Demut, my ass!

Wie eine intensiv bärbeißige CDU einst den Irak-Krieg im ZDF dargestellt haben wollte. Warum die vermeintliche Infoelite aus Verlierertypen besteht. Außerdem auf der Agenda: ein exklusives Interview mit Edward Snowden und ein „exklusiv“ genanntes mit Glenn Greenwald. Und: Gruner + Jahr sagt Jein zu Grillzangen.

Bei aller Sophistication, die wir mit dieser Kolumne auszustrahlen bemüht sind: Einem knalligen Einstieg sind wir nicht abgeneigt, vor allem dann nicht, wenn ihn ein Journalismus-Superstar wie der sich in diesen Tagen in Deutschland aufhaltende Glenn Greenwald liefert.

„Der etablierte Journalismus ist mittlerweile einfach total korrupt“,

sagt er im Interview mit der SZ (Seite 31).

Wobei sich darüber streiten lässt, ob dieses - im übrigen leicht aus dem Zusammenhang gerissene Zitat - überhaupt knallt, denn, sagen wir mal: Der Schriftsteller und Journalist Jörg Fauser bzw. eine seiner Romanfiguren hätte das vor rund 30 Jahren vielleicht auch sagen können oder hat es vielleicht sogar gesagt. Wir erwähnen das nicht, weil Fauser in diesem Jahr 70 Jahre alt geworden wäre, sondern weil Constantin Seibt in seiner aktuellen „Deadline“-Kolumne (auf die wir später noch kommen) mit einem Zitat aus Fausers Auch-was-mit-Journalismus-Roman „Das Schlangenmaul“ von 1985 aufwartet.

####LINKS####

Nun aber erst einmal zu Greenwald. Frederik Obermaier stellt ihm für die SZ die weit über unseren geliebten Medienzirkus hinaus aktuelle Frage, „welche Informationen“ Edward Snowden dem hiesigen NSA-Untersuchungsausschuss liefern könnte, „die nicht schon in den Zeitungen standen“. Greenwald sagt:

„Er weiß viele Dinge über die NSA, die nicht in den Dokumenten stehen. Er kann erklären, wie das ganze System funktioniert. Dem Untersuchungsausschuss kann er die bereits veröffentlichten Informationen erklären und neue Informationen geben (...) Es ist noch längst nicht alles berichtet.“

Der Tagesspiegel hat ebenfalls mit Greenwald gesprochen, will das Gespräch in ganzer Breite aber erst am Sonntag bringen. Eine Vorabzusammenfassung steht aber schon online. Die Berliner haben „exklusiv“ rübergeschrieben, aber Greenwalds Antwort auf die Kernfrage klingt auch nicht wesentlich anders als in der SZ:

„Was wir bisher veröffentlicht haben, ist ja nur ein kleiner Teil der Unterlagen, die Snowden uns überlassen hat. Da ist ein ganzes Universum von Informationen, das die deutschen Ermittler noch nicht kennen.“

Ausführlich mit Edward Snowden selbst gesprochen - und zwar ebenfalls „exklusiv“, wobei dieser Begriff hier möglicherweise tatsächlich angebracht ist  - hat die Vanity Fair für ihre gestern erschienene Mai-Ausgabe. Auch hier gibt es, verständlicherweise, online nur Ausschnitte. Zu finden ist in dem Text unter anderem ein Lobgesang auf Wikileaks:

„They run toward the risks everyone else runs away from. No other publisher in the world is prepared to commit to protecting sources—even other journalists’ sources—the way WikiLeaks is.”

[+++] In voller Länge zugänglich ist dagegen ein Interview, das Tilo Jung mit Ex-ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender für seine Web-TV-Reihe „Jung & Naiv“ geführt hat. stern.de hat es in eine Schriftfassung gebracht ein von „Jung & Naiv“ erstelltes Transkript publiziert, was unter anderem erfreulich ist aufgrund folgender Beschreibung eines konkreten politischen Einflussnahmeversuches auf das ZDF:

„Ich erinnere mich noch sehr gut an die Auseinandersetzung und Berichterstattung im Irakkrieg. Dort hat die CDU mit intensiver Bärbeißigkeit versucht, unsere Berichterstattung zu behindern (...) ‚Frontal 21‘ (...) hatte von Beginn an die Thesen der Amerikaner bezweifelt, dass Irak zum Beispiel Massenvernichtungswaffen hätte und ähnliches. Das hat auch das Magazin immer wieder gesagt - gegen den erheblichen Widerstand der CDU. Heute weiß jeder, dass das stimmte (...) Nun kann man sagen: Ihr habt's ja geschafft, ihr habt ja berichtet (...) Aber wie soll man die Energien eines Senders immer wieder darauf verwenden, Unsinn abzuwehren? Das geht auf Dauer nicht. Und deswegen hat das Verfassungsgericht jetzt gesagt: Nein, das ist jetzt hoffentlich bald zu Ende.“

[+++] Mit einem weniger thematisierten Aspekt des Verfassungsgerichtsurteils zum ZDF-Staatsvertrag (siehe Altpapier), um das es aus naheliegenden Gründen in dem Brender-Interview auch sonst recht häufig geht, befasst sich Volker Nünning in der Funkkorrespondenz. Er weist darauf hin, dass die Karlsruher Entscheidung auch Auswirkungen auf die Gremienzusammensetzung bei den Landesmedienanstalten haben müsste:

„Was die staatsferne Organisation der Landesmedienanstalten anbelangt, dürfte vor allem bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) Handlungsbedarf bestehen. Die BLM in München ist als öffentlich-rechtlich organisierte Anstalt aufgrund einer Spezialregelung in der bayerischen Verfassung auch Veranstalterin der kommerziellen Rundfunkprogramme im Freistaat (Art. 111a). Im 47-köpfigen BLM-Medienrat (das Aufsichtsgremium der Anstalt - AP) dürften bis zu 17 Mitglieder als staatlich bzw. staatsnah im Sinne der BVerfG-Vorgaben einzustufen sein. Das wären 36 Prozent und damit mehr als ein Drittel.“

[+++] Wo wir gerade bei den Medienanstalten sind, diesen sehr speziellen Stützpfeilern unseres Gemeinwesens: Auf die allgemeine Alarmstimmung, die derzeit angesichts der Aussicht herrscht, dass der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien möglicherweise bald ein „Vorschlagsrecht“ für die Teilbesetzung der Jurys und Nominierungskommissionen des Grimme-Preises zusteht (siehe unter anderem Altpapier von Mittwoch), reagiert epd medien (Seite 18) unter anderem mit einer nüchternen Information. Fast beiläufig taucht in dem Text folgende Formulierung auf:

„Bislang nimmt lediglich der Volkshochschulverband, der das Institut einst gründete, direkten Einfluss auf die Jury-Zusammensetzung. Er hat das Vorschlagsrecht für bis zu zwei Mitglieder pro Jury.“

Mit anderen Worten: Eine Institution mit „Vorschlagsrecht“ gibt es bereits. Die an Weisheit grenzende TV-Kompetenz des Deutschen Volkshochschulverbandes (DVV) fand kürzlich bekanntlich darin Ausdruck, mit der besonderen Ehrung im Rahmen des Grimme-Preises nicht, wie üblich, eine Person für ihre televisionäre Lebensleistung auszuzeichnen, sondern eine Reihe, nämlich den „Tatort“.

[+++] Kommen wir zu Debattenbeiträgen jenseits der Tagesaktualität: Der neulich schon im Altpapier zitierte Jens Rehländer (früher G+J, heute VW) tumblrt gegen einen seltsamen Ratschlag, den kürzlich Journalisten anderen Journalisten meinten geben zu müssen:

„In der Hoodie-Debatte der letzten Wochen tauchte wiederholt ein Begriff auf, der mir im Kontext meiner früheren journalistischen Tätigkeit niemals untergekommen ist: ‚Demut‘. Journalisten sollten, so forderten Essayisten im Netz, in der Zeit, in der FAZ, ‚demütiger‘ werden: gegenüber ihren Kollegen - bezogen auf das Verhältnis zwischen Print- und Online-Ressorts - und gegenüber ihren Kunden, der sogenannten Öffentlichkeit. Wenn Journalisten neuerdings Demut predigen, dann bereichert diese Haltung aus meiner Sicht die Medienkrise um ein weiteres Symptom. Man duckt sich weg, um nirgends anzuecken. Nachvollziehbar, wenn man um seinen Job fürchtet. Einerseits. Andererseits passt Demut schlüssig in das Bild, das der Journalismus zur Zeit an Außenstehende vermittelt: Die Branche selbst arbeitet an ihrem Bedeutungsverlust.“

Im Besonderen watscht Rehländer die nicht undemütigen „Mikrofonhalter“ ab, die sich von Politikern im Fernsehen „mit phonetischen Modulen aus ihren Satzbaukästen“ abfertigen lassen.

Mit Demut hat auch der oben schon kurz erwähnte Constantin Seibt gar nichts am Hoodie, erst recht nicht mit Demut gegenüber den „Kunden“ (Rehländer):

„Auf Websites gilt die Faustregel: Zehn Prozent der Leute generieren 90 Prozent der Klicks. Genannt werden diese ‚heavy users‘ oder manchmal: die Infoelite. Ich bezweifle Letzteres. Leute, die manisch auf News-Websites gehen, sind größtenteils sicher keine glücklichen Leute, erfüllt in Privat- und Berufsleben: Es sind Verlierer. (Ich gehöre dazu, an meinen Verlierertagen.) Und die empörten Kommentarschreiber sind zu weiten Teilen Menschen, die sich ewig für übervorteilt halten. Das ist kein Club, zu dem irgendjemand von Gelassenheit oder Verstand dazugehören will. Und einen Hauch Clubatmosphäre brauchen wir, wenn wir Abonnenten wollen, da ein Abonnement heute keine Routineangelegenheit mehr ist, sondern ein Bekenntnis.“

[+++] „24h Jerusalem", das, so viel darf man vielleicht sagen, TV-Ereignis des Wochenendes (siehe Altpapier), würdigt Klaudia Wick ausführlich für epd medien (noch nicht frei online). Sie zieht einen Vergleich mit dem Vorgängerprojekt „24h Berlin“:

„‚24h Jerusalem‘ ist das größere, gereiftere, relevantere Projekt für die Fernsehgeschichte. Die Selbstverständlichkeiten des modernen Dokumentarfernsehens werden angesichts der Produktionshistorie noch einmal radikal und augenfällig infrage gestellt: Dass Telegenität bei der Auswahl von Protagonisten wichtiger ist als die proportional  korrekte Abbildung von Lebensentwürfen gesellschaftsrelevanter Gruppen, ist eine Erkenntnis, zu der Dokumentarfilmer in den 70er und 80er Jahren auch erst einmal kommen mussten. Aber in einer Krisenregion wie Israel, in der Selbstbehauptung und Selbstdarstellung Mittel eines existenziellen und zuweilen blutig geführten Kampfes sind, wird den Fernsehbildern eben (noch) ganz umweglose meinungsbildende Bedeutung beigemessen (...) Zu sehen ist (...), dass die Mitwirkenden sperriger im Frage-Antwort-Spiel sind, weil sie auf jedes Wort bedacht sind. Dass sie ungeübter im Flirt mit der Kamera sind (...).“

Die Jüdische Allgemeine hat Volker Heise, den Spiritus rector des Projekts, interviewt:

„Eigentlich wollte ich so etwas wie ‚24h Berlin‘ nicht noch einmal machen. Aber Jerusalem übte einen eigenartigen Reiz auf mich aus, als die Idee an mich herangetragen wurde. Man meint, die Stadt zu kennen, sie ist ein Teil unserer Kultur, und doch versteht man sie nicht wirklich.“

Außerdem steht in der Wochenzeitung noch ein Text mit Pro- und Contra-Positionen zum Projekt.


ALTPAPIERKORB

+++ Recht plauderwillig zeigen sich gegenüber Newsroom diverse taz-Leute, was Einschätzungen zur Entscheidung der Redaktion angeht, der Beförderung der Online-Chefin Frauke Böger nicht zuzustimmen (Altpapier). Auf der FAZ-Medienseite hat natürlich der bewährte taz-Innenweltanalytiker Michael Hanfeld seinen Auftritt. „Die Redaktion liegt in Trümmern“, konstatiert er - und meint zur Ablehnung Bögers:
„Vielleicht hat es aber auch sie getroffen, obwohl jemand anderes gemeint ist: die Chefredakteurin Ines Pohl, deren Verhältnis zu einem Großteil der Redaktion man als zerrüttet bezeichnen kann.“ Hanfeld erwähnt den von Böger bei Twitter verlinkten Andreas-Dorau-Klassiker „Demokratie“, ohne den Namen Dorau zu erwähnen, was die bisher selten erörterte Frage aufwirft, was für eine Pop-Sozialisation eigentlich Hanfeld durchlaufen hat.

+++ Wer wissen will, wie die FAZ redigiert, bekommt Anschauungsmaterial geliefert von Grandmaster Fefe. Einen „kurzen (700 Worte) Artikel“ über Heartbleed und die Folgen, den die Zeitung bei ihm bestellt hat, bekommen wir sowohl in der ebd. veröffentlichten Fassung als auch in der „Rohfassung“ präsentiert. Die hat Fefe „aus Transparenzgründen“ publiziert.

+++ Auf den gestern im Altpapierkorb zitierten FAZ-Text, in dem Google-Funktionär Eric Schmidt eine „profitable Partnerschaft“ seines Konzerns mit dem Hause Axel Springer besingt, geht Frank Lübberding (wiesaussieht) ein: „Der Gewinn, um das böse Wort von Schmidt vom ‚Profit‘ zu vermeiden, ist umso höher je mehr ökonomische Macht private Akteure in die Waagschale werfen können. Monopolisten, das wissen wir aus der Wirtschaftsgeschichte, sind dabei besonders erfolgreich. Ordoliberale hatten schon immer eine Idee, wie damit umzugehen ist. Sie sahen eine Aufgabe des Staates darin, solche Machtpositionen zu verhindern (...) Insofern wäre die Aufgabe des Staates beschrieben. Statt des unbegründeten Generalverdachts gegen Jedermann den begründeten Verdacht gegen die privaten Akteure zu richten, die Kooperation als ‚profitable Partnerschaften‘ im eigenen Interesse definieren.“

+++ Die Jungle World hat die Berichterstattung zu Gerhard Schröders 70. Geburtstag am vergangenen Sonntag ausgewertet: „Er schmiert ‚Pausenbrote für seine Kinder‘ (SZ), ‚ist auf dem Teppich geblieben‘ (Welt) und ‚jettet um die Welt, um gegen Geld seine Agenda-Politik zu erklären‘ (SZ).“

+++ meedia.de gibt Anne Reidt, der Redaktionsleiterin des „heute-journals“, Gelegenheit, zur Kritik an der Sendung in Sachen Ukraine-Berichterstattung Stellung zu nehmen. Zumindest am Rande um den Komplex Ukraine und die Medien geht es in einem „Monitor“-Beitrag von gestern Abend (Thema: unterdrückte Ermittlungsergebnisse zu den tödlichen Schüssen auf Demonstranten).

+++ „Meine türkische Frau muss dafür büßen, dass ich ein regierungskritisches Interview geführt habe“ - auf Seite 8 der neuen Zeit erläutert der Journalist Marco Ansaldo, warum seine Ehefrau Yasemin Taksin ihren Job als Italienkorrespondentin bei der türkischen Zeitung Sabah, die einem „Erdogan-nahen Unternehmer“ gehört, verloren hat. Besonders absurd: Sie musste bereits zum zweiten Mal in ihrer Berufslaufbahn für ein Interview ihres Gatten büßen. „In Sippenhaft“, lautet die Headline, gemeint ist aber natürlich, wie fast immer, wenn Journalisten diese Formulierung verwenden, Sippenhaftung.

+++ Nachhilfe in Sachen Urheberrecht für den Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern: Ein Berliner Fotograf hat in zweiter Instanz erfolgreich gegen die nicht genehmigte Verwendung eines von ihm gemachten Fotos der Punkband Feine Sahne Fischfilet (FSF) im Verfassungsschutzbericht geklagt (Freitag, Ostsee-Zeitung, FSF-Blog). Dass die Band in diesem Bericht gar nichts zu suchen hat, sei nur am Rande erwähnt.

+++ „Auf die Frage, ob G+J irgendwann Hundefutter oder Grillzangen verkaufen werde, sagt Sugarman, ‚hätten wir vor zwei Jahren definitiv gesagt: Nein‘. Heute sei die Antwort ‚Jein‘.“ - Claudia Tieschky war für die SZ (Seite 31) bei einer Pressekonferenz, auf der Gruner + Jahr Auskünfte zur Digitalgeschäftslage gab. Der zitierte Sugarman heißt mit Vornamen Stan und hat „Chief Digital Officer“ auf seiner Visitenkarte stehen. Christian Meier (meedia.de) war bei der Veranstaltung ebenfalls zugegen.

+++ Und nun zum Fußball: „Wie die Stuttgarter Medien PR mit Journalismus verwechseln“, beschreibt Daniel Bröckerhoff. Anlass ist die konzertierte Aktion „Jetzt weiß-rot: Gemeinsam für den VfB“, mit der Stuttgarter Medienarbeiter, die sich von allen guten Geistern des Journalismus verlassen ließen, zum Klassenerhalt des ortsansässigen Erstligisten beizutragen hoffen.

+++ Für die Funkkorrespondenz werfe ich einen Blick auf die WM-Teams von ARD und ZDF - unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die vier Experten der beiden Programme allesamt Ex-Spieler des FC Bayern sind (siehe in einem anderen Zusammenhang auch Carta).

+++ Weil einer der Autoren dieser Kolumne ein Buch über den immer wieder mit FC-St.-Pauli-Bezügen aufwartenden „Tatort“ aus Münster geschrieben hat (Matthias Dell) und ein anderer diverse über den FC St. Pauli (meinereiner), sei an dieser Stelle der Hinweis auf eine maximal nerdige Auflistung erlaubt, die Aufschluss darüber liefert, wie erfolgreich St. Pauli an jenen Wochenenden gespielt hat, an denen ein neuer „Tatort“ aus Münster zu sehen war. An diesem Sonntag kommt ja wieder einer.

+++ Mehr Krimis: Thomas Gehringer (Tagesspiegel) lobt am neuen „Unter Verdacht“-Film vor allem die Kameraarbeit Jo Heims: „(Er) wechselt häufig die Perspektiven, folgt den Protagonisten mal mit großem Abstand, mal aus großer Nähe, misst die Betonklotzsiedlung mit nüchternem Blick für geometrische Formen ab und fängt dann wieder mit wackliger Handkamera mitten im Geschehen Stimmungen ein. Der soziale Status spielt im Film eine Rolle, wird aber nicht ausgestellt. Dazu das Licht, das bewusst eingesetzte Wechselspiel aus Hell und Dunkel und die Überblendungen, die manche Szenen verfremden. Die Bildsprache setzt nicht auf puren, scheinbar objektiven Realismus, sondern auf Empfindungen, Atmosphäre, den subjektiven Blick.“ Die WAZ preist ebenfalls Heim, und Uwe Ebbinghaus (FAZ-Medienseite) findet, auch diese Folge von „Unter Verdacht“ sei „wieder mit ungewöhnlicher Liebe zum Detail produziert“.

+++ Mehr Fernsehen am Wochenende: Harald Keller empfiehlt in der Funkkorrespondenz die Musiksendung „Ram Jam“ (Eins Plus): „Das Team (knüpft) an die Ästhetik diverser Internet-Angebote an und kommt damit der jugendlichen Zielgruppe – den Gleichaltrigen – entgegen. Hier tritt der jugendliche Approach eben nicht als Behauptung oder Inszenierung in Erscheinung, sondern ist der Produktion immanent. Diese an der fernsehtechnischen Professionalität üblicher Talk- und Unterhaltungssendung zu messen, wäre schulmeisterlich und entspräche der Erwachsenenperspektive, die hier schlichtweg keine Geltung besitzt. Das Experiment, man darf es wohl so nennen, belegt die Notwendigkeit von Spartenkanälen.“

+++ Wer für die Wochenendlektüre längere englischsprachige Artikel bookmarken möchte: „Why the ‚Open’ Internet Is So Closed to Women“ (The Nation) und ein Artikel aus der heute schon erwähnten Vanity Fair mit dem Tenor „Newspapers may be in trouble—layoffs, bankruptcies, foreign-bureau closings, etc.—but (...) serious newspaper journalism is not (zitiert laut Inhaltsverzeichnis) seien empfohlen.

Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.