Die dummen Löwen

Ist die Printbranche vergleichbar mit einem einbeinigen Raucher in der Endphase? Warum reagieren „mittelalte Säcke“ aus den Feuilletons so allergisch auf die Forderungen nach einem „feministischen Sprachhandeln“? Durfte RTL den sonntagabendlichen Espressotrinkvorgang des Weltmeistertrainers unterbrechen? Außerdem: Gruner + Jahr macht seine Journalistenschüler zu 400-Euro-Jobbern. Der Datenschutzbehörde am deutschen Google- und Facebook-Standort fehlt es an Personal.

Zu den kleinen Paradoxien der heutigen Medienwelt gehört die Tatsache, dass in diesem schnellen Internet manche Texte erst dann neu sind, wenn sie nach Kriterien der Papiermedien schon halbwegs alt sind, dass sie also mit einer gewissen Verspätung noch einmal neu Verbreitung finden. Zwei instruktive Texte fallen heute in diese Kategorie. Zeit Online hat gerade ein Interview zugänglich gemacht, das Susanne Mayer für eine vor zweieinhalb Wochen erschienene Ausgabe der gedruckten Zeit mit dem Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch geführt hat.

Instruktiv ist das Gespräch im Übrigen, obwohl sich Mayer Stilblüten wie „In den Medien hatte Sexualität zuletzt eine schlechte Presse“ nicht verkneifen kann. Ihre Einstiegsfrage lautet:

„Lieber Herr Sigusch, in diesem Sommer, der so heiß war wie nie, haben wir in den Städten viel nackte Haut gesehen – ist das die lang ersehnte sexuelle Freiheit?“

Nein, meint der liebe Herr Sigusch:

„Ich sehe darin keine Freiheit. Es ist ein Gag. Das sind von den Medien aufgedrängte Tendenzen, die Leute mitmachen ohne Hintergedanken, weil es ‚in‘ ist. Es ist nicht sexuell und schon gar nicht erotisch.“

Eine weitere medien-, ja sogar selbstkritische Einschätzung Siguschs lautet:

„Das Sexuelle ist so gestaltet, dass es auf etwas angewiesen ist, das mit dem Kopf unerreichbar ist. Sie nannten es eben Trieb. Das wird zerstört durch die ständige Berieselung, selbst dadurch, dass wir beide jetzt so darüber reden.“

Über den „alten Herrn Brüderle“ (Mayer) und den #aufschrei unterhalten sich die beiden auch noch:

- „Frauen, die sich als Opfer positionieren, und Männer, die sie als prüde verhöhnen – ist das nicht der Sound der fünfziger Jahre?“
- „Das ist 1900. Das Alte wabert weiter (...) Wäre ich eine Frau, ich hätte dem Herrn eine Backpfeife gegeben. Die Sexualforschung weiß übrigens, dass ältere Männer, die anzügliche Bemerkungen machen oder sich auf Frauen stürzen, in aller Regel impotent sind.“

####LINKS####Geht es der FDP nicht schon schlecht genug? Muss nun auch noch ein Sexualforscher nachtreten? Ebenfalls schon länger verfügbar für die Käufer von Printerzeugnissen, aber brandneu frei im Netz: eine Kolumne Barbara Kirchners aus der aktuellen konkret über die Reaktionen, die Reformvorschläge in Sachen „feministischen Sprachhandeln“ auslösen, und zwar „nicht nur (bei) den üblichen Feuilletonsesselpupsern“:

„Es ist schon kurios: Da gibt es Leute, die kein Problem damit haben, dauernd Wörter und Wendungen zu gebrauchen, die sie erst seit ein paar Jahren, höchstens Jahrzehnten kennen: ‚online‘, ‚kompatibel‘, ‚Islamismus‘, ‚downloaden‘, ‚elfter September‘. Sie haben auch gefressen, daß manche Sachen heute anders heißen als früher: ‚Analyst‘ statt ‚Analytiker‘, ‚zeitnah‘ statt ‚bald‘ (...) Aber wenn irgendwer irgendwo vorschlägt, statt Mutter oder Vater lieber ‚Elter‘ oder statt Professorin oder Professor lieber geschlechtsneutral ‚Professx‘ zu schreiben, dann geht für diese Leute die Welt unter (...) Woher kommen Bestürzung, Wut, Empörung, Glossen, Witzchen und das Opfergetue mittelalter Säcke? (...) Das ist wirklich erklärungsbedürftig – denn die Erregten sind keineswegs wild rebellische Personen, die sich grundsätzlich nichts vorschreiben lassen, sondern die üblichen Deutschen (...) Rauben Staat und Monopole sie aus, dann stehen sie rum, als ob es sie nichts angeht, aber wenn sie nicht mehr so reden dürfen wie bisher, vor allem über Weiber, dann packt sie der Mut.“

Die „Feuilletonsesselpupser“ und „mittelalten Säcke“, die Kirchner meint, sind schon so oft im Altpapier erwähnt worden, dass man ihre Namen hier jetzt nicht noch einmal nennen muss. Der dritte Absatz ihres Textes - Stichworte: „Oberjournalist“, „Schimpanse“ - enthält im Übrigen ein Rätsel, das die Ausgekochtesten unter den Altpapier-Lesern möglicherweise zu lösen in der Lage sein werden.

[+++] Ein Sprung ans andere Ende des Meinungsspektrums: Der Konservative Jürgen Kaube, der das Magazin, für das Kirchner schreibt, wahrscheinlich nicht einmal mit Gummihandschuhen anfassen wird, hat fürs FAZ-Feuilleton eine Glosse über Bahn-Glossen, „eine der höchsten literarischen Gattungen“, verfasst, und die ist, um hier mal ein sehr altertümliches Wort anzubringen: köstlich.

„Nur selbst erlebte Zugausfälle zählen, nur am eigenen Leib erlittenes Fahrgastverhalten. Mittelwerte, internationale oder gar funktionale Vergleiche mit den Zumutungen alternativer Verkehrsmittel verbietet das Gattungsgesetz. Die Bahn-Glosse kennt keinen Durchschnitt, sie kennt nur das Schicksal des dem heteromobilen Transport ausgesetzten Individuums. Zugleich (erkennt) das glossierende Subjekt (...) in den vormittags Piccolöchen saufenden Kegelclubs und den Desorientierten, die ihren Sitzplatz nicht finden, weil sie vergessen haben, dass nicht nur die Plätze, sondern auch die Wagen Nummern haben, nicht die Artverwandten, wie sie auch außerhalb der Großabteile existieren, sondern Unvernunft, die nicht so handelt, wie es jederzeit auch allgemeines Gesetz sein sollte. Nur so, als Stellvertreter der Menschheit, entgeht das Bahn glossierende Ich schließlich der Rückfrage ‚Was willst du denn eigentlich?‘, wenn es sowohl Stuttgart 21 wie Verspätungen als unerträglich kritisiert, sowohl das eingeschränkte Angebot im Bordbistro wie im Angebotsfalle das Rührei aus dem Beutel. Als Einspruch gegen beides und überhaupt gegen jedwede empirische Nichteinlösung abenteuerlicher Erwartungen an Pünktlichkeit, Zugfrequenz, Streckendichte, gutes Englisch und frisches Rührei ist das also die Einrede der Vernunft und nicht bloß ein billiger Selbstwiderspruch.“

Mal sehen, wer demnächst die ultimative Glosse über Bahnverspätungs-Tweets schreibt.

[+++] Drei Seiten weiter im FAZ-Feuilleton (und, Nachtrag 12.20 Uhr, mittlerweile auch online): Hannah Lühmann berichtet über die Konferenz „Filme aus Ghettos und Lagern. Propaganda – Kassiber – historische Quellen“, die von Donnerstag bis Sonntag in Theresienstadt stattfand. Die Autorin fragt zum einen:

„Tragen die Propagandabilder aus dem Konzentrationslager Theresienstadt geheime Botschaften derer, die gezwungen wurden, diese Fotos zu machen?“

Und stellt am Ende fest:

„Wir leben noch immer mit den nationalsozialistischen Propagandabildern, jede einzelne Aufnahme aus dem Warschauer Getto beispielsweise ist mit dem Ziel entstanden, sie propagandistisch zu verwerten. Man vergisst das. Selbst das Bild von der berühmten Brücke, welche die beiden Gettoteile verbindet, ist ein Täterbild. Die Medienwissenschaftlerin Anja Horstmann analysierte in ihrem Beitrag eindrucksvoll, wie der Kontrast der Szenen von wohlhabenderen Juden und hungernden jüdischen Familien im Filmmaterial aus dem Warschauer Getto von 1942 den Eindruck einer dysfunktionalen jüdischen Gesellschaft erzeugen will, die sich selbst abschafft – hier wäre das filmische Festhalten gleichzeitig schon Gestus der Auslöschung.“

[+++] Dass „das Niveau der Medienberichterstattung“ zu den Krisen bzw. Kriegen in Syrien, Irak und der Ukraine „erschreckend dürftig“ ist und es „immer weniger Journalisten zu geben (scheint), die es für notwendig erachten, gründlich zu recherchieren und sich eine eigene und vor allem unabhängige und kritische Meinung zu bilden“ - allzu originelle Befunde sind das nicht. Und man mag - wie fast immer, wenn es um solche Art von Medienkritik geht - auch nicht jeder einzelnen Äußerung des Friedensforschers Lutz Schrader im Interview mit Telepolis zustimmen, aber folgende „Schwachstelle in der aktuellen Berichterstattung“ sei hier konkret erwähnt:

„Vor ein paar Tagen habe ich einen ziemlich entmutigten Timo Vogt im Radio gehört. Er war als freier Fotograf auf eigene Rechnung im Nordwesten Syriens unterwegs. Er hat dort Fotos von den Menschen gemacht, die nach entbehrungsreicher Flucht wieder in ihre Dörfer zurückkehren und unter schwierigsten Bedingungen versuchen, ihr Überleben zu organisieren (...) Zurück in Deutschland muss er nun feststellen, dass kaum eine Zeitung an den Fotos zu diesem Thema interessiert ist. Gefragt sind Bilder von martialisch aufmarschierenden IS-Milizen und ihren Gräueltaten (...) Man könnte nun hoffen, dass wenigstens die Recherche und Analyse über die Organisation ‚Islamischer Staat‘, ihre Ursprünge, ihre Führungsleute und -strukturen und ihre Geldgeber ‚auf der Höhe der Zeit‘ ist. Aber die ist mehr als dürftig. Die Entwicklung wurde nicht nur von der Politik, sondern auch von den Medien gründlich verschlafen.“

[+++] Neues aus der Kategorie Branchenkrisenbetrachtungsriemen: „Wie es sich dieser Tage anfühlt, ein Journalist zu sein“, beschreibt der Stern-Autor Thilo Mischke für den Blog Mit Vergnügen. Er liefert u.a. eine außergewöhnlich drastische Metapher für „Print stirbt“, nämlich einen

„Menschen, der jahrelang geraucht hat und nun einbeinig mit fiepender Lunge vor dem Krankenhaus Friedrichshain im Rollstuhl sitzt. Mit schwarzen Zähnen selbst gestopfte Zigaretten raucht. So fühlt es sich an. So sieht es auch aus.“

Vom Krankenhaus Friedrichshain geht es dann bald zum Verlagshaus am Baumwall, also nach Hamburg zu Gruner + Jahr:

„Ich sehe weinende Menschen. Höre tränenerstickte Stimmen in diesen Redaktionen. Weil diese Menschen etwas gelernt haben, was nicht mehr gebraucht wird. Täglich wird es ihnen gesagt. Täglich werden es weniger. Gerade jetzt erlebe ich es täglich (...) Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine alten Kollegen, und alt ist man offensichtlich schon mit Mitte vierzig, behandelt werden wie die dummen Löwen im Zoo.“

Nichts gegen Empathie, im Gegenteil. Aber phasenweise rutscht der Text ab in schwer verdaulichen Kitsch:

„Kollegen beim Bauer Verlag berichten von ängstlichen Zuständen. Von Furcht. Von Stille. Wir müssen nur ein Mal kurz überlegen, was dies bedeutet. Die Furcht vor dem leidsamen Tod des Journalismus, er verhindert das Leben von sehr vielen Menschen. Kinder werden nicht gezeugt, Pläne werden nicht geschmiedet, Ideen werden nicht entwickelt. Weil die Menschen Angst davor haben, dass das, was sie gelernt haben, zu einem Blog werden soll.“

[+++] „Dumme Löwen“ (Mischke) sind nach Ansicht der Zoodirektoren aber nicht nur die Alten und die Mittelalten, sondern auch die Jungen. Denn: Künftige Absolventen der Henri-Nannen-Schule bekommen statt 761 Euro künftig nur noch 400 Euro „Beihilfe“ im Monat. Christian Schweppe kommentiert bei Lousy Pennies:

„Wer mit 400 Euro im Monat ein Leben in Hamburg finanzieren muss, der wird bei allem Engagement, bei allem Idealismus immer eine finanzielle Last im Hinterkopf haben (...) Während der Ausbildung an der Nannenschule sitzt man dort 32 Wochen in Seminaren und 36 Wochen in den Redaktionen. Ein Nebenjob passt da nirgendwo rein. Es kann auch gar nicht der Anspruch Deutschlands renommiertester Journalistenschule sein, dass sich (sic!) ihre Schüler parallel zur Ausbildung kellnern müssen. Für eine Ich-Reportage vielleicht, Reeperbahn soll ja ein Abenteuer sein. Aber so dauerhaft?“

Hinzu kommt:

„Im 35. Lehrgang hatten alle Schüler ein abgeschlossenes Studium – Politik, Geschichte, Middle Eastern Studies. Sogar eine Medizinerin war dabei (...) Sie haben schon im Ausland gelebt und eine ganze Liste Praktika im Lebenslauf – genug 400-Euro-Jobs also.

[+++] Kein Mangel herrscht an weiteren Einschätzungen zur RTL-Berichterstattung über das EM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und Schottland (siehe Altpapier). Häufig geht es um die Sache mit Joachim Löws Espresso, etwa in der Funkkorrespondenz:

„Doch kaum stand er da, der Bundestrainer, und war auf das Getränk vor ihm, das auch kaum zu übersehen war, hingewiesen worden, wurde das Gespräch jäh durch eine mehrere Minuten währende Werbepause unterbrochen. Der Espresso war also eine Art von Cliffhanger, der die Zuschauer vor Spannung bibbernd und zitternd vor den Fernsehgeräten und damit vor den Werbespots von RTL halten sollte: Trinkt er ihn oder trinkt er ihn nicht?“

Das Gespräch bekamen die Zuschauer dann nicht live, sondern „als Konserve vorgesetzt“, wie meedia.de bemerkt, nachdem RTL zunächst das Gegenteil behauptet hatte. Matthias Kalle (Tagesspiegel) und Helmut Monkenbusch im Bildstörungs-Blog von TV Spielfilm weisen auf die bemerkenswert ehrliche Einstimmung des RTL-Moderators Florian König hin („Wünsche viel Spaß am Spiel und an unserer Inszenierung”). Kalle meint:

Bei RTL hassen sie Fernsehen. Anders ist das alles nicht mehr zu erklären. Die Vorberichte bestehen ausschließlich aus Schmonzetten-Trailern. Da gibt es gefühlige Musik, schnelle Schnitte, keinen Inhalt. Vom RTL-Show-Desaster ‚Rising Star‘ muss noch einiger technischer Schnick-Schnack übrig geblieben sein: Deshalb wurden überall hin irgendwelche Bilder ‚geworfen‘, ohne Sinn, ohne Verstand.

Kürzer gesagt:

„RTL zeigt, wie man Fußball besser nicht zeigen sollte“,

meint Michael Hanfeld (FAZ-Medienseite). Ralf Wiegand liefert für die SZ eher eine Art Metatext ab, er wundert sich über die Aufregung, die RTL ausgelöst hat:

„Spätestens, als RTL das Interview mit Bundestrainer Joachim Löw mittels eines Werbeblocks zerlegte wie der Metzger ein Schwein, wetterte das Second-Screen-Publikum auf seinen Smartphones gegen das Kommerz-TV. Als habe es 30 Jahre lang nie übers dritte Programm hinaus geschaltet: Werbung? Im Fernsehen? Igitt!

[+++] Umfangreich besprochen wird die dritte Staffel von „Mord mit Aussicht“ Mit differenzierter Euphorie (falls es so etwas gibt) fällt Uwe Ebbinghaus auf der FAZ-Medienseite auf. Erst einmal lässt er die Geigen klingen:

„Lokalkolorit, schillernde Figurenkonstellationen und großartiger Slapstick machen ‚Mord mit Aussicht‘ zu einer der besten deutschen Serien. Etwas Vergleichbares haben weder HBO noch die BBC zu bieten (...)“

Und nun die Einschränkung:

„Doch kann man auch nicht übersehen, dass die neue Staffel gelegentlich schwächelt. Vor allem die alte Detailfreude, die jede Einstellung zum Wimmelbild machte, fehlt immer häufiger.“

Eine hübsche Anspielung auf seine bildungsbürgerliche Bildung hat Ebbinghaus auch noch in petto:

„Lieber der Erste in der Provinz als der Zweite in Rom, haben schon Caesar und Strauß gesagt."

Apropos Provinz: „Sind wir nicht alle ein bisschen Hengasch?“, fragt Elmar Krekeler in der Welt. Konkret:

„Wenn einen irgendwann mal einer fragen sollte, was denn dieses Land im Innersten zusammenhält, könnte man zum Beispiel von Kunst reden und Kultur, Dichter erwähnen, Denker oder Götze. Man könnte aber auch Hengasch sagen. Wahrscheinlich würde man der Wahrheit über Deutschland näher kommen als mit allem anderen. Und das, obwohl es Hengasch natürlich gar nicht gibt. Hengasch, Eifel, Landkreis Liebernich, gibt es nur im Fernsehen. In der erfolgreichsten Serie neben dem ‚Tatort.‘“

Dass der „Tatort“ keine Serie ist, muss man als „leitender Feuilletonredakteur“, als der Krekeler firmiert, vielleicht nicht wissen.

Sehr zufrieden ist Jens Mayer (taz):

„Tatsächlich durchströmt den Ort (...) sogar ein Hauch der legendären US-Serie ‚Twin Peaks.‘"

Und erst recht Markus Ehrenberg (Tagesspiegel): „Da sitzt jeder Dialog“, findet er - und nennt als Beispiel:

„Flitterwochen? Haben wir ’ne Reiserücktrittsversicherung?“

Puh, wenn das gut sein soll, neige ich - ohne von den neuen Folgen eine gesehen zu haben -, dazu, Hans Hoff Recht zu geben, der in der SZ keine Verwandten kennt:

„(...) Der früher von Bjarne Mädel wunderbar begriffsstutzig angelegte Polizist Dietmar Schäffer, der großartige ‚Mann, Mann, Mann‘-Sager, die herrliche Karikatur eines Pantoffelhelden aus den früheren Staffeln, ist inzwischen nur noch die halbgare Karikatur einer Karikatur. Es fehlt sichtbar die Liebe zum Detail, es fehlt der Wille zum hintergründigen Witz, es wird nichts belegt, fast alles wird nur behauptet. Wenn sich da in den restlichen Folgen nichts ändert, kann die ARD einpacken. Sie hat ihrer Vorzeigeserie nämlich so ziemlich alles genommen, was sie einzigartig machte. Sie ist jetzt angekommen auf dem Niveau der unerträglich belanglosen Heiter bis tödlich-Schmunzelkrimis vom Lande – also genau dem, was ‚Mord mit Aussicht‘ nie war. Die Schmunzelkrimis liefen bisher in der sogenannten Vorabendhölle. Die hat sich ausgeweitet. Hölle in der ARD ist nun auch nach 20.15 Uhr.“

Eigentlich begann die Ausdehnung der Hölle in diesem Sinne aber bereits, als die ARD genuine Vorabend-Schmunzelkrimis in die Prime Time hievte.


Altpapierkorb

+++ Neues aus der Reíhe „Das Recht-auf-Vergessenwerden-Urteil des EuGH und die Folgen“ steht in Funkes Hamburger Abendblatt und in Springers Welt, also bei der Ex-Schwester, mit der das Abendblatt redaktionell noch kooperiert. „In 101 Fällen, in denen Google sich geweigert hat, dem Wunsch nach Löschung nachzukommen, haben deutsche Antragsteller den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar eingeschaltet. Allerdings konnten erst zwölf Eingaben bearbeitet werden“, schreibt Sascha Balasko im Abendblatt. Und in der Welt schreibt Sascha Balasko: „Hamburgs oberster Datenschützer Johannes Caspar schlägt Alarm. Angesichts der ständig wachsenden Aufgaben und der mangelhaften Ausstattung sieht er die Handlungsfähigkeit seiner Behörde in Gefahr (...) Caspar macht geltend, dass Hamburg Sitz von einer Reihe global operierender Internetunternehmen ist. Dazu gehören Google, Facebook und demnächst auch Twitter. ‚Dieser Entwicklung folgt die Personalausstattung der Dienststelle keineswegs. Im Gegenteil ist diese rückläufig und nicht länger auskömmlich", sagt Caspar.“

+++ Das Bundesinnenministerium ist - wir erwähnen das gern - im Prinzip natürlich unfehlbar. Das gilt indes nicht für jene Entscheider, die die Informationsfreiheit nicht so prima finden. Und die nun eine Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin in die Wege geleitet haben, das, wenn es rechtskräftig geworden wäre, den Journalisten Daniel Drepper die Rückerstattung von Akteneinsichtsgebühren beschert hätte.

+++ Anlässlich des 25. Todestages der Schauspielerin Jean Seberg („Außer Atem“) erinnert einestages daran, wie vom FBI munitionierte Klatschreporter daran mitwirkten, Sebergs Leben zu zerstören.

+++ Die Schließung der Abteilung Anzeigen-Innendienst bei der Hamburger Morgenpost „könnte auch eine Kündigung der (drei) Betriebsräte möglich machen“, die in dieser Abteilung tätig (meedia.de mit Bezug auf den Schwestertitel Handelsblatt). Einer, dem droht, dass er seinen Arbeitsplatz verliert, hat sich kürzlich Gedanken darüber gemacht, welche „Herausforderungen für die gewerkschaftliche ArbeiterInnenbewegung“ die „Umbruchphase“ im Zeitungsmarkt mit sich bringt.

+++ Möglicherweise erstmals im Altpapier: Mike Mohring, der Landtagsfraktionschef der CDU in Thüringen, über den die Thüringer Allgemeine schreibt „Zuletzt hatte (er) es in die Bild am Sonntag geschafft. Drei Seiten Streitgespräch mit der sächsischen AfD-Fraktionschefin Frauke Petry: Das toppte alles, was der Mann bisher in Massenblättern unterbrachte. Immerhin legte sich Mohring beim Gespräch in einem Leipziger Hotelzimmer nicht mit Petry ins Bett, wie es die Bild-Fotografen gerne wollten. Somit bilden auf den Fotos die aufgeschlagenen Decken nur die unerklärte Kulisse für das Paar, das sich weiter vorne sittsam bei Wasser und Kaffee gegenüber sitzt.“

+++ Nonfiktionales Fernsehen heute bzw. nach Mitternacht: Das Hamburger Abendblatt empfiehlt Julia-Niharika Sens Film „Die Hochzeit meiner indischen Cousine" aus der NDR-Reihe „Weltbilder Spezial“: „In ihrem Film geht es, durchaus heikel für jeden Journalisten, um die eigene Familie. Für (ihre) halbstündige Doku (...) begleitete (...) Sen die Liebesheirat der Bankerin Rupali, ihrer Cousine zweiten Grades, mit einem jungen Mann. Sie befragte deren ältere Schwester, die Lehrerin Sonali, die vor zwei Jahren ebenfalls geheiratet hat – einen Mann, den sie vor der Eheanbahnung nie gesehen und den die Familie im Internet für sie ausgesucht hatte. Und auch andere Frauen aus der Familie fangen an zu reden. Manche, wie die Großmutter der beiden Cousinen, unter vielen Tränen.“

+++ Und eine Art deutsches Radio-Spotify „ist bis Jahresende startklar“ (kress.de)

Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.