthüllungen über die Käuflichkeit der SZ-Sonderseitenredaktion ein komplett neues Blog aufsetzen musste, statt wie sonst das taz Hausblog zu nutzen, auf dem seine Texte 28 durchzuklickenden Seiten füllen.
Man könnte misstrauisch werden, wenn jemand den Satz „Ich kann bei der taz genau den Journalismus machen, den ich immer machen wollte“ als Teil einer Einhüllungsgeschichte nicht in die taz schreibt. Meint auch mancher Kommentator in Heisers Blog.
Man kann stattdessen aber auch einfach Zitate aus Heisers Text kopieren, mit ein paar eigenen Wortaneinanderreihungen verfüllen
(„Die Süddeutsche Zeitung steht hier beispielhaft für ein Leuchtturm-Medium, das systematisch mit seiner Glaubwürdigkeit zu spielen scheint. Vielleicht wurde das immer schon so gemacht aber vielleicht ist das Publikum in dieser Hinsicht sensibler geworden.“)
und das Ganze „Artikel von Stefan Winterbauer“ nennen. Nur ist das dann in etwa so toller, kritisch nachgehender Journalismus wie ihn die Anzeigenabteilung Sonderbeilagenredaktion der SZ zu betreiben scheint. (Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht aber auch nur sensibler geworden. Und nein, die Art und Weise, in der die eingeholte Schema-F-Antwort aus der SZ-Presseabteilung komplett in den Text gestellt wurde, macht es nicht besser).
####LINKS####[+++] Da wir gerade von der Süddeutschen Zeitung sprechen: Hätte deren Onlineredaktion mal die Kommentare offen gelassen, bräuchten sie jetzt keine Whats-App-Gruppe zu gründen. Könnte man auch über die neueste Idee der Kollegen von sueddeutsche.de sagen. Seit Jahrzehnten (Online-Jahre sind ja wie Katzenjahre) wird dort am besten Relaunch von allen, die noch kommen werden, gefeilt. Dabei habe man gelernt, wie hilfreich es sei, die Ideen der Redakteure ab und an mit den Bedürfnissen echter Menschen, Leser genannt, abzugleichen, und das solle nun institutionalisiert werden, schreibt Stefan Plöchinger, Kapuzenpullijunkie bzw. „Mitglied der Chefredaktion für digitale Projekte“.
„Wir wollen bis zu 200 ausgewählte Nutzer von SZ.de langfristig an der Weiterentwicklung unserer Seite beteiligen - und laden Sie deshalb in eine WhatsApp-Broadcast-Gruppe ein. Ein-, zweimal im Monat wollen wir Ihnen in dieser Gruppe Fragen stellen, damit wir erfahren, was Sie von uns wollen: Wie finden Sie diese oder jene Funktion auf unserer Seite? Welche Verbesserung wünschen Sie sich beim nächsten App-Update von SZ.de? Welcher Teil unserer Seite stört Sie schon lange, und welche praktische Neuerung, die Sie auf anderen Nachrichtenseiten entdeckt haben, wollen Sie am liebsten auch bei uns?“
Warum WhatsApp? Weil heißer Scheiß. Und weil 200 ausgewählte Leser, die sich durch ihren direkten Draht in die SZ-Redaktion sicherlich noch gebauchpinselt fühlen, einfach günstiger sind als diese elenden Marktforschungen, die man früher in solchen Fällen in Auftrag gegeben hat.
Wen das Ende des SZ-Lesesalons in ein tiefes Loch gestürzt hat, oder wer aus anderen Gründen über ein übermäßiges Maß an Tagesfreizeit verfügt, kann sich hier auf eine der Stellen bewerben, die übrigens mit 152 Euro weniger pro Tag vergütet werden als die eines sueddeutsche.de-Wirtschafts-Redakteurs.
[+++] Wie steigert man eigentlich tot? Ist eine bescheuerte Frage, die es aber zu diskutieren gilt angesichts der Vielzahl an Abgesängen auf die Homepage, infolge derer diese nicht mehr länger nur als tot, sondern als toter/mausetot/übertot bezeichnet werden muss. Johnny Haeusler erzählt die Geschichte bei Wired nun konsequent zu Ende und rät, Websites komplett dicht zu machen.
„Ich bin faul. Es dauert wenige Sekunden, einen Gedanken oder Link per Twitter via Smartphone raus zu schicken, ein Posting auf Spreeblick würde mich hingegen mindestens einige Minuten kosten, denn ein gut funktionierendes mobiles Interface für WordPress ist mir immer noch nicht bekannt. Ich mag es, in den Kommentaren bei Facebook mal schnell nachsehen zu können, wer hinter einem besonders klugen Satz steht. Und ich muss zugeben, dass mir Instagram und Pinterest einfach Spaß machen. Und trotzdem ärgert es mich, dass das Web immer mehr in die Hände und damit auch die Willkür von wenigen Unternehmern geht. (...) Das Web sammelt Wissen und dokumentiert Menschheitskultur. Es ist für jeden zugänglich, der einen Internet-Anschluss hat. Wenn dieses Wissen und diese Dokumentation jedoch immer mehr hinter verschlossenen Türen in Räumen stattfindet, die von wenigen kontrolliert werden, die nur diejenigen eintreten lassen, die zunächst ihre Daten hinterlassen und ihre Rechte abgeben, dann wird das Web verkümmern, zu einem obskuren Nerd-Spielplatz werden oder ganz sterben.“
Oh, Verzeihung, mein Fehler: Das war der Artikel von vor zwei Jahren bei Spreeblick, als alle so Yeah, reclaim-social-media-mäßig drauf waren.
Die aktuelle Wired-Kolumne, die den Verlagen zum Abschalten ihrer Websites rät, geht so:
„Für die Anbieter von Inhalten ist der virtuelle Ort, an dem sich Menschen treffen, um sich miteinander auszutauschen, der einzige noch relevante Ort. Und wenn Facebook, Snapchat und Co. die neuen großen Nachrichtenkanäle sind, könnte es sogar passieren, dass sie genauso wie die alten agieren und in naher Zukunft professionelle Content-Lieferanten bezahlen werden, um die eigene Attraktivität zu steigern und hohe Werbeumsätze zu generieren. Alternativ dazu könnten sie den Anbietern von Inhalten die Möglichkeit geben, selbst von neuen Werbeinnahmen zu profitieren. Doch egal, ob Twitter nun wirklich das nächste ProSieben wird oder Snapchat tatsächlich Spiegel Online vom Thron stößt: Eure Websites könnt ihr schließen, liebe Verlage.“
Nun mag man Haeusler zugutehalten, dass er beim ersten Mal über Blogger, beim zweiten Mail über Verlage sprach. Aber erstens haben wir uns jahrelang eintrichtern lassen, das mit der albernen Unterscheidung von Bloggern und Journalisten endlich sein zu lassen, und zweitens ist Facebook entweder böse oder nicht.
Sich zu dieser Frage breit aufzustellen, ist sicher eine gute Idee, will man hinterher sagen, man habe es schon vorher gewusst.
[+++] Die Personalie des gestrigen Tages kam natürlich per Pressemitteilung, aber viel schöner noch per Tweet:
„Ich mache etwas Neues und schreibe ab Mai für den Spiegel. Bei der FAZ habe ich gekündigt.“
Dass Nils Minkmar nicht zu den 200 Mitarbeitern der FAZ gehört, denen nur noch die Hoffnung auf eine Zukunft in einer Pressestelle bleibt, ist jetzt wenig überraschend. Dafür dürfte sein Weggang als letzter Beweis dienen, dass sich das Feuilleton der FAZ nach dem Tod Frank Schirrmachers und der Übernahme durch Jürgen Kaube endgültig dazu entschlossen hat, zu alter Verknarztheit zurückzukehren. Andere würden vielleicht sagen: sich zum Sterben nierderzulegen.
Die Zeiten, in denen sich Zeitungen Fantasieposten wie den eines Europakulturkorrespondenten leisteten, sind damit endgültig vorbei.
+++ Was passiert, wenn Roger Schawinski auf Harald Schmid trifft? Diese Frage ist seit Schmidts Auftritt in Schwawinskis Talkshow gestern Abend beantwortet: Sie tauschen Haim-Saban-Anekdoten aus. DWDL dokumentiert. +++
+++ Nachrichtensendungen, deren größte Fehler im Zeigen falscher Panzer bestehen, kann man sich in den USA nur wünschen. „Wie soll man die Islamhasser von Fox News ohne ironische Brechung ihrer Besserwisserei ertragen? Wie soll man den CNN-Reporter Don Lemon aushalten, dessen Versuch, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, in einen beispiellosen Parcours der Peinlichkeiten mündet? Was mit der Tatsache anfangen, dass CNN allen Ernstes eine politische Quizshow mit ihrem Anchorman Anderson Cooper als Moderator plant? Dass Fox ,aufdeckte’, Williams habe möglicherweise auch die Unwahrheit darüber gesagt, wie viele Hundebabys er als Teenager aus einem brennenden Haus gerettet hat?“ Diese Fragen zum Zustand der amerikanischen Fernsehlandschaft stellt sich Nina Rehfeld heute auf der FAZ-Medienseite im Nachgang auf den Abgang von Jon Steward. +++ Ebenfalls auf der Seite: Was französische Medien bei der Live-Berichterstattung über die Terrorereignisse in Paris falsch gemacht haben. („An erster Stelle der Vergehen nennt der CSA den Umgang mit jener Filmsequenz, die zeigt, wie einer der Kouachi-Brüder nach dem Blutbad in der Redaktion den am Boden liegenden, um Gnade flehenden muslimischen Polizisten Ahmed Merabet erschießt.“) +++
+++ Warum liefern deutsche Fernsehsender keine Bilder in der Auflösung, die unsere Fernseher mittlerweile anbieten können? Dieser Frage geht Daniel Bouhs heute auf der SZ-Medienseite nach. Nur echt mit dem Kalauer „Claus Kleber könnte schärfer sein“. +++
+++ Alle guten Ideen beginnen mit einem Kasten Bier oder Wie Radio Bremen den Sprung ins Internet wagte. Jetzt nachzulesen bei Vocer. +++
+++ Bei den Lokalzeitungshäusern, die Knallermeldungen wie "Solinger Läufer sind in de Altersklassen eine Bank" oder "Mitarbeiter der TBR sorgen hinterm Karnevalszug für Ordnung" hinter einer harten Paywall verstecken (Allerdings nicht, weil sie sichergehen wollen, dass den Quatsch garantiert niemand liest, sondern weil sie der Meinung sind, man solle dafür bezahlen. Weiß Gott, warum.) gibt es Zuwachst: Das Solinger Tageblatt und den Remscheinder General-Anzeiger aus dem Medienhaus B. Boll. DWDL berichtet. +++
+++ Nach dem Bildblog ist gestern auch der Topf voll Gold wieder aus dem Winterschlaf erwacht. Versprochen werden „Neue Leute“, „neue Rubriken“, „(Fast) neue Regelmäßigkeit“, aber „Altes Thema“. Ganz gegen den Trend ist jedoch nicht von neuen Einkünften die Rede. Aber wenn in Zukunft 14 statt fünf Leute über die Verfehlungen der Regenbogenblättchen schreiben, ohne daran zu verdienen, ist das vielleicht auch eine Art neues Erlösmodell. +++
+++ Angesichts der großen Schwemme an Texten über auf der Berlinale präsentierte Serien in der vergangenen Woche hatte die taz ein Einsehen. Und bringt ihr Interview mit den Machern von „Deutschland 83“ erst heute. +++ Ein weiteres bekanntes Thema, das es heute in die taz geschafft hat: Ein Interview über grenzwertige Karikaturen, Islam und Medien mit der Journalistin Jana Simram, die zur Debatte über die Mohammed-Karikaturen promoviert hat. („Die Pressefreiheit muss unbegrenzt sein, aber diese Freiheit birgt auch eine gewisse Verantwortung. Man muss nicht immer alles umsetzen, was man tun darf. Wir Journalisten sollten uns vor einer Publikation immer auch Gedanken darüber machen, welche Folgen eine Veröffentlichung haben kann.“) +++
+++ „Eigentlich möchte man nicht schon wieder Wladimir Putin mit nacktem Oberkörper durchs eigene Wohnzimmer reiten sehen.“ Ist ein schöner Satz, den Thomas Gehringer sich da zum Einstieg in seine Tagesspiegel-Rezension des Putin-Psychogramms namens „Mensch Putin!“ zurechtgelegt hat, das heute Abend im ZDF läuft. Von Gehringer wird es in etwa so toll gefunden, wie der Titel nahelegt: „Aber wenn man das boulevardeske Getue im ZDF – jeder Satz eine geraunte Schlagzeile, jedes Bild ein Akt suggestiver Meinungsmache – überstanden hat, lernt man die sachliche, zurückhaltende Art Seipels (ARD-Reporter Hubert Seipel hat für sein Putin-Interview im vergangenen Jahr ziemlich Prügel kassiert, Anm. AP) schätzen.“ Sonja Zekri meint in der SZ: „Und das Ergebnis? Ist ein bisschen krümelig, aber leicht verdaulich wie der Hüttenkäse, den Putin morgens zu sich nimmt.“+++
Frisches Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.