In diesem Text wird sehr viel über die sehr geile Farbe Orange gesprochen. Doch was dann passiert, überrascht alle: Es geht um Pop und Poppen und Promis und Pommes. Am Ende wirst Du weinen.
Es ist vollbracht! Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hat sich ein wenig ummodeln lassen, und was schreiben die Anderen?
„Das Nachrichtenmagazin hat sich gerade einen neuen Look gegeben: Orange“ (SZ)
„Der ,Spiegel’ läuft orange an“ (Tagesspiegel)
„Orange Evolution“ (DWDL)
Und, Meedia mit der Metaebene:
„Was die viel zitierte Hausfarbe Orange angeht – die wirkt zwar leichter, aber auch harmloser.“
Waraus wir lernen: Farbenblind sind die Kollegen schon mal nicht, und beim Spiegel reicht es völlig aus, mal ein wenig an der Farbpalette zu drehen, und schon ist er Thema des Tages.
Nun also Orange statt Rot; nach Revolution klingt das nur, wenn man dabei an die Ukraine denkt. Aber ein „radikaler Relaunch“ war ja auch gar nicht das Ziel, sondern „sinnvolle Verbesserungen“, wie Uwe C. Beyer als für das neue Layout verantwortlicher Art-Direktor des Spiegels in dessen Hausmitteilung zitiert wird.
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Und welche Verbesserungen erachtete man nun beim Spiegel als sinnvoll? Also, außer das Spiegel-Orange von außen auch ins Heft zu holen? Da wären: Ein Cover, auf dem für mehr Themen Platz ist als bislang. Ein übersichtlicheres, einseitiges Inhaltsverzeichnis. Ein Leitartikel ohne, dafür Kolumnen mit Autorenzeile. Größere Bilder und ein bisschen mehr Luft in der Bleiwüste. Eine Satire-Seite aus dem Hause Martin Sonneborn (noch nicht verfügbar). Und, Bonuslevel: Die neue Rechtschreibung.
„Optisch ist die im Netz mit einem PR-Film beworbene Reform sanft ausgefallen. (...) Wie geplant, rückt der Spiegel vom monothematischen Titelkonzept ab. Dass das aktuelle Cover unruhig wirkt, liegt jedoch nicht an den drei Themen, die fortan am unteren Heftrand angerissen werden.“
Meint Ulrike Simon in der Berliner Zeitung, womit sie sehr salomonisch verpackt, dass das Titelbild offenbar vom Hausgrafiker von Turi2 erstellt wurde.
„Das Wir bestimmt. Das neue Layout des ,Spiegel’ ist ein Gesamt(kunst)werk“,
schreibt Joachim Huber im Tagesspiegel. Wobei auch er keine Beweise für besonders viel Gewerkel entdeckt hat („Der ,Spiegel’ bietet Neuerungen, staunenswerte Verbesserungen jenseits der luftigen Optik fallen nicht auf.“).
Was, so glaubt zumindest Gerhard Matzig in der Süddeutschen Zeitung, ein Erfolgskonzept sein könnte.
„Leider muss immer etwas reformiert werden, Printprodukte sind da keine Ausnahme. Dieser Marktmechanismus ist teuflisch. Verändert man sich, ärgert das die Leser, weil man jetzt verändert ist. Verändert man sich nicht, ärgert das die Leser, weil man sich nicht verändert. Das ist wie in der Ehe. Die Kunst der Veränderung ist daher genau das: eine Kunst. Der Spiegel beherrscht sie offenbar.“
Gefallen an dem neuen Layout findet auch Thomas Lückerath bei DWDL: „Artdirector Uwe C. Beyer ist 17 Jahre nach seiner letzten Renovierung des „Spiegel“ eine in der Summe gute Modernisierung gelungen.“ Gleichzeitig vermiest er den Spiegel-Machern dieses Lob allerdings, in dem er sie nach diesem Etappen-Sieg gleich wieder zurück auf die Strecke scheucht:
„Chefredakteur Wolfgang Büchner kann sich zwar mit und für Artdirector Uwe C. Beyer freuen: In Form gebracht ist der ,Spiegel’. Die größere Herausforderung für Büchner steht aber noch bevor: Das Hamburger Nachrichtenmagazin auch inhaltlich wieder auf einen relevanteren Kurs zu bringen.“
Ähnlich sieht das auch Christian Meier bei Meedia:
„Trotzdem – etwas mehr Leserführung und ein paar lumpige Infografiken gleich als Reform zu verkaufen, tut eigentlich nicht nötig. (...) Also – warum nun das Ganze? Weil ein paar Aufhübschungen ja tatsächlich nicht schaden. Aber auch, weil Chefredakteur Büchner was vorweisen muss. Ergebnisse, die gegen den eingangs erwähnten gefühlten Bedeutungsverlust des Spiegel wirken. Gegen den Imageschaden, die die Berufung von Nikolaus Blome zum Mitglied der Chefredaktion verursachte. Gegen Gerede in der Branche, Teile der Redaktion stünden nicht hinter Büchner. Undsoweiterundsofort.“
Womit wir festhalten können: Der schönste Anzug macht wenig her, wenn sich sein Träger nicht wäscht. Aber das kann ja noch kommen.
Klingt nach einem guten Zeitpunkt, um sich den Inhalten des neuen Spiegels zuzuwenden. Neben der Titelgeschichte „Die Wohlstandslüge – Von der Unmöglichkeit, mit Arbeit reich zu werden“ (Hätten wir mal FDP gewählt. Dann würde sich Arbeit jetzt wieder lohnen. Kleiner Scherz.) gibt es da etwa im Medienressort einen Artikel über den Niveau- und Auflagenverfall bei der Bravo. Geschrieben haben ihn Spiegel-Redakteur Alexander Kühn und die beiden Macher des Regenbogenpresseblogs Topf voll Gold, Mats Schönhauer und Moritz Tschermak. Was Sinn macht, wenn man sich kurz anschaut, wie das Jugendmagazin mittlerweile funktioniert.
Munter werden dort Fotos manipuliert, Geschichten aufgeblasen und ausgerechnet die Stars gedisst, die 13-Jährige doch eigentlich vergöttern wollen. Rihanna ist schwanger! Miley Cyrus hatte bei Wetten, dass..? Sex! Selena Gomez steht unter Drogen-Schock! Und all das ist in etwa so wahr, wie wir es sonst von „Das neue Blatt“ oder der „Freizeit Revue“ gewohnt sind.
Kein Wunder, meinen die Autoren, ist doch seit einem Jahr Nadine Nordmann Chefredakteurin, die vorher Ressortleiterin beim Gong Verlag und dort für schöne „Omiblättchen“ (Spiegel) wie „die 2“, „Gong“ und „Super TV“ aktiv war.
„Unter Nordmann hat ,Bravo’ das Niveau konsequent gesenkt. Und das will etwas heißen bei einem Blatt, das von jeher zwischen Pop und Poppen pendelte.“
Für die Auflage hat sich das nicht gelohnt - innerhalb eines Jahres ist sie um knapp 60.000 Hefte auf 170.000 gerauscht. Merke: Früher war nicht alles besser und die heutige Jugend ist nicht verloren, lässt sie sich doch wesentlich weniger gerne von Zeitschriften verarschen als ihre Omis.
Aber nicht nur die Leser sind nicht mehr glücklich mit dieser neuen Krawall-Bravo.
„Die Musikindustrie ist über den Kurs der ,Bravo’ irritiert, lebte man doch stets gut voneinander. Das Blatt baute Stars auf und bot ihnen eine Bühne, dafür hielten sie ihm die Treue. (...) Heute werden Künstler von ,Bravo’-Redakteuren schon mal ferngehalten, weil ihre Plattenfirma die Machart der Geschichten als schädlich empfinden. ,Solche PR brauchen wir nicht’, heißt es.“
Stimmt ja auch: Öffentlichkeit können sich die Stars über Twitter und Co viel besser selbst verschaffen, wo sie vor wahllosen Lügen ebenso geschützt sind wie vor kritischen Nachfragen. Was uns in einer waghalsigen Überleitung auf die Medienseite der SZ vom Wochenende bringt, wo Ralf Wiegand sich bitter beklagt, dass Sportler und Trainer mittlerweile auch ganz gut ohne Journalisten auskommen.
„Viele Vereine aber führen intern schon Diskussionen, wozu man Sportjournalisten in den Stadien überhaupt noch braucht – wenn man doch alles selber machen kann“, schreibt Wiegand. Ein Verein wie der FC Bayern habe einen eigenen Fernsehsender und ein Büro in New York. Seinen Trainer schnöden Journalisten zum Interview vorzusetzen habe er damit gar nicht mehr nötig. Zumal so ein Interview mit Pep Guardiola ja auch stark an Wert verlöre, wenn jeder eins haben könnte und nicht nur das Fanmagazin und der aktuelle Audi-Geschäftsbericht (ganz recht: nur diesen beiden Publikationen gab Guardiola seit seinem Amtsantritt ein Interview).
„Der Sportjournalismus steht also künftig vor der Herausforderung, auf seine Fragen noch kostenlose Antworten zu bekommen.“
Womit bewiesen wäre: Journalisten können auch Kostenloskultur.
Jetzt aber schnell zum Altpapierkorb.
Altpapierkorb
+++ Bertelsmann schließt seine Journalistenschule, verrät aber nicht, warum, schreibt der Spiegel. Erst 2010 war die „International Academy of Journalism“, kurz Intajour gegründet worden, damit an ihr Journalisten aus Ländern ohne Pressefreiheit lernen können. Wenn der dritte Jahrgang im Juli die Schule verlässt, ist Schluss. +++ Schluss ist auch für Paul Sahner bei der Bunten, berichtet ebenfalls der Spiegel. Zumindest ein bisschen Schluss, denn „Deutschlands wohl bekanntester Klatschreporter“ (Spiegel) geht mit seinem 70. Geburtstag im Juni nur in Teilruhestand und bliebt der Burda Zeitschrift Bunte als freier Autor verbunden. +++
+++ Der Focus hat derweil Manfred Braun interviewt, Geschäftsführer der Funke Mediengruppe und damit Käufer all dessen, mit dem man beim Springer-Verlag (also dem Axel mit den sehr geilen Schuhen – Erklärlink) derzeit nicht so viel anfangen kann. Nein, einen gemeinsamen Mantel für alle Zeitungen werde es nicht geben, sagt Braun. Aber die ein oder andere Seite wird wohl schon in diversen Titeln gleich aussehen. Die Entscheidung, ob die Programmzeitschriften demnächst in Hamburg, München oder weiterhin an beiden Orten erstellt werden, soll auch bald fallen.+++ Zweite Focus-Erkenntnis: Die insolvente Abendzeitung aus München könnte als Wochenzeitung auferstehen. +++
+++ Johannes Boie hat für die Medienseite der SZ den Traum eines jeden entdeckt, der die zerstörende Kraft des Internets verflucht: Sugarcreek, Ohio. Dort leben Amish People, anerkannte Technik-Feinde und damit bis heute Leser einer Print-Zeitung. Die heißt „The Budget“ und ist, Überraschung, eine Art analoges Facebook. +++
+++ Die FAZ hat auf ihrer montäglichen Mini-Medienseite Platz, sich zwei Fernehsendungen zu widmen: der neuesten Sat1-Krimiserie „Josephine Klick“ mit Diana Amft („Der ,letzte Bulle’ ist jetzt eine Frau“, lautet das Urteil von Michael Hanfeld. Nadia Pantel meint auf der Medienseite der SZ: „Diese Frau nervt.“). Sowie der ZDF-Doku „Die Arier“. Für die lohnt sich laut Oliver Jungen auch das Wachbleiben bis kurz vor Mitternacht. „Allerdings ist die Grundhaltung hier nicht das ironische Staunen angesichts des Irrsinns, sondern das Kopfschütteln. Die bewusst eingesetzte Naivität kann mitunter nerven, aber sie führt zu einem Ergebnis: Erstaunlich oft reden die Pseudoherrenmenschen von ihrer Furcht vor der Welt.“ +++
+++ Auf Arte läuft heute Abend „Brasilien vor dem Anpfiff“ – eine recht einseitige Doku, wie Jens Müller bei der taz findet, in der nur die Stuttgart-21 WM-Gegner, aber nicht ihre Befürworter zu Wort kommen. +++
+++ Ebenfalls für die taz dröselt Daniel Bouhs noch mal auf, wie es um die Montagues und Capulets von Berlin derzeit steht, auch bekannt als DJV Berlin und JVBB, die beiden unveröhnlichen, aber dennoch heiratswilligen Berliner Landesverbände des DJV. +++
+++ Wann hat das eigentlich mit diesem Promi-Kult angefangen, und wozu brauche wir den, fragt sich auf der Medienseite der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Heike-Melba Fendel. „Die ,Großen’ stehen im Schatten der Selbstvermarkter ohne Leistungszentrum. Wer das Aufmerksamkeitsfeld nicht als anspruchsfreien Raum bewirtschaftet will, kopiert, wenn nicht die Strategie, so doch die Mechanik anspruchsbefreiter Kollegen“, schreibt sie. In anderen Worten: Wer als seriöser Theaterschauspieler so medial erfolgreich sein will wie Sandy Meyer-Wölden, sollte sich schleunigst eine eigene Schmuckkollektion sowie ein Date mit Lothar Matthäus oder Micaela Schäfer zulegen. „Die phonetische Nähe des Promis (sprich Prommi) zu Pommes kommt nicht von ungefähr. Der Promi ist eine Sättigungsbeilage unserer Gesellschaft für den kleinen Glamourhunger zwischendurch. Er ist der Star im Fast-Food-Format, überall greifbar und jederzeit konsumierbar.“ Und wenn Sie sich jetzt fragen: Heike-Melba Fendel? Muss ich die kennen? Sie ist die Geschäftsführerin der Künstler- und Veranstaltungsagentur Barbarella Entertainment und hier mit Esther Schweins und dort mit Hannelore Elstner zu sehen (zum Beispiel). +++
+++ Markus Balser zeigt sich auf der Medienseite der SZ am Samstag so mittelbegeistert von „Bilanz“, dem neuen Wirtschaftsmagazin aus dem Hause Springer, das sicherheitshalber gleich mal den Abonnenten der Welt als Beilage mit aufs Auge gedrückt wird. „Das erste Heft liefert Exklusives. Doch die ganz große Enthüllung, das von Springer angekündigte ,heiße Material’ fehlt“, meint Balser. Als deutliche Kampfansage gegen das ebenfalls monatlich erscheinende Manager-Magazin der Spiegel-Gruppe tauge Bilanz aber allemal. +++
+++ Man kann es wohl nicht oft genug sagen: „Die angeblich ,knappen Kapazitäten’ der Leitungen, das Netz, das bald ,voll’ sei, all das ist eine Mär, die Lobbyisten und PR-Strategen sich ausgedacht haben, um den Telekommunikationskonzernen eine Legitimation für ihre notorischen Versuche zu liefern, die Netzneutralität auszuhebeln.“ Den Erklärbär im Sinne der Netzneutralität gibt dieses Mal Mario Sixtus für den Tagesspiegel. +++ Der für seine Wochenendausgabe zudem mit Marion Brasch über DT64 gesprochen hat, den Radiosender für die Jugend der DDR, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen gefeiert hätte. +++
+++ Über die österreichische Satire-Serie „Bösterreich“ berichtet Ralf Leonhard in der Sonntaz. Was einen dabei erwartet? „Ein serbischer Taxifahrer bringt alle Fahrgäste mit seinem Gelaber und seinem Blindflug durch die Straßen zur Verzweiflung, selbst einen Bankräuber, der auf seine Beute verzichtet und darum bettelt, aussteigen zu dürfen. Und biedere Büroangestellte im Warteraum des Swinger-Clubs verraten einander ihre grotesken Sexualvorlieben.“ Die Wandlungsfähigkeit der beiden Hauptdarsteller Nicholas Ofczarek und Robert Palfrader mache die ORF-Serie amüsant, meint Leonhard, auch wenn sie immer wieder ins Slapstickhafte ausarte.
+++ Zum Schluss noch ein Blick in den Abgrund gefällig? Dann bitte hier entlang, wo Newsroom die Reaktionen seiner Leser auf diesen Artikel des Journalismus-Studenten Christian Esser zusammengetragen hat. Esser sorgt sich, von seinem Beruf irgendwann nicht mehr leben zu können. Berechtigter Weise, meinen die Leser. Ihr Tipp: Schnell noch umschulen. +++
Frisches Altpapier gibt es wieder am Dienstag.