Das Thema des Tages lautet Fußball. Fußball. Fußball. Fußball. Und dann noch Fußball. Außerdem gehört das ZDF zu Deutschlands besten Ranking-Manipulatoren, die taz beweist Geschäftstüchtigkeit und Anke Engelke mag kein Fernsehen mit dicken Backen.
Es ist Montagmorgen, 7.05 Uhr, und die ersten zwölf Artikel auf der Startseite von Spiegel Online widmen sich dem Thema Fußballweltmeisterschaftsendspiel.
„1954. 1974. 1990. 2014!“ (Eine Art Schnellcheck des gestrigen Abends samt "Albtraum des Spiels", "Selfie des Spiels" und "Leerstelle des Spiels".)
„Der perfekte Mix aus Hurra und Hauruck“ (Kommentar)
„So feiern Löw und seine Jungs“ (Bildergalerie)
„Oh wie ist das schön" (WM-Newsblog)
„Deutsche Tugenden hätten nicht gereicht“ (Was Sportler, Trainer, Funktionäre und Joachim Gauck zum Weltmeistertitel sagen, nämlich vorwiegend „unglaublich“.)
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„Das ist die Krönung“ (Bildergalerie mit Einzelkritik der deutschen Spieler)
„Das ist die Härte“ (Bildergalerie mit Einzelkritik der argentinischen Spieler)
„Die schwarz-rot-goldene Partynacht“ (Falls man von diesem Artikel auf die Feierei in Deutschland schließen könnte, wäre sie vor allem eins gewesen: kurz.)
„Fast so viel Blut wie ein Schwergewichtskampf“ (Internationale Pressestimmen)
„....und am Ende in die Kabine" (Bildergalerie mit zehn Fotos, auf denen meist irgendwo Angela Merkel und Joachim Gauck zu sehen sind.)
„Götzeidank“ (Storify mit den schönsten Tweets zum Finale)
„Neuer bester Torwart, Messi bester Spieler“ (Manuel Neuer besitzt jetzt einen goldenen Adidas-Handschuh.)
(Falls eine der Überschriften nicht per passt, wenn Sie dem Link folgen, liegt das daran, dass diese gerade in Messigeschwindigkeit ausgewechelt werden.)
Man kann halt nicht genug Lesestoff anbieten zu diesem historischen Abend. Denkt man sich gerade auch bei sueddeutsche.de (In den ersten elf Artikeln auf der Startseite geht es um Fußball, plus einen Datencenter-Kasten, wie Stefan Plöchinger via Twitter ergänzt), focus.de (zehn – Highlighit: diese 137-teilige Fotogalerie), faz.net (neun) und stern.de (acht). Außer Konkurrenz laufen muss bild.de, wo man zur Feier des Tages die Fotos so groß gezogen hat, dass die Seite für Menschen mit 13-Zoll-Monitor völlig unlesbar ist.
Nur bei taz.de begnügt man sich mit zwei Artikelchen, was wiederum ganz gut zur ebenfalls auf der Startseite eingeblendeten Titelseite der aktuellen Printausgabe passt. Titelschlagzeile: "Wir haben ein jüdischen Ghetto geschaffen“.
Der Fluch des frühen Andrucks, selten trifft er einen so hart wie an Abenden, an denen Deutschland erst in die Verlängerung muss und dann Weltmeister wird. Aus Gründen der Fairness müssen wir mit der Wahl der Weltmeister-Schlagzeile nun jedoch bis morgen warten. Falls da überhaupt noch was kommt. Mit „Weltmeister“ (dafür haben sich SZ und Bild-Zeitung entschieden) und „Deutschland ist Fußball-Weltmeister“ (FAZ) ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.
[+++] Von einem Wettbewerb, bei dem vier Wochen lang immer wieder Mannschaften gegeneinander antreten mussten, um am Ende einen Gewinner zu haben, schwenken wir jetzt zu einem Wettbewerb, dessen Gewinner offenbar nach Küchenschluss in der ZDF-Kantine ausgewürfelt wurden.
Nun sind wir in Sachen Ranking-Shows vom Fernsehen durchaus üble Dinge gewohnt: „Die 30 tollsten Brandenburger Feste“, „Die beliebtesten Siedlungen in NRW", „Die beliebtesten Trecker Norddeutschlands“ – allein die Idee, hier eine Reihenfolge zu kreieren, ist schon gewagt. Gleiches gilt für den Versuch, herausfinden zu wollen, wer die 50 besten Frauen und Männer Deutschlands sind. Man stelle sich das vor: Da soll man in einer Show die 50 besten Männer Deutschlands ehren und weiß im Vorfeld, dass als Gäste nur der sogar von der Fifa als unethisch deklarierte Franz Beckenbauer und der dadaistische Twitter-Autor Claus Kleber zur Verfügung stehen.
Demnach ist es eigentlich wenig verwunderlich, dass das ZDF vor dieser Aufgabe kapitulierte und zwei durchgeführte Zuschauer-Votings ganz außen vor ließ und zudem das Ergebnis einer Meinungsumfrage manipulierte (ZDF-Pressemitteilung).
„Wenn Oliver Fuchs, der Unterhaltungschef des ZDF, die Sache mit dem ADAC ein bisschen verfolgt hat, fängt er vielleicht schon mal an, private Dinge aus seinem Büro in Kartons zu packen. Denn wer auch immer da konkret die Entscheidung getroffen hat, die Umfrage-Ergebnisse bei der Wahl von ,Deutschlands Besten’ zu manipulieren — die Verantwortung dafür liegt mindestens bei ihm.“
Schreibt der an der Aufklärung des Betrugs nicht unbeteiligte Stefan Niggemeier in seinem Blog.
Die Parallelen zum ADAC-Skandal haben auch Friederike Zoe Grasshoff und Katharina Riehl entdeckt (Medienseite der SZ vom Samstag):
„Wer sich die Mühe machte, abends in der Show bei Johannes B. Kerner auf der Couch zu sitzen, der sollte dann zum Dank auch einen ordentlichen Platz im Ranking bekommen. Der Gedanke an den ADAC, der das Ranking zu seinem Autopreis ,Gelber Engel’ nach Gutdünken auswürfelte anstatt sich an die Ergebnisse der Leserbefragung in der Zeitschrift Motorwelt zu halten, lässt sich da schwer vermeiden.“
Ähnlich wie beim ADAC ist auch für das ZDF die Sache mit dem manipulierten Preis nur ein Teil des Problems, analysiert Peer Schader in seinem stern.de-Blog. Sein Programm betreffend habe der Sender jegliche Orientierung verloren, meint er.
Der Tagesspiegel hingegen hat eine sehr genaue Linie erkannt: nämlich die konsequente Aufwertung von SPD- bei gleichzeitiger Abwertung von CDU-Politikern. Worüber sich, oh Ironie, die konservativen Mitglieder des ZDF-Fernsehrats (nur echt mit zu großer Nähe zur Politik, Altpapier) not so amused zeigen.
Womit wir zu Michael Hanfeld kommen, der sich eine solche Vorlage natürlich nicht entgehen lässt (FAZ-Medienseite heute):
„Dabei (Helmut Dietls Film „Late Show“, Anm. AP) ging es um einen privaten Sender, nicht um eine öffentlich-rechtliche Anstalt wie das ZDF, die von allen zwangsweise bezahlt wird, einen Auftrag zur ,Grundversorgung’ hat und deren Existenz von Verfassungsrichtern zuletzt wieder als höchste Form des Qualitätsjournalismus und kultureller Bildung gepriesen wurde – als monumentale Stütze der Demokratie. Die Realität sieht leider anders aus. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kennt kein System funktionierender ,checks and balances’. Viele Rundfunkräte, welche die Sender kontrollieren sollen, treten auf wie kleine Außenminister der Sender. In denen wiederum weiß die Linke nicht, was die Rechte tut, geht das Gebührengeld für die Altersversorgung drauf und nicht fürs Programm – es sei denn, es ist gerade Fußball-WM.“
Angesichts der allgemeinen Aufregung wird das ZDF wohl den ein oder anderen Kopf rollen lassen müssen. Wobei natürlich die Frage zu stellen ist, ob der Sender eigentlich alleine ist mit seiner Praktik des Ranking-Schönens.
Der böse Verdacht, dass Hessisch gar nicht rechtmäßig den ersten Platz der „Beliebtesten Dialekte der Hessen“ belegte, steht im Raum.
[+++] Von der taz hätte man am wenigsten erwartet, dass sie den amerikanischen Traum - vom Bettelknaben zum Immobilienmogul – lebt. Was sie nicht davon abhält, genau dieses zu tun. Am Freitag hat die Zeitung mit den legendär leeren Kassen ihre Pläne für einen Neubau in Berlin-Kreuberg vorstellt, womit sie dem Vorbild ihrer Leser folgt, die dort ebenfalls längst aus den muffigen WGs in luftige Eigentumswohnungen gezogen sind.
„Der Wettbewerb verlangte ,Gebäudeentwürfe mit hoher ästhetischer und funktionaler Qualität’, die dem ,Image der taz’ gerecht werden und das ,Standortprofil als Kreativquartier gestalterisch umsetzen’ sollen. Für solche Worte fliegen in Kreuzberg normalerweise Farbbeutel.“
Analysiert Gustav Seibt auf der Medienseite der SZ vom Wochenende. Auch angesichts der Finanzierung kommt er zu interessanten Schlüssen:
„Der Neubau, der samt den Grundstückskosten (der Berliner Liegenschaftsfond verlangt 2 Millionen Euro) knapp 20 Millionen kosten soll, soll mit einem Mix von Genossenschaftsgeldern (6,2 Millionen), öffentlicher Förderung (3,2 Millionen) und einem Darlehen (7,5 Millionen) finanziert werden. Da das alte Rudi-Dutschke-Haus, das dieses Jahr schuldenfrei wird, vermietet werden soll, kann man zusammenfassen: Die taz macht, was Kapitalanleger derzeit weltweit tun, sie investiert in Immobilien. Anderen Zeitungen hängen Neubauten wie Klötze am Bein. Die taz beweist mit ihrem Coup ein weiteres Mal beinharte Geschäftstüchtigkeit.“
Wie das Haus aussehen und wie ökologisch es werden soll, dokumentiert die taz in ihrem Hausblog. Meedia meint übrigens, in der Architektur das Berghain wiedererkannt zu haben.
+++ Zwei Fußball-Themen haben wir noch: Für den Tagesspiegel hat Markus Ehrenberg zusammengetragen, was er sich für die Übertragung der kommenden Fußball-WM wünscht, nämlich unter anderem weniger Apps mit Technikschnickschnack, weniger Kommentatoren-Kritik und keine Nachrichten in der Halbzeit. Und auf keinen Fall wieder einen WM-Club! +++ Die gestrige Titelseite der Bild am Sonntag war Wolfgang Michal deutlich zu martialisch, wie er bei Carta schreibt: „Die erhobene Faust, die verzerrten Gesichtszüge, die offenen Mäuler signalisieren: Wir zerschmettern Euch. Wir machen euch Angst. Manche würden die unverhohlene Aggressivität wohl ,Willenskraft pur’ nennen. Zusammen mit den jubelnden Fans und den 80,8 Millionen schlagenden Herzen bilden Özil und Müller einen Volkskörper. (...) Einen derartigen Missbrauch hat die sympathische deutsche Mannschaft nicht verdient. Zur Abkühlung sollten sich die Bildzeitungs-Leute drei Tage lang in die Eistonne stellen.“ +++
+++ Bis Ende des Jahres soll der Platz von Frank Schirrmacher als FAZ-Herausgeber neu besetzt sein, berichtet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und zitiert dazu Günther Nonnenmacher mit „Wir wollen keinen Redaktionsmanager. Aber auch keinen Großintellektuellen, der das Amt des Herausgebers als Nebenerwerb begreift und hauptsächlich seine Bücher verkaufen will.“ (Vorabmeldung) +++
+++ Was macht eigentlich... die Frankfurter Rundschau? Die Antwort findet sich heute auf der SZ-Medienseite. Bernd Dörries hat die Redaktion und ihre neue Chefin Bascha Mika besucht. „Wenn man hinter die Glastür mit dem Papierlogo tritt, sieht alles noch ziemlich behelfsmäßig aus. Im Büro von Co-Chefredakteur Arnd Festerling sind die Wände so weiß, als wäre er gerade erst eingezogen. In den Großraumabteilen liegen ein paar PET-Sprudelfaschen herum, die das Persönlichste sind, was man bei diesem Redaktionsrundgang sieht. Man könnte nun meinen, dass hier Menschen arbeiten, die jeden Tag mit ihrer Kündigung rechnen, mit dem Ende.“ So beschreibt Dörries die neuen Büroräume, in denen aber trotzdem irgendwie Aufbuchstimmung zu herrschen scheint. +++
+++ „Ich finde Fernsehen ätzend, das dicke Backen macht, das trickst und lügt. Deshalb gilt bei mir: alles sichtbar machen, nichts verstecken, keine Tricks. Mein Lieblingsbeispiel ist das Anklatschen nach einer Maz. (...) Ich hatte etwa die Dramatikerin Katja Brunner zu Gast, wir zeigten einen kurzen Film über ihr aktuelles Stück, es ging um Inzest, bittere Bilder . . . Warum sollte man da klatschen? Ich möchte, dass die Menschen in meiner Sendung die Chance haben, selber zu entscheiden, was sie tun. Ich bin ja von Haus aus Pädagogin und deshalb wahnsinnig didaktisch.“ Sagt Anke Engelke im Interview, das Volker Corsten mit ihr für die Medienseite der FAS geführt hat, unter anderem über ihre Sendung „Anke hat Zeit“. +++
+++ Wenn sie beim Sat.1-Frühstücksfernsehen mal jemanden brauchen, dem sie „Journalist“ in die Bauchbinde schreiben können, dann laden sie Claus Strunz ein. Denn irgendwas weiß Strunz zu allem zu sagen, sei es Uli Hoeneß, der ADAC oder ein 7:1 gegen Brasilien, schreibt Stefan Niggemeier in seiner FAZ-Kolumne am Samstag. Natürlich nicht, ohne auch zu erklären, was der freundliche Herr Strunz tatsächlich so regelmäßig im Studio von Sat.1 zu suchen hat. „Weil er als Chefredakteur von ,Bild am Sonntag’ und ,Hamburger Abendblatt’ einfach zu erfolgreich war, hat Strunz seit zweieinhalb Jahren eher unauffällig als Geschäftsführer des Bereiches TV- und Videoproduktionen bei Axel Springer gewirkt, was aber offenbar keine tagesfüllende Tätigkeit ist. Insofern war es für ihn ein Glück, dass Springer N24 gekauft hat und damit auch Maz & More, die Firma, die das Frühstücksfernsehen für Sat.1 produziert und die nun Strunz, wie es hieß, ,gewinnen konnte’, in die Geschäftsführung einzutreten und das Programm zu verantworten. Er wird in der Sendung aber vorerst weiter als ,Journalist’ vorgestellt und nicht als ,Chef’.“ +++
+++ „In seiner Kindheit hat Agel Menschen getötet. Zu fragen, wie viele es waren, erscheint taktlos. Das Trauma, dass das hinterlassen haben muss, sucht man in seinem freundlichen Gesicht aber vergebens.“ Saskia Hödl in der sonntaz über den Dokumentarfilm „Wir waren Rebellen – Krieg und Frieden im Südsudan“, der heute Abend um 0.10 Uhr im ZDF läuft. +++
Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.