Herren, die von ganz oben treten

Springer klagt wieder gegen den BND. Ein Zeit-Online-Autor macht sich über „ein kleines weißes heterosexuelles männliches Journalistendorf“ lustig. „37°“ wird 20, und „Zündfunk“ wird 40. Außerdem stellt sich eine auf den ersten Blick absurd anmutende Frage: Soll mehr Geld aus dem Rundfunkbeitragsaufkommen ans private Fernsehen fließen?

Super Frage, die das Europäische Journalismus-Observatorium da stellt:

„Wer hat die Macht über die öffentliche Meinung?“

Der Anlass, diese Frage aufzuwerfen: Der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger verteidigt ebd. mal wieder seine kritische Netzwerkanalyse über den „Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten“, die er gerade erst gegen die Kritik eines betroffenen Alpha-Journalisten verteidigt hat (siehe Altpapier). Nun argumentiert Krüger, warum sein Wissenschaftlerkollege Christoph Neuberger falsch liegt, der ihn im Medium Magazin (aktuell vom EJO republiziert) angegriffen hatte. Krüger wiederholt noch einmal seine in seiner Dissertation aufgestellte Forderung‚

„dass Journalisten – zumal leitende – keine Aufgaben in Beiräten, Kuratorien und vor allem in vertraulichen Politikplanungskörperschaften wahrnehmen sollten, wenn diese Tätigkeiten thematische oder personelle Berührungspunkte mit ihrem Berichterstattungsfeld haben“.

Die New York Times habe schließlich eine „ähnliche Regelung“ (PDF, Punkt 69).

[+++] Wie viel Macht die Geheimdienste über die öffentliche Meinung haben und hatten - diese Frage ist am vergangenen Wochenende mal wieder aufgekommen, als die Bild-Zeitung die nicht neue Information präsentierte, dass einer ihrer einstiger Top-Meinungsmacher, der langjährige Chefredakteur der Zeitschrift Kristall und vormalige SS-Hauptsturmführer Horst Mahnke im Nebenjob für den BND tätig war (siehe Altpapier). Nun will Springer den Geheimdienst 

„‚auf Herausgabe aller Akten verklagen, die den Verlag Axel Springer und den Verleger Axel Springer betreffen“.

Mit diesen Worten zitiert Michael Hanfeld auf der FAZ-Medienseite - und, Mittags-Nachtrag, mittlerweile auch online - den Bild-Redakteur Martin Heidemanns. Weiter heißt es in dem Text:

„Die 209 Seiten umfassende Akte zu Mahnke, die der Geheimdienst auf Antrag der Bild herausgegeben habe, sei unvollständig: ‚Es fehlen Treffberichte und Protokolle, die als Bezugsschreiben an anderer Stelle der Akte vermerkt sind. Einige Vermerke in der Akte wurden geschwärzt, einige Vorgänge komplett herausgenommen. Zudem fehlen Briefe und Dokumente aus dem Hause Springer, die Mahnke nach Angaben seiner Agentenführer dem BND zugespielt hat.‘“

meedia.de geht auf Springers Vorhaben ebenfalls ein. Nun hat die Bild-Zeitung ja bereits eine gewisse Routine, was Klagen gegen den BND betrifft, wenn es um unvollständige Akten über das Wirken ehemaliger Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamts geht. Denn: Eine weitere, ungleich wichtigere Akteneinsichtsforderung ist mittlerweile beim EGMH anhängig: Springers Leute fordern, dass der BND sämtliche Akten zu Adolf Eichmann freigibt. Bei den hiesigen Gerichten hatte der Verlag in dieser Hinsicht keinen Erfolg.

[+++] Michael Hanfeld ist heute mal wieder Held der medienjournalistischen Arbeit, denn er hat nicht nur den Text über Mahnke gezimmert. Er war auch noch europapolitisch unterwegs:

„Das Europäische Parlament bereitet einen Initiativ-Antrag vor, der die EU-Kommission auffordert, sich mit der Marktmacht von Suchmaschinenbetreibern zu beschäftigen. Als allerletztes Mittel sei daran zu denken, Geschäftsbereiche zu trennen, heißt es in dem Papier. Am Donnerstag soll der Antrag beschlossen werden, er darf auf eine breite Mehrheit aus den Fraktionen der Konservativen und der Sozialdemokraten hoffen.“

„Grenzen für Google“, lautet die Headline dazu. Die Berichterstattung über diesen „Initiativ-Antrag“, zu dem dem Handelsblatt-Kommentator Christof Kerkmann unter anderem die Begriffe „Populismus“ und „Ablenkungsmanöver“ einfallen, nahm ihren Anfang in Großbritannien.

[+++] Megakompetent wäre Hanfeld auch als Einordner der seit April vorliegenden Forderung diverser Landesmedienanstalten, „jährlich 60 Millionen Euro aus dem Topf der Rundfunkbeitragseinnahmen dafür aufzuwenden, dass die Verbreitung von Lokalfernsehen – vor allem auch per Satellit – gefördert werden kann“. Die Funkkorrespondenz greift den Vorschlag in einem Artikel über die ökonomische Krise des Regional-TV auf. Es geht wohlgemerkt um private Sender, die mit öffentlichen Geldern unterstützt werden sollen. In sehr weitem Sinne öffentlich-rechtliches Privatfernsehen gibt es auch jetzt schon, wie Matthias Kurp in seinem umfangreichen Artikel darlegt:

„Ohne öffentliche Förderung hätten beispielsweise weder in Bayern noch in Baden-Württemberg so viele Lokalfernsehstationen überleben können. Gefördert werden in der Regel Reichweitenmessungen, Digitalisierung oder die Programmverbreitung. Dazu werden Mittel aus den Etats der Landesmedienanstalten bereitgestellt, die wiederum aus einem Anteil (1,89 Prozent) des Rundfunkbeitrags finanziert werden (...) Die Landesmedienanstalten in Berlin-Brandenburg (MABB) und Mecklenburg-Vorpommern (MMV) fördern die Verbreitung der Lokal-TV-Programme bei der Zuleitung zu den Kabelverteilern und der Verbreitung über Satellit. Besonders gut meint es die bayerische Staatsregierung mit den größeren Lokalfernsehanbietern an 16 Standorten zwischen Aschaffenburg und Rosenheim: Die Landesregierung stellt nämlich einen zusätzlichen Betrag von jährlich bis zu 10 Millionen Euro aus Steuermitteln zur Verfügung."

####LINKS####Das sog. Schweizer Modell - im Nachbarland erhalten 13 Lokal-TV-Sender jeweils zwischen rund 2 und 3,5 Millionen Franken pro Jahr aus dem Gebührenetat - kommt in dem Artikel ebenfalls zur Sprache. Eine vergleichbare Debatte wünschte mal sich auch zur öffentlichen Förderung der lokalen Presse, welche gesellschaftlich ja wesentlich relevanter ist als das lokale Privatfernsehen - abgesehen davon, dass letzteres beispielsweise durchaus relevant ist in Ein-Zeitungs-Kreisen im Osten Deutschlands, also dort, wo man über die öffentliche Förderung von Zeitungen schon längst hätte nachdenken müssen.

[+++] Der Hashtag der Stunde? #Ulfharaldjanmatthias. Er bezeichnet eine Gruppe mittelalter Säcke (siehe Altpapier), die ein Problem mit Lann Hornscheidt und anderen haben, die nicht Professorin oder Professor, sondern Professx genannt werden möchte. Robin Detje hat sich für einen Zeit-Online-Text diesen Hashtag ausgedacht:

„Ganz Deutschland ist von lesbischen linken Spaßbremsen aus dem Multikulti-Lager besetzt – von Gender-Studies-Zicken, die sich nicht einmal mehr schön machen, wenn sie Fotos von sich ins Internet stellen. Sie wollen bestimmen, wie wir sie anreden, unseren Kindern die Geschlechteridentität wegnehmen und uns Männern verbieten, im Stehen zu pinkeln. Ein kleines weißes heterosexuelles männliches Journalistendorf hört nicht auf, Widerstand zu leisten. (...) Ulf und Harald, Jan und Matthias wollen wir die Dorfhelden nennen, weil sie das auch gerne so halten: Wenn irgendwo Frauen aufmucken, werden diese in ihren Glossen oder auf ihren Facebook-Seiten öffentlich zur Minna gemacht, mit Vornamen angekumpelt und hochschnöslig abgemeiert (...) Ja, die Herren treten gerne nach unten. Und zwar von ganz oben. Gemeinsames Karriereziel: Sich in einer Medienruhmblase im Alter endlich wieder die kleinkindlichen Allmachtsgefühle von früher gönnen, im Schaumbad gesellschaftlich sanktionierter Verantwortungslosigkeit.“

Aus Springers Welt, wo ein Viertel des Namensgebers von #Ulfharaldjanmatthias zu Hause ist, hört man aktuell moderate Töne zu Hornscheidts Wunsch, „geschlechtsneutral adressiert zu werden“. Der sei, schreibt Mara Delius,

„wissenschaftlich (...) weder überraschend noch originell; vergleichbare Bemühungen, Sprache zu neutralisieren, gibt es in der Linguistik seit mindestens vierzig Jahren. Hinter Hornscheidts Bitte um geschlechtsneutrale Anrede steht die praktische Umsetzung der eigenen Theorie, ein korrektes Sollerfüllen, dessen schlichte bürokratische Geste durch den sachbearbeiterhaften Klang der Bitte unterstrichen wird. Warum also die Aufregung über den Fall?“


Altpapierkorb

+++ „Kein Kommentar ist auch keine Lösung“, meint Dennis Horn im WDR-Blog Digitalistan. „Wir machen gerade einen großen Fehler. Wir als Medien drehen unseren Nutzern mehr und mehr den Saft ab.“ Das bezieht sich auf die Planungen von u.a. tagesschau.de und wdr.de, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.

+++ „Es gibt anscheinend Informationen" - so lautet die Headline einer taz-Kolumne, für die Deniz Yücel O-Töne von RT-Deutsch-Sendungen kompiliert hat.

+++ Ebenfalls in der taz: Bei der Konferenz des rechtsrandigen Magazins Compact, die hier am Montag bereits Thema war (und dessen Guru bei der englischsprachigen Russia Today ein gern gesehener Interviewgast ist), war die Presse ausgeschlossen, um die „Privatsphäre der Teilnehmer zu schützen“, wie Rainer Balcerowiak den Herausgeber des Magazins zitiert. Dieser soll darüber hinaus Journalisten, die sich „eingeschlichen haben“, mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht haben - was wiederum die bei der Konferenz anwesenden Kameraden „mit tosendem Beifall quittierten“.

+++ „Aiman Mazyek ist Sohn eines Syrers und einer Deutschen. Er ist in Aachen aufgewachsen und hat den Habitus eines gemütlichen Rheinländers. Mit der Türkei hat er nichts zu tun. Trotzdem wird der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland am Montagabend bei Plasberg gefragt, was er denn von der Aussage des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan halte, die Gleichstellung von Mann und Frau sei gegen die Natur'. Seine Antwort: ‚Meine Bundeskanzlerin ist Angela Merkel.' Was also geht ihn Erdogan an?“ - Friederike Böge in der faz.net-Frühkritik über die gestrige Sendung des Talkkrawallbruders Frank Plasberg, in der „mal wieder alles in einen Topf geworfen“ wurde.

+++ Ein weiteres Interview mit Christoph Bangert über seinen Kriegsfotoband „War Porn“ (siehe Altpapier) ist im Fotoblog der New York Times zu finden.

+++ Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) findet es nicht in Ordnung, dass die Bundespressekonferenz demnächst Sebastian Edathy eine „Bühne“ bietet: „Eingeladen wird, wer politisch relevant, wer interessant ist. Edathy ist unter diesen Aspekten ein ungewöhnlicher Kandidat. Er hat politische Ämter und Mandate aufgegeben (...) Es ist das Recht jedes Angeklagten, Vorwürfe gegen sich zu bestreiten, jedoch: Ist die Bühne der Bundespressekonferenz der richtige Ort dafür?“

+++ Die Bundestagsfraktionen der Grünen und der Linken haben einen gemeinsamen Antrag zur Abschaffung des Leistungsschutzrechts beschlossen (Digitale Linke, Internet-Law).

+++ Norbert Schneider schreibt für epd medien über die Halbzeitprogrammgestaltung bei Fußball-Übertragungen: „Es beginnt nach einem kurzen optisch-musikalischen Clip des Veranstalters (damit der Zuschauer weiß, an wen er bezahlt hat) mit einem Hinweis des Moderators, dass man gleich wieder da sei. Zum dritten oder vierten Mal zeigen sich dann die Sponsoren (...) Dann folgt eine Wiederholung des beliebten Gewinnspiels. Dessen Pointe ist nicht die wahnsinnig schwere Frage, sondern der federleichte Auftritt des Gewinns. Der wird auf eine Weise präsentiert, die ich für pure Werbung halten würde, wenn ich nicht wüsste, dass die Juristen der Sender, auf die es doch letzten Endes ankommt, das völlig anders sehen. Der Höhepunkt der Pause sind die Halbzeitnachrichten. Als habe der Himmel auch hier seine Hand im Spiel, gibt es an solchen Abenden nie mehr Nachrichten, als in zehn (nicht eher sieben? - RM) Minuten passen.“

+++ „37°“ wird 20, was für die SZ ein Anlass für einen Geburtstagsartikel ist. „Wir machen kein Themenfernsehen, wir machen Menschenfernsehen“, sagt der verantwortliche ZDF-Redakteur Peter Arens. Und Hans Hoff findet: „‚37°‘ kann durchaus mit großen Momenten aufwarten, auch wenn dies nicht mehr ganz so häufig der Fall ist wie in den jungen Jahren des Formats. Auf jeden Fall liefert die Reihe ein schönes Beispiel dafür, zu welchem Erfolg es führen kann, wenn man sorgsam mit Produkt und Platzierung umgeht.“ Es folgt ein Seitenhieb gegen die ARD.

+++ Noch ein Geburtstag: „Zündfunk“, die Jugendkultursendung des BR-Hörfunks, wird 40. Das BR-Fernsehen zeigt aus diesem Anlass den Dokumentarfilm „Zündfunk Radio Show". Julian Weber bespricht ihn in der taz.

+++ Eine Alternative für Dokumentarfilmfreunde: Teilweise parallel zur „Zündfunk Radio Show" läuft im WDR „Sound of Heimat“ (wolfsiehtfern.de)

+++ arte präsentierte am Montag in Hamburg sein Programm für 2015. Alexander Krei (dwdl.de) und Steffen Grimberg („Zapp“-Blog) waren dabei.

Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.