Die Rentner ruinieren das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Taz und Spiegel wissen nicht recht, wie sie mit der AfD umgehen sollen. Die Klambt-Mediengruppe schwemmt den Fernsehzeitungs-Markt. Und beim Henri-Nannen-Preis war irgendwas mit Palmen-Metaphern.
Die öffentlich-rechtlichen Sender haben ein Problem mit ihren besten Kunden: den Rentnern. Nein, diese haben sich nicht am "Bergdoktor" satt gesehen und auch keine Petition für mehr "Traumschiff" außerhalb der Weihnachtszeit unterschrieben. Vielmehr geht es um die Rentner, die selbst einmal für die Sender gearbeitet haben und nun eine offenbar fürstliche Pension beziehen. So schreiben es zumindest heute sowohl das Nachrichtenmagazin Der Spiegel als auch die Süddeutsche Zeitung.
Auf der Medienseite der SZ erklärt Thomas Öchsner das Dilemma wie folgt (online steht bislang nur die Vorabmeldung von Sonntag):
„Die ARD zum Beispiel konnte Ende 2012 über Finanzanlagen im Wert von fast sechs Milliarden Euro verfügen. Klingt nach einem prächtigen Vermögen, doch das ,ist weitgehend zur Absicherung der Altersversorgung der Mitarbeiter zweckgebunden, wobei aus den Erträgen die Rentenzahlungen mitfinanziert werden’, heißt es in dem Bericht über die wirtschaftliche Lage der Landesrundfunkanstalten vom April 2014. Allein 2012 wurden für Pensionen 306 Millionen Euro zusätzlich beiseitegelegt.“
Zwar würden mittlerweile derartige Verträge zur Altersversorgung nicht mehr abgeschlossen. Allein die Altlasten seien aber ausreichend, um den Sendern finanzielle Schwierigkeiten zu bereiten. Das meint zumindest Peter Clever, Verwaltungsratsvorsitzender der Deutschen Welle.
„Clever (...) hat einen Brief an seine Kollegen, die Verwaltungsratschefs der ARD-Sender und des Deutschlandradios, geschrieben. In dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, steht ungewöhnlich deutlich: ,Das zentrale Problem stellt die Dynamik der Lasten aus der Altersversorgung dar.’ Clever kritisiert, dass ,das Problem der hohen Belastungen aus der Altersversorgung’ einen viel zu geringen Stellenwert im Bericht zur Finanzlage der Rundfunksender einnehme, ,obwohl hier die Zeit drängt und der Problemdruck immer weiter zunimmt’.“
Wie, die Probleme nehmen noch zu? Wir dachten, diese Verträge würden nicht mehr abgeschlossen? Der Spiegel erklärt’s (hier die Vorabmeldung):
„Bislang steigen laut Tarifverträgen die Altersbezüge im selben Maß wie die Bezüge der Mitarbeiter bei den Sendern. Clever rechnet den Kollegen vor, welche Folgen bereits eine weitere Dynamisierung von Alternsbezügen von ein oder zwei Prozent hätten.“
Womit wir gleich zu Clevers Lösungsvorschlag kommen, der da lautet: die (schönes Verwaltungsdeutsch kann man ja nicht häufig genug wiederholen) Dynamisierung der Altersbezüge bei einem Prozent einzufrieren, so wie es im öffentlichen Dienst bereits praktiziert wird.
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Die Gewerkschaften finden den Vorschlag, Überraschung, laut SZ nicht so pralle. Sie bezweifeln vielmehr, dass hier überhaupt ein Problem vorliege. Clever hingegen fordert schnelles Handeln und droht, andernfalls werde die Qualität des Programms darunter leiden, für das die Sender angesichts der hohen Pensionszahlungen bald kein Geld mehr hätten.
Dass die Rentner das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender ruinieren, das hatten wir ja schon länger vermutet. Dass der Grund dafür jedoch nicht in ihrem Dasein als Zielgruppe zu suchen ist, sondern in ihren üppigen Pensionen, das ist neu. Aber man lernt ja nicht aus. Wie auch die Tatsache zeigt, dass nun ausgerechnet der MDR bereits einen Schritt weiter ist, wie es in der SZ heißt.
„Im MDR zahlen die Mitarbeiter mittlerweile selbst Beiträge für ihre betriebliche Altersvorsorge. Dieses Modell schwebt den anderen ARD-Sendern für ihre neu eingestellten Arbeitnehmer ebenfalls vor. Selbst Verdi-Sekretär von Fintel sagt: Auf lange Sicht werde dieses System ,das System der Zukunft sein’.“
[+++] Da wir gerade vom System der Zukunft sprechen: In der vergangenen Woche war ja in der Diskussion um die Krautreporter (mehr dazu im Altpapierkorb) bereits die Frage aufgeworfen worden, ob Werbung im System Journalismus eigentlich noch eine Zukunft hat? Eher nicht, meinen die Damen und Herren Krautreporter. Schließlich habe sie einen schlechten Einfluss auf die Inhalte. Zwar machen sie das am Online-Journalismus fest, doch doch auch im Print kann Werbung für Probleme sorgen, wie am Wochenende die taz erfahren musste.
Dort hatte die Alternative für Deutschland eine Anzeige geschaltet. „In irgendeine Ecke stellt man uns ja immer. In der hier waren wir aber noch nie“, lautete der vermeintlich pfiffige Werbeslogan. Die taz-Leser reagierten per Twitter darauf, wie sie in solchen Fällen immer reagieren: Sie kündigten an, ihr Abo zu kündigen.
Alexander Nabert, Student und Mitglied der Grünen Jugend, erklärte seine Empörung etwas ausführlicher auf mehr als 140 Zeichen in seinem Blog:
„Noch nie habe ich eine Anzeige der NPD in der taz gesehen. Ich bin mir sicher: Ganz egal, wie viel Geld diese bieten würde, die taz wäre integer genug, das Geld und die Anzeige abzulehnen. Dadurch, dass dies nicht bei der AfD geschehen ist, signalisiert die taz: Die AfD ist okay genug, um in einem linken Medium zu werben. So schlimm wird sie wohl nicht sein. Die taz, die Zeitung für die Sie verantwortlich sind, macht aus ,Das wird man ja noch mal sagen dürfen’ ein ,Das wird man ja noch mal drucken dürfen’. Durch das Drucken der Anzeige wird die Gefahr, die von Lucke, Storch & Co ausgeht verharmlost. Damit gebe ich mich nicht zufrieden.“
Die taz reagierte auf Twitter auf die Kritik, indem sie einen drei Jahre alten Artikel aus dem Hausblog verlinkte, in dem die finanzielle Lage der taz aufgedröselt wird. Gedruckt durfte sich dann heute noch „verboten“ austoben. „verboten rät: Verlassen Sie sich nicht auf irgendwelche Front- oder Eckenbrüller. Die einzige unbezahlte Anzeige, die zu Recht in der linken Ecke steht, ist und bleibt verboten.“
Womit wir zur wirklichen Überraschung hinter dieser Geschichte kommen: die taz ist diskussionsmüde.
[+++] Allerdings nicht alleine in der Unsicherheit damit, wie man mit dieser Alternative für Deutschland denn nun umgehen soll, wie sich beim Blick in die Leserbriefspalte des aktuellen Spiegels zeigt. Zwei Wochen ist es her, dass die Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke selbst in einer Meldung für den Spiegel über ihren Rausschmiss aus einer Wahlkampfveranstaltung der AfD berichtete. „Ich ließ meine Kamera laufen, wie ich es in Notfällen im er tue. Ordner bedrängten meinen Kollegen, er ging kurz zu Boden. Sicherheitskräfte rissen nun an meiner Kamera“, schrieb Röpke damals.
Nun erklärt Christian Schäfer vom Bremer Landesverband der AfD als Leser, Röpke und ihr Kollege seien nicht akkreditiert gewesen, aber aus Kulanz trotzdem reingelassen worden. Da sie jedoch trotz mehrfacher Aufforderung nicht aufgehört hätten, einzelne Besucher der Veranstaltung zu fotografieren, habe man sie des Raumes verwiesen.
„Währenddessen warf sich Herr Baeck vor einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes zu Boden und rief laut nach der Polizei. Nach Rücksprache mit den Sicherheitsdiensten (...) hatte Baeck keinen Körperkontakt mit dem Sicherheitsdienst, er wurde also nicht umgestoßen, wie er behauptete.“
Schön ordentlich zwei Wochen voneinander getrennt steht da nun Aussage gegen Aussage. Wer recht hat, das soll sich der Leser wohl selbst aus der Tatsache zusammenreimen, dass der Protest nicht als Gegendarstellung, sondern als Leserbrief daherkommt.
Altpapierkorb
+++ Was in dieser Woche sonst noch so im Spiegel steht? Werner Brandt, noch SAP-Finanzchef, soll Vorsitzender im Aufsichtsrat von ProSiebenSat1 werden. +++ Britt Sandberg kommentiert den Rauswurf von Jill Abramson als Chefredakteurin der New York Times (Altpapier): „Natürlich gehört es zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen, dass auch weibliche Chefs entlassen werden können. Man sollte es dann aber besser begründen können als mit der offiziellen Erklärung, es habe ein ,Problem mit dem Management der Redaktion gegeben’. Und schon gar nicht sollte man Gerüchte über einen ,schwierigen Charakter’ streuen.“ +++ Neun Autoren haben zusammengetragen, wie das Urteil verdaut wurde, das Google das Vergessen beibringt (Altpapier) („So euphorisch das Urteil in Europa aufgenommen wird, so hysterisch klingen die Kommentare in den USA“). Und erklären an mehreren Beispielen, dass man noch nicht genau weiß, wer jetzt was genau löschen muss. +++
+++ Neue Fernsehzeitschriften braucht das Land. Denkt man sich zumindest bei der Klambt-Mediengruppe. Und hat nun angekündigt, zusätzlich zu den zehn frisch von Axel Springer und der Funke-Gruppe erworbenen Programmzeitschriften selbst noch welche zu gründen. Irgendwas mit jüngerer Zielgruppe und Digitalbereich soll es werden, hat Verleger Lars Rose der FAZ (S. 24) erklärt. Online gibt es eine Vorabmeldung. +++
+++DWDL hat mit Jörg Pilawa über die Tücken des Live-Fernsehens gesprochen und geklärt, wie die kommenden Tage "Quizduell" werden, wenn die App wieder nicht funktioniert. +++
+++ Mit nachkolorierten Bildern wird heute Abend in der ARD einmal mehr die Lebensgeschichte Josef Stalins erzählt. Mit überraschendem Effekt, wie Michael Hanfeld im Feuilleton der FAZ (S. 13) beschreibt: „Die Vergangenheit rückt näher, die Schwarzweiß-Barriere fällt. Und dabei fällt einem natürlich noch einmal deutlicher ins Auge, dass die Inszenierung und die Rhetorik der Macht, die Mittel, derer sich Stalin bediente, so weit von den Aufmärschen, die wir im aktuellen Nachrichtenfernsehen bezeugen können, nicht entfernt sind.“ +++
+++ Auf der Medienseite der FAZ bespricht Oliver Jungen derweil den ZDF-Krimi, der die Legende vom Rattenfänger von Hameln wiederauflegt. Was man sich aber offenbar besser gespart hätte. „,Die Toten von Hameln’, immerhin ,Fernsehfilm der Woche’, dürfte einer der plattesten Mystery-Psycho-Streifen sein, den der (wahrlich nicht verwöhnte) deutsche Flachbildschirm je gesehen hat, und das – notabene – bei erstklassiger Besetzung.“ Diese hält dann Markus Ehrenberg beim Tagesspiegel auch von einem ganz so vernichtenden Urteil ab. „Immerhin, dem fundierten Schauspieler-Ensemble, allen voran Julia Koschitz, Matthias Habich und Bjarne Mädel (,Der Tatortreiniger’), folgt man als Zuschauer gerne.“ Und was sagt Hans Hoff in der SZ? „Wer dem Publikum aber nichts mehr zutraut, macht den Zuschauer zum eigentlichen Opfer. Dieses Opfer liegt dann da, es kommt der handelsübliche ZDF-Kommissar und fragt: ,Was haben wir denn?’ Antwort: ,Großen Mist.’“ +++
+++ Den Medienwandel in Spanien macht die taz heute zum Thema. Auch dort verlieren die gedruckten Zeitungen Leser, während neue Angebote im Internet entstehen. Das soll allerdings nicht nur an der Technik liegen, sondern auch am Inhalt und der Nähe der etablierten Blätter zur Finanzwelt, schreibt Reiner Wandler. „El País entwickle sich hin zu einem wirtschaftsliberalen Blatt. In Zeiten der Krise verteidigt die Zeitung immer wieder die Sparrezepte aus Brüssel. Teile der Leserschaft suche enttäuscht nach neuen Medien“, zitiert er einen Medienwissenschaftler einer Madrider Uni. „,Wir erleben eine Repolitisierung der Gesellschaft’, erklärt Escolar (Ignacio Escolar, Chefredakteur der erfolgreichen Internetzeitung eldiario.es, Anm. AP) In Zeiten der Sozialkürzungen und zunehmendem Proteste steige das Interesse an einem anderen, mehr der sozialen Nachricht verpflichteten Journalismus.“ +++
+++ Am Wochenende befasste sich die taz bereits ausführlich mit Presserecht. Bzw. mit Rechtsanwälten, die Prominente vertreten, um deren Bild in der Presse zu beeinflussen, was Autor Wilfried Urbe zu dem Schluss kommen lässt, dass Rechtsanwälte die neuen PR-Manager sind. Für den Artikel hat Urbe mit Medienanwalt Christian Schertz gesprochen; für ein Wortlautinterview zudem mit dem Juristen Ralf Höcker, von dem wir lernen dürfen, dass Pressefreiheit und Menschenwürde Kontrahenten sind. Ganz recht, genau das sagt er: „Grundsätzlich geht es immer um den Konflikt zwischen der Pressefreiheit auf der einen Seite und der Menschenwürde beziehungsweise dem Persönlichkeitsrecht auf der anderen. Beide Seiten sind natürliche Feinde.“ +++
+++ Für die Medienseite der FAS hat Anna Prizkau einen Tag lang russisches Staatsfernsehen gesehen und sich angehört, wie zu verwackelten Handybildern gewöhnungsbedürftige Sichtweisen vermittelt werden. „Dennoch ist ,Kiewer Regierung’ falsch, denn die Regierung ist nicht die Regierung Kiews, sondern die der ganzen Ukraine. Und dass es die ganze Ukraine noch gibt, wird mit der Bezeichnung einfach geleugnet. Die Sprache der Nachrichten ist die Sprache Putins, und sie ist sauber zerlegt.“
+++ Bereits am Freitagabend wurde bekannterweise der Henri-Nannen-Preis verliehen, was der Vollständigkeit halber hier nicht unerwähnt bleiben soll. Neben Preisträgern wie Özlem Gezer, die für den Spiegel Cornelius Gurlitt getroffen, oder dem Spiegel-Team, das das Abhören des Merkel-Phones aufgedeckt hatte, war Edward Snowden Star des Abends, der die Laudatio für die amerikanische Dokumentarfilmerin Laura Poitras hielt. „Stille Menschen werden gern unterschätzt, besonders im Journalismus, wo ein breitbeiniger Schritt bisweilen mit Haltung verwechselt wird. Dabei war einer der mutigsten Männer der jüngsten Zeit auch ein Stiller, und als er plötzlich auf der Leinwand erschien und aus Moskau grüßte, war es einer der großen Momente des Abends. (...). ,Sie musste sehr viel opfern’, sagte Snowden, ,und wir sind sehr glücklich, dass sie das getan hat.“ So schreibt es Marc Widmann heute auf der Medienseite der SZ. Harald Staun widmet sich in seinem Text für die FAS derweil dem Brimborium um die Verleihung, welche sich durch einen unerträglichen Metaphernreichtum ausgezeichnet habe. „Das fing damit an, dass eine Artistin dreizehn Minuten lang ein Riesenmobile aus Palmrippen erbaute, um vorzuturnen, wie entscheidend das Gewicht einer Feder sein kann (...) und hörte leider nicht damit auf, dass ein als Nase verkleideter Mensch die Kategorie Investigation illustrierte. Jahr für Jahr suchen die Veranstalter verzweifelt nach einer Form, wie man die ausgewählten Texte unterhaltsam präsentieren kann, Jahr für Jahr kommen sie auf immer noch bescheuertere Ideen.“ Wer sich noch einmal auf das Wesentliche dieser Veranstaltung konzentrieren möchte: Eine Übersicht mit allen Preisträger gibt es hier. +++
+++ Zum Abschluss noch einmal, wie versprochen, zum Thema Krautreporter. Die Kollegen, die ein neues Online-Magazin gründen wollen, waren in der vergangenen Woche ja schon überall (Altpapier vom vergangenen Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag). Nur die Süddeutsche Zeitung hat bis Samstag gewartet, um David Denk fragen zu lassen: „Die Botschaft ist klar: Fürchtet euch nicht, der Erlöser ist da. Ja, wirklich? Ist es endlich so weit?“ Nein, noch nicht ganz, lautet Denks Fazit. „Außer Autorennamen und dem vagen Bekenntnis zu einer Haltung – Recherche statt Meinung, Substanz statt Husch-Husch – bietet Esser seinen Eltern noch wenig Konkretes: Vier Artikel sollen täglich erscheinen und die Autoren ihre Themen frei wählen – wie die Abonnenten mitmischen können, ist noch unklar.“ Harald Staun hat in der FAS derweil ein ganz anderes Problem mit dem Projekt: „Und weil, wer zahlt, auch ein wenig mitbestimmen dürfen soll, lohnt sich die Mitgliedschaft schon deshalb, um dem Magazin zu geben, was es am dringendsten braucht: einen anderen Namen.“ +++
Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.