Giovanni di Lorenzo mag die Ericusspitzen-Spitze nicht übernehmen. DuMont bringt in dieser Woche eine Nachmittagszeitung für junge Erwachsene aus dem Jahr 1987 auf den Markt. In der FAZ war zwischen 2000 und 2009 über 2000 Mal von Neoliberalismus die Rede. Und das Kartellamt hat Post von Google.
Der Tag beginnt mit der neuesten Nachricht von der Ericusspitze, die da lautet: Giovanni di Lorenzo will Wolfgang Büchner nicht als Chef des Nachrichtenmagazins Der Spiegel beerben, sodass es eigentlich nichts Neues gibt: Wolfgang Büchner ist immer noch im Amt und der Spiegel weiter in Aufruhr.
Meedia, wo nachts Georg Altrogge mit der Meldung vorgeprescht ist, hat gleich drei Möglichkeiten im Angebot, weshalb alles beim Alten bleibt.
„So wird einerseits kolportiert, di Lorenzo sei vom schroffen Auftreten eines einzelnen Gesellschafters im abschließenden Gespräch irritiert gewesen und habe deshalb zurückgezuckt. Andere vermuten, der Zeit-Chefredakteur habe vor allem deshalb so lange mit dem Spiegel geredet, um seine eigene Position bei Holtzbrinck und womöglich auch die Ausgestaltung seines Zeit-Vertrags zu optimieren. Wieder andere behaupten, es liege in di Lorenzos Natur, seine Gesprächspartner nicht vor den Kopf zu stoßen, und er habe aus Rücksichtnahme auf die Not der von ihm geschätzten Gesellschafter nicht gleich mit einer klaren Ansage alle Brücken abgebrochen.“
Irgendwas davon wird schon stimmen. Mehr Klarheit hätte man vielleicht bekommen, wenn man di Lorenzo selbst befragt hätte – ein Punkt, der Meedia den Hass von Horizont einbringt:
„HORIZONT hat am Montagabend zwischen 20 Uhr und 20:40 Uhr allen beteiligten Parteien (Mitarbeiter KG, G+J, Jakob Augstein, Spiegel-Verlag, Giovanni di Lorenzo) detaillierte Fragen zum Geschehen geschickt, mit Bitten um Stellungnahmen – und hätte gerne die Antworten aller Parteien vor einer Veröffentlichung brav abgewartet. Doch so ein Zufall: Fast postwendend, zwei Stunden nach dem Verschicken der HORIZONT-Mails, ging ein Mediendienst mit einer Geschichte online, ohne Hinweise darauf, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. HORIZONT wird das weiterhin tun und die Stellungnahmen an dieser Stelle nachliefern, sobald sie eintreffen.“
Man reiche mir das Popcorn.
[+++] Dass deutsche Verleger darauf noch nicht früher gekommen sind! Diese jungen Leute, ####LINKS#### von denen man immer hört, dass sie lieber auf Facebook rumhängen, statt Printprodukte zu kaufen, die machen das nicht etwa, weil sie das Internet lieber mögen, oh nein. Sie machen das, weil Facebook auch für Spätaufsteher aktuelle Nachrichten bietet. Welch bahnbrechende Erkenntnis, die man bei M. DuMont Schauberg da gehabt hat, als man Xtra konzipierte – eine Zeitung, die ab Donnerstag mit 40.000 Exemplaren wochentagnachmittags in Köln auf den Mark gebracht werden und mit 50 Cent auch für die erstehbar sein soll, die ihr kompletten Geld bereits in das immer neuste iPhone investiert haben.
„,Xtra’ soll mit starkem Fokus auf Köln und das ,urbane Leben’ in der Stadt insbesondere die jungen Erwachsenen ansprechen. Begleitend zu den Nachrichten biete die neue Tageszeitung einen ,Kölnplan’ mit Veranstaltungsnavigator und Eventkalender und ,Kölnleben’ – eine Doppelseite mit allen Informationen für Freizeit und Ausgehen. Weitere Themenblöcke sind Sport, Mobilität und Digitales. Produziert wird ,Xtra’ von einem Redaktionsteam, das direkt der ,Express’-Chefredaktion untersteht. Auch das Magazin des ,Kölner Stadt-Anzeiger’ und die Online-Redaktionen des Hauses sollen Inhalte zuliefern.“
Schreibt Thomas Lückerath bei DWDL.
Wow. Veranstaltungsnavigator und Eventkalender plus eine Doppelseite für Freizeit und Ausgehen, und das alles in einer Zeitung am Nachmittag – klingt nach einem tollen neuen Angebot für Menschen, die noch nie im Internet waren. Blöderweise trifft das auf junge Erwachsene eher selten zu.
Vielleicht hätte man sich bei DuMont doch etwas mehr Zeit nehmen sollen, als man über die Zielgruppe für das neue Blatt nachdachte. Meint auch Thomas Knüwer in seinem Blog.
„Besonders bemerkenswert wird es, wenn die Werbung für ,Xtra’ die Zielgruppe auch noch beschimpft. Der Slogan ,Kölns erste Morgenzeitung für Studenten’ erinnert nicht nur an den Uralt-Witz von WDR-Moderator Claus-Dieter Haller [dessen richtiger Vorname Klaus Jürgen lautet, danke Twitter] ,Guten Tag, liebe Hörer. Guten Morgen, liebe Studenten.’ Nein, angesichts der Unzufriedenheit vieler Studenten über ihre zugeballerten Stundenpläne zeugt diese Werbung vor allem von der großen Distanz zu denen, die erreicht werden soll[en].“
Offenbar hängt der Verlag in einer Art Zeitschleife – eine Theorie, der auch Christian Meier von Meedia anhängt.
„Es wäre eine Freude, würde es tatsächlich einmal einem Medienhaus mit klassischem Hintergrund gelingen, eine Marke aufzubauen, die mit viel Know-how und guten Inhalten bei jungen Lesern funktioniert. Die Art und Weise aber, wie DuMont dieses Projekt ankündigt, lässt große Zweifel aufkommen. Allein der Hinweis, die Gestaltung von Xtra orientiere sich ,an der Ästhetik der Digitalen Welt’, spricht für sich.“
Nun könnten wir ein wenig über die Frage nachsinnen, woher man bei DuMont die Ästhetik der digitalen Welt kennt, wenn man offenbar eher selten ins Internet geht. Oder wir schauen kurz auf ein Angebot, dem es bereits gelungen ist, eine junge Zielgruppe zu erreichen: Buzzfeed, das seit der vergangenen Woche auch auf Deutsch verfügbar ist und dem sich heute Friederike Zoe Grasshoff auf der Medienseite der SZ widmet.
„Hat es der Leser nun mit einem Boulevardkanal oder einem journalistischen Produkt zu tun? Darauf die Chefredakteurin: ,Buzzfeed ist eine Website für Nachrichten und unterhaltende Inhalte, die gerne geteilt werden.’ Es gehe darum, ,das Beste des Social Webs zu finden und zu kuratieren’. Buzzfeed sei ein Unterhaltungskanal, mit dem sich Menschen von den schrecklichen Nachrichten in dieser Welt erholen könnten, aber: ,Es kann auch informieren und Weltgeschehen kommentieren.’“
Schneiden wir da doch noch mal kurz ein Statement aus dem Hause DuMont gegen.
„,Unser Ziel ist es, junge Menschen für ihre Stadt, aber auch mit einer relevanten Themenmischung für das Lesen von Zeitungen zu begeistern’, sagt Philipp Froben, Geschäftsführer des Medienhauses DuMont Rheinland.“ (Quelle: Pressemitteilung)
Buzzfeed will also Inhalte kreieren, die Leser so gerne mögen, dass sie sie mit ihren Freunden teilen, während DuMont Inhalte braucht, um Leser für Print zu begeistern.
Zum Symbol-Gif dazu bitte hier entlang.
[+++] „Das titelgebende Zitat Carl Schmitts aus dem Jahr 1958 zielte auf die vornehme Zurückhaltung und Gediegenheit der Frankfurter Allgemeinen, auf den ,alles lähmenden konformistischen Non- und nonkonformistischen Kon-Konformismus, dessen klassische, das heißt hundertprozentige Darstellung uns ebenjene Frankfurter Allgemeine Langeweile bietet’.“
So kann man in einen Artikel auch nur einsteigen, wenn man Professor ist und ziemlich sicher, dass die Studenten wissen, dass sie ohne die Lektüre nicht durch die Prüfung kommen. Bzw. lieber nicht durch spontanes Verlassen des Raums unnötige Aufmerksamkeit erregen wollen, denn ursprünglich war das Werk, das heute die Seiten 22 und 23 im Wirtschaftsteil der FAZ ziert, die Antrittsvorlesung von Peter Hoeres, Professor für Neueste Geschichte in Würzburg.
Dieser forscht derzeit laut der Website der Uni zur „Geschichte eines Leitmediums. Politischer Journalismus, Wirtschafts- und Kulturjournalismus und Geschichtspolitik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Wozu er nicht forscht, ist der bewusste Verzicht auf Fremdwörter zugunsten einer besseren Verständlichkeit. Was schade ist, denn so erreichen die Geheimrezepte der FAZ
(„Wodurch hat die Frankfurter Allgemeine den Leitmedien-Status erreicht? Eine Antwort und These sind die ,Fremden Federn’, die Kooptation führender Fachleute als ständige Autoren und Rezensenten, was wechselseitig das Renommee der Zeitung und die Reputation der Gelehrten steigerte.“)
und die lustigen Statistiken
(„Der Begriff [Neoliberalismus] wurde trotz seiner zeitweiligen Verwendung von für die F.A.Z. wichtigen Ökonomen wie Röpke und Rüstow zu Welters Zeiten auch kaum in der Zeitung verwandt: Zwischen 1949 und 1959 wurden Komposita des Begriffs ganze einundfünfzigmal, 1960 bis 1969 neunundsiebzigmal und in der Dekade 1970 bis 1979 vierundneunzigmal in der Zeitung gebraucht. Erst mit der zweiten Karriere des Begriffs tauchte er seit den neunziger Jahren auch verstärkt in der Frankfurter Allgemeinen in seiner neuen Unschärfe auf, zwischen 2000 und 2009 über zweitausendmal.“)
nur Menschen, die sich vom konformistischen Non- und nonkonformistischen Kon-Konformismus nicht abschrecken lassen.
+++ Google hat dem Kartellamt geschrieben, damit dieses offiziell feststellt, dass es nicht handeln wird, berichtete schon gestern als erstes faz.net. „,Das Bundeskartellamt hat wiederholt öffentlich erklärt, dass es ein kartellrechtliches Vorgehen gegen Google beim Leistungsschutzrecht für nicht erforderlich hält. Die VG Media erweckt jedoch weiterhin den gegenteiligen Eindruck’, sagte ein Sprecher des Unternehmens. ,Wir haben deshalb beim Bundeskartellamt beantragt, seine Entscheidung nun auch formal zu treffen.’” +++
+++ Die Website der deutschen Wired sieht gerade (8.50 Uhr) eher noch nach Baustelle aus; die heute erscheinende Print-Ausgabe ist jedoch rechtzeitig fertig geworden. Die taz hat sie sich schon mal angesehen und recht viele Anzeigen entdeckt. +++
+++ Sie wollten auch schon immer mal wissen, wann das losging mit der Skandalisierung der US-Politik? Matt Bai, langjähriger Chefkorrespondent des New York Times Magazines und Autor des nun erschienenen Buchs „All the Truth is Out. The Week Politics Went Tabloid“ weißt die Antwort: Im Mai 1987 war es, als der US-Senator Gary Hart in einer Pressekonferenz zu Ehebruch befragt wurde. „Die moralische Integrität hat zuvor keine Rolle gespielt, um die Regierungsfähigkeit eines Kandidaten zu beurteilen. Die Affären von Franklin Roosevelt, John F. Kennedy oder Lyndon B. Johnson waren allen Journalisten bekannt, aber sie blieben tabu“, meint Bai in der Rezension des Buches, die heute auf der Medienseite der SZ zu finden ist. +++
+++ Auch in der Slowakei ist Zeitungskrise. Nun hat eine Investmentholding 50 Prozent eines Verlagshauses gekauft, in dem die kritische wie investigative Tageszeitung Sme erscheint. „Journalisten fürchten um ihre Unabhängigkeit, politische Kommentatoren sehen den Meinungspluralismus im Lande bedroht“, schreibt Karl-Peter Schwarz heute auf der Medienseite der FAZ. Auf der sich zudem noch Platz für zwei Rezensionen fand: Empfohlen wird die „37 Grad“-Doku über Massentierhaltung, die heute Abend im ZDF läuft („Das Erstaunliche an diesem Film ist, dass er so nah an die Tiere in den Masthallen herangeht und so lange bei ihnen bleibt, bis jeder Laie gesehen hat, dass es ihnen nicht gutgeht. (...) Das Filmteam bekam nur Zutritt zu den vorzeigbarsten Betrieben der konventionellen Nutztierhaltung, und Karremann gibt seinem Film dennoch die Chance, die Perversion des Systems sichtbar zu machen, indem er die Bilder für sich sprechen lässt.“). In Michael Hanfelds Besprechung der nun bei Vox laufenden US-Serie „Dracula“ kommt der Begriff „ganz nett“ vor. +++
+++ Unternehmerischer Journalist sein oder nicht sein, darüber wird derzeit bei Carta diskutiert (Altpapier). Nach Julian Heck und Stefan Aigner hat nun auch Hardy Prothmann dazu eine Meinung, die da lautet: „Das letzte, was der Journalismus mit Blick auf die Zukunft braucht, sind Midia Öndreprenörschips, die nur Darsteller-Journalismus sind. Wenn die Branche sich erhalten und retten will, dann in der Rückbesinnung auf ein ordentliches Handwerk mit Qualitätssiegeln, die man aber dringend entwickeln und fördern muss. Systemübergreifend.“ +++
+++ Am Wochenende ist Peter Radszuhn verstorben, Musikchef des Berliner Radio Eins. „Weiterhören und wiederhören – Radszuhn hatte seine Antennen ständig auf Empfang. Sein überschaubar großes Büro im Potsdamer Radio-Eins-Gebäude war von Platten- und CD-Stapeln geprägt, im Auto lief Musik, zu Hause sowieso. Eines seiner Wochenendrituale bestand darin, eine Platte aus seiner großen Sammlung zu ziehen, sich vor die Boxen zu setzen und noch mal ganz genau zuzuhören.“ So erinnert der Tagesspiegel an ihn. +++
+++ Zum Abschluss noch ein Nachtrag vom Wochenende für die Kunstfreunde unter uns: Zehn Meisterwerke der zeitgenössischen Bahn-Fotografie bei tagesschau.de. Erst recht an Tagen, an denen die Bahn mal nicht streikt, ein Genuss. +++
Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.