Nachhaltige Berichterstattungs-Verbesserung in einer wichtigen Medienmetropole. Ein Finanzierungsaufruf für hyperlokale Blogs, eine frische Finanzierungsidee für Glamourjournalismus. Engagierte Fernsehschauspielerinnen.
Los geht's mit einer guten Nachricht: Der neue Wachhabende am Sturmgeschütz der Demokratie, "editor Wolfgang Buchner from Der Spiegel", hat einen tollen Preis bekommen - gemeinsam mit Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger den (halben) Special Award des European Press Prize 2013 ("#epp2013"), und zwar für "Beharrlichkeit und Mut" (übersetzt die DPA, deren Chefredakteur Büchner bis August 2013 war) beim Publizieren der NSA-Storys.
Um zu erfahren, worin genau der Mut des noch relativ frischen Spiegel-Chefs Büchner besteht, muss man vielleicht die ausführlichere Urteilsbegründung abwarten. Die andere Hälfte des gleichen Preises geht übrigens an Yavuz Baydar. Mit Preisen geizen tun sie beim EPP also nicht. Und ein Blick auf die Shortlist der Kandidaten, auf der zwar nicht Büchner erscheint, aber unter sechs Nominierten in der Kategorie The Investigative Reporting Award gleich drei deutsche oder mit deutscher Beteiligung entstandene Reportagen standen, lässt einen über die Preisvergabe staunen. Büchner reichte den Preis natürlich gerne an sein fantastisches Team weiter.
[+++] Wir bleiben bei Nachrichten mit gutem Klang. Köln, diese wichtige deutsche Medienstadt (Foto), kann sich künftig einer noch "nachhaltig gesteigerten" "Qualität" der "lokalen und regionalen Berichterstattung" seiner Tageszeitungen erfreuen. Sagt nicht irgendwer, sondern sagen Professor Alfred Neven DuMont vom Verlag M. DuMont Schauberg (MDS) sowie der Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, Helmut Heinen.
Regelmäßige Leser dieser Kolumne wissen natürlich, dass solche Formulierungen, zumal, wenn sie im Zeitungsgeschäft fallen, im Allgemeinen das Gegenteil ihres nominellen Wortlauts zu bedeuten haben. In Köln also "bündeln", wie es in der MDS-Pressemitteilung heißt, aus der auch das vorige Zitat stammt, die beiden lokalen Nichtboulevard-Tageszeitungen Kölner Stadtanzeiger und Kölnische Rundschau ihre Lokalredaktionen.
Auch dazu gibt es eine ausführliche DPA-Meldung (newsroom.de). Die Kurzfassungen derselben Meldung bei ksta.de und rundschau-online.de zeigt, worauf diese Optimierung hinausläuft: identische Inhalte in unterschiedlichem Gewand.
Während sich die offizielle Verlautbarung der kölschen Blätter mit recht kläglichen Windungen müht, wenigstens Beibehaltung des Status quo zu versprechen (beide Titel würden "ihre eigene 'Farbe' behalten"; Neven DuMont wird weiter zitiert mit: "Der einzelne Leser wird auch in Zukunft in jeder einzelnen Ausgabe die vertrauten Stimmen aus den alten Ausgaben wiederfinden"), finden journalistengewerkschaftliche Stimmen aus Nordrhein-Westfalen: "Das schlechte Beispiel des Ruhrgebiets macht Schule", heißt es, ebenfalls identisch, bei medienmoral-nrw.de und auf der Webseite des NRW-DJV. Dort nennt der Vorsitzende, Frank Stach, dann auch das Beispiel, das die Kölner Verleger offenkundig leitet:
"'Das alles erinnert fatal an den Kahlschlag der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet.' Auch in Köln verkaufe man Sparmaßnahmen als Strategie, 'eine zukunftsfähige Struktur für den Lokaljournalismus in unserer Region' zu schaffen. Und wie zuvor die WAZ- bzw. Funke-Gruppe argumentiere man mit vermeidbarer Doppelarbeit und stelle gar Qualitätssteigerungen in Aussicht."
Immerhin wird in Köln keine reine Zombiezeitung entstehen, sondern sollen bloß 30 Redakteursstellen "durch natürliche Fluktuation, Angebote für Altersteilzeit und Vorruhestandsregelungen sowie Aufhebungsverträge" (MDS) und vor allem durch Verzicht auf Neueinstellungen bis Ende 2015 "sozialverträglich" abgebaut werden.
####LINKS####
Und um fair zu bleiben: Für einen unabhängigen Wettbewerber hielt die Kölnische Rundschau aus Heinens Verlag in Köln schon lange niemand mehr. Schließlich arbeiten KSTA und diese Rundschau "bereits seit 1999 im Bereich der Verlagsgeschäfte eng zusammen" (MDS), bzw. hatte das Bundeskartellamt diese Kooperation damals "genehmigt, weil Heinen mit Einstellung des bis dahin defizitären Titels gedroht hatte", ruft meedia.de (wo vorgestern die vorige MDS-Stellenabbau-Meldung erschienen war) in Erinnerung: "Die Redaktion, hieß es damals immer wieder, bleibe eigenständig." Diese nominelle Eigenständigkeit wird sie sich insgesamt immerhin 15 Jahre lang bewahrt haben.
Vor etwa zehn Jahren hatten übrigens Berliner Tageszeitungen, der Tagesspiegel und die BLZ, darum gekämpft, auch ein solches Modell genehmigt zu bekommen, wie es es in Köln schon gab. Dass inzwischen selbst solche Modelle nicht mehr funktionieren, verdeutlicht die Entwicklung. Da das Kartellamt dem für Berlin nicht zustimmte, blieb die Berliner Zeitung erst mal eigenständig. Später wurde sie, wie noch später die Frankfurter Rundschau, von MDS gekauft. Dass die Kölner Verlagsgruppe vor allem mit dem Frankfurter Geschäft enorme Verluste gemacht hat, wurde kürzlich erst so richtig bekannt (vgl. Altpapier "Entlastet die Regale!"). Mehr als 112 Millionen Euro waren es im Jahr 2012. Rund vier Millionen, also 1/28 soll die neue Kölner Kooperation nun pro Jahr einsparen.
Was sagt Konstantin Neven DuMont? Bis zum Mittwoch morgen noch nichts dazu (Twitter). "Köln tickt anders, irgendwie sizilianisch aber ohne Leichen", kommentiert ein "Rheinländer" unter der knappen ruhrbarone.de-Meldung.
Einen Widerschein, wie sie im Rheinland lokalmedienmäßig ticken, bietet heute die FAZ-Medienseite. Dort steht ein ausführlicher Artikel über eine langwierige Auseinandersetzung zwischen dem Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und dem General-Anzeiger. Das ist die Bonner Lokalzeitung, die vielleicht noch ein wenig vom Ruhm zehrt, einst Bundeshauptstadtszeitung gewesen zu sein, die überregional aber schon länger allenfalls mit überdurchschnittlich heftigen Einsparideen (sowie einer Einspar-Kooperation mit der genannten Kölnischen Rundschau) etwas Aufsehen erregt. Andererseits hatte sie 2010 den Wächterpreis der Tagespresse bekommen. Auch darum geht's im für Nicht-Bonner nicht ganz leicht verständlichen FAZ-Stück. Unter anderem heißt's darin:
"Das Tuch zwischen der Stadt und dem tonangebenden Regionalblatt (ein Gegengewicht fehlt: der Bonner 'Express' unterhält bloß, die 'WDR Lokalzeit' liest den 'General-Anzeiger', und die 'Bonner Rundschau' ist kaum sichtbar, seit sie im Mantel des 'General-Anzeigers' erscheint) ist der Länge nach gerissen."
So weit zum rheinländischen Lokalmedien-Ticken. Was berichtet eigentlich der WDR über die neueste Kölner Zeitungs-Koop? Er liest offenbar den KSTA ...
[+++] Ein ganzes Stück rheinaufwärts, dann ein paar Kilometer nach Osten, da liegt Heddesheim. Diese Ortschaft ist unter Nicht-Heddesheimern am ehesten für eines der bekanntesten, weil ältesten hyperlokalen deutschen Blogs bekannt: heddesheimblog.de. "Das Heddesheimblog macht auf unbestimmte Zeit Pause", machte der wohl bekannteste hyperlokalen Blogger Hardy Prothmann gerade bei Carta (und zuvor im Heddesheimblog) publik.
"Ob künftig weiter Nachrichten & Informationen auf dem Heddesheimblog.de veröffentlicht werden, hängt also ganz allein von den Leser/innen ab", "wenn jeder unserer täglich 1.000 Leser drei Euro pro Monat bezahlt, kommt das Geld zusammen", so in etwa lautet die Gleichung.
Das bedeutet kein Scheitern des einst in Heddesheim gestarteten Projekts, vielmehr betreibt Prothmann derzeit zwischen Dossen- und Weinheim zehn weitere Lokalblogs (Übersicht im rheinneckarblog.de-Impressum), die offenbar weiter laufen. Es zeigt aber, dass Lokalberichterstattung zu finanzieren, weder leicht ist, noch leichter wird.
[+++] Auf eine frische Finanzierungsidee für Glamourjournalismus könnte Sonja Alvarez vom Tagesspiegel gestoßen sein, und zwar im renommierten Gruner+Jahr-Magazin Gala. Dort geben die nicht nur Fernseh-, sondern auch Filmschauspielerinnen Nadja Uhl und Karoline Herfurth ein gemeinsames Interview unter der Überschrift "Haltung zeigen".
Es geht darin erst um Haarfarben und Haarfarbenwitze, dann um Vorurteile und schließlich um die aktuell prominente Werbekampagne des Autoherstellers Opels, für die unter anderem die beiden Darstellerinnen aktiv sind. "Im letzten Teil des Gesprächs dürfen sie ganz ungebremst über ihr Lieblingsauto schwärmen, es sind - wenig überraschend - die Modelle, für die sie selbst werben" (Alvarez).
Der Tsp. hat vom Gala-Chefredakteur Christian Krug, der mit den Wassern des sog. Coporate-Publishing durchaus gewaschen ist, nicht nur gehört, dass seine Zeitschrift "wirtschaftlich sehr gut" dastehe und daher gar keine Schleichwerbung nötig habe, sondern auch folgende Stellungnahme erhalten:
"Es handelt sich natürlich nicht um Schleichwerbung, weil wir schon im ersten Absatz den Lesern erklären, dass der Anlass des Gesprächs mit den beiden Schauspielerinnen ihr ungewöhnliches Engagement für einen Autohersteller ist."
Engagement?
Jawohl, sagt Nadja Uhl: sozusagen für die "Rettung des Opel-Standorts Deutschland".
Das eindrucksvolle Interview, in dem die Schauspielerinnen, die oft ja kluge Frauen spielen, bemerkenswerte Unbedarftheit performen, steht bei gala.de auch frei online. Klicken Sie mal hin, auch als kleinen Beitrag zur Rettung der vielfältigen Presselandschaft Deutschlands.
+++ Grundsätzlich müssen Einsparungen natürlich nicht immer falsch sein. Darauf macht heute die TAZ-Kriegsreporterin aufmerksam: "In die Vollen ging die ARD auf der Leipziger Buchmesse. Als sollten sie mit meinem schönen Geld nicht endlich mal was Anständiges machen, hatten gefühlt alle Anstalten, die irgendwie von ARD-Geld leben, einen fetten Stand aufgebaut. Und sei es auch nur um - wie im Falle des Nachrichtensenders Phoenix - zwei Stühle und einen Tisch vor eine weiße Wand zu stellen und eine junge Frau davor zu postieren, die so traurig guckt, wie das Programm rüberkommt. Die Präsenz der Sender und Anstalten war aus Gebührenzahlerinnensicht ähnlich gewinnbringend, wie wenn drei NDR-Kamerateams bei ein und derselben Veranstaltung auftauchen ... " Und dann wurden offenbar auch noch rundfunkgebührenfinanzierte Moleskine-Notizbücher verschenkt! +++
+++ "Das Ziel ist, Netz-Überholspuren an große Unternehmen zu verkaufen, unsere Blogs, StartUps und Communities werden dann über die Trampelpfade geschickt. Die Message ist: Mehr Drosselkom wagen", fasst netzpolitik.org die gestrige Entscheidung des Industrieausschusses im EU-Parlament zur Netzneutralität zusammen. +++
+++ "Einen bedauernswerten Tiefstwert von 'Homeland' bei Sat1 berechneten die Quotenberichterstatter im November 2013, als die Serie bei 0,99 Millionen Zuschauern lag. Den erfolgreichsten Serienstart in seiner Geschichte hatte der US-Bezahlsender Showtime mit eben dieser Serie 'Homeland' im Oktober 2011. 1,1 Millionen Amerikaner sahen damals zu. In einem Land mit sehr viel mehr Fernsehgeräten als in Deutschland galt die Serie als Hit" mit beinahe genausovielen Zuschauern. Interessanter Ansatz von Katharina Riehl auf der SZ-Medienseite, die deutsche Einschaltquotenmessung (und den deutschen Einschaltquotenjournalismus) zu hinterfragen. Marco de Ruiter von Fox International Channels sagt dazu, "dass in Deutschland gutes Fernsehen immer nur nach einem Prinzip angerechnet wird: Nach einer Quote, gemessen an Durchschnittsquoten eines Vollprogramms". +++
+++ Dem RTL-Entertainer oder -Reporter Jenke von Wilmsdorff, bekannt u.a. aus den Quotenmeldungen, stößt Joachim Huber (Tagesspiegel) Bescheid: Er "transportiert gesellschaftliche Wirklichkeit. Das ist sein Verdienst. Eitel bis zum Ego-Stolz ist es, Schicksal ad personam testieren zu wollen. Und fragwürdig. Ich bin das bessere Opfer, die anderen, die wahren sind nur zweite Wahl. Der Reporter als Zyniker". +++
+++ "Google greift nach deutschen Fernsehern" (FAZ-Blog). +++ "Apple TV schlägt Googles Chromecast um Meilen" (welt.de). +++ Der tägliche Digitaldebattenbeitrag des FAZ-Feuilletons (S. 11) kommt heute von Christiane Benner, geschäftsführendem Vorstandsmitglied der IG Metall, und kreist kenntnisreich um "Auswirkungen der Digitalisierung auf die Unternehmen und die Arbeitswelt": "Crowdworking-Plattformen wie 'Mechanical Turk' oder 'Clickworker' werfen weitere Fragen auf. Es handelt sich dabei um Marktplätze für Arbeit im Internet, die allesamt durch eine große Machtasymmetrie zwischen Auftraggebern und Crowdworkern gekennzeichnet sind. Der durchschnittliche Stundenlohn bei 'Mechanical Turk' liegt bei 1,25 Dollar und damit weit unter dem amerikanischen Mindestlohn. Dazu kommen Probleme neuer Entgeltmodelle. Eine Aufgabe kann von mehreren Crowdworkern gleichzeitig übernommen werden. Bezahlt wird aber nur, wer zuerst eine Lösung einreicht, die die Anforderungen des Crowdsourcers erfüllt ..." +++
+++ Seit dem endgültigen Ende der Nachrichtenagentur DAPD vor knapp einem Jahr sind von "149 einstigen Festangestellten oder Pauschalisten aus Text, Bild, Video und Dokumentation" nur 17 arbeitslos, "die meisten davon sind älter als 46. Mehr als die Hälfte der Befragten ist noch immer im Journalismus beschäftigt, 48 fest angestellt, 35 freiberuflich. Knapp ein Drittel wechselte in die PR-Branche", meldet die Süddeutsche. +++ Knappe Hinweise auf die Anklage gegen Thomas Leif stehen nun auch in TAZ und FAZ. +++
+++ Eine Dokumentation, die einhellig auf keine einhellige Begeisterung stößt: "Der seltsame Herr Gurlitt" (Arte, 21.50 Uhr). "Man hat den Eindruck, wenn man den Film sieht, hier sollen vor allem Wogen geglättet werden. Die Kontroversen sind rundgeschliffen, keine Ecken, keine Kanten", meint Julia Voss (FAZ). "Aber das Bild vom mutigen Sammler und Retter ist dann doch zu schön, um wahr zu sein" (Ira Mazzoni, SZ). +++ "'Kann denn Handel Sünde sein?' Es ist eine merkwürdig naive Frage, die Maurice Philip Remy in seinem Dokumentarfilm ... stellt" (Hendrik Feindt, Tagesspiegel). +++
+++ "1977 ergatterte sie endlich ihre erste Filmrolle in 'Der Taugenichts' von Bernhard Sinkel. Ein Jahr später wurde sie von Eberhard Schubert unter rund 1000 Bewerberinnen für die Hauptrolle im Nazi-Drama 'Flamme empor' ausgewählt ...": Einen Mareike-Carrière-Nachruf, der wohltuend über die immergleichen agenturgetriebenen Nachrüfchen hinausgeht, gibt es bei welt.de. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.