Entlastet die Regale!

Probleme am Kiosk und völlig andere bei den Presseverlagen. Aktuell besonders bei DuMont. Was sagt der Kartellamts-Chef? Außerdem: Auch die FAZ rückt zusammen. Erst Merkel, jetzt auch Schröder!

Alarmierende Nachrichten vom Pressegrosso-Verband:

"Die Präsentationskapazitäten im Handel könnten mit der Sortimentsdynamik ... nicht Schritt halten",

und

"ganz konkret eine Entlastung der Regale"

sei notwendig. Denn: "Das Presseregal muss eine an den Möglichkeiten des Standorts individuell angepasste vielfältige, attraktive aber vor allem übersichtliche Erlebniswelt bieten, die den Käufern und Partnern Freude bereitet." Wenngleich im optimistischen Herausforderungssound gestaltet, wirft diese Mitteilung des Verbandes derer, die die vielen gedruckten Medien immer zu den vielen Verkaufsstellen hin transportieren und sie, falls sie nicht verkauft worden sein sollten, auch wieder mitnehmen müssen, ein Schlaglicht auf ein Problem: Es gibt einfach zu viele Zeitschriften.

Wie die Zeitschriftenverleger ja auch ungefähr schreiben (z.B. hier: "Jedes Jahr kommen über 600 neue Pressetitel in den Handel. Der Markt braucht diese Neuerscheinungen, denn nur durch eine ständige Erneuerung innerhalb des Pressesortiments lassen sich die rückläufigen Tendenzen etablierter Titel und Segmente einigermaßen ausgleichen ..."). Der Lösungsansatz der Grossisten sieht nun vor, "von Push- auf Pull-Marketing um[zu]denken" und "nachfragegerechter" zu werden, und da die Nachfrage nach Zeitschriften insgesamt halt sinkt, etwa "bei Kunden mit besonders ausgelasteten Regalen die Angebotszeit für zweimonatlich oder seltener erscheinende Titel auf vier Wochen [zu] begrenzen".

Dann wird das vierteljährliche Landlust-für-grillende-Männer-Magazin nur noch einen Monat vorgehalten werden.

[+++] Entlastung winkt den Regalen dort, wo die Belastung eigentlich längst zu ertragen ist. Dem Verlag M. DuMont Schauberg (MDS), dessen Tageszeitungen wie Berliner Zeitung und Kölner Stadtanzeiger kompakt und oft auch dünn sind, geht's finanziell schlecht. Mehr als 112 Millionen Euro Verluste hat er im Jahr 2012 gemacht, wie Christian Meier bei meedia.de in einer recht ausführlichen Bilanz-Analyse schreibt. Ziemlich spät wurden die Zahlen deshalb bekannt, weil MDS nicht börsennotiert ist und solche Zahlen bloß im Bundesanzeiger veröffentlichen muss.

"In der Tat besorgniserregend", findet Caspar Busse in der SZ (S. 25). "Es zeigt sich nun schwarz auf weiß ..., dass die Zukäufe von Frankfurter Rundschau sowie Berliner Verlag und Hamburger Morgenpost strategische Fehler waren", schreibt Meier, der auch bei MDS angefragt hat, ob "die Verlage in Berlin und Hamburg ... zum Verkauf stehen" könnten. Allerdings habe die Antwort auf die Anfrage "absurd und aus der Luft gegriffen" gelautet. "Dreht sich das Geschäft vor allem in der schwierigen Zeitungsstadt Berlin nicht, droht hier eine weitere dauerhafte Minusquelle", schließt Meier dennoch.

Der andere recht ausführliche MDS-Analyst ist aktuell Jan Hauser aus dem FAZ-Wirtschaftsressort (der junge Mann, der das Interesse seiner Leser gern mit ulkigen Anekdoten am Artikelanfang erregt; vgl. sein Thomas-Lückerath-Porträt). Heute steigt er in seinen Artikel, dem schon eine Onlineversion voranging, mit dem Hochseilgarten ein, den Isabella Neven DuMont im Bergischen Land betreibt und den langjährige Medienbeobachter schon aus Artikeln aus der Zeit kennen, in der Isabella ihren Bruder Konstantin im MDS-Vorstand ersetzte. "Höhenangst lässt sich der Familie nicht nachsagen", folgert Hauser also. Er bleibt dann auch nett, zitiert den Verlagspatriarchen Alfred Neven DuMont mit "Wir wollen die Besten sein. Wenn wir an unser Unternehmen glauben, werden wir erfolgreich überleben" aus einem Artikel seines kölschen Boulevardblatts Express neulich (der nur ausgewählte, schönere Zahlen präsentierte), und scheint den offiziellen Verlagsangaben, in einem Jahr "ein ausgeglichenes Ergebnis" für 2013 und 2016 ein solches für das gerade laufende verkünden zu können, zu glauben.

Freilich hat die FAZ auch Grund, nett zu schreiben. Schließlich hat sie von DuMont die tristen Reste der traditionsreichen Frankfurter Rundschau übernommen, nachdem der Kölner Verlag sich damit seine größten Verluste eingebrockt hatte. Mit aktuellen Inhalten der DuMont-Presse geht's gleich noch weiter. Vorher passt erstens noch der Hinweis, dass die FAZ selbst der "gegenwärtigen schwierigen Lage" "Rechnung tragen" wird, und zwar, indem Mitte dieses Jahres auch das Herausgebergremium so zusammenrückt, wie auch "die Redaktionen zusammenrücken müssen". Das heißt: Wenn Günther Nonnenmacher in den Ruhestand geht, verkleinert sich der Herausgeberkreis auf vier. "Das Gehalt eines FAZ-Herausgebers dürfte grob geschätzt zwischen einer halben und einer Million Euro im Jahr liegen" (meedia.de).

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Außerdem passt zweitens ein aufschlussreiches Interview, das auf der Seite von Hausers DuMont-Artikel im FAZ-Wirtschaftsressort gegenüber steht. Interviewt wird Bundeskartellamts-Präsident Andreas Mundt, und zwar zu Medienfragen.

Über Anträge von Medien, die das Kartellamt gerade prüft, spricht er in aller Ruhe (was die Springer/ Funke-Zeitschriften-Frage betrifft: "Was dabei herauskommt, müssen wir dann mal sehen", was Springer und den Fernsehsender N 24 betrifft: "Lassen Sie uns noch ein bisschen Zeit"). Außerdem lässt Mundt mehrfach und für einen Behördenchef bemerkenswert explizit anklingen, dass es aus seiner Sicht "keinen Bedarf für weitere Erleichterungen der Verlagszusammenarbeit" und für Erleichterungen des Kartellrechts für Medienunternehmen gibt, ja, dass schon frühere Änderungen "nicht wirklich notwendig" gewesen seien.

Auf die Frage der Video-on-demand-Portale, von denen nicht nur ein deutsches Projekt kartellamtlich untersagt wurde, worin dann teils "das alte Gespenst der vermeintlichen Benachteiligung deutscher Medienunternehmen" (Mundt) gesehen worden war, kommt aufs Tapet. Der Kartellamtschef nennt interessante Details, z.B.:

"Nehmen Sie Germany’s Gold. Da war haarklein vereinbart, wie hoch die Preise sein sollten. Andere Plattformen - einschließlich der deutschen Plattformen wie zum Beispiel Videoload der Deutschen Telekom - sollten keinen diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlich-rechtlichen Inhalten bekommen. Niemand sonst hätte 'Derrick' oder den 'Tatort' kaufen können oder nur zu hohen Preisen. Da wollten sich ARD und ZDF ihren eigenen Club mit eigenen Regeln machen, und sie waren sich einig, ihre Produkte nicht anderweitig zu vertreiben, wie praktisch für beide."

Allerdings kommt Netflix (über dessen Deutschlandstart es News gibt, etwa auf der FAZ-Medienseite und bei meedia.de) nur in einer Frage vor, auf die Mundt nicht eingeht. Und die verdammt naheliegende Frage, wie Mundt denn den deutschen Marktanteil der Google-Tochter Youtube einschätzt, unterbleibt komplett. Hätte die FAZ dem lieben Fragesteller Helmut Bünder doch mal den streitbaren Michael Hanfeld zur Seite gestellt! Dann wäre das Interview noch viel aufschlussreicher geworden.

[+++] Damit nach vorne auf die Start- und Titelseiten, wo Altkanzler Gerhard Schröder wieder gut dabei ist. Der ungefähr einzige deutsche Bundeskanzler, der einmal in einem wesentlichen Punkt von US-amerikanischen Positionen abgewichen ist, ist von amerikanischen Geheimdiensten ebenfalls abgehört worden. Hätten Sie das gedacht?

"Erst Merkel, jetzt auch Schröder. Wenn die NSA mal einen Regierungschef ins Visier genommen hat, fischt sie alles ab - egal ob Mobiltelefon oder nicht. Der Altklanzler selbst gibt sich gelassen: 'Was relevant war, war doch sowieso auch öffentlich.' Die Amerikaner sehen das anders",

steht online immer noch über dem Kornelius/ Leyendecker/ Mascolo-Artikel der Süddeutschen, der das Thema wieder auf die Agenda setzte. Das heißt natürlich nicht, dass die NSA erst Angela Merkel abgehört hat und dann auch auf die Idee verfiel, mal bei Schröder nachzuhorchen. Es heißt bloß, dass die deutschen Auswerter der Snowden-Dokumente, natürlich mit Recht, erst das langjährige Ausspähen der amtierenden Bundeskanzlerin zum Thema gemacht hatten, und dann, viele Themen später, auch das länger zurückliegende Ausspähen ihres Amtsvorgängers als eine der "jüngsten Enthüllungen amerikanischer Spähaktivitäten" (tagesschau.de) hinterherschickte.

Kuriosum am Rande: Seine Spezis bei der Bild-Zeitung nennen Schröder "schwer verärgert" statt "gelassen". Wer in dieses Dickicht aus exklusiven News und weniger exklusiven, zu denen sich Politiker auf Anfrage dennoch gerne äußern, zumal, wenn sie wie Heiko Maas noch keine Minister und kaum bekannt waren, als ungefähr das gleiche schon einmal vermeldet wurde, etwas Licht mit hineinbringt: die DuMont-Presse.

Steven Geyer schrieb für Köln und Berlin nicht nur auf, "wie unübersichtlich der Skandal inzwischen geworden ist", sondern versucht auch, unter Berücksichtigung der Rolle etwa das früheren Schröder-Sprechers und jetzigen Bild-Zeitungs-Mannes Bela Anda, "Themenkarrieren in den Medien" nachzuzeichnen:

"Es sind drei Schwergewichte des Journalismus, die seit diesem Monat gemeinsam antreten, um die politische Klasse mit investigativen Recherchen aufzuschrecken: Unter der Leitung des Ex-'Spiegel'-Chefredakteurs Georg Mascolo bündeln seit 1. Februar Westdeutscher und Norddeutscher Rundfunk sowie Süddeutsche Zeitung Kräfte und Kompetenzen. Am Dienstagabend brachten sie nun ihre erste große Enthüllung auf den Markt - und berichteten: eine drei Monate alte Geschichte der 'Bild am Sonntag'."

Geyer schließt:

"So beweist der erste Scoop des neuen, mächtigen Recherche-Trios zunächst nur seine Marktmacht: Wer direkten Zugriff auf die Tagesschau und eine der größten Zeitungen hat, kann leicht sein Thema auf die Agenda setzen. Auch davor müssen Politiker freilich zittern." (KSTA/ BLZ).

Es wäre also schon gut, wenn die DuMont-Presse als überregionales, vielleicht sogar (anders) dezentrales Gegengewicht erhalten bliebe beziehungsweise: wenn sie dazu noch werden könnte.

[+++] "Aber das Medienecho ist ja schon lange kein Maßstab für Wirksamkeit mehr", meint gelassen Wolfgang Michal bei Carta. Er findet die gemeinsame Strafanzeige des Chaos Computer Clubs, des Vereins Digitalcourage und der Internationalen Liga für Menschenrechte gegen die Bundesregierung wegen ihrer Haltung der NSA gegenüber, die immerhin ein bisschen Medienecho erzeugt hatte, zwar "eine nützliche Unternehmung", zählt dann aber fünf Beispiele seit der Schröder-Ära auf, in denen auch schon Bundesregierungen verklagt worden waren, was aber jeweils überhaupt keine Folgen hatte.

Pfiffige Onlineredakteure hätten diese fünf Beispiele natürlich als Fotogalerie zum Durchklicken gestaltet.
 


Altpapierkorb

+++ Schon etwas her, dass Steffen Grimberg seinen Bert-Donnepp-Preis bekommen hatte. Da kann man natürlich den Vornamen vergessen oder -wechseln. Jedenfalls berichtet Grimberg aber von der Vergabe des jüngsten "'Bernd-Donnepp-Preises' für Medienpublizistik" an Peer Schader, den genannten Thomas Lückerath, Barbara Sichtermann sowie - sehr sozusagen - auch an den ebenfalls schon genannten Edward Snowden (NDR-Zapp). +++ Indes "Laudationes, Fotos und Mitschnitte" der Journalisten-des-Jahres-Feierlichkeit (mediummagazin.de). +++

+++ Ebenfalls vorn auf den Titelseiten: Was die EU-Kommission bzw. deren Wettbewerbskommissar Google an Kompromissen abgerungen zu haben meint. "Dies stieß bei Firmen wie Microsoft, Nokia und Tripadvisor, aber auch bei dem europäischen Verband der Zeitungsverleger auf Unverständnis und Empörung", schreibt die SZ auf Seite 1. "Google ist nicht nur Suchmaschine, sondern ein Gigant mit so umfassender Macht geworden, dass es mit Anpassungen von Suchfunktionen längst nicht mehr getan ist. Vielmehr müsste über eine Zerschlagung nachgedacht werden", fordert Javier Cáceres  auf der Meinungsseite. +++ Verlegerempörung im O-Ton. +++

+++ Meanwhile legt in der FAZ Martin Schulz, Europapolitiker der SPD und Präsident des Europäischen Parlaments, einen Starauftritt hin. "Warum wir jetzt kämpfen müssen" leuchtet als Überschrift groß rot (!) über der ersten Feuilletonseite über seinem fast ganzseitigen Artikel, den der Titelseitenaufmacher anteasert (online ähnlich). "Die Verbindung von 'big data', also der gewaltigen Sammelleidenschaft für Daten durch Private und den Staat, und 'big government', also der hysterischen Überhöhung von Sicherheit, könnte in die antiliberale, antisoziale und antidemokratische Gesellschaft münden", schreibt er unter anderem und fordert, "dass wir in Europa technologischen Anschluss halten, damit wir aus der Abhängigkeit und Kontrolle der heutigen digitalen Großmächte befreit werden, unabhängig davon, ob es sich dabei um Nationalstaaten oder globale Konzerne handelt". +++

+++ Auf der FAZ-Medienseite zeigt sich Ermano Geuer, bekannt als Kläger gegen den Rundfunkbeitrag, gewappnet für den Prozess vorm Bayerischen Verfassungsgericht, der am 25. März beginnen soll: "Was bitte soll Rundfunkempfang mit Wohnraum zu tun haben? Auch im gewerblichen Bereich sind solche Beispiele denkbar. Hat jemand zwanzig Filialen, in denen jeweils neun Personen beschäftigt sind, so zahlt er zwanzig Rundfunkbeiträge, also insgesamt 359,80 Euro im Monat; arbeiten diese 180 Personen an einem Ort, so beträgt die Abgabenlast nur 89,90 Euro. Das sind über 3000 Euro Unterschied im Jahr. Je mehr Filialen wir in das Beispiel hineinnehmen, desto größer wird die Ungerechtigkeit. Man muss sich auch vor Augen führen, dass alle Angestellten ohnehin schon privat Beiträge zahlen. Ein Nutzen des Unternehmens liegt nicht vor." +++

+++ Sozusagen Entlasung für einen Zeitschriftenverlag: Gruner+Jahr wird durch den Umzug mehrere Zeitschriften von München nach Hamburg 38 bis mehr als 50 Prozent der Mitarbeiter los (Süddeutsche). +++

+++ Zum Start der neuen "Germany’s Next Topmodel"-Staffel ersinnt Sonja Alvarez (Tagesspiegel) die "Generation Selfie", die "keiner Aufforderung zur Selbstinszenierung mehr" bedürfe. +++

+++ Das Problem, dass der Bundestag mit Akkreditierungen für Blogger knausert, schildert mit weiterführenden Links Fefe. +++

+++ Die neue deutsche RTL-Serie "Schmidt - Chaos auf Rezept" finden Hans Hoff (SZ: "überraschend großartige Arztserie", "passt zu Chips und Prosecco, aber auch zu Himbeersaft und Törtchen. Einfaches Gutfühlfernsehen mit Pfiff, das gab es lange nicht mehr") und Michael Hanfeld (FAZ: "gutgemachte Wohlfühl-Unterhaltung") gut. +++ Gesi Evers tut's nicht (TAZ: "wäre gern wie 'Doctor's Diary', hat aber sonst keine Idee", " ein Offenbarungseid"). +++ Außerdem besprochen: die britische Serie "Secret State" auf Arte (TAZ, Tsp.) +++

+++ "Es war eine verdammt dumme und eine provokative Frage, über die der israelische Fernsehsender Kanal 9 am Wochenende seine Zuschauer abstimmen ließ, aber sie diente einem wichtigen Ziel: 'Haben die Juden den Holocaust vielleicht selbst provoziert?' Kanal 9 sendet für die Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion auf Russisch, und die Abstimmung war eine Solidaritätsaktion mit dem russischen Sender Doschd", über den heute auch Julian Hans auf der SZ-Medienseite berichtet. Während Kabelnetz- und Satellitenbetreiber den Sender abschalten, habe sich "die Nachfrage im Netz verdreifacht. Auch von den Werbekunden kämen 'sehr freundliche Signale'". +++

+++ Und wo sich noch Zeitschriften stapeln: Im Büro des "Übervaters der Mediendienste", bei Günther Kress in Winnenden bei Stuttgart, der heute 85 Jahre alt wird. "Kress war der Chronist eines goldenen Zeitalters im deutschen Journalismus, die Medienelite der alten Bundesrepublik lechzte nach jeder einzelnen Ausgabe des Kressreports", schreibt die SZ in ihrer Würdigung. Herzlichen Glückwunsch auch vom Altpapier. +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.