Der Salat ist da

Jetzt geht doch noch was mit Leistungsschutzrecht: Für Google und seine Gegner beginnt ein langer Marsch durch die Institutionen. Facebook, das in Irland keinerlei Datenschutz-Ärger fürchten muss, könnte in Luxemburg welchen bekommen. Außerdem: Nix.

"Jetzt haben wir den Salat", kommentiert die Grünen-Politikerin Tabea Rößner. Das ist die bislang pointierteste Äußerung zur Mitteilung der VG Media, nun "die Anträge auf Zahlung einer angemessenen Vergütung wegen der Verwertung des Presseleistungsschutzrechtes durch Google" eingereicht zu haben. Der Text geht wirklich so (PDF).

Dieses Leistungsschutzrecht war einer der dicksten medienpolitischen Hunde der letzten Legislaturperiode, aber, nachdem es zum 1. August 2013 in Kraft trat (heise.de), erst mal in tiefe Vergessenheit geraten, weil niemand das ziemlich diffus formulierte Recht in Anspruch nehmen wollte.

Diese VG Media, die es nun doch tut, ist ein Zusammenschluss von 25 recht unterschiedlichen Medienunternehmen, der nach Angaben der Pressemitteilung insgesamt "138 Unternehmen der Verlagsindustrie mit 219 digitalen verlegerischen Angeboten" vertritt. Nach Angaben vieler Agenturaufbereitungen der News (z.B. bei SPON, sueddeutsche.de und handelsblatt.com), vertritt er namhafte verlegerische Angebote, z.B. SPON, sueddeutsche.de und handelsblatt.com, allerdings auch nicht, wozu freilich ein "derzeit" gehört. Wenn beim "Kampf deutscher Medien gegen Google" (DPA-Meldungs-Vorspann der beteiligten DuMont-Medien) etwas herauskommen sollte, würden die Genannten gewiss nicht auf einen Anteil verzichten.

Wie der eingeklagte Anteil nach Vorstellung der Kläger sich beziffern sollte, weiß golem.de, das den instruktivsten Bericht hat:

"Allerdings veröffentlichte die VG Media mit Datum vom 13. Juni 2014 im Bundesanzeiger einen 'Tarif Presseverleger' für die 'öffentliche Zugänglichmachung von Ausschnitten aus Online-Presseerzeugnissen zu gewerblichen Zwecken' gemäß dem Leistungsschutzrecht. Als Vergütungssatz werden elf Prozent der Umsätze genannt, die der Nutzer und mit diesem verbundene Unternehmen 'unmittelbar und mittelbar mit der öffentlichen Zugänglichmachung von Ausschnitten aus Online-Presseerzeugnissen erzielen'. Der Tarif soll rückwirkend ab dem 1. August 2013 gelten."

Der Marsch durch die zuständigen Institutionen beginnt bei der Schiedsstelle für Urheberrechtsangelegenheiten bzw. "Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz" beim Deutschen Patent- und Markenamt in München, die auf ihrer kargen Webseite als Beispiel dafür, womit sie sich so beschäftigt, "Meinungsverschiedenheiten zwischen der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) und Konzertveranstaltern, Diskothekenbetreibern, Sendeunternehmen und Tonträgerherstellern" nennt.

Oder, zwischen der GEMA und Googles Youtube, ließe sich hinzufügen, schon um zu illustrieren, dass diese Schiedsstelle nicht gerade ein Inbegriff für schnelle Problemlösungen ist (vgl. zeit.de 2013). Sie ist aber halt "dem Landgericht vorgelagert", das erst anschließend urteilen darf, so die VG Media. Dass die unterlegene Seite dieses Urteil anerkennt, scheint auch ausgeschlossen. Irgendwann käme dann der Bundesgerichtshof dran, der in Deutschland bekanntlich für eine halbwegs konsistente Gesetzgebung im Medien- und Internetbereich zuständig ist.

Wenn wir gerade bei Youtube-Musik-Gemengelagen sind: Das neulich im Altpapier geschilderte Szenario, dass Google als Betreiber der weltweit zweitgrößten Suchmaschine Youtube Musik von Indepedent-Labels benachteiligt und das Internet zu einem "Internet der Superstars und Big Businesses" machen möchte, wie es der Radiohead-Musiker und Indie-Funktionär Ed O'Brien formulierte, könnte näherrücken, berichtete der Guardian kürzlich ("YouTube to block indie labels who don't sign up to new music service"). Bzw. ist sich der Guardian doch nicht ganz sicher: "It should only be a 'matter of days' before we find out for sure".

Was das deutsche LSR betrifft, dürfte eine Sache von Jahren, bis irgendetwas herausgefunden sein wird.

Wenn wir gerade bei obersten Gerichten waren, denen die Aufgabe zufällt, nicht besonders durchdachte und/ oder von Lobbyisten formulierte, oder noch überhaupt nicht bestehende, aber notwendige Gesetze im Medien- und Netzbereich auszuformulieren: Der Shootingstar in diesem Metier, der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, der sich kürzlich durch sein überraschendes Urteil gegen Google und für das Recht auf Vergessbarkeit (Altpapier) als bislang einzige sowohl datenschutz-sensible als auch einflussreiche Europa-Institution erwiesen hat, bekommt einen vergleichbaren Fall:

"Das irische Höchstgericht hat entschieden, einen vom österreichischen Datenschützer Max Schrems ausgelösten Prozess rund um die Weitergabe von Facebook-Nutzerdaten in die USA an den europäischen Gerichtshof (EuGH) weiterzugeben. Dieser solle entscheiden, ob Facebook durch die Datenweitergabe das sogenannte 'Safe Harbour'-Abkommen der EU verletzt",

berichtet der ebenfalls österreichische Standard. Schrems, der europe-v-facebook.org-Initiator, findet das irische Urteil "mindblowing" und "überraschend". Tatsächlich bestand die Arbeitsteilung europäischer Würdenträger, was dieses Safe Harbour-Abkommen betrifft, ja vor allem darin, dass an derSicherheit europäischer Daten im unmittelbaren NSA-Einflussbereich nur diejenigen zweifelten, die dazu leider nichts zu entscheiden haben. Das sollte ein spannender Prozess werden.

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[+++] Topthema inländischer Medienmedien bleibt die schon gestern Thema gewesene Münchener Boulevardzeitung namens Abendzeitung.

"Abendzeitung gerettet!" stand gestern auf der Titelseite der gedruckten Ausgabe, allerdings eher klein über dem "Großen Rückenreport", wie etwa Dorin Popa (@NiceBastard) via Twitter über München hinaus verbreitete.

"Erst auf Seite 27 im Kulturteil behandelte sie die eigene Rettung wenig euphorisch", hat Lisa Schnell für die heutige TAZ weiter geblättert. Sie zweifelt am Konzept des neuen Verlegers Martin Balle, dessen Straubinger Tagblatt "als konservativ und bodenständig" gelte. "Die Abendzeitung aber ist Glamour und Großstadtrausch", soll jedoch künftig Politik- und Wirtschaftsressort aus Straubing zugeliefert bekommen.

"Martin Balle ist ein Mann für die Dorfstraße. Was nicht verkehrt ist: Auf dem kriselnden Zeitungsmarkt verlieren Lokal- und Regionalausgaben am wenigsten Auflage",

würde Tatjana Kerschbaumer (Tagesspiegel) sagen, vor allem aber deshalb, weil es so gut zum kolportierten Abschieds-Ausspruch des inzwischen ehemaligen AZ-Chefredakteurs Arno Makowski, "Der Boulevard ist eine Großstadt. Ich bin kein Mann für die Dorfstraße", passt. Balle kenne sich aber auch mit Eishockey und Max Frisch aus.

"Eine Art familien- und heimatfreundliches Boulevardblatt soll daraus werden, stellt er sich vor. Da würde man ihm wünschen, sich vorher mit dem Publikum in München auseinandergesetzt zu haben. Natürlich ist familienfreundlich immer toll, aber ob das ausgerechnet in Deutschlands Single-Hauptstadt eine wirklich probate Idee ist?",

meint in seinem Blog Christian Jakubetz, der außer aus Sportressort-Gründen auch deshalb prophezeit, dass überhaupt nichts gerettet sei: "Diese Rettung der AZ ... hat nur ihr langsames Sterben verzögert". Freilich hatte Jakubetz auch schon frühzeitig das Scheitern der Krautreporter prophezeit und also nicht immer uneingeschränkt Recht.
 


Altpapierkorb

+++  Klingt fast nach Aprilscherz, dabei ist heute bloß der katholische Feiertag Fronleichnam (an dem SZ und FAZ nicht erscheinen): "Neues vom Helmut Thoma: Der Ex-RTL-Boss will mit Nix-TV seine Idee eines authentischen Jugendsenders umsetzen" (Tagesspiegel). "'Nix-TV' startet und will Programm für junge Zuschauer sein" (WAZ/ derwesten.de). Siehe auch dwdl.de. Im Programm des in Nordrhein-Westfalen empfangbaren NRW-TV geht, wie der Screenshot oben zeigt, dieses Nix heute um 20.00 Uhr aus einem "loftähnlichen Studio im Düsseldorfer Medienhafen", das "durchaus gewollt an den inzwischen eingestellten Kanal Giga TV" erinnere (Tsp.), auf Sendung. "Noch ist die Finanzierung ein nicht gelöstes Problem. Die Werbeagenturen warten vorerst ab, wie sich der Sender entwickelt. Bis dahin soll sich das Programm über Sponsoring tragen. Es gebe mehrere Interessenten, aber noch sei nichts unterschrieben, sagt NRW.TV-Geschäftsführer Thoma dem Tagesspiegel". +++

+++ In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit, der mit dem "Was wir wirklich essen"-Titel, steht auch ein aufschlussreicher Artikel eines bislang medien- und netzpolitisch wenig hervorgetretenen Politikers, des mecklenburg-vorpommerschen Innenministers Lorenz Caffier (netzpolitik.org). +++

+++ Heute soll grün-ist-lila.de online gehen, und in der TAZ macht Simone Schmollack unter der Überschrift "Saufen mit Bascha Mikas Büchergeld" gelinde gespannt auf "die neue feministische Plattform grüner Frauen, die meinen, dass über Sexismus, Gewalt gegen und schlechte Renten für Frauen nicht genug gesagt werden kann". +++

+++ Professor Matthew Gentzkow von der University of Chicago Booth School of Business hat den Werbepreis für eine Stunde Aufmerksamkeit in Printausgaben und online berechnet. Sein Resultat könnte überraschen (newsroom.de). +++

+++ "Wer heute lautstark über den Konkurrenten Amazon jammert, hat ihn also vor 15 Jahren nicht ernst genug genommen, die disruptive Kraft des Internets verkannt und versäumt, eine zukunftsfähige Strategie zu entwickeln. So einfach ist das": Da ärgert sich Christian Buggisch bei Carta über Berichte der Süddeutschen über "Das böse, böse Amazon". +++ Andererseits, wenn ein Amazon-Manager auf einer Bühne ein Gerät mit vielleicht der einen oder anderen Neuerung in die Luft hält, kriegt er alle Gratis-PR, die deutsche Redaktionsmedien liefern können. +++

+++ Kaum ging das deutsche "Breaking Bad" in Dreh (Altpapier gestern), kommt schon Kunde von noch einer epochalen Fernsehserie. "Das Team" ist eine skandinavisch-deutsche Serie, "das ZDF hatte in Berlin zum Schnupperabend geladen, die fernsehkritischen Journalisten sollten sich eine erste Linie reinziehen, um dann mit diamantenen Augen kundzutun, was da Großes, Großartiges im Werden ist", schreibt Joachim Huber und entzieht sich nicht den Erwartungen (Tsp.). +++

+++ "Der Club gab den Deutschen die Bequemlichkeit und nahm ihnen die Schwellenangst bei Büchern, bevor es das Internet gab" (aus einem Welt-Nachruf auf den Bertelsmann-Buchclub). +++

+++ "'Liber' übrigens überlebte nicht allzu lange, starb relativ unbemerkt. Zu teuer, zu weit weg von den üblichen Tellerrändern. Der große Libero Schirrmacher, er allerdings wird allen fehlen. Frei, unabhängig, ein offenes Ego voller Sucht nach Diskurs, Kritik, nach Deutung, nach Perspektiven, nach dem movens der res publica. Sein Spiel des Lebens: brutal unterbrochen. Aber im Ganzen: ungemein lebendig" (aus Uwe Kammanns Nachruf auf Frank Schirrmacher in epd medien, der damit beginnt, wie er ihn anno 1989 auf einer Zugfahrt zur Vorstellung der sehr ehemaligen FAZ-/ Le Monde-/ Times-/ El Pais-Kulturbeilage Liber kennengelernt hatte). +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.