Das deutsche "Breaking Bad". Ein geopfertes Traditionsgut. Ein weniger weißer Ritter aus der Isar-Donau-Wald-Region. Die digitale Revolution frisst ihre Kinder, aber immerhin nicht alle. Außerdem: Berufsbild Fernseh-Fixer.
Laufend enden und beginnen Epochen und Ären, das ist das tägliche Geschäft der Medienmedien. Gerade gestern zum Beispiel begannen endlich die Dreharbeiten zum vor elf Monaten (Altpapierkorb) vom ZDF-Programmdirektor per FAZ-Interview angekündigten deutschen "Breaking Bad".
"Die Serie soll ein Kaleidoskop der Stadt Berlin und ihrer Bewohner zeigen und von den Polizisten der Mordkommission 7, ihren Familien, Freunden und Feinden erzählen. Das ZDF verspricht eine unübersichtliche Lebenswirklichkeit voller Fallstricke und Untiefen, in der die Unterwelt mit der gesellschaftlichen Elite und persönliche Schicksale mit der Staatsräson untrennbar verbunden sind, in deren Mitte sich ein Mann befindet, der seiner Vergangenheit nicht entkommen kann",
berichtet dwdl.de bzw. hat's halt aus der ZDF-Pressemitteilung herüber kopiert (kein Vorwurf, tun wir ja auch). Weiter heißt es jeweils: "Regisseur Matthias Glasner schrieb die Drehbücher in Zusammenarbeit mit einem Writers Room." Wir haben hier noch etwas mehr Platz und kopieren auch noch die komplexen Namen der Writers Room-Insassen. Svenja Rasocha, Laura Lackmann-Popescu und Maxim Kuphal-Potapenko lauten sie. Wär doch schön, wenn man sie sich tatsächlich merken müsste.
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[+++] "Gütersloh. Bei Bertelsmann geht eine Ära zuende" bzw. "endet eine Epoche", variiert die Neue Westfälische aus Bielefeld in Pressemitteilung und Online-Vorabmeldung die Nachricht von der im nächsten Jahr bevorstehenden Schließung des Buchclub-Geschäftszweigs des größten deutschen Medienkonzerns. "Betroffen sind am Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück rund 200 Mitarbeiter, weitere 60 in Berlin und 70 Mitarbeiter in Nordhorn. Geschlossen werden auch die 52 verbliebenen Buchclub-Filialen. Hier verlieren weitere 120 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz", lauten die harten Zahlen.
Dass diese Neue Westfälische sich nah am Brennpunkt des Geschehens befindet, sieht man dem beigefügten Archivfoto an, das eben nicht Reinhard Mohn auf seinem Motorroller zeigt wie es etwa die SZ-Wirtschaft (S. 17: "Man darf annehmen, dass es zu den traurigsten Erfahrungen des im Jahr 2009 mit 88 Jahren gestorbenen Reinhard Mohn gehört hat, den Abstieges des Erfolgsmodells mitansehen zu müssen, das ihn und Bertelsmann zum Inventar der Republik gemacht hat") tut. "Bertelsmann muss somit nach dem Ende des 'Brockhaus' der Digitalisierung ein weiteres Traditionsgut opfern", meint turi2.de (mit weiteren Links) dazu. Dass es "nach Unternehmensangaben" noch "eine 'hohe sechsstellige Anzahl' an Club-Mitgliedern" gebe, weiß kress.de.
Und ein Foto von der Club-Zentrale in Rheda-Wiedenbrück zeigt das Westfalenblatt. Nicht, dass dieses online weitere Infos bereit hielte. Es zeigt bloß, dass Bielefeld und sein Umland zu den weniger werdenden Regionen gehören, in denen unterschiedliche Lokalzeitungen, die sich noch nicht in Zombiezeitungsmanier zusammengeschlossen haben, konkurrieren.
[+++] Wo die Pressevielfalt einstweilen ebenfalls auf dem aktuellen Stand erhalten bleibt und allein die Redakteursstellen-Vielfalt erwartungsgemäß sinkt: München.
"Mit 66 Jahren ist noch nicht Schluss" für die im März (Altpapier) insolvent gegangene Abendzeitung, meldet dieselbe. Die neue Heimat für "diese stolze Zeitung, die seit 1948 das Gesicht der Stadt prägt, die den großartigen Sigi Sommer als Blasius durch die Stadt streifen ließ ..." (wieder eine große AZ-Hommage heute auf der SZ-Medienseite) ist die Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/ Landshuter Zeitung, die online unter idowa.de (Isar/ Donau/ Wald) firmiert, also nicht gerade metropolitan daher kommt. Aber Verleger Martin Balle hat eine Wohnung im Universitätsviertel von München, mit der bzw. deren Blick hinab auf die Straße, wo bunte Verkaufskästen für Münchener Tageszeitungen stehen, Claudia Fromme ihre SZ-Hommage (nicht identisch mit ihrem Online-Artikel) einleitet.
"Es gehe ihm um 'lebensfreundlichen Boulevard', sagt Balle, nicht nur um Rotlicht, Blaulicht und Bohlen, sondern um eine Familienzeitung", äußert Balle u.a. im SZ-Printartikel. "'Ich will keinen Gewinn machen mit der Abendzeitung', sagte Balle, der seinen Kauf vor allem als Zeichen versteht, dass er an Print glaubt. Es reiche ihm, wenn er die AZ kostendeckend führen könne", heißt's online.
Diese offenbar mäzenatische Aktion unternimmt Balle nicht allein, vielmehr ist's ein "ungleiches Gespann, das jetzt die Geschicke der zahlungsunfähigen Münchner 'Abendzeitung' bestimmt. Hier der niederbayrische Verleger und promovierte Literaturwissenschaftler Balle, da der Wirtschaftsanwalt Dietrich von Boetticher, der sein Vermögen vor allem mit Immobilienfonds gemacht hat" (FAZ, S. 17). Dass dieser "Wirtschaftsanwalt und Rennpferdezüchter" auch den Luchterhand-Verlag saniert und dann an Random House, also wiederum Bertelsmann verkauft hatte und, weniger erfolgreich, bei der Wochenpost, einer ehemaligen Zeitung mit sowohl DDR- als auch Mathias-Döpfner-Vergangenheit engagiert war, lässt sich sueddeutsche.de entnehmen. Balles Kompagnon verspricht also ebenfalls Potenzial, zumal wenn man, wie die Print-SZ heute auch wieder, bei der AZ immer an die guten alten Baby-Schimmerlos-Zeiten statt ans Tagesgeschäft denkt.
Bleibt die "traurige Gewissheit, dass maximal 25 der 100 Beschäftigten von der Mediengruppe ein Angebot erhalten werden, für die neue AZ weiterzuarbeiten" (AZ, Link wie oben). "Der erhoffte weiße Ritter ist er nicht", schreibt Springers Welt über Balle. "Kein Wunder, dass die Stimmung in der Redaktion trotz der Rettung der 'Abendzeitung' als Titel am Dienstag von einigen Redaktionsangehörigen als 'mies' bezeichnet wurde", meint newsroom.de und kommt gerade noch mit der anderen Meldungen zuwiderlaufenden News, dass es durchaus ein Konkurrenzangebot gegeben habe, dessen "Investoren nach unseren Informationen fast alle Redakteure und Reporter des Blattes gehalten" hätten.
[+++] Damit zum derzeit und gewiss auch mittelfristig weißesten Ritter der deutschen Medienlandschaft. Jakob Augstein, der nun "auf seinem Berg von Kraut-Abonnements sitzt und versucht, nicht runterzurutschen" (TAZ-Kriegsreporterin: "Gibt er jedem, der vorbeikommt, eines ab? Legt er sie, um sie loszuwerden, seiner Zeitung Freitag bei? ..."), performte bei "der re:publica des kleinen Mannes" (@fiete_stegers), dem Frankfurter Tag des Online-Journalismus, zum Thema "Frisst die Medienrevolution unsere Kinder?".
Wie das Video zeigt, legte er gleich mächtig los mit Schafott- und anderer Metaphorik.
Während die Textzusammenfassung des Hessischen Rundfunks (hr-online.de) intimere Kenner der Mediendiskurse der letzten Tage, Wochen, Jahre doch ein wenig langweilen könnte ("... ist der Weg zu erfolgreichem Journalismus im Netz noch weit, wie 'Der Freitag'-Geschäftsführer Jakob Augstein betonte. 'Viele Verleger haben das Netz zu lange falsch verstanden, manche tun es immer noch.' Es sei weiterhin eine Herausforderung ... ..."), spitzten die Radiokollegen von deutschlandradiokultur.de Augsteins Performance prägnant zu. Allerdings hatten sie sie in einer gestern veröffentlichten Fassung noch spitzer zugespitzt: Der Satz "Noch auf einem sinkenden Floß werden Sie Leute finden, die den anderen in die Magengrube hauen, statt bei der Rettung zu helfen", auch das eine Journalismus-Metapher, wurde aus der knappen Meldung getilgt.
Im Video jedoch, in dem Augstein auch durch luzide Gestik erfreut, ist er ab Min. 16.50 zu hören. Es geht gerade darum, wie "total" und "irre" er sich über Kritik am Krautreporter-Projekt geärgert habe. Die titelgebende Frage seines Vortrags beantwortet Augstein schließlich halb tröstlich damit, dass die Revolution tatsächlich ihre Kinder fräße, aber nicht alle.
Sollte, um rasch zwei Metaphern zu remixen, dieser Revolution nicht einfach eine Anzahl Kinder zum Fraß vorgeworfen werden, die dann gefälligst anständig unterzugehen haben (was freilich eher der Job der Kapitäne und gerade nicht der Kinder wäre)? Das könnte zumindest ein Denkanstoß für künftige Podiumsdiskussionen sein.
[+++] "Eines der größten Probleme des russischen journalistischen Metiers ist das Fehlen von Solidarität", heißt es dann noch im Aufruf "Den Informationskrieg stoppen", einem Gründungsaufruf für eine unabhängige Journalisten-Gewerkschaft in Russland, den ostpol.de gerade auf deutsch veröffentlicht hat.
Dieses ostpol.de ist ein Portal, bei dem u.a. der Altpapier-bekannte Moritz Gathmann schreibt und das sich auch sozusagen crowdfunden lässt.
Altpapierkorb
+++ Die TAZ berichtet anhand des gerade sehr gefragten Brasilianers Caio Vilela vom Berufsbild des Fixers in der Fernsehbranche: "Vilela ist ein Fixer. 'Stringer sagen nur die Deutschen.' Das Wort möge er nicht. Der Fixer arbeitet Ablaufpläne und Reiserouten aus, sucht die passenden Kontakte und Orte, klärt die Drehgenehmigungen ..." +++
+++ Natürlich gibt's wieder neuen wieder Krautreporter-Stoff. Ein enigmatisch-poetisches Pro hat die Krautreporterin Andrea Hanna Hünniger, die kürzlich schon mit "Das Netz liegt brach, wir wollen es neu bepflanzen" Aufmerksamkeit erregte (TAZ, Altpapier), für faz.net verfasst: "Wir waren Mörder und Kriminalisten zugleich. Es herrschte Wirrsal, ein Gestrüpp aus Wünschen und Gedanken, Hoffnung und heillosem Chaos. Wie das Innere eines Menschen nun mal so ist, aber keine durchgeplante Mega-PR-Maschine es je zulassen würde". +++ Kräftig contra gibt Jürgen Geuter bei Carta ("Crowdfunding gibt sich wie Punk: als Widerstand gegen bestehende Strukturen ... Aber es ist was faul im Staat Crowdfundia"). +++
+++ "Die begabteste, entspannteste Interviewerin des deutschen Fernsehens", der SZ-Medienseite zufolge: Bettina Rust, die allerdings auch "die unbekannteste" sei, da ja "der berühmteste" und "auch der schrecklichste Moment ihrer Karriere", als sie im Sat.1 der Schawinski-Ära eine politische Talkshow moderierte, schon wieder neun jahre zurückliegt. Weil am morgigen Donnerstag im RBB-Fernsehen ihre Sendung "Stadt, Rad, Hund" wieder startet, stattete Claudia Tieschky ihr einen Besuch ab. Insofern hat die SZ-Medienseite mit dem Rust- und dem Balle-Artikel heute gleich zwei Homestorys, die Medienschaffende auch aus ihrer Wohnung heraus erklären. +++
+++ Indes an den "größten Anarchisten des deutschen Fernsehens" erinnert Oliver Jungen auf der FAZ-Medienseite. "Was heute neu erscheint, hat er vor Jahrzehnten schon gemacht", Wolfgang Menge nämlich. Anlass waren der neunzigste Geburtstag des vor anderthalb Jahren verstorbenen Autors und eine Veranstaltung des Cologne Game Lab. "Heute, so das schwache Pro-domo-Fazit, würde Menge, der sich in seinen späten Jahren vom Computer fasziniert gezeigt habe, wohl Games entwickeln", habe es dort geheißen. +++
+++ "Der wohl zur Zeit gefährlichste Medienpolitiker Deutschlands"? Marc Jan Eumann (meint Stefan Laurin, Ruhrbarone-Gründer und freier Journalist, bei newsroom.de). +++
+++ Der Springer-Verlag bzw. das, was noch Verlag daran ist, lässt seine E-Paper-Abos nun von der IVW zählen und ist mit deren Ergebnis zufrieden (BLZ/ DPA, Springers Welt). +++
+++ Die "haarsträubende Argumentation der britischen Regierung" für die anlasslose Überwachung aller Internetnutzer würdigt netzpolitik.org. +++
+++ "Was der 'Poldi' kann, das kann Steffen Seibert schon lange. Der Regierungssprecher .. twitterte ein Gruppenfoto der Mannschaft mit der Kanzlerin, das der Fotograf der Bundesregierung Guido Bergmann - so viel Planung muss sein - in der Kabine geschossen hatte. Das ist Mutti, das ist ihre Mannschaft, das ist 'Muttivation'": Joachim Huber im Tagesspiegel über das neueste Kanzlerin-Fußballer-Foto. +++ Ebd. geht's um die neueste Steffen-Simon-Aufregung, und zwar wegen der Aussage "Iraner sind Südländer und nicht immer gut organisiert". Vielleicht kann das ZDF dem WDR-Sportchef seinen bzw. Mo Asumangs Mitternachtsfilm "Die Arier" zur Verfügung stellen, der kürzlich zeigte, dass diese Arier am ehesten im heutigen Iran anzutreffen sind. +++ "Ist Ihnen aufgefallen, in wie vielen Werbespots Thomas Müller während der Halbzeitpause des Spiels Deutschland Portugal zu sehen war? Es waren wohl mehr Spots als er Tore schoss" (noch mal Fernsehfußball im Tsp.). +++
+++ Und während die SZ-Medienseite "Foucault gegen Foucault" heute abend auf Arte empfiehlt (kein Fußball), empfiehlt Jochen Hieber auf der FAZ-Medienseite unter der Überschrift "Mann, haben wir die Portugiesen vermüllert" die ARD-Sendung "Kicker, Zocker und Rebellen", bzw. empfiehlt sie ausführlich nicht: "ein einziges Déjà vu mithin, ganz nett anzuschauen, aber völlig unauratisch. Weshalb die ARD diese Pflichtübung auch schon drei Wochen vor dem eigentlichen Jubiläum versendet und sie überdies lieblos im Aufwärmprogramm zu den Mittwochsspielen aus Brasilien versteckt." +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.