Springer wird bald noch größer im Kleinanzeigengeschäft. Der Einfluss internationaler Partner auf den Inhalt von US-Serien wächst. Die Medienvielfalt rund um deutsche Ostseemetropolen schrumpft. Außerdem: Wie es freie Journalisten finden, wenn langjährige Festangestellte in Larmoyanz versinken.
Von einem „historischen Moment“ soll am Montag ein namentlich nicht bekannter Kollege bei einer Telefonpressekonferenz eines künftig nicht mehr so wie jetzt heißenden Unternehmens gesprochen haben. Und Michael Hanfeld, der diese Äußerung in der FAZ zitiert, spricht selbst von einer „kleinen Revolution“. Das nimmt man dem Haudegen aus Frankfurt, der gewiss schon die eine oder andere kleine Revolution erlebt hat, natürlich sofort ab. Worum geht es? Axel Springer SE heißt künftig Axel Springer KgGA, sofern, aber wer würde daran zweifeln wollen?, die Hauptversammlung im Frühjahr zustimmt.
Meine Ergriffenheit hält sich, ehrlich gesagt, in Grenzen. Der mikrorevolutionäre Vorgang bedeutet nämlich Folgendes: „Friede Springer gibt ihre Mehrheit auf und sichert ihre Macht“ (Lutz Meier im Stern-Medienblog) bzw. „behält aber trotzdem das letzte Wort, weil die Stimmrechte von den Kapitalanteilen entkoppelt werden“ (Hanfeld again). Oder, etwas ausführlicher: Künftig soll die zu 90 Prozent von der letzten Gattin des Gründers beherrschte sog. Gesellschaft für Publizistik „als Komplementärin einer KGaA alle Stimmrechte und damit das Sagen im Unternehmen haben, unabhängig von der Höhe des Kapitalanteils. Die übrigen Aktionäre sind damit künftig quasi ohne Einfluss“ (Caspar Busse/SZ).
Der Grund für dit Janze: Springer beabsichtigt, Anteile der Kleinanzeigenplattform-Gruppe Digital Classifieds (Immobilien, Jobs etc.) zu erwerben, die noch der sympathischen Heuschrecke General Atlantic gehören. Und um das tun zu können, ist die neue Rechtsform notwendig. Busse erläutert:
„Zusammen mit dem Investor hatte der Berliner Verlag das Online-Rubrikengeschäft unter dem Namen Axel Springer Digital Classifieds aufgebaut. General Atlantic hält derzeit 30 Prozent der Anteile und hatte das Recht, die Firma im kommenden Jahr an die Börse zu bringen. Das aber wollte Springer-Chef Döpfner um jeden Preis verhindern. Denn die Firma ist extrem profitabel und spielt in der Springer-Strategie, zu einem führenden Digital-Unternehmen zu werden, eine entscheidende Rolle.“
Busse sieht nun den „Höhepunkt eines tiefgreifenden Umbaus“. Und was heißt das alles für den Journalismus? Wir schalten noch mal rüber zu Lutz Meier (in dessen Text der Begriff „historisch“ vorkommt, möglicherweise ist er ja der von Hanfeld gemeinte Kollege):
„Döpfner wendet ein, dass er ja auch in Zukunft – beinahe wie damals – das Geld aus dem Kleinanzeigengeschäft verwenden werde, um es in Journalismus zu stecken. Er sei nämlich auf der Suche nach dem, was er als ‚digitale Verlage‘ bezeichnet (...) Außerdem halte er bezahlten Journalismus auf digitalen Plattformen für ein Geschäftsmodell mit Zukunft. Es spricht vieles dafür, dass der Springer-Chef damit recht hat.“
Vieles? Na, hoffentlich freuen sich die Großkopferten bei Gruner + Jahr, dass es einer der Medienwirtschafts-Top-Autoren des Hauses ähnlich sieht wie sie.
[+++] Zwischen den alten Konkurrenten Springer und G+J gibt es ja nicht mehr so viele Gemeinsamkeiten. Aber immerhin diese: Auch die Hamburger wollen ja künftig mit einem anderen Namen im Briefkopf ins Rennen gehen, wie wir seit einem Monat wissen. GmbH & Co KG statt AG & Co. KG heißt die Devise am Baumwall - eine Umwandlung, die es mit sich brachte, dass am 20. November zum letzten Mal der Aufsichtsrat von G+J tagte. Mit dieser Sitzung (siehe Altpapier) befasst sich nun wiederum Bilanz, also eine Zeitschrift der KgGA in spe, in ihrer Dezember/Januar-Doppelausgabe. Anlass für den Text: das Verkehrsmittel, das der im Kontrollgremium sitzende Bertelsobermann nutzte, um sich von Ostwestfalen an die Elbe zu beamen:
„Thomas Rabe (49) (...) war extra mit einem Firmenjet eingeflogen, einer zweistrahligen ‚Falcon 2000 Ex Easy‘, womit er ein wichtiges Signal für Modernität, Aufbruch und Elan gab. Mit Automobil oder Lokomotive ist die Strecke Gütersloh-Hamburg (Luftlinie: 213 Kilometer) für einen Mann seines Alters kaum mehr zu bewältigen. Ob er den Geländeteil zwischen Gütersloh und der Startbahn in Paderborn mit dem Hubschrauber überwand (denn per Schiff ist dies nicht machbar), diese Frage werden eines Historiker beantworten müssen.“
Interessant wäre ja noch zu wissen, wie die Kosten für den Flug des Firmenjetsetters intern verrechnet werden.
[+++] Ob sie bei den Kieler Nachrichten auch einen Firmenjet haben, ist nicht überliefert. Allzu schlecht kann es der Verlegerfamilie Heinrich aber nicht gehen, der jene 51 Prozent des Verlags gehören, die nicht im Besitz der Madsack-Gruppe sind. Die Heinrichs wollen nämlich zum 1. Januar 2015 27 Prozent der Lübecker Nachrichten kaufen - mit anderen Worten: jenen Anteil an der Zeitung, den der dortige Mehrheitsgesellschafter Madsack nicht hält (siehe meedia.de und dnv-online.de).
Moment mal, Kieler Nachrichten, war da nicht gerade was? Knapp zwei Wochen ist es her, dass der Verlag einen „Kahlschlag“ bzw. 38 Entlassungen beim Mutterblatt und der Tochter Segeberger Zeitung angekündigt hat. Die Betroffenen werden sich bestimmt darüber freuen, dass ihre zukünftigen Ex-Arbeitgeber weitsichtig an anderen Standorten investieren.
Für die große, große Madsack-Gruppe ist das alles natürlich eine prima Sache. Oder um es mit den Worten eines Experten zu formulieren, der das alles nicht so prima findet.
„Durch das Ausscheiden der bisherigen Minderheitsgesellschafter verschwindet eine für den Madsack-Konzern bislang ungeliebte Sperrminorität. Damit wächst die Macht des Madsack-Konzerns an der gesamten Ostsee-Küste erheblich.“
####LINKS####So zitiert meedia.de den zuständigen ver.di-Mann Martin Dieckmann. Die Formulierung „gesamte Ostsee-Küste“ erklärt sich dadurch, dass die Ostsee-Zeitung in Rostock, also einer weiteren Küstenmetrople, eine 100-prozentige Tochter der Lübecker Nachrichten ist. Details am Rande: Wenn alles so kommt wie geplant (das Bundeskartellamt muss noch zustimmen), könnten sich für KN und LN bei der Berichterstattung über die Region zwischen Kiel und Lübeck sog. Synergieeffekte ergeben. Außerdem wächst der Einfluss der Kieler in Mecklenburg-Vorpommern, wo ihnen jetzt schon 33,3 Prozent des in Neubrandenburg ansässigen Nordkuriers gehören.
[+++] Vom Wochenende nachgetragen sei noch eine Replik, in der es unter anderem um den heute schon erwähnten Verlag Gruner + Jahr geht: Jürgen Kalwa reagiert in seinem Blog American Arena auf einen vielzitierten und auch im Altpapier aufgegriffenen Offenen Brief, den die künftige Ex-Geo-Teilzeitredakteurin Gabriele Riedle an Julia Jäkel geschrieben hat. „Kann sich eigentlich jemand vorstellen, wie es ist, (...) in meinem Alter plötzlich vor dem Nichts zu stehen?“ hatte die 56-Jährige unter anderem geschrieben. Als realitätsblind, naiv und larmoyant kritisiert nun Kalwa Riedles Beschwerdewerk, wobei er in seinem Text auch Bezug nimmt auf einen Beitrag von Vera Bunse aka opalkatze:
„Freien Journalisten, die bekanntlich ohne Kündigungsfristen und ohne Betriebsrentenansprüche leben, wird bei solchen Texten immer ganz anders. Man fühlt sich ungerne, aber unweigerlich an mittägliche Hamburger Gespräche erinnert, bei denen es eigentlich um Themenideen gehen sollte, die festangestellten Redakteure jedoch lieber ihre Schwierigkeiten mit der ertragreichen Anlage der Gewinnausschüttungen thematisierten. Eine absurdere Welt kann man sich nicht ausmalen. Jedenfalls nicht als freier Journalist. Deshalb geht einem auch diese ‚Blauäugigkeit, nicht vorgesorgt zu haben‘, ab, über die sich zum Beispiel opalkatze wunderte. Ehrlich gesagt: Sie geht einem nicht mal nahe. Sie verstärkt einfach nur den Eindruck, dass da eine Generation ziemlich begabter Journalisten gerade sozialen Schiffbruch von einer epochenhaften Dimension erlebt. Eigentlich für alle vorhersehbar, bloß nicht – wir kennen das, es ist ein Klassiker – für die Insassen der Anstalt. Die fühlten sich bestens versorgt.“
Kalwas Empfehlung an die Kollegin:
„Nehmen Sie sich ein Handtuch und machen Sie es sich am Meer der Krokodilstränen bequem.“
[+++] Stefan Niggemeier ist aufgefallen, dass ARD und ZDF am Freitag den Appell „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ (siehe Altpapier) nicht erwähnt haben, obwohl doch einige recht prominente Unterschriftsteller dabei sind:
„Es geht ja hier (...) nicht um eine einzelne Meldung. Es geht um eine Gesamtsituation, in der ARD und ZDF seit Monaten in außerordentlichem Maße vorgeworfen wird, dass ihre Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine einseitig und gefährlich sei. (In welchem Maße diese Vorwürfe berechtigt sind, sei ganz dahingestellt.) Und nun gibt es einen Appell, der eben diese Vorwürfe wiederholt, unterzeichnet nicht von unbekannten Ins-Internet-Schreibern oder möglicherweise vom Kreml bezahlten anonymen Trollen, sondern von 60 teils prominentesten Persönlichkeiten.“
Dass das ZDF nicht eingegangen ist auf die Promi-Initiative, begründete dessen stellvertretenden Chefredakteurs Elmar Theveßen unter anderem damit, dass es ja kein „heute-journal“ gegeben habe an jenem Tag. Niggemeier dazu:
„Tatsächlich gab es kein ‚heute-journal‘, weil das ZDF an diesem Tag seinen stundenlangen Jahresrückblick mit Markus Lanz ausstrahlte, dafür aber nicht eine Folge von ‚Der Alte‘ ausfallen lassen wollte, sondern eben: das ‚heute-journal.‘“
[+++] Marie Marcks, die „Grande Dame der Karikatur“ (Deutschlandradio Kultur), ist im Alter von 92 Jahren gestorben. Die Süddeutsche Zeitung, bei der „sie von 1965 bis 1988 Stamm-Karikaturistin war“, hat zwei Nachrufe publiziert. Den für die Online-Ausgabe, aus dem das Zitat von eben stammt, hat Gerhard Matzig geschrieben:
„Sie hat die Verhältnisse entlarvend auf den Punkt und den Bleistiftstrich gebracht und mit ihren Zeichnungen erst etwas destruiert (das Gehabe, die Kulisse), um dann etwas daraus zu konstruieren - eine Vision von einer besseren Welt.“
In der gedruckten SZ von heute schreibt ihr Karikaturistenkollege Gabor Benedek:
„Sie gehörte in der SZ zu den ‚Politischen‘, die regelmäßig ihre gezeichneten Kommentare für die Meinungsseite ablieferten. Aber im engeren Sinne war sie mehr als eine politische Karikaturistin: Ihre Themenpalette reichte weit über die Tagespolitik hinaus. Sie, eine Mutter von fünf Kindern, war Generalistin und Gesellschaftskritikerin zugleich.“
Siehe dazu auch eine Würdigung zu Marcks‘ 90. Geburtstag, die Barbara Sichtermann vor zwei Jahren im Tagesspiegel geschrieben hat (die nun aktualisiert wurde). Dass Bednarek in seinem heutigen Nachruf schreibt: „Ihre Laufbahn als Karikaturistin für Zeitungen begann 1965 mit Beiträgen für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, den Vorwärts und das Satiremagazin Titanic“ - darüber werden sie sich beim letztgenannten Blatt bestimmt sehr freuen. Schließlich kann man den Satz auch als Aufwertung der historischen Bedeutung der Titanic verstehen, die es ja erst seit 1979 gibt. Wer wissen möchte, wie das Satiremagazin aktuell auf die Berichterstattung der Bild-Zeitung in Sachen Tugce (Bildblog, Altpapier) und auf eine karitative Rasur reagiert, der klicke hier.
Altpapierkorb
+++ Achtung, Thesen! Keine Angst, sind nur fünf. Und zwar zum Thema „Misstrauen gegen die Medien“. Zu finden bei der Tageswoche aus Basel.
+++ Warum beschlagnahmte die Steuerfahndung Köln gerade „Unterlagen in der Zentrale von Axel Springer“? Es geht dabei offenbar um Alice Schwarzers Tätigkeit als Autorin für die Bild-Zeitung (Focus Online).
+++ Über Nachwirkungen des Konflikts zwischen Reporter ohne Grenzen und dem Deutsche-Welle-Intendanten Peter Limbourg, der das Kuratorium der Organisation gerade verließ bzw. verlassen musste (siehe Altpapier), berichtet der Tagesspiegel. Aus Solidarität mit den Zielen von ROG treten der Journalistenvereinigung jetzt „massenhaft“ Redakteure der DW bei, weiß Joachim Huber.
+++ Ebenfalls im Tagesspiegel: Bernd Gäbler würdigt Hape Kerkeling anlässlich dessen 50. Geburtstags: „(Sein) Humor ist zu melancholisch, um ausschließlich Klamauk zu sein; zu genau, um Abgründe zu übertünchen; zu liebevoll für Arroganz. Obwohl er inzwischen als Bestseller-Autor reüssiert, ist und bleibt Hape Kerkeling aber ein großer Künstler der kleinen Form.“
+++ Hans Hoff findet offenbar den seit Mai amtierenden WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn schnafte. Den Eindruck erweckt Hoffs Text für die heutige SZ-Medienseite. „Im Sommer“, also praktisch übermorgen, werde es im WDR Fernsehen „14 Tage lang neue Sendungen geben, dann sollen auch die bestehenden Formate anders aussehen.“ Schönenborn verspricht laut Hoff „ein richtiges Feuerwerk“. Der Text ergänzt sich nicht schlecht mit einem wohlwollendem SZ-Porträt eines anderen WDR-Hierarchen.
+++ Ein Hinweis nicht zuletzt an die hochverdienten leitenden Angestellten des Medienjournalismus unter unseren Lesern: In einem gerade freigeschalteten Leitartikel der aktuellen Funkkorrespondenz geht es um den US-amerikanischen Serienmarkt. Franz Everschor schreibt: „Eine Betrachtung der US-Fernsehlandschaft – und sei es auch noch so kursorisch – kann nicht auskommen ohne einen Blick auf die wachsenden Produktionskosten und die zunehmende Bedeutung des globalen Markts. Die durchschnittlichen Kosten für die Herstellung einer Serie sind während der vergangenen fünf Jahre um 50 Prozent auf nunmehr 3 Mio Dollar pro Episode gestiegen. Eine hochrangige Produktion wie die Fox-Serie ‚Gotham‘ kostet bereits 4 Mio Dollar pro Folge. Ein solcher Aufwand kann nur durch weltweiten Verkauf amortisiert werden. Noch vor einem Jahrzehnt war das internationale Geschäft eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle, spielte jedoch im Planungsstadium nur eine untergeordnete Rolle. Die große Nachfrage nach amerikanischen Serien in europäischen Ländern und heute vor allem auch in China hat das Bild gründlich verändert. Inzwischen werden schon bei der Konzeption einer Serie Wünsche und Vorlieben potenzieller Einkäufer aus dem Ausland berücksichtigt.“
+++ Die FAZ erinnert auf ihrer Medienseite daran, dass die sog. Islamische Armee vor einem Jahr die syrische Bloggerin Razan Zeitouneh entführte. „Ihre Unterstützer hören nicht auf, ihre Freilassung zu fordern“, schreibt Markus Bickel.
+++ Die Islamische Armee ist bekanntlich nicht zu verwechseln mit dem Islamischen Staat, um dessen Medienstrategie es in der taz geht. „Der IS ersetzt seine militärischen Defizite durch eine eigene Bildstrategie (...) Man sollte das Geschäft nicht unterstützen. Ich glaube, das wäre auch möglich. Die Hinrichtungsbilder des IS könnte man beispielsweise ausbremsen, indem man die Bilder stärker verpixelt oder sie etwa in Schwarzweiß abbildet." Mit diesen Worten zitiert die Zeitung den „Kriegsfotografie-Forscher“ Gerhard Paul.
+++ Und in der Nord-Ausgabe der taz findet sich ein Porträt des Naturfilmers Oliver Goetzl. Disclosure: Es ist von mir.
Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.