Was zeichnen Greser & Lenz? Wann sprachen Wolfgang Büchner und Christian Wulff miteinander? Wann performt der Alt-Bundespräsident bei Illner? Wann startet Netflix denn endlich (und was ist das eigentlich noch mal)? Und kann man Volker Herres abwählen?
Heute in der FAZ auf Seite 4: eine neue Greser-und-Lenz-Karikatur, die die überschaubare Lustigkeit der zwischen Netz und FAZ (Altpapier gestern, TAZ heute mit der Faustregel "Stur stellen ist der Katalysator eines jeden Skandals") derzeit debattierten, womöglich rassistischen Landarzt-Karikatur nun aber mit ebenso biederem, eindeutigem Antifaschismus verbindet, ohne irgendwen zu provozieren, außer vielleicht ein ganz bisschen Beate Zschäpe. Sie steht auch schon online.
Hat sich denn die angeteaserte faz.net-Redaktionskonferenz mit der Sache befasst? Jawohl, und das Ergebnis hat die Redaktion vorbildlich transparent in den Folgen (1/2) und (2/2) vertwittert. Darüber, ob für Formulierungen wie die, dass die Karikatur "von einigen als rassistisch empfunden" bzw. "so missverständlich aufgefasst" worden sei, kluge Köpfe das Tweet-Format mit viel Überlegung ausgereizt haben, um sich ausschließlich von den Reaktionen und überhaupt nicht von der Karikatur und deren eigener Einschätzung zu distanzieren und/ oder um einfach möglichst viel Subtext in 140 Zeichen (bzw. sind's 118 und 127) unterzubringen, ließe sich ebenfalls nachdenken, wenn bloß nicht hunderte Baustellen genau so nach Aufmerksamkeit schrieen.
Was sich jedenfalls merken lässt: "Der Fachbegriff zu diesem Tweet ist übrigens 'Nopology'" (Martin Pittenauer, auch bei Twitter). Ist ja schön, dass die FAZ ihre alten Karikaturisten nicht in die Wüste schickt, bloß weil sie gerade so weit vom Zenit ihres Schaffens entfernt sind.
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[+++] Ganz Deutschland debattiert außerdem über das große Christian-Wulff-Interview im aktuellen Spiegel, in dem der Alt-Bundespräsident "auf gefühlt 2000 Seiten" (Altpapier vom Montag) u.a. das komplexe Bild von den Medien als "Jagdgesellschaft" bemüht. Wer ist nicht bereits gespannt, ob meedia.de im "Cover-Check" feststellen wird, ob das Magazin mit dieser Titelstory gepunktet haben oder abgestürzt sein wird?
Faustdicke Überraschung jetzt: Das Interview ist schon recht "abgehangen" (was als Metapher ja ebenfalls der Sphäre der Jagdgesellschaften bzw. des Wildbrets entstammt). Also alt ist es:
"Das Interview wurde in derselben Woche geführt, in der Wulff sein Buch 'Ganz oben - ganz unten' präsentiert hat. Das war am 10. Juni",
schon wieder ewig her in unserer Epoche, in der die sog. Sauen (unglaublich, wie viele Jagdmetaphern immer noch durch die Sprache geistern! Was hat das zu bedeuten?) viertelstündlich durchs sog. Dorf getrieben wird. Den Zeitpunkt hat Ulrike Simon (Berliner Zeitung) einerseits aus der Hausmitteilung rückgeschlossen, in der nämlich im Zusammenhang von einem "Spargel-Essen", also einem der wenigen noch saisonalen Lebensmittel die Rede war, andererseits aber auch von der gewohnt großen Zahl von Spiegel-Mitarbeitern persönlich gehört, die ihr von neu aufgeflammtem internen Streit berichtet haben. Kern: Chefredakteur Wolfgang Büchner soll bestimmt haben, dass nicht "diejenigen Spiegel-Redakteure ..., die für die damalige Wulff-Berichterstattung verantwortlich waren", dieses neue Interview führten, was dann zu Fehlern der mit der Sache zumindest nicht eng vertrauten Interviewer geführt habe, z.B.:
"durfte Wulff unwidersprochen behaupten, Spiegel-Redakteure hätten in Hannover 'einer angeblichen Rotlichtvergangenheit meiner Frau hinterherrecherchiert'. Die mit der Berichterstattung damals betrauten Redakteure hätten richtigstellen können, dass der damalige Spiegel-Chef Georg Mascolo ausdrücklich angewiesen hatte, in dieser Sache nicht zu recherchieren".
Zu den Interviewern gehörte bekanntlich auch Büchner selbst. Dass außerdem "keiner der Beteiligten ... gewusst" habe, "ob das Interview jemals autorisiert werden würde", macht die Sache noch seltsamer. Führen Spiegel-Chefredakteure inzwischen Interviews, über deren Autorisierung die Interviewten Wochen später beliebig entscheiden können?
Falls ja, hat Wulff womöglich mit Absicht die Freigabe in die Woche gelegt, an deren Donnerstag er (u.a. mit Heribert Prantl) bei Maybrit Illner auftreten wird. Schon wieder ein Fest für interessierte Jagdgesellschaften. [Nachtrag, 11.30 Uhr: vgl. auch Steffen Grimbergs Zapp-Blog-Glosse aus dem Juni]
[+++] Erst recht gespannt ist das ganze deutschsprachige Netz auf den Herbst, in dem endlich Netflix aus Los Gatos den deutschen Onlinemarkt entern wird (Altpapierkorb gestern). Einen Tick genauer will es dwdl.de wissen: "Im September ... im Umfeld der IFA" dürfte es soweit sein. Die BLZ ahnt schon den Abopreis ("wahrscheinlich 8,99 oder 9,99 Euro" pro Monat). Und auch der Tagesspiegel hat den Anschein einer kleinen Exklusivinfo ("Deutschland wird zu einer Handvoll Ländern gehören, in denen Geschenkkarten in Geschäften verkauft werden sollen ...").
Womöglich eine raffinierte Strategie, willige Medienmedien noch mehr zu Werbeträgern zu machen als sie ohnehin immer sind, wenn sie Innovationen cooler kalifornischer Konzerne verkünden. Womöglich hat der "sehr aufgekratzte Niederländer" sowie Netflix-"Director Corporate Communications" Joris Evers, als er kürzlich "ein bisschen durch Deutschland gereist" ist, jedem Gesprächspartner ein bisserl was Exklusives gesteckt, während er "viel sprach und eigentlich nichts sagen wollte" (Katharina Riehl in der Süddeutschen). Dieser Artikel ist insgesamt der informativste heute; die Pointe aller aktuellen Netflix-Artikel bleibt dennoch die, die schon vor zwei Monaten bei einer der vorigen Netflix-Artikel-Wellen vorherrschte, also dass das deutsche Netflix anfangs ausgerechnet die allerlegendärste Netflix-Serie "House of Cards" nicht im Programm haben wird, da die deutschen Rechte daran längt anderweitig verkauft worden sind.
[+++] "Letztlich wird Netflix die berechtigte Frage aufwerfen, warum die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr Qualität fürs Geld liefern" (BLZ), auch das schwingt natürlich in vielen Artikeln mit. Damit zur täglichen Öffentlich-Rechtlichen-Kritik.
Den größtgeschriebenen Aufreger ("Die 'Tatort'-Krise"/ "ARD kürzt trotz Rekord-Gebühren/ TV-Ermittler sauer auf Sender/ Weniger Folgen pro Jahr") hat die Bild-Zeitung hinter ihrer Paywall versteckt. Wer ist nicht schon gespannt, was meedia.de und Co dahinter hervor holen werden?
Ein echtes Kuriosum hat indes die Süddeutsche an Land gezogen:
"Es wird entsetzlich. Das unsägliche 'Quizduell' mit dem netten Herrn Pilawa sowieso, das wollen wir nur hui, schnell mal zwischendurch auf unseren Handys spielen und sonst nirgends und schon gar nicht moderiert. Nein, es wird entsetzlich am Abend ohne die 'Verbotene Liebe', eine der langlebigsten und gewiss originellsten aller Serien",
schreibt dort niemand anderes als die ehemalige oder womöglich noch aktuelle Literaturpäpstin Elke Heidenreich (bzw. "Elke Heidenreich, 71", wie die SZ ja stets beziffert). Intime Kenner der Daily-Soap, deren Einstellung Anfang nächsten Jahres gerade bekannt gemacht worden ist (siehe wiederum AP vom Montag), könnten wissen, dass Heidenreich als lange schon sehr bekennender Fan darin mal die Episodenrolle der "Detektivin Felizitas Haverdorn" gespielt hat (wie die SZ natürlich ebenfalls erwähnt). Könnte diese Detektivin nicht einfach in einem der entsetzlichen "Morden im Norden"/ "Heiter bis tödlich"-Schmunzelkrimis untergebracht werden? Oder in den "Garmisch-Cops", wenn das ZDF der ARD eins auswischen will oder Volker Herres wegen Heidenreichs letzten Sätzen "Kann man Fernsehdirektoren abwählen? Gibt es einen Quotenknopf dafür? Dann drück ich den jetzt mal eben" beleidigt sein sollte?
Die fundierteste Öffentlich-Rechtlichen-Kritik heute liefert wiederum dwdl.de.
In seinen unsäglichen Trailern hat das sog. Erste ja viel Werbung für die vielen Kinofilme gemacht, deren Rechte die Degeto auch immer einkauft, um sie im Sommer zu versenden. Selbst in vielen Halbzeitpausen der Fußball-WM-Spielen wurden die ohnehin verkürzten "Tagesthemen" noch weiter kürzer gemacht, damit der immergleiche "Sommerkino"-Trailer noch mal abgespielt werden konnte. Und nun lief am Montag der Roman-Polanski-Film "Der Gott des Gemetzels" im ARD-Programm:
"Doch das Gemetzel im Titel ... nahm der Sender offenbar etwas zu wörtlich: Noch bevor die letzte Szene zu sehen war, in die der eigentliche Abspann mündet, bekamen die Zuschauer einen Kurzabspann als Splitscreen serviert. ... ... Am Tag danach folgt nun die Entschuldigung: 'Am gestrigen Abend fehlte bei der Ausstrahlung von 'Der Gott des Gemetzels' tatsächlich die letzte Szene', sagte eine Sprecherin der ARD Degeto auf DWDL.de-Anfrage. 'Zurückzuführen ist das einen zu frühen beziehungsweise falsch angegebenen Ausstiegszeitpunkt. Wir bedauern das sehr'",
schreiben die Fernsehfüchse und Donnepp-Preisträger, die Fernsehen immerhin eben nicht in Showrooms oder auf Vorab-DVDs anschauen, sondern dort, wo es weh tut, sogar dann, wenn der Inhalt eigentlich gut ist.
Was sagt Volker_Herres, der auch in Onlinemedien versierte ARD-Programmdirektor bzw.: Was sagen die unter @Volker_Herres twitternden Kommunikatoren? Wir zitieren wörtlich bzw. zeichengenau:
"'Gott des Gemetzels', Sommerkino stark auch bei Jüngeren: http://m.spiegel.de/kultur/tv a-982349.html#spRedirectedFrom=www&referrrer="
Im Anschlussgeplänkel noch ein bei t-online ergoogelter Link mit derselben Entschuldigung. "We apologise for any inconvenience", automatisiert. Herres ist der Hartmut Mehdorn der ARD. Abwählen wäre schon gut.
+++ Das größte Überwachungs-Szenario heute zeichnet heute die FAZ-Medienseite. Stefan Schulz verknüpft in den coolen Applen-Geräten neu entdeckte Tools ("Jedes iPhone gibt sich im Netz, in dem es eingebucht wurde, zu erkennen. Befinden sich staatliche Behörden im selben Netz, haben sie Zugriff auf das Gerät. Edward Snowden hat wiederholt betont, dass jedes Telefon in eine Wanze verwandelt werden könne ...") mit dem "Canvas Fingerprinting" als einer "Methode zur Verfolgung der Online-Aktivitäten, die kaum noch ausgehebelt werden kann", von der hierzulande wohl Spiegel Online zuerst berichtet hat. Die Liste der Webseiten, die so etwas einsetzen (SPON-Vorspann: "die Website des Weißen Hauses und YouPorn, T-Online und Sex. com", ist hier bei kuleuven.be abrufbar, weil die Recherche von der belgischen Universität Leuven/ Löwen, der Princeton University sowie von Julia Angwin/ propublica.org geleistet wurde. +++ Für die SZ-Seite 1 hat Johannes Boie einen der deutschen Anwender angefragt: "Auf Anfrage bestätigte auch Ligatus, Tochterfirma des deutschen Verlags Gruner + Jahr, die sich um Werbung im Internet kümmert, mit der Technik experimentiert zu haben. Die Testphase sei mittlerweile beendet." +++ Schulz' FAZ-Fazit: "Es passt alles in die Beschreibungen von Edward Snowden: Wer das Internet nutzt, offenbart seine 'Muster des Lebens'. Fallen diese in ein Raster, folgen die Identifizierung der betroffenen Personen per 'Fingerprinting' und anschließend der Zugriff auf alle Daten. Da das Rechtssystem aber 'potentiell Betroffene' nicht sieht, bleibt als einziger Ausweg die elektronische Abstinenz." +++
+++ SZ-"Thema des Tages" mit zwei Artikeln auf S.2: Was Rupert Murdoch mit seinem europäischen Pay-TV-Konzern vor hat. Er sei "auch als Reaktion auf die Angebote aus dem Netz", also auf Netflix, zu verstehen. +++ Und wie es Murdoch so geht ("Inzwischen sieht er so alt aus, wie er ist"), nach der Trennung von seiner dritten Frau Wendi Deng, bei der Tony Blair eine Rolle gespielt haben könnte ("... 'Ich war schockiert', sagt Murdoch"). +++
+++ In Österreich, wo manchmal gute Fernsehserien entstehen, ersetzt Udo Kier den verstorbenen Gert Voss für David Schalkos Projekt "Altes Geld" (Standard aus dem April). Das berichtet auch die SZ. +++
+++ Ein ausführliches Stück zur womöglich größeren Affäre um die Haderthauers und die mutmaßliche Einschüchterung bayerischer Journalisten bringt Springers Welt. +++
+++ Auf der FAZ-Medienseite schildert Michael Hanfeld ein nach Deutschland reichendes, drastisches Beispiel russischer Online-Propaganda. +++
+++ Der Berufswunsch der 21-jährigen Krisztina Balogh, die "derzeit ein Praktikum beim WDR" macht und dann zuhause in Ungarn Journalistin werden will, ist der TAZ aus ethnischen Gründen Anlass für ein Interview. +++
+++ Die Serie "richtet sich eher an eine politikferne Zielgruppe. Sie ist auch als Belehrung für Jugendliche gedacht, die weniger Zeitungen und Bücher lesen. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat das Projekt inhaltlich begleitet. 'Zeit für Helden' soll für Stereotypen und Vorfälle gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sensibilisieren, über kontroverse Themen informieren und die positiven Effekte von Zivilcourage und Hilfsbereitschaft zeigen", macht der Tagesspiegel auf "Zeit für Helden" gespannt, das heute abend im Fernsehen startet ("RTL 2 habe als erster zugeschlagen") und dann auch in der Mediathek der BPB abrufbar sein wird. +++
+++ Offenbar eine "Klarstellung" hat der Spiegel von der TAZ wegen deren gestern erschienenem Artikel über die Geschichte der Gustl-Mollath-Berichterstattung verlangt. Wenn nicht der gedruckte Spiegel, so habe doch Spiegel Online schon früher über das Thema berichtet. [Wenn man den TAZ-Text jetzt liest: Erfordert der (Spiegel-Berichte referierende) Satz, "Mollath sei ein Messi gewesen, der überall Verschwörungen wittere ...", nicht auch eine Verbesserung, bzw. hat da jemand an, äh, Gaucho-Fußballer statt an Messies gedacht?] +++ Bzw. ist im Moment der ganze Artikel inkl. "Klarstellung" aus dem Netz veschwunden ... +++
+++ Die Zahl der Twitter- Follower als "Messlatte ..., um den tollsten Chefredakteur zu ermitteln", würdigt heute die TAZ-Kriegsreporterin, die außerdem Fußball-Analysen ihres alten Lieblings Patricia Riekel zitiert. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.