Eine Google-Suchanfragen-News. Die Ranking-Show-Skandale beginnen fast schon zu langweilen. Wie sowohl russland- als auch ukraine-kritische Inhalte aus dem Netz verschwinden (bzw. gar nicht erst auftauchen). Außerdem: Eingebettet bei der wohl schlimmsten Terrororganisation; süße Europäer im Silicon Valley.
Einen alle Rankingskandale überstrahlenden Riesenhit hat die ARD mit ihrer "Tagesthemen"-Hommage an Robin Williams gelandet. Bild.de wie faz.net sind ganz begeistert, wie Caren Miosga "breitbeinig ... auf dem Pult im 'Tagesthemen'-Studio" stand. Die Original-Filmszene stellt heute auch das Foto auf der FAZ-Titelseite (nicht das nebenstehende). Und bevor jemand Böses denkt: Der sympathische Möbelhersteller, der der FAZ regelmäßige Werbeeinnahmen beschert, indem er täglich neben dem Zeitungskopf wirbt, preist heute kein Pult an, sondern den Eames Lobby Chair.
Aus dem gleichen Kontext stammt auch die aufschlussreichste Meldung der jüngsten 24 Stunden, die die Internetpioniere von Spiegel Online aufgespießt haben:
"Die aktuellen Trends von Google zeigen, dass im Netz offenbar Verwirrung herrscht: In Deutschland zum Beispiel suchten die Nutzer in Deutschland am Dienstag am häufigsten nach Robin Williams - doch gleich auf Platz zwei folgt Robbie Williams, dessen Namen ebenfalls den ganzen Tag über oft ins Suchfeld eingegeben wurde."
Haben besorgte Nutzer, denen schließlich laufend aus vielen Kanälen News um die Ohren fliegen, Robin mit Robbie Williams verwechselt? Das und noch mehr gibt's auf ca. 19 Zeilchen hier. Dass Nachrichtenredakteure des Spiegels oder der DPA, beide ja Wolfgang-Büchner-geprägt, Nachrichten generieren, indem sie stundenaktuelle Google-Such-News scannen, sollte man jedenfalls im Hinterkopf haben.
[+++] "Wer käme sonst auf die Idee, einen Film über Ziegel zu machen?"
Fritz Wolfs Harun-Farocki-Nachruf aus dem epd medien-Tagebuch steht jetzt frei online. Er ist nicht bloß auch noch nach ein paar Tagen (v.a. gab's Farocki-Nachrufe ja am 1. August) lesenswert, sondern überdies ein guter Kompass, um durch die tagesaktuell trübe Szenerie der Medien im engeren Sinne und inländischem Tellerrand zu steuern. Z.B.:
"Die Entfremdung von Autor und Medium [dem Fernsehen; AP] war systemisch. Kaum einer passte weniger in Schemata und Formate. Seine Filme waren immer so lang wie sie sein mussten ...",
schreibt Wolf. Was ebenfalls längst systemisch ist:
"Der Betrug war doch systemisch, im öffentlich-rechtlichen System",
so der Tagesspiegel unter der Überzeile "Passend gemacht III, IV und V". Es wird bereits langweilig. Nach dem ZDF und dem NDR mussten auch WDR, HR und RBB zugeben, dass sie bei "Beste"/ "Beliebteste"-!-Fernsehsendungen geschummelt/ manipuliert/ betrogen haben. Bloß der SWR will nicht manipuliert haben. Dazu bewegt der Hinterkopf natürlich die Info, dass auch der RBB demselben Tsp. vergangene Woche noch mitgeteilt hatte, bei ihm habe es es nach derzeitigem Stand keine Manipulationen gegeben. Und dann musste (was Tsp.s Joachim Huber offenbar zum wütenden Tweet von einer "öffentlich-rechtlichen seuche" veranlasste) Heiner Heller, Programmbereichsleiter "Neue Zeiten" (schöne Namen, jeweils), doch welche einräumen:
"2013 stimmte bei den beiden 45-minütigen Sendungen '21 Dinge, die man in Berlin erlebt haben muss' und '21 Dinge, die man in Brandenburg erlebt haben muss' die ausgestrahlte Reihenfolge nicht mit dem Abstimmungsergebnis überein."
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Zumindest den Titeln nach haben diese Shows ja die gestern von Matthias Dell hier erhobenen Einwand, "dass Hierarchisierung voll 20. Jahrhundert ist" beherzigt. Ohne pseudo-partizipative Rangfolge Abstimmung scheint es dennoch nicht abgegangen zu sein. [Ich weiß aber nicht genau, wie, denn RBB-Unterhaltungssendungen anzusehen, zählt zu den Dingen, die man in Berlin und sogar Brandenburg eher vermeiden sollte.]
Quantitativ mehr her geben die Einräumungen des WDR, nämlich,
"dass die Redaktion bei zehn von insgesamt 111 Sendungen in den Jahren 2008 bis 2014 in die Reihenfolge eingegriffen hat, weil das Online-Voting entweder verzerrt war oder nicht zu klaren Ergebnissen führte."
Das vermeldete die Anstalt unter der Überschrift "Ranking-Sendereihen künftig ohne Online-Voting", die sich notorische Freunde der deutschen Sprache auch auf der Zunge zergehen lassen sollten. Zu den pittoresken Details gehört (wenn die Details interessieren, spendieren Sie den Klick lieber dem nicht gebührenfinanzierten dwdl.de), dass für drei der "Beliebtesten Wanderwege in Nordrhein-Westfalen" im Sommer 2012 gar niemand votiert gevoted (gevotet?) hatte, sowie dass in der "Die beliebtesten Städte in Nordrhein-Westfalen"-Abstimmung im selben Sommer "gegen Ende der Abstimmung schlagartig und innerhalb kürzester Zeit 1.000 Stimmen für Wuppertal" diese Stadt "auf Platz 1" katapultiert hätten, woraufhin die "die Redaktion ... Wuppertal wieder ins Mittelfeld, wo die Stadt vor dem Auftreten der Häufung stand", versetzt habe. Wuppertal bleibt damit sechzehnbeliebteste Stadt Nordrhein-Westfalens. Unser Foto zeigt übrigens die durchaus liebenswerte Stadt, die später im Altpapierkorb noch mal vorkommen wird.
Erschütternder als die Zahl 10 (der zugegebenen WDR-Manipulationen) ist die 111, also die Vielfalt der "verzichtbaren Sendungen" (Programmstörer-Blog neulich). Einen verstörenden Titel-Überblick über die Ranking-Shows allein des NDR-Fernsehens hat Stefan Niggemeier zusammengestellt, der außerdem darauf hinweist, dass WDR und HR bisher ausschließlich Manipulationen bei Sendungen für ihren Dritten Programme, nicht aber ihren Produktionen fürs sog. Erste zugegeben haben. Dort bei der "Die beliebtesten Komiker-Duos der Deutschen"-Abstimmung könnte Bud Spencer und Terence Hill das Wuppertal-Schicksal widerfahren sein.
Bezeichnend in diesem Sinne, dass WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn, also der ARD-Zahlenfuchs schlechthin, lediglich ankündigte, dass "die Programmverantwortlichen ... nun an neuen Konzepten sowie neuen Auswahlinstrumenten und Kriterien für Ranking-Sendereihen im WDR Fernsehen" arbeiten. Also nicht etwa auf das ruinierte Sendungskonzept verzichten möchte, so wie das ZDF immerhin auf seinen "Deutschlands Beste!"-Unfug.
Am Rande: Einst war das Dritte des WDR der Sender, der Harun-Farocki-Filme, die so lang waren, wie sie sein mussten, koproduzierte und erstausstrahlte.
[+++] International sind die Probleme schwerer und größer. Und können auf seltsame Weise über den Tellerrand ins Inland schwappen.
Dass "die russische Medienaufsichtsbehörde auch international erfolgreich" ist, könnten Sie kürzlich im Altpapier (dieses TAZ-Artikels wegen) gelesen haben. Wie zuerst die Reporter ohne Grenzen berichtet hatten, geht diese Medienaufsichtsbehörde mit Namen Roskomnadsor gegen die Verbreitung von Meldungen, die ihr nicht genehm sind, auf ungewöhnlichen Wegen vor: Sie pflegt internationale Hosts ukrainischer Webseiten zur Löschung dieser Inhalte aufzufordern. Das wäre bloß skurril, wenn sie damit nicht sogar bei einem deutschen Unternehmen Erfolg gehabt hätte.
Nun hat Hetzner Online aus Gunzenhausen sich entschuldigt und betont, dass es "die Pressefreheit als ein weltweites Recht respektiere", berichtet Spiegel Online. Immerhin käme die Entschuldigung "zu spät". Das ukrainische Portal sei kein Kunde mehr, sondern "inzwischen mit dem kompletten Archiv der Seite aus Deutschland auf ukrainische Server umgezogen".
[Eigenwerbung am Rande: Dieses Gunzenhausen könnte durchaus eine der 250 interessantesten Städte Bayerns sein; J. D. Salinger war mal dort, und der der Verlauf des Limes, also des römischen Grenzwalls gegen die Germanen vom Anfang des ersten Jahrtausends, ist in die Straßen eingelassen ähnlich wie der der Berliner Mauer in Berlin]
Zurück zum Ernst: Darauf, dass ähnlich wie russlandkritische Inhalte manchmal aus dem Netz verschwinden, für ukrainische Beteiligte kritische Inhalte gar nicht erst auftauchen, macht nachdenkseiten.de aufmerksam. Dass der russische Fotoreporter Andrej Stenin (Twitter-Auftritt) in der Ukraine verschleppt worden ist, meldete die OSZE am Montag. Und obwohl die o.g. Reporter ohne Grenzen Stenin 2012 zu den oppositionellen Stimmen in Russland zählten, lässt sich
"... nicht ... auch nur die kleinste Pressenotiz in Deutschland dazu ... finden. Wohl finden sich aber deutsche Medien, die in der Vergangenheit Pressefotos von Stenin genutzt haben. Das nenne ich Solidarität unter Kollegen",
zitiert Albrecht Müller einen Leser. In der Tat, wer Stenin googlet oder besser startpage-t, findet auf deutsch ausschließlich Stimme Russlands-Beiträge, darunter dieses transkribierte Radio-Interview mit dem deutschen ROG-Geschäftsführer Christian Mihr, der u.a. sagt:
"Nach unseren Recherchen haben wir jetzt im Moment noch keine eindeutigen Belege von welcher Seite er entführt wurde, deswegen fordern wir im Fall Andrej Stenin, wer auch immer ihn entführt hat auf jeden Fall dazu auf ihn frei zu lassen, sofort und bedingunslos!"
[+++] Wenn wir bei der schwierigen Berichterstattung über internationale Konfliktherde sind: Über die Vice-News-Reportage "The Islamic State", für die sich der Reporter Medyan Dairieh drei Wochen lang bei der wohl schlimmsten Terrororganisation der Gegenwart einbetten ließ, hat gestern die Medienseite der SZ berichtet. Der Artikel steht inzwischen frei online; "bei Vice vertraut man darauf, dass sich das Gesagte selbst entlarvt - solange sich jemand traut, hinzufahren und zu filmen", lautet Moritz Baumstiegers Fazit.
Stimmt, meint nun Fridtjof Küchemann bei faz.net:
"So kalkuliert die Phrasen, Posen und Szenen auch sein mögen, die Dairieh filmen darf: Sie zeichnen doch nicht nur das Bild, das die Terroristen von sich zeigen wollen. Sondern in jedem Zögern vor einer Antwort, jeder Verlegenheitsgeste, jedem Beifallsgeschrei, das zuerst nicht laut genug erhoben wurde, vor allem aber in den hilfesuchenden Blicken der Kinder, wenn sie vor der Kamera ihre Parolen aufsagen, dass der Terror dieses radikalen Islamismus auch nach innen wirkt."
Wahrscheinlich ist das aber relativ:
"Harun Farocki wusste immer, dass ein Bild nicht einfach ein Bild ist. Sondern Kontext und Wahrnehmung und Interpretation und Haltung und Standpunkt" (Fritz Wolf nochmal).
+++ Heute auf der SZ-Medienseite: großes Claudia-Tieschky-Interview mit Max Schrems. U.a. sagt der österreichische europe-v-facebook.org-Gründer: "Im Silicon Valley, wo ich eine Zeitlang Datenschutzrecht studiert habe, war die Kernaussage: Die Europäer sind ja süß mit ihrem Datenschutz, aber wenn du dich nicht dran hältst, ist es auch egal. Ich war allerdings der einzige Europäer unter den Zuhörern." +++ Bonusmaterial im SZ-Feuilleton: Wie Facebooks "Sortiermechanismus" für "fast eine Milliarde Menschen auf der Welt" "ihr Weltbild" formt, "das Narrativ unserer Zeit" schafft. +++
+++ "Geradezu grotesk war das Verhalten des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TRT während des Wahlkampfes. Wie die Medienwissenschaftlerin Asli Tunc von der Istanbuler Bilgi-Universität auf der Online-Plattform 'The Conversation' vorrechnete, widmete TRT dem Kandidaten Erdogan in drei Wahlkampftagen fast neun Stunden Sendezeit. Die zwei Gegenkandidaten ..., Ekmeleddin Ihsanoglu und Selahattin Demirta?, kamen im selben Zeitraum zusammen nicht einmal auf vier Minuten." Der Tagesspiegel berichtet in dem Zusammenhang auch vom Rücktritt des Hürriyet-Chefredakteurs, bei dem offiziell kein Zusammenhang mit Kritik Erdogans bestehe. +++
+++ Österreich hat das neue spanische Leistungsschutzrecht als Vorbild entdeckt. "Wenn Webplattformen Inhalte von Medien kommerziell nutzen, sollen sie die Nutzung den Medien abgelten", lautet die Idee (Standard).+++
+++ Buntes Thema: Das Deutschland, das den Superstar sucht, wird immer größer. "Pietro Lombardi, der sich 2011 bei 'Deutschland sucht den Superstar' durchsetzte, war der bislang letzte Gewinner der Castingshow mit deutschem Pass" (dwdl.de), die letzte Gewinnerin hat einen polnischen, und jetzt wird u.v.a. auch in Tschechien gecastet (Tsp./ DPA, meedia.de). +++
+++ "Liebe Verbotene Liebe", leitet die TAZ einen "Abschiedsbrief" an die ARD-Daily ein, die dieses Jahr ja noch durchsenden, die 5000-Folgen-Hürde allerdings nicht mehr schaffen wird. +++
+++ Jens Müller lobt ebd. "3096 Tage", heute in der ARD zu sehen: "Dieser karge Film, den Regisseurin Sherry Hormann nach Natascha Kampuschs Autobiografie und einem unvollendeten Drehbuch des über der Arbeit daran verstorbenen Bernd Eichinger von ihrem Ehemann Michael Ballhaus hat fotografieren lassen, der sich zwar meist zurückhält, seine Exzellenz in einzelnen Einstellungen aber nicht verhehlen kann -, er lässt einen ratlos zurück." +++
+++ Lust auf eine scharfe Kontroverse? "Der Antisemitismus-Vorwurf funktioniert wie ein Bewegungsmelder. Jemand muss nur ein paar Reizwörter kombinieren, schon bekommt er ihn frei Haus geliefert. Geht es eigentlich überhaupt noch um Israel? Oder geht es vielmehr darum, das böse alte Lieblingstier der Deutschen an der Kette durch den Argumentationspark zu führen: eben jenen Antisemitismus, von dem ein Großteil der Publizisten, die derzeit das Vorgehen Israels verteidigen, mit der gewohnten Küchenpsychologie annimmt, dass er in jedem Deutschen schlummert und nur Anlässe wie den gegenwärtigen braucht, um sich loszureißen und auffällig zu werden?" Damit kritisiert Hilmar Klute im SZ-Feuilleton (S. 10) vor allem SPON-Prominente wie Georg Diez und Sibylle Berg ("Es reicht schon aus, wenn man in einem nüchternen Text Israel als handelnden und nicht nur reagierenden Akteur beschreibt, um von" ihr "lustvoll gekeult zu werden"). +++
+++ Noch mal Rankingshows: "In Zukunft nämlich, lässt die SWR-Sprecherin Anja Goerzel wissen, wolle man 'mehr zu redaktionellen Rankings übergehen'. Will heißen: Für Sendungen wie 'Unsere schönsten Badeplätze' erstelle dann gleich die Redaktion eine Rangliste (und, ergänzen wir an dieser Stelle: tut nicht erst so, als würde sie jemanden fragen)". Das glossiert die FAZ-Medienseite. +++
+++ "Happy auf dem Hopsy-Hügel" lautet die fröhliche Überschrift ebd. zu einem launigen Besuch im ZDF-"Fernsehgarten": "... Doch gesungen wird offenbar schon live: Die Söhne Mannheims zeigen sich ebenso stimmgewaltig wie Tony Christie ..., der sich als echter Entertainer erweist: 'Hey, Las Vegas, the devil gave us to you / One Of these days I’m gonna burn you down', singt er. Als Nächstes soll eine Band namens Mayonnaise & Cocktail Shrimps spielen. Doch nein, das ist ein Programmpunkt mit dem Koch Armin Roßmeier. Auch er ist sehr, sehr blond." +++ Außerdem wird auf der FAZ-Medienseite die Schauspielerin Julia Koschitz ("gilt als Spezialistin für das zarte Spiel") interviewt. +++ Und ebd. eine Meldung zur Zeitschrift talwaerts aus Wuppertal (siehe dieses Altpapier): "Eine lokale Wochenzeitung, sechzehn Seiten in Farbe, ohne Werbung, unabhängig, zum Preis von 1,90 Euro - kann das gutgehen? Mit einer verkauften Auflage von neunhundert Exemplaren sicher noch nicht, doch Jan Filipzik und Florian Schmitz ... sind zuversichtlich, dass es in der Schwebebahn-Stadt ein Publikum dafür gibt." +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.