Der Clou der "Checks" in den herausragenden Anstalten. Wo Angela Merkels nächstes Sommerinterview zu erwarten ist. Wie sich Bushido und der (nun ebenfalls rappende) Bild-Zeitungs-Wagner zueinander verhalten. Außerdem: ein starker Satz von Hans-Peter Uhl, ein Eindeutschungs-Vorschlag für "whistleblower".
Wie sagte Christine Strobl, die merkelhafte Schäuble-Tochter von der ARD-Degeto, im gestrigen, inzwischen frei online verfügbaren (aber auch sonst an Verbreitung nichts zu wünschen übrig lassenden) FAZ-Sommerinterview so hintersinnig?
"Die Degeto arbeitet mit sechseinhalb Redakteursstellen, die alle hervorragende Arbeit leisten. Trotzdem sind wir auf eine gute Zusammenarbeit mit den ARD-Sendern zwingend angewiesen. Dort sitzen überall herausragende Redakteure, die bei vielen Projekten selbstverständlich die Federführung haben."
Aus Binnensicht der Anstalten arbeiten alle hervorragend, was dem Betriebsfrieden zweifellos gut tut. Aus Sicht von draußen, wo man den Ausgangspunkt weniger gut kennt, ragt, wenn alle herausragen, andererseits zugleich niemand hervor. Dieses Wahrnehmungsgefälle kennzeichnet Arbeit und Wirkung der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die auch aktuell wieder eine Fülle neuer Erzeugnisse in Produktion geben und analysiert bekommen. In Produktion gehen zum Beispiel beim ZDF, wo sie alle genauso herausragen wie bei der ARD, neue Werke aus den Genres Krimi ("Anna Loos ist 'Helen Dorn'") und Quizshow (Jörg Pilawa, eigentlich "bereits auf dem Sprung zur ARD", stellt sich doch noch mal fürs Zweite auf die Zehenspitzen und führt durch die innovative Sendung "Wie wählt Deutschland?", vgl. dwdl.de).
Die schönste Analyse von ARD/ ZDF-Formaten steht heute auf der FAZ-Medienseite, aber noch nicht frei online. "Nirgendwo sonst im deutschen Fernsehen wird mit so großem Aufwand an so kleinen Erkenntnisgewinnen gearbeitet" wie bei den "Markenchecks" der ARD, die es beim ZDF sehr ähnlich gibt, schreibt Peer Schader dort mit der gewohnten Expertise ("2011 erfand der WDR-Journalist" Detlef Flintz "die Reihe fürs Dritte Programm und wählte den Anglizismus 'Check', weil ein klassischer 'Test' im Zweifelsfall juristischen Kriterien genügen müsste..."). Außerdem unter den TV-Besprechungen der Medienseiten bemerkenswert: Die ARD-Dokumentation über Amy Winehouse wird, obwohl sie doch eine Dokumentation ist und Kritikerbonus besitzen müsste, allgemein medioker bis schlecht gefunden (siehe Altpapierkorb).
Kurz die Frage: Steht das eingangs indirekt erwähnte, viel beachtete Merkel-Interview aus der Zeit von letzter Woche inzwischen frei online? Nein, die Verkaufsfüchse der Wochenzeitung haben es noch immer nicht freigeschaltet [Aber auf bundeskanzlerin.de ist es zu haben]. Schließlich heizt gerade eine weitere Auskopplung von Stefan Niggemeier die Aufmerksamkeit an. Unterdessen kann, wer sich dafür interessiert hat, sich auch auf den Kölner Stadtanzeiger vom Freitag freuen, in dem ein weiteres erscheinen wird. Das verspricht ksta.de unter dem Bericht über die Besichtigung seines "neuen multimedialen Newsrooms", während der die so kluge wie wissbegierige Bundeskanzlerin sich (u.a. von Herausgeber Alfred Neven DuMont) "auch intensiv über Aufbau und Inhalt der Tablet-Ausgabe" der genannten Zeitung informieren ließ.
[+++] Damit sind wir beim Glamour, den die gedruckte Presse weiterhin zu entfalten versteht. Gerade heiß in der Diskussion: der renommierte Bambi-Preis der Illustrierten Bunte. Anlass: Aufregung um homo- und anders-phobe Zeilen des Preisträgers Bushido und teilweise um eine auf niedriger Augenhöhe (also wirklich nicht herausragend) gedichtete Entgegnung des Gossengoethes der Bild-Zeitung, F.J. Wagner. Hier unter dem aktuellen Was-verdient-Bushido-Artikel, mit dem das Blatt die Sache weiterzukochen versucht, ist sie auch als Rapvideo gestaltet.
Während etwa die TAZ heute auffällig an eventuellen Kernen der Sache vorbei kommentiert ("Denn sicherlich ist es nicht schön für Claudia Roth oder Serkan Tören, wenn ihnen ihre Ermordung angedroht wird. Aber ..."), macht das eigentlich mit ziemlich zeitlosen Stücken über den Medienwandel und insbesondere seine Chancen erfreuende Portal vocer.org einen topaktuellen Punkt. Dort hält Medienanwalt Ralf Höcker, selbst eine Medien-Celebrity, ein so kräftiges wie juristisch bewanderts Plädoyer sowohl gegen Bushido, der "keinen moralischen, intellektuellen oder sozialen Wert" und sich "selbst faktisch ehrlos" gestellt habe, als auch gegen Wagner:
"Pöbel-Kolumnen wie die von F. J. Wagner sind nur möglich, weil es Leute wie Bushido gibt. (Faustregel: Je weniger Bushido, desto weniger Wagner.)"
Unterdessen wird eine neue Bambi-Kandidatin ins Spiel gebracht: Den Datenschutz-Bambi für die schon erwähnte Angela Merkel fordert Sascha Lobo in seiner SPON-Kolumne. Lobo, der bei wiederum ernsthafterer Betrachtung durchaus einen Patriotismus- bzw. Verfassungspatriotismus verdiente (schließlich kürte Jacob Appelbaum, jetzt auch bei "Jung & naiv", ihn letzte Woche in der recht herausragenden Illnershow zum größten Patrioten der Runde...), arbeitet sich also weiter am großen Thema des "NSA-Überwachungsskandals" ab. "Die Nebenbei-Gleichsetzung von deutschen und amerikanischen (Geheim-)Gerichten ist insbesondere für einen Innenminister katastrophal", schreibt er zu Hans-Peter Friedrichs viel verlachter USA-Reise. Achten Sie, wenn Sie klicken, aber auch auf Lobos innovative Disclosure unter seiner Kolumne.
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[+++] Damit sind wir also wieder beim Mega- und Metathema, dem auch heute wieder eine Fülle frischer Artikel gilt. Was Experteneinschätzungen betrifft, den Vogel ab schießt der beliebte innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl: "Wer seine Daten sichern will, wird sie wohl verschlüsseln müssen und kann nicht mehr auf seinen Nationalstaat hoffen", wird der CSU-Mann u.a. in der TAZ zitiert, die von ihm im selben Zusammenhang den Satz "Die Zeiten des Biedermeier sind vorbei" nachschiebt. Das ist historisch gewiss nicht vollkommen richtig, schließlich gab es im damaligen Deutschen Bund ein state-of-the-art-Überwachungssystem, aber ein starker Satz.
Weiteres im Schnelldurchlauf: In der FAZ erklärt Günter Bannas das zur parlamentarischen Kontrolle der deutschen Geheimdienste eingesetzte Parlamentarische Kontrollgremium für erstaunlich lächerlich. Die TAZ bittet SPD und Grüne, den auch nicht besonders glaubhaften "Dauerton lautstarker Empörung etwas herunterzuregeln", und glaubt dennoch: "Diese Affäre ist Merkels Affäre. Und sie wird es bleiben." Drei SPON-Redakteure bündeln "fünf Argumente gegen die Verharmloser" der Affäre. (Eigentlich sind es sogar mehr gute Gründe, bloß hat die Marktforschung halt ergeben, dass SPON-Leser, wenn sie mit mehr als fünf Gedanken pro Text konfrontiert werden, sowieso nicht klicken). Und bei Carta versucht ein umfassendes Feuilleton von Christoph Kappes, "das Wertefundament des Westens" im Licht der bekannt gewordenen Lage neu zu umreißen; es glänzt zumindest durch seine schön differenzierte Bebilderung (u.a. mit Mohammed Attas ehemaligem Hamburger Wohnsitz und einem Tizian-Gemälde).
Meanwhile auf der privatwirtschaftlichen Seite des amerikanischen staatlich-informationskapitalistischen Komplexes zur globalen Überwachung sorgen ein "juristischer Teilsieg" von Yahoo gegen Geheimhaltungs-Bestimmungen für Schlagzeilen (z.B. heise.de), während die FAZ-Medienseite sich über internetassociation.org ("We are the unified voice of the Internet economy") mokiert: "Jetzt schwingt sich der vor einem Jahr gegründete Lobby-Verband", zu dessen Mitgliedern NSA-Kollaborateure wie Google, Facebook, Amazon und Yahoo zählen, "auch zum Sprachrohr der Nutzer empor: Wie eine Bürgerrechtsorganisation ruft er sie dazu auf, etwas zu unternehmen, Position zu beziehen, Politiker anzusprechen."
Einen besonders großen Bogen schlägt auf der TAZ-Meinungsseite Ilija Trojanow: "Die Eliten schlagen zurück" lautet die Überschrift: "Fatwas dort, die Jagd auf Whistleblower hier". Trojanow sieht einen gemeinsamen Nenner von Hamel Abdel Samad, dem mit islamistischen Mordaufrufen konfrontierten ägyptisch-deutscher Politikwissenschaftler, und Edward Snowden.
Völlig am Rande: Gestern in der FAZ, auf der Leserbrief-Seite neben der Medienseite mit dem Strobl-Interview brachte ein Leserbrief (nicht frei online, hier aber eine ähnliche Leser-Mail) die gute Idee auf, den schwierigen Anglzismus whistleblower auch, weil Verpfeifen im Deutschen negativ konnotiert ist, nach niederländischer Art als "Glockenläuter" einzudeutschen.
+++ Punktgenau zur kürzlich rundgegangenen Trendmeldung, dass Journalisten im Korruptionsverdachts-Ansehen steigen (evangelisch.de) kam nun "Gefallen an Gefälligkeiten", die neue Kurzstudie von Transparency International und dem Netzwerk Recherche heraus (siehe ebenfalls evangelisch.de, Tagesspiegel). "Von 30 angeschriebenen Chefredakteuren von Zeitungen antworteten nur sechs auf die Anfrage von Natascha Tschernoster vom Institut für Journalistik der Technischen Universität Dortmund, und von diesen sechs beantworteten lediglich zwei die an sie gestellten Fragen", heißt es im Tsp.. +++ Der durchaus kontextsensitiv außerdem einen EPD-Bericht über von renommierten Zeitungen (Guardian, NZZ) betriebene Coffeeshops bringt. +++
+++ Circa 240 von rund 900 Interessenten für eine NSU-Prozess-Akkreditierung haben ihre Ausweise, mit denen sie angesichts überschaubaren Berichterstattungsinteresses inzwischen wohl locker in den Gerichtssaals hineindürften, bis heute nicht abgeholt (tagesschau.de). +++
+++ Heute schon um 22.45 Uhr in der ARD (schließlich macht Anne Will gerade Sommerpause): eine Doku über Amy Winehouse unter dem ARD-spezifischen Rubrum "Legenden". "Meistens erzählen Mutter, Vater, beste Freundin und Manager, wie das Unheil dieser begabten Musikerin mit der markanten alten Soul-Stimme seinen traurigen Lauf nahm und nicht mehr zu stoppen war. Dazu gibt es Archivbilder und -videos ihrer kurzen Karriere. Mehr als ein bewegter Lexikoneintrag mit Originaltönen aus dem privaten Umfeld wird es nie, wollte es vermutlich aber auch nicht sein", kritisiert Jens-Christian Rabe in der Süddeutschen. +++ "Experten [präsentieren] sattsam Bekanntes und küchenpsychologische Schlussfolgerungen als Geheimwissen", würde wiel knapp auf der FAZ-Medienseite 31 sagen. +++ Immerhin "eine beachtliche Anzahl von Familienmitgliedern, Freunden und Weggefährten", doch "die Rolle der Medien wird hier kaum reflektiert" (Tagesspiegel). "Es gelingt nur teilweise, dieser Frau, ihrer seltsamen Absenz, die sie ausstrahlt, filmisch näherzukommen. Ihren musikalischen und persönlichen Werdegang stellt Andreas Kanonenberg [der Filmautor] gut dar" (TAZ). +++
+++ Ralf Mielke, Medienredakteur bei der Berliner Zeitung, ist einer derjenigen, die "das Abfindungsangebot des Verlags angenommen" haben, schreibt meedia.de im Rahmen einer kleinen Hommage an/ eines kleinen Nachrufs auf die Ex-Medienseite der BLZ, die/ der sich wiederum auch auf einen Neues Deutschland-Bericht über das Blatt bezieht. Für unregelmäßige Leser: die kriselnde BLZ gehört zu DuMont Schauberg, der Zeitungsgruppe, deren Kölner Newsroom gerade die Bundeskanzlerin besuchte. +++
+++ Heut im Online-Medienressörtchen der BLZ: die EPD-Meldung zur Frage, ob Borussia Dortmund im Internet nicht ein Fernsehsender ist und eine Genehmigung einholen müsste. +++
+++ Sowohl SZ als auch FAZ haben heute aufbauende Print-Erfolgsgeschichten auf ihren Medienseiten. In der SZ berichtet Claudia Tieschky vom "ehemaligen Fernsehmagazin" namens ff aus dem südtirolischen Bozen. +++ "Mit dem neuen Magazin 'Flaneur' feiern drei junge Berliner die Schönheit des Urbanen - und die entschleunigende Kraft der Print-Kultur", freut sich die FAZ über eine Neuerscheinung ("Erst mag man noch die Nase rümpfen. Ist 'Flaneur' eines jener typischen Berlin-Projekte, die obercool und am Schluss irgendwie prätentiös daherkommen? Das gedruckte Heft beweist das Gegenteil...")+++
+++ "Die elektronische Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gewinnt weiter mit hohem Tempo an Lesern. Im zweiten Quartal verkaufte die F.A.Z. mehr als doppelt so viele E-Paper-Ausgaben wie im Vorjahresquartal, die Auflage wuchs um 101,6 Prozent auf 19.716 Exemplare" (FAZ-Wirtschaft, S. 13). "Die verkaufte Auflage der F.A.Z. sank um 5,7 Prozent auf 334263 Exemplare, dabei ging vor allem die Zahl der Bordexemplare und der sonstigen Verkäufe zurück."+++ "Der große Gewinner" der neuesten Media Analyse Radio: WDR3, die viel kritisierte Kulturwelle des WDR-Radios. Das hat Stefan Fischer aus der Zahlenflut für die Süddeutsche destilliert. Auch Deutschlandfunk und weitere Kultursender gewannen. +++
+++ Die Öffentlich-Rechtlichen müssen immer für alles kritisieren lassen, mal aus dieser, mal jener Richtung. Dass sie zuviel Geld für Fußballspiele ausgeben oder zu wenig. Dass sie "mal wieder zum Scheißen zu blöd sind", weil sie nicht auch noch die Barbara Schöneberger-Günther Jauch-Thommy Gottschalk-Show im Programm haben, die RTL demnächst bringen wird (TAZ-Kriegsreporterin). +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.